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Landgericht Marburg Verkündet am: 09.11.2005
Geschäfts-Nr.: 5 S 164/04
9 C 113/04 (82) Amtsgericht Marburg
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Beklagte und Berufungsklägerin
gegen
Kläger und Berufungsbeklagter
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Marburg
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2005
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Marburg vom 22.10.2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie auf den Inhalt der im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze (nebst Anlagen) der Beklagten vom 29.12.2004 (Bl. 65 ff. d. A.) und vom 11.10.2005 (Bl. 85 ff. d.A.) sowie des Klägers vom 28.01.2005 (Bl. 70 ff. d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte wendet sich gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zur Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung der Parteien für die Jahre 2001 und 2002 und beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Marburg vom 22.10.2004 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Aus den zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts hat der Kläger einen Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung für das Jahr 2001, ohne dass die Beklagte insoweit Freistellung bzw. Ausgleich von Nachteilen verlangen könnte, da die Parteien in diesem Jahr zusammen gelebt und zusammen gewirtschaftet haben, selbst wenn sie gegen Jahresende getrennte Zimmer bezogen haben. Ein von der Beklagten behaupteter Trennungszeitpunkt bereits im Jahr 2001 ist durch ihre eigene Bekundung vor dem Amtsgericht widerlegt, sie sei erst kurz vor Weihnachten 2001 in das Erdgeschoss gezogen; man habe noch gemeinsam gewirtschaftet und sie habe noch für die Familie gewaschen bis April 2002.
Nach der zutreffend zitierten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.06.2002, Az. XII ZR 288/00) und des OLG Hamm (FamRZ 2001, 98) kann in einem solchen Fall bei der Wahl der Steuerklassen III/V und fehlendem Vorbehalt eines internen Ausgleichs eine konkludente Vereinbarung zwischen den Ehegatten des Inhalts angenommen werde, dass beide Parteien nach Maßgabe ihres tatsächlichen Nettoeinkommens zum Familienunterhalt beitragen sollten und ein Ausgleich für die bei Lohnsteuerklasse V entrichtete höhere Steuerschuld nicht erfolgen sollte. Zu Unrecht macht die Beklagte ihre Zustimmung zur Zusammenveranlagung daher von der Zusage eines Ausgleichs sämtlicher Nachteile abhängig.
Gleiches gilt aber nach Auffassung der Kammer auch für die Zeit bis zum tatsächlichen Auszug der Beklagten im September 2002, da die Parteien nach dem Vortrag des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt insoweit noch gemeinsam gewirtschaftet haben, als die Lebenshaltungskosten der Parteien weitgehend von dem Konto bestritten wurden, auf das nur das Einkommen des Klägers floss. Diesem Vortrag hat die Beklagte erstinstanzlich nicht substantiiert bestritten. Sie hat lediglich eingewandt, dass der Kläger einen Betrag von 8.000,- € für sich verwandt habe; diesem Vorbringen ist der Kläger mit Schriftsatz vom 28.01.2005 unter Vorlage einer Quittung über die hälftige Auszahlung dieses Betrages an die Beklagte substantiiert entgegengetreten, ohne dass die Beklagte etwas erwidert hätte.
Soweit die Beklagte in ihrer Gegenvorstellung auf den Prozesskostenhilfebeschluss der Kammer vom 16.09.2005 einwendet, sie habe zusätzliche Kosten z.B. für Brillengläser, Schulbücher des Sohnes Paul sowie Fahrtkosten zur Schule selbst getragen, so ändert das nichts an dem nicht ausreichend bestrittenen Vortrag des Klägers, dass die Lebenshaltungskosten der Familie auch nach April 2002 „im wesentlichen“ von seinem Konto bestritten worden seien. So hat er vorgetragen, dass die Wohnkosten, sämtliche Versicherungen bis zu Steuern und Haftpflichtversicherung betreffend den Pkw der Beklagten, Telefonkosten i.H.v. ca. 200,- € monatlich sowie Mitgliedsbeiträge für Vereine (wobei die Beklagte allein in 4 Vereinen Mitglied war) von den Einkünften des Klägers bestritten worden seien. Des weiteren seien die Lebensmitteleinkäufe ebenfalls überwiegend alleine von dem Kläger getätigt worden. Diesen substantiierten Ausführungen ist die Beklagte, indem sie einwendet, die Lebenshaltungskosten für sich und die Kinder im wesentlichen selbst getragen zu haben, nicht ausreichend entgegengetreten. Soweit sie die oben beschriebenen Ausgaben für Brillengläser etc. selbst getragen hat, ändert das nichts daran, dass der Kläger die Lebenshaltung der Parteien überwiegend finanziert hat. Einen (geringeren) Beitrag hierzu hat die Beklagte bereits während der funktionierenden Ehe geleistet, als man noch vom gemeinsamen Konto, auf das auch das Einkommen der Beklagten floss, gelebt hat. Wenn dann nach der Kontentrennung weiterhin der Hauptteil der Lebenshaltungskosten vom Einkommen des Klägers und ein geringerer Teil vom Einkommen der Beklagten bestritten worden ist, entspricht das der Handhabung der Parteien in der Ehe. Auch insoweit war es für die Parteien von Vorteil, wenn das höhere Einkommen des Klägers verhältnismäßig niedriger besteuert wurde und so der Lebenshaltung zur Verfügung stand. Solange die Parteien noch gemeinsam wirtschafteten, also auch für die Zeit bis einschließlich August 2002, ist nach alldem vom Fortbestand der konkludenten Vereinbarung auszugehen, dass der höhere Steuerabzug nicht ausgeglichen werden soll.
Für Zeit ab September 2002 ist die Beklagte allerdings nur zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung verpflichtet, wenn der Kläger sich im Gegenzug verpflichtet, sie von den Nachteilen, die ihr aus der Zusammenveranlagung entstehen, freizustellen. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger eine solche Erklärung bereits im Schreiben vom 25.02.2003 (Bl. 6 f. d.A.) abgegeben, wenn es dort heißt, dass der Mandant bereit sei, den Ausgleich vorzunehmen für die letzten 4 Monate des Jahres 2002.
Darüber hinaus ist der Anspruch des Klägers auch nicht von der Zusage des Ersatzes der Steuerberatungskosten abhängig, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, da die Beklagte nicht vorgetragen hat, warum die Zustimmung zur Zusammenveranlagung ihr ohne Zuziehung eines Steuerberaters nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, a.a.O.).
Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,711, 713 ZPO.
Die Revision gegen das Urteil war nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1,2 ZPO).
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