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http://www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/dokumente_auf_deutsch/volltext/entscheidungen/20070515-K.asp#TopOfPage
Entscheidung
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Fünfte Sektion
Anonymisierte nichtamtliche Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Bundesministerium der Justiz, Berlin
15/05/07 ENTSCHEIDUNG über die Individualbeschwerde Nr. 23462/03 J. B. K. gegen Deutschland
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 23462/03
J. B. K. ./. Deutschland
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 15. Mai 2007 als Kammer mit den Richtern
Herrn P. LORENZEN, Präsident,
Herrn K. JUNGWIERT,
Herrn V. BUTKEVYCH,
Frau M. TSATSA-NlKOLOVSKA,
Herrn J. BORREGO BORREGO,
Frau R. JAEGER,
Herrn M. VILLIGER,
und Frau C: WESTERDIEK, Sektionskanzlerin,
im Hinblick auf die Entscheidung, Artikel 29 Abs. 3 der Konvention anzuwenden und die Zulässigkeit und Begründetheit der Rechtssache gleichzeitig zu prüfen,
unter Berücksichtigung der förmlichen Erklärungen, mit denen eine gütliche Einigung in der Rechtssache angenommen wird,
nach Beratung wie folgt entschieden:
SACHVERHALT
Der 1962 geborene Beschwerdeführer, Herr J. B. K., ist deutscher und polnischer Staatsangehöriger und in Wloclawek (Polen) wohnhaft.
Die beklagte Regierung wird von ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Frau Ministerialdirigentin A. Wittling-Vogel vom Bundesministerium der Justiz, vertreten.
Der von den Parteien vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:
1992 heiratete der Beschwerdeführer in Berlin eine polnische Staatsangehörige und lebte in Deutschland mit ihr zusammen. Sie haben drei gemeinsame Kinder, zwei Töchter und einen Sohn. Nach der Geburt des Sohnes im Jahre 1999 kehrte die Familie nach Polen zurück. Im August 2000 trennten sich der Beschwerdeführer und seine Ehefrau dauerhaft und die Ehefrau und die drei Kinder kehrten nach Deutschland zurück. Am 1. September 2000 reichte die Ehefrau des Beschwerdeführers beim Amtsgericht Pankow/Weißensee die Scheidung ein und beantragte das alleinige Sorgerecht für die Kinder
Am 6. September 2001 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Berlin Pankow/Weißensee, dass im Wege einer einstweiligen Verfügung über sein Umgangsrecht entschieden werde.
Am 28. Dezember 2002 erhob der Beschwerdeführer beim Kammergericht Untätigkeitsbeschwerde gegen das Amtsgericht. Am 24. März 2003 wies das Kammergericht die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück und führte aus, die Rechtssache sei schwieriger Natur und es gebe keinen Hinweis auf eine vom Amtsgericht verursachte willkürliche Verzögerung.
Am 25. November 2003 hob das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Kammergerichts auf und führte aus, die Untätigkeit des Amtsgerichts verletze das Recht des Beschwerdeführers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes.
Im Frühjahr und Sommer 2004 erhob der Beschwerdeführer beim Präsidenten des Amtsgerichts und beim Kammergericht Beschwerde wegen fortdauernder Untätigkeit des Amtsgerichts.
Am 20. September 2004 wies das Kammergericht das Amtsgericht an, dem Verfahren unverzüglich Fortgang zu geben.
Am 8. Oktober 2004 stellte das Amtsgericht fest, dass der Beschwerdeführer berechtigt sei, jeden zweiten Samstag für die Dauer von zwei Stunden begleiteten Umgang mit seinem Sohn zu haben, schloss jedoch das Recht des Beschwerdeführers auf Umgang mit seinen Töchtern für die Dauer von zwei Jahren aus.
Am 21. Februar 2005 bestätigte das Kammergericht die Entscheidung des Amtsgerichts soweit sie den Umgang mit seinem Sohn betraf, hob aber den Ausschluss des Umgangs mit seinen Töchtern auf. Es gestattete dem Beschwerdeführer, jeden dritten Sonntag für die Dauer von vier Stunden begleiteten Umgang mit ihnen zu haben.
RÜGEN
Der Beschwerdeführer rügte nach Artikel 6 Abs. 1 der Konvention die Untätigkeit des Amtsgerichts Pankow/Weißensee und die sich daraus ergebende Dauer des Verfahrens betreffend seinen Antrag auf Entscheidung über sein Umgangsrecht.
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
Am 11. April 2007 ging bei dem Gerichtshof die folgende Erklärung des Beschwerdeführers vom 2. April 2007 ein:
„Ich, Herr J. B. K., stelle fest, dass die Regierung Deutschlands in dem Bestreben, in der vorbezeichneten, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Sache eine gütliche Einigung zu erreichen, mir die freiwillige Zahlung von 5.000 Euro anbietet.
Auf diesen Betrag, der alle materiellen und immateriellen Schäden sowie Kosten und Auslagen abdecken soll, fallen keine ggf. anwendbaren Steuern an. Er ist zahlbar binnen drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Gerichtshofs nach Artikel 37 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Nach Ablauf der vorgenannten Frist von drei Monaten bis zur Auszahlung fallen für den oben genannten Betrag einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht.
Ich nehme diesen Vorschlag an und verzichte auf etwaige weitergehende Ansprüche gegen Deutschland in Bezug auf den Sachverhalt, der dieser Beschwerde zu Grunde liegt. Ich erkläre, dass die Angelegenheit damit endgültig erledigt ist.“
Am 13. April 2007 ging bei dem Gerichtshof die folgende Erklärung der Regierung vom 11. April 2007 ein:
„Ich, Herr Hans-Jörg Behrens, Vertreter der Verfahrensbevollmächtigten der Regierung, erkläre, dass die Regierung Deutschlands in dem Bestreben, in der vorbezeichneten, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Sache eine gütliche Einigung zu erreichen, die freiwillige Zahlung von 5.000 Euro an Herrn J. B. K. anbietet.
Auf diesen Betrag, der alle materiellen und immateriellen Schäden sowie Kosten und Auslagen abdecken soll, fallen keine ggf. anwendbaren Steuern an. Er ist zahlbar binnen drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Gerichtshofs nach Artikel 37 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Sollte die Regierung diesen Betrag nicht innerhalb der genannten Drei-Monats-Frist zahlen, ist sie nach Ablauf dieser Frist bis zur Auszahlung zur Zahlung einfacher Zinsen in Höhe eines Zinssatzes verpflichtet, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht. Mit der Zahlung ist die Angelegenheit endgültig erledigt.“
Der Gerichtshof nimmt die zwischen den Parteien erreichte gütliche Einigung zur Kenntnis. Er ist überzeugt, dass die Einigung auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte getroffen wurde, wie sie in der Konvention und ihren Protokollen anerkannt sind, und stellt fest, dass keine Gründe der öffentlichen Ordnung vorliegen, die eine weitere Untersuchung der Beschwerde rechtfertigen würden (Artikel 37 Abs. 1 in fine der Konvention). Folglich sollte Artikel 29 Abs. 3 der Konvention auf die vorliegende Rechtssache keine Anwendung mehr finden und die Rechtssache sollte im Register gestrichen werden.
Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof einstimmig,
die Beschwerde in seinem Register zu streichen.
Claudia Westerdiek
Peer Lorenzen
Kanzlerin
Präsident
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