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Art. 8 EMRK und Art. 14 EMRK
SALGUEIRO DA SILVA MOUTA gegen Portugal
Urteil vom 21. Dezember 1999
Diskriminierung eines Homosexuellen im Zusammenhang der Übertragung des Sorgerechts an seine geschiedene Gattin
Sachverhalt:
Der Bf. war verheiratet, der Ehe entstammte eine Tochter. 1990 trennte er sich von seiner Frau und lebte seither mit einem gleichgeschlechtlichen Lebenspartner zusammen. Im Zuge der 1991 erfolgten Scheidung vereinbarten die Eltern einvernehmlich, das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter bei der Mutter zu belassen. In der Folge wurde dem Bf. der Besuch seiner Tochter von seiner geschiedenen Gattin – entgegen einer bei der Scheidung ebenfalls getroffenen Vereinbarung - verweigert. Daraufhin stellte er einen Antrag an das zuständige Gericht, ihm das Sorgerecht zu übertragen: Seine geschiedene Gattin verweigerte ihm den Zugang zu seiner Tochter, diese befinde sich außerdem in Obhut ihrer Großeltern mütterlicherseits und er könne besser für sie sorgen.
Das Gericht gab dem Antrag statt.
1996 gab das Gericht 2. Instanz einem gegen den Beschluss des Erstgerichts eingebrachten Rechtsmittel der geschiedenen Gattin Folge und sprach wiederum ihr das Sorgerecht zu. Seine Entscheidung begründete es im wesentlichen damit, dass die Übertragung des Sorgerechts an die Mutter im Interesse des Kindes sei und der Bf. als Homosexueller in Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann lebe. Gegen das Urteil war kein Rechtsmittel mehr zulässig.
Rechtsausführungen:
Der Bf. behauptet, seiner geschiedenen Gattin sei das Sorgerecht ausschließlich wegen seiner homosexuellen Ausrichtung zugesprochen worden. Er rügt eine Verletzung seines Rechts auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK, alleine und iVm. Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot). Er behauptet weiters, aufgrund des Urteils gezwungen zu sein, seine Homosexualität vor seiner Tochter zu verbergen, was ebenfalls eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstelle.
Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK iVm. Art. 14 EMRK:
Das Urteil des Gerichts 2. Instanz stellt einen Eingriff in das Recht des Bf. auf Achtung seines Privat- und Familienlebens dar. Dieser verfolgte ein legitimes Ziel, nämlich den Schutz des Wohlergehens und der Rechte des Kindes. In seiner Entscheidungsbegründung hatte das Gericht zwar das Kindeswohl als wesentlichen Faktor angeführt, gleichzeitig aber auf eine neue Tatsache hingewiesen, nämlich die Homosexualität des Bf. und seine Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann. Der Bf. wurde somit wegen seiner sexuellen Ausrichtung anders behandelt als seine geschiedene Gattin. Nach Art. 14 EMRK ist eine unterschiedliche Behandlung dann diskriminierend, wenn sie keine objektive und sachliche Rechtfertigung aufweist, dh. kein legitimes Ziel verfolgt oder zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel kein angemessenes Verhältnis besteht. Zu prüfen ist, ob die Homosexualität des Bf. für sich allein einen direkten Einfluss auf die Entscheidung hatte.
Das Gericht stellte fest, dass für die Entziehung des Sorgerechts der Mutter durch das Erstgericht keine ausreichenden Gründe bestanden hatten, dies auch angesichts der ausdrücklichen Vereinbarung der Eltern, das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter bei der Mutter zu belassen. Es führte weiters aus, dass der Kindesmutter das Sorgerecht auf jeden Fall aus folgenden Gründen zugesprochen werden hätte müssen: Der Bf. sei homosexuell und lebe mit einem anderen Mann zusammen, seine Tochter solle aber in einer traditionellen portug. Familie leben und es sei nicht notwendig zu prüfen, ob Homosexualität eine Krankheit oder eine sexuelle Ausrichtung unter Personen des gleichen Geschlechts sei. Auf jeden Fall handle es sich um eine Abnormalität, und Kinder sollten nicht unter abnormalen Verhältnissen aufwachsen.
Die Homosexualität des Bf. war somit ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts und führte zu einer Unterscheidung aufgrund von Faktoren, die sich auf die Sexuelle Ausrichtung des Bf. bezogen, was mit der Konvention unvereinbar ist. Dazu kommt, dass der Bf. vom Gericht angewiesen wurde, sich bei Besuchen seiner Tochter wohl zu verhalten, damit in ihr nicht der Eindruck entstehe, er lebe mit einem anderen Mann – ähnlich einer Ehe – zusammen. Verletzung von Art. 8 EMRK iVm. Art. 14 EMRK (einstimmig).
Keine gesonderte Prüfung der behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK angesichts der im wesentlichen übereinstimmenden Sachlage, was den soeben geprüften Beschwerdepunkt betrifft (einstimmig).
Entschädigung nach Art. 41 EMRK:
Der Bf. hatte zwar eine gerechte Entschädigung beantragt, es aber unterlassen, das Ausmaß seines Schadens zu bemessen. Unter diesen Umständen stellt das Urteil selbst eine ausreichend gerechte Entschädigung dar. PTE 2.150.000,-- für Kosten und Auslagen (einstimmig).
Anm.: Vgl. den vom GH zitierten Fall Hoffmann/A, Urteil v. 23.6.1993, A/255-C (= NL 93/4/11 = EuGRZ 1996, 648 = ÖJZ 1993, 853).
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Schumacher @ zweitfrauen.de