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Hallo zusammen,
ich habe gerade in einem anderen Forum folgenden Beitrag gefunden:
ALG II - jetzt also doch: Einkommen von unverheirateten Stiefeltern wird voll für die Bedarfsgemeinschaft angerechnet.
Nachdem es zwischenzeitlich anders aussah (siehe Rundbrief 1/06), ist im sogenannten Hartz IV -Fortentwicklungsgesetz (das bis Juni noch ?Optimierungsgesetz" hieß) jetzt doch die Ausweitung der Bedarfsgemeinschaft auf nichteheliche Stieffamilien eingeführt worden. Die Neuregelung tritt zum 1. August 2006 in Kraft.
§ 9 Abs. 2 Satz 2 lautet nunmehr:
?Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen ".
Eigene Unterhaltsverpflichtungen des Stiefelternteils werden dabei nur als Abzugsposten berücksichtigt, wenn sie in einem Unterhaltstitel (z.B. Urteil) oder in notariell beurkundeter Form vorliegen. Weitere - über die normalen Freibeträge hinausgehende - Freibeträge für unverheiratete Stiefeltern sind nicht vorgesehen.
Damit ergibt sich eine krasse Ungleichbehandlung zu solchen Familien, in denen Eltern- und Stiefelternteils verheiratet sind. Dort gibt es gemäß § 9 Absatz 5 SGB II eine deutliche weitergehende Freibetragsregelung für den Stiefelternteil.
Außerdem ist der Stiefelternteil schlechter gestellt, als ein leiblicher Elternteil, der auf Unterhalt in Anspruch genommen wird, denn ihm wird nicht einmal der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt zugestanden.
Auch kann der Stiefelternteil nicht mit Hinweis auf die ihm aus der Bedarfsgemeinschaft auferlegte Belastung für das Stiefkind seine eigenen Unterhaltsverpflichtungen reduzieren (BGH 11.5.05 XII ZR 211/02).
Vermutung der eheähnlichen Gemeinschaft:
Wer als Partner des Elternteils gilt, ist neu geregelt, das Gesetz vermutet die Partnerschaft dann, wenn:
• beide in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
• Dieser Wille wird vermutet, wenn die Partner
• länger als ein Jahr zusammenleben
• mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben
• Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen
• befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Wir empfehlen:
Vor dem Zusammenziehen mit dem Partner gut überlegen, ob die finanziellen Einbußen nicht zu hoch sind. Vorher durchrechnen, welche Änderungen sich aufgrund der Anrechnung des Partner-Einkommens ergeben.
Wenn sie selbst der Stiefelternteil sind: Eigene Unterhaltsverpflichtungen in jedem Fall titulieren lassen, auch wenn sie bislang freiwillig gezahlt haben. Für Kindesunterhalt können sie dies beim Jugendamt vornehmen lassen. Für den Ehegattenunterhalt zum Notar gehen.
Erhalten Sie einen ablehnenden Bescheid oder einen Änderungsbescheid aufgrund der Neuregelung:
Legen Sie Widerspruch ein und klagen Sie gegen den Bescheid.
Nach unserer Einschätzung ist die Neuregelung verfasssungswidrig, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt und den neuen Partner unverhältnismäßig belastet. Außerdem ergibt sich ein Wertungswiderspruch zum geltenden Unterhaltsrecht. Nur wenn möglichst viele Gerichte mit den entsprechenden Bescheiden befasst werden, kann es zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommen!
Hartz IV und ALG II beeinträchtigen Stieffamilien
Bei der Berechnung des Arbeitslosengeld II (ALG II) trauen viele Stieffamilien ihren Augen nicht. Die Gleichstellung mit der Kernfamilie ist erreicht, egal ob verheiratet oder nicht, der Stiefelternteil ist plötzlich vollwertiges Zahlmitglied der Familie, sprich: der Bedarfsgemeinschaft. Dass er selbst vielleicht noch Unterhaltspflichten aus einer ersten Ehe erfüllt: egal.
"Jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft hat sein Einkommen und Vermögen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen".
So haben wir uns die Gleichstellung von Stiefkindern aber nicht vorgestellt.
Worum geht es konkret?
Hier ein Beispielsfall: Frau Müller ist geschieden und betreut zwei kleine Kinder, für die der leibliche Vater keinen Unterhalt zahlt. Sie lernt Herrn Meier kennen, beide ziehen zusammen. Herr Meier war auch schon mal verheiratet und leistet für seine beiden Kinder aus erster Ehe Unterhalt. Frau Müller beantragt für sich und ihre Kinder Unterstützung nach dem neuen SGB II (Arbeitslosengeld II).
Nach § 7 SBG II i.V.m. § 9 bilden alle eine sogenannte "Bedarfsgemeinschaft", und das, obwohl Herr Meier sehr wohl genug für sich selbst verdient. Sein Einkommen wird nun zur Deckung des Bedarfs aller herangezogen. Dabei sieht das Gesetz nicht einmal einen angemessenen Selbstbehalt für Herrn Meier vor. Abzusetzen sind nur die in § 11 Absatz 2 SGB II vorgesehenen Posten. Hierbei fehlt leider auch die Möglichkeit, den von ihm an seine Kinder geleisteten Unterhalt abzuziehen. Folge: Für die Berechnung des ALG II wird so getan, als bestünde die Unterhaltsbelastung gar nicht. Soll Herr Meier nun an seine leiblichen Kinder gar keinen Unterhalt mehr leisten? Sind die Stiefkinder (die rechtlich überhaupt keine sind, weil beide ja nicht verheiratet sind) nun vorrangig vor den leiblichen Kindern? Ein unlösbares Dilemma, denn Herr Meier dürfte erhebliche Schwierigkeiten bekommen, wenn er plötzlich die Unterhaltszahlungen einstellt, mit der Begründung, das Geld würde nun in der neuen "Bedarfsgemeinschaft" gebraucht.
Erste Gerichtsurteile von Sozialgerichten gehen unterschiedlich mit diesem Problem um:
Das Sozialgericht Aurich stellt in einer einstweiligen Anordnung vom 8.2.05 fest: "Würde das Einkommen des Stiefvaters bei der Bedarfsberechnung von Ansprüchen der Stiefkinder in vollem Umfang in Ansatz gebracht, so wäre der Stiefvater im Verhältnis zum leiblichen -unterhaltspflichtigen - Vater, wirtschaftlich schlechter gestellt, da dieser wenigstens Anspruch auf einen angemessenen Selbstbehalt habe". Die genaue "Alternativberechnung" des AG Aurich kann hier nachgelesen werden:
Ich fasse es nicht!
Gruß Pumperl