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OLG Frankfurt a.M.: Beiordnung eines Rechtsanwalts in Kindschaftssachen
JW 2007 Heft 4 230
Beiordnung eines Rechtsanwalts in Kindschaftssachen BGB §§ 1600ff.; ZPO §§ 640, 121 II
Bei Kindschaftssachen ist grundsätzlich wegen ihrer existenziellen Bedeutung die Beiordnung eines Anwalts erforderlich. Der verfassungsrechtlich gewährte Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit gebietet die Beiordnung grundsätzlich auch im Amtsermittlungsverfahren, denn die Aufklärungs- und Beratungspflicht eines Anwalts geht über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinaus.
OLG Frankfurt a.M., Beschluß vom 9. 10. 2006 - 5 WF 175/06
Zum Sachverhalt:
Der Kl. begehrte Prozesskostenhilfe für seine Vaterschaftsanfechtungsklage sowie Beiordnung seiner Rechtsanwältin. Das AG hat dem Kl. mit dem angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe für seine Vaterschaftsanfechtungsklage bewilligt, die Beiordnung seiner Rechtsanwältin jedoch unter Hinweis auf § 121 II ZPO abgelehnt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Kl., der das AG nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
Eine anwaltliche Vertretung des Kl. erscheint gem. § 121 ZPO geboten. Dies ist bei Kindschaftssachen wegen ihrer existenziellen Bedeutung grundsätzlich anzunehmen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl, § 121 Rdnr. 6 m.w. Nachw.). Der Senat schließt sich damit der Rechtsprechung des 3. Senats für Familiensachen (OLG Frankfurt a.M., OLG-Report 2006, 827) an, der zu Recht darauf abgestellt hat, dass einem Laien in der Regel nicht bekannt ist, welche Voraussetzungen vorliegen und eingehalten werden müssen, damit eine Vaterschaftsanfechtungsklage Aussicht auf Erfolg hat (ebenso OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 241).
Der Senat folgt insbesondere der weiteren Argumentation des 3. Senats, dass der verfassungsrechtlich gewährte Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit die beantragte Beiordnung regelmäßig gebietet, weil auch im Amtsermittlungsverfahren die arme Partei nicht schlechter gestellt werden darf als eine, die in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen (vgl. BVerfG, NZS 2002, 420 = FamRZ 2002, 531; hinsichtlich der Zitatstelle liegt in 3 WF 44/06 nur ein Schreibversehen vor). Die unter Hinweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz allerdings nur für besonders einfach gelagerte Fälle im Ergebnis abweichende Entscheidung des 4. Senats für Familiensachen (OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2006, 1376 = OLG-Report 2006, 827, gestützt auf die frühere Rechtsprechung des 28. Zivilsenats) ist vor dieser Entscheidung des BVerfG ergangen; der Entscheidung des 6. Senats für Familiensachen (OLG Frankfurt a.M., ebenfalls OLG-Report 2006, 827 = BeckRS 2006, 07447) liegt insofern ein anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde, als dort das Kind klagte und bereits durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger sachkundig vertreten war.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass auch ein bemittelter Kl. sich für ein Verfahren mit so weitreichender Bedeutung eines Anwalts bedient hätte. Eine Beweisaufnahme mit der Kindesmutter und einem als Vater des beklagten Kindes in Betracht kommenden Zeugen ist für den 2. 11. 2006 anberaumt. Ob danach noch ein Gutachten benötigt wird oder nicht, ist eine durchaus offene und bedeutsame Frage, zu der der Kl. vor einer etwaigen Stellungnahme sachkundigen Rechtsrat in Anspruch nehmen darf, wobei die Aufklärungs- und Beratungspflicht eines Anwalts über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinausgeht (BVerfG, NZS 2002, 420 = FamRZ 2002, 531).
Anm. d. Schriftltg.:
Vgl. zur Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Zwangsvollstreckung von Kindesunterhalt BGH, NJW 2006, 1204.