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OLG Jena: Schadensersatzklage wegen unrichtiger Angaben des Scheinvaters im Vaterschaftsanfechtungsprozess
NJW 2007 Heft 4 229
Schadensersatzklage wegen unrichtiger Angaben des Scheinvaters im Vaterschaftsanfechtungsprozess BGB §§ 823 II, 826, 1599, 1600b
Hat der Scheinvater (Ehemann) in dem von ihm mit Erfolg betriebenen Vaterschaftsanfechtungsverfahren unrichtige Angaben gemacht (hier: über den Zeitpunkt seiner Kenntnis von der Nichtvaterschaft), steht dem Erzeuger kein Schadensersatzanspruch gegen den Scheinvater zu. (Leitsatz der Redaktion)
OLG Jena, Urteil vom 15. 3. 2006 - 4 U 159/05
Zum Sachverhalt:
Der Kl. ist leiblicher Vater des am 21. 4. 1990 geborenen C. Dieser galt als eheliches Kind des Bekl., da dieser zum Zeitpunkt der Geburt mit der Kindesmutter verheiratet war. Der jetzige Bekl. erhob im Jahre 2000 Vaterschaftsanfechtungsklage gegen C (43 F 694/00). In diesem Verfahren ließ er vortragen, dass er am 27. 10. 2000 von der Kindesmutter erfahren habe, dass er nicht der leibliche Vater sei. Außerdem muss laut dem Urteil vom 16. 1. 2001 in der mündlichen Verhandlung vor dem FamG am 16. 1. 2001 von dem damaligen Kl. und der Kindesmutter übereinstimmend erklärt worden sein, dass der damalige Kl. nicht der Vater sein könne, da er während der gesetzlichen Empfängniszeit der Kindesmutter nicht beigewohnt habe. Mit Urteil vom 16. 1. 2001 gab das FamG der Vaterschaftsanfechtungsklage des damaligen Kl. statt. Dieses Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
Im Verfahren 43 F 189/01 wurde durch Urteil vom 20. 8. 2002 die Vaterschaft des Kl. festgestellt. Auch dieses Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Mit der vorliegenden Klage macht der Kl. gegen den Bekl. sowohl die Zahlung als auch die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs geltend. Er hat behauptet, der Bekl. habe bereits im Jahre 1989, spätestens aber mit der Geburt des C, von seiner fehlenden Vaterschaft erfahren und das AG durch den Vortrag, er habe erst im Oktober 2000 von seiner fehlenden Vaterschaft erfahren, in sittenwidriger Weise getäuscht. Er ist der Ansicht, ihm stehe gegen den Bekl. sowohl ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 II BGB i.V. mit § 263 StGB als auch gem. § 826 BGB zu.
Das LG hat eine Beweisaufnahme durchgeführt, bei der es die Kindesmutter und den sie im Ermittlungsverfahren gegen den Bekl. vernehmenden Polizisten als Zeugen vernommen hat. Im Ergebnis hat es der Klage unter dem Gesichtspunkt des Prozessbetrugs (§ 823 II BGB i.V. mit § 263 StGB) und der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) stattgegeben, da nach Durchführung der Beweisaufnahme zu seiner Überzeugung feststehe, dass der Bekl. im Verfahren vor dem AG (43 F 694/00) bewusst falsch zum Zeitpunkt der Kenntnis von seiner fehlenden Vaterschaft vorgetragen habe. Dabei glaubt das LG der Aussage der Kindesmutter vor der Polizei, bei der sie bekundet hatte, der Bekl. wisse schon seit 1989, dass er nicht der Vater sei. Hingegen habe die Kindesmutter bei ihrer Aussage vor Gericht, in der sie ihre vor der Polizei gemachte Aussage „widerrufen“ hat, gelogen. Außerdem sei der sie vernehmende Polizist glaubwürdig. Auf die Berufung des Bekl. wurde die Klage abgewiesen.
Aus den Gründen:
II. Dem Kl. steht gegen den Bekl. kein Schadensersatzanspruch, weder aus § 823 II BGB i.V. mit § 263 StGB noch aus § 826 BGB, zu.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann es dahingestellt bleiben, ob der Bekl. im Rahmen des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses vor dem AG (43 F 694/04) eine unwahre Tatsache zum Zeitpunkt seiner Kenntnis davon, dass er nicht der leibliche Vater von C ist, vorgetragen hat. Dem Kl. steht bereits aus Rechtsgründen kein Schadensersatzanspruch zu. Denn das Ehelichkeitsanfechtungsverfahren dient nicht dem Schutz des nichtehelichen Vaters, so dass sich der Kl. im vorliegenden Rechtsstreit nicht auf einen behaupteten unwahren Tatsachenvortrag des jetzigen Bekl. in jenem Verfahren berufen kann.
Aus § 1599 I BGB ergibt sich, dass niemand gerichtlich oder außergerichtlich die mit der Geburt zunächst eingetretene (eheliche) Abstammung des Kindes vom Ehemann in Frage stellen und sich auf nichteheliche Abstammung mit deren Folgen berufen darf (Seidel, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 1592 Rdnr. 46). Dieses Verbot soll dem Wohl des Kindes und dem Familienfrieden dienen. Es bezweckt jedoch nicht den Schutz des möglichen außerehelichen Vaters (BGHZ 92, 275 [278] = NJW 1985, 386; Seidel, in: MünchKomm, § 1592 Rdnr. 46). Ihn treffen nur die Auswirkungen des ergehenden Gestaltungsurteils im Ehelichkeitsanfechtungsprozess, so dass die Möglichkeit besteht, dass er fortan als nichtehelicher Vater in Anspruch genommen werden kann. Ein unmittelbarer Eingriff in seine Rechtsstellung oder in rechtlich besonders geschützte Belange ist mit dem Urteil nicht verbunden. Denn über seine Rechtstellung als Vater und über die sich daraus ergebende Unterhaltspflicht befindet das Urteil im Anfechtungsprozess nicht.
Das Gesetz betrachtet die Anfechtung der Ehelichkeit mithin als Angelegenheit, die nur die Eheleute und das Kind etwas angeht (BGHZ 83, 391 [394] = NJW 1982, 1652). Daher kann der als nichtehelicher Vater in Betracht kommende Mann auch nicht mit seiner Auffassung gehört werden, der Ehelichkeitsanfechtungsklage sei zu Unrecht stattgegeben worden, da die Anfechtungsfrist versäumt gewesen sei. Aus der behaupteten Versäumung der Anfechtungsfrist kann er vielmehr nichts zu seinen Gunsten herleiten (BGHZ 83, 391 [394] = NJW 1982, 1652; BGH, BGHR ZPO § 69 Ehelichkeitsanfechtung 1).
Da mit dem Urteil im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren vor dem AG vom 16. 1. 2001 (43 F 694/00) nicht unmittelbar in die Rechtsstellung des Kl. eingegriffen worden ist, liegen zudem die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB und eines Prozessbetrugs gem. § 263 I StGB nicht vor.
Die Klage kann auch nicht unter Hinweis des Kl. auf die Entscheidungen des BGH vom 6. 5. 1998 (NJWE-FER 1998, 197 = FamRZ 1998, 1577) und vom 24. 3. 1999 (NJW 1999, 1862) Erfolg haben. Zwar hat sich der BGH im Urteil vom 24. 3. 1999 mit dem Sinn der Anfechtungsfrist und im Beschluss vom 6. 5. 1998 mit den Interessen des Kindes und des Scheinvaters befasst. Die Rechtsstellung des nichtehelichen Vaters gegenüber dem Scheinvater war jedoch in beiden Entscheidungen nicht streitgegenständlich. Vielmehr betrafen beide Entscheidungen Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Kind und dem Scheinvater. Zudem enthalten beide Entscheidungen keinen Rechtsgedanken, der der vorliegenden Klage zum Erfolg verhelfen könnte und der dem tragenden Entscheidungsgrund dieses Urteils entgegensteht.
(Mitgeteilt vom Rechtsanwalt J. Drescher, Dresden) Anm. d. Schriftltg.:
Zu den Rechtsmitteln des biologischen Vaters im Vaterschaftsanfechtungsverfahren vgl. OLG Oldenburg, NJW-RR 2005, 1022. Vgl. zur Vaterschaftsanfechtungsklage auf Grund heimlich eingeholten DNA-Gutachten OLG Koblenz, NJW 2006. 1742. Zur Frage der Amtspflichtverletzung, wenn das Gericht im Vaterschaftsanfechtungsprozess die Ausschlussfrist des § 1600b BGB nicht beachtet, s. BGH, NJW 2007, 223 (unter Nr. 11 in diesem Heft).