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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Az.: 10 A 37/01
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Verwaltungsrechtssache
- Klägerin
gegen
- Beklagter,
Streitgegenstand: Sozialhilferecht
hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 10. Kammer – ohne mündliche Verhandlung am 13. Juni 2002 durch die Richterin am Verwaltungsgericht als Einzelrichterin für Recht erkannt:
Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 16.10.2000 und 31.01.2001 verpflichtet, der Klägerin für jeden Tag und für jedes der beiden Kinder 1/30 der maßgeblichen Regelsätze für die Zeit der Ausübung des Besuchsrecht während der Herbstferien vom 21.10.2000 bis zum 28.10.2000 zu gewähren
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte
Gerichtskosten werden nicht erhoben
Tatbestand
Die Klägerin erhält vom Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie begehrt einen Mehrbedarf für die Ausübung des Umgangs mit den Kinder XXX und YYY
Die Klägerin ist geschieden. Das Sorgerecht für die beiden Kinder hat der Vater. Das dritte Kind ZZZ wohnt bei der Klägerin, die für diese das Sorgerecht ausübt
Es wurde eine Umgangsregelung betreffend XXX und YYY getroffen, nach der diese sich in den Ferien vom 21.10. - 28.10.2000 bei der Mutter aufhalten sollten
Mit Schreiben vom 11.10.2000 beantragte die Klägerin einen Mehrbedarf, weil sie die Kinder während dieser Zeit versorgen müsse
Mit Bescheid vom 16.10.2000 wurde der Antrag abgelehnt. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 31.01.2001 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin mache einen Bedarf geltend, der gegebenenfalls den Kindern zustehe. Dieser Bedarf müsse bei dem für die Kinder örtlich zuständigen Sozialhilfeträger, dem Kreis BBB, geltend gemacht werden. Außerdem sei die Einkommenssituation der Kinder nicht bekannt, so dass auch die Bedürftigkeit der Kinder nicht nachgewiesen werden sei
Am 15.02.2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, der Beklagte berücksichtige nicht die zivilrechtlich bestehende Pflicht der Klägerin, die Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts zu tragen. Sie als zivilrechtlich Verpflichtete sei auch anspruchsberechtigt für den entsprechenden sozialhilferechtlichen Bedarf
Sie beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 16.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Mehrbedarf für die Versorgung der Kinder in den Ferien vom 21.10.2000 bis zum 28.10.2000 zu gewähren
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen
Er verweist auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Er ist der Auffassung, nach der Änderung des Umgangsrechts im Jahr 1998 sei dieses ein Recht des Kindes, daher sei auch der sozialhilferechtliche Bedarf dem Kind zuzurechnen
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten, die der Kammer vorgelegen haben verwiesen
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluß der Kammer vom 28.05.2002 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien übereinstimmend auf diese verzichtet haben. (§ 101 Abs. 2 VwGO)
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten
Der Klägerin ist für jeden Tag und für jedes der beiden Kinder 1/30 des maßgeblichen Regelsatzes für die Dauer der Ausübung des Besuchsrechtes zu gewähren
Gem. § 11 Abs. 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann. Gem. § 12 Abs. 1 S. 1 BSHG umfasst der notwendige Lebensunterhalt u.a. die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens. Die
Sozialhilfebedürftigkeit der Klägerin ist nicht streitig. Vom Beklagten wird vorliegend ausschließlich bestritten, dass die Kosten des Umgangsrechtes Kosten sind, die dem Bedarf der Klägerin zuzurechnen sind Bezüglich dieser Frage ist das Gericht von seiner im Beschluss vom 02.11.2000 (10 B 285/00) noch vertretenen Rechtsauffassung abgerückt und ordnet die Kosten, die durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehen, dem Bedarf des Umgangsberechtigten zu und nicht dem Bedarf der Kinder Auch das OVG Schleswig hat seine bisherige gegenteilige Auffassung, nach der Anspruchsinhaber für diesen aus dem Umgang entstehenden Bedarf das Kind sei, mit Beschluss vom 15.12.2000 (1 M 140/00 und 1 O 131/00) aufgegeben
Die Ausübung des elterlichen Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils mit den eigenen Kindern stellt ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens dar, weshalb die dadurch entstehenden Kosten ein Teil des notwendigen Lebensunterhalts dieses Elternteils sind (vgl. BVerwG ZfSH/SGB 1995, 587 = FamRZ 1996, 105)
Zivilrechtlich hat der Umgangsberechtigte die Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechts zu tragen. (BGH, Urteil vom 09.11.1994 in FamRZ 1995, 215) An der hiernach bestehenden Rechtslage ändert sich auch nichts durch die Änderung des Kindschaftsrechts, also durch die Neuregelung des Umgangsrechts in den §§ 1626 Abs. III; 1684 BGB, § 1626 III schreibt einen allgemeinen nicht kodifizierten Grundsatz dahingehend fest, dass der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen dem Wohl des Kindes dient (vgl Rogner in: Bäumel, Bienwald u. a., Familienrechtsreformkommentar, 1998, § 1626 Rn. 7)
Sinn und Zweck der Neuregelung der §§ 1626 Abs. III; 1684 BGB ist es, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es beim Umgangsrecht primär um das Wohl des Kindes geht und nicht mehr in erster Linie um Elternrechte. Die Schaffung der Kindesnorm ist in erster Linie als Signal zu verstehen, welches auf die Änderung des elterlichen Bewusstseins gerichtet ist. (Rogner aaO, § 1684 Rn 3, Palandt (60) § 1626, Rn. 24)
Auch wenn das neu in § 1684 eingeführte Recht des Kindes auf Umgang ein subjektives Recht darstellt, ändert dies nichts an den weiter bestehenden zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtungen. Das Kind erhält lediglich das Recht, seinen Umgangsanspruch durchzusetzen. Die Verpflichtung des Elternteils, der das Umgangsrecht dann ausübt, bleibt bestehen. Denn die Ausübung des Umgangsrechts liegt auch in seinem Interesse und unterliegt seinem Elternrecht nach Art. 6 II 1 GG
Die angefochteten Bescheide waren daher aufzuheben und der Klägerin ist für jeden Tag und jedes der beiden Kinder 1/30 des maßgeblichen Regelsatzes nach der Regelsatzverordnung zu gewähren. Dieser gewährt lediglich den notwendigen Lebensunterhalt und ist demnach erforderlich, um die Kinder zu unterhalten
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung statthaft, wenn diese von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, Brockdorf-Rantzau-Straße 13, 24837 Schleswig zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Begründung ist dem Verwaltungsgericht einzureichen
Jeder Beteiligte muss sich für diesen Antrag durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen
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[editiert: 21.05.05, 11:22 von Ingrid]