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Seblon
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Beiträge: 354


New PostErstellt: 17.02.06, 17:02     Betreff: Der eiserne Rat – Der ewige Zug – Anamnesis, S. 251 -302

Die Theorie hinter der Golemetrie erscheint wie eine sozialistisch-revolutionäre Erweckung:

„[...]Weil Muster sich nicht in der Stasis geltend machen, sondern in der Veränderung [...]“
„Golemetrie ist Unterbrechung. Golemetrie heißt Materie veranlassen, sich selbst neu zu sehen, ihr den Anstoß geben sich zu organisieren [...]“

Auch hier wieder das so oft auftauchende Motiv der Veränderung, der Transformation (nicht umsonst scheint Judahs Lows ein Golemist zu sein!). In diesem Zusammenhang ist auch Lows Versuch, aus nicht fassbaren teilweise ideellen „Materialien“, wie Dunkelheit oder Hoffnung, einen Golem zu schaffen, ein absolut faszinierender und tiefgründiger Aspekt des Transformations-Motivs.

Die Art und Weise, in der Low sein Mitgefühl vom Rest seines Ichs verkapselt und als sich ständig meldende „Gutheit“, „Ding“ oder als „heiliger, innerlicher Symbiont“ bezeichnet, erzählt viel über seine innere Wandlung zum distanzierten Beobachter der ablaufenden Ereignisse. Er wird sich selber fremd.
Ich bin doch überrascht, dass Miéville Judah Low aus scheinbar sozialistischer Arbeiter-Romantik ohne große innerliche Entwicklung zum Schienenleger werden lässt. Ich bin ziemlich sicher, dass wenn Miéville selbst einmal Schienen verlegt hätte, er dies seiner Figur wohl erspart hätte.

Lows bereits angesprochene Verkapselung des sozial-ethischen Wesens vom Rest seines Ichs wird erst durch das sozialistische Erwachen innerhalb des Streiks der Schienenleger aufgehoben: „ [...] für einen Moment fühlte er sich eins mit dem Ding in seinem Innern [...]“. Die verdinglichte „Gutheit“ wird wieder integriert.

Während die meisten der individuellen Motive Lows nur skizziert bleiben, leuchtet Miéville die soziale Entwicklung der Arbeiter stark aus. So fehlt in dieser fiktiven Historie auch nicht das die Feuer der Revolution schürende Massaker, dem die streikenden Remade zum Opfer fallen und dessen Konsequenz eine wachsende Entschlossenheit seitens der verbliebenen, aufbegehrenden Arbeiter ist.

Es begegnet uns nach PSS erneut ein Weber. Ich muss gestehen, dass mich die Surrealität der ereignisse- und zufälle-spinnenden Weber doch immer etwas ratlos werden lässt. Ich finde es schon schwierig, inhaltlich und formal ihren Anmerkungen zu folgen, geschweige denn ihrer Inszenierung der „Wirklichkeit“. Als Figuren erinnern mich die Weber immer sehr an die Geschöpfe von Miévilles Lieblingsautoren H.P. Lovecraft.

Der Streik der Damen des horizontalen Gewerbes ist wegen seiner Konsequenz und Form witzig und originell. Ich frage mich dabei allerdings die ganze Zeit, woher die extrem hart arbeitenden Tunnelgräber etc. abends die Kraft hernehmen, noch eine der Damen besteigen zu wollen/können. Dennoch erhöht der Streik der Damen auch den inneren Druck der Arbeiter.

Der letztendlich aufbrechende Aufruhr der streikenden Arbeiter, Remade und Prostituierten gegen die Miliz ist mitreißend und actionreich erzählt und erinnert wiederum an die Erbauungsliteratur der Zeit kurz vor und nach der Oktoberrevolution. Die Solidarisierungen der einzelnen Gruppen zur gemeinsamen Kraft ist unterhaltsam und nett zu lesen (wie z.B. die unstatthafte Fraternisierung zwischen Remade und Nutten!). Unerwartet, aber witzig, dass sich gerade die Prostituierte Ann-Hari zur revolutionären Initiatorin entwickelt.



Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.


[editiert: 18.02.06, 08:50 von Seblon]
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