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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 29.04.07, 10:22     Betreff:  1. Mai-Demos 2007 in Berlin

kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2007/04-28/013.php



Wo dein Platz, Genosse, ist – der Multiple-Choice-1. Mai in Kreuzberg Foto: Montage jW


Wo bleibt die Kindergärtnerin?

Wenn Britney Spears Maoisten und Heuschrecken trifft: Der »Revolutionäre 1. Mai« kommt bestimmt nach Berlin-Kreuzberg, versprechen die Plakate der zerstrittenen Linksradikalen

Von Gerd Yussuf



Frühling in Berlin. Wie jedes Jahr hat die autonome Szene die Stadt mit Revolutionsaufrufen vollgekleistert. Zum 20jährigen Jubiläum der Kreuzberger 1.-Mai-Krawalle gibt man sich aktivistisch wie lange nicht mehr. Selbstverständlich war es aussichtslos, sich auf eine gemeinsame Demonstration zu einigen. So drängeln sich vier verschiedene sogenannte Revolutionsdemos durch den Kreuzberger Kiez.

Superunabhängig soll die erste davon schon am 30. April stattfinden. Die Gruppe »Theorie. Organisation. Praxis« (TOP), ein Spaltprodukt der Gruppe »Kritik & Praxis« (KP), die wiederum aus der »Antifaschistischen Aktion Berlin« (AAB) hervorgegangen ist, glaubt erkannt zu haben, daß der traditionelle »Revolutionäre 1.Mai« an »Revolutionssimulation«, »infantiler Regression« und »Pseudoaktivität« zugrunde gegangen sei. Alles neu macht der April: Das Plakat dieser Veranstaltung präsentiert eine kahlgeschorene und schrecklich wütende Britney Spears wie aus einem schlechten Horrorfilm. Soll das den Irrsinn von Warenform und Wertgesetz symbolisieren? Oder die Widersprüchlichkeit der Kulturindustrie? Oder möchte man nur die letzten fünf Altautonomen ärgern? Die dazugehörige Parole »Reduce to the max – just communism« entstammt der Daimler-Benz-Reklame, »Kommunismus« wird einfach drangepappt. Die Britney-Spears-Fans werden trotzdem nicht mitlaufen, so daß die antideutsche Pop-Antifa schön unter sich bleiben kann. Dagegen hat sie auch nichts, denn sie kann sich soziale Bewegungen eh’ nur als antisemitischen Mob vorstellen.

Soziale Bewegung ganz allgemein möchte die zum zweiten Mal stattfindende »Euromayday-Parade« anregen. Die Organisatoren rund um die Gruppe »Für eine linke Strömung (FelS) wollen den 1.Mai »repolitisieren« indem sie »prekäre Arbeits und Lebensbedingungen« thematisieren. Das Motto des karnevalartigen Tanzumzugs lautet »Hol dir dein Leben zurück« und ist einem Hit der Berliner Band Wir sind Helden entlehnt. Bewußt grenzt sich die von dem globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC unterstützte »Euromayday«-Parade von der Tradition der »revolutionären« Maidemos ab und fordert statt »Kapitalismus abschaffen!« lieber »globale soziale Rechte«. Man will nicht frustrierte Ghettokids ansprechen, sondern »die ganz normale Kindergärtnerin«. Trotzdem scheint das ästhetische Konzept eher auf das studentische Milieu und dem daraus entwachsenen Bildungsbürger zu zielen, denen man sozialen Protest als kreatives Event nahebringen möchte. Dementsprechend wirkt die Mayday-Propaganda designtechnisch am professionellsten unter den Mai-Plakaten. Gezeigt wird die Silhouette eines prekären Allround-Arbeiters, der gleichzeitig Schreibtisch- und Reinigunskraft ist. Doch das Plakat orientiert sich zu sehr an dem sich künstlerisch-minimalistisch gebenden Berliner Designbrei. Deshalb geht es in den unzähligen Galerie- und Ausstellungsankündigungen der Stadt einfach unter.

Bei der traditionellen maoistischen 13-Uhr-Demo des »Revolutionary International Movement« (RIM) bleibt hingegen alles beim alten. Auf dem Plakat, das wie immer in Rot/Weiß/Blau gehalten ist, sieht man das Fronttransparent der ersten »revolutionären« Maidemo im Jahr 1988 und dazu das ewiggleiche, kategorisch großgeschriebene Motto »KEINE BEFREIUNG OHNE REVOLUTION!« mitsamt einer unendlichen Liste von Teilforderungen. Neu ist allerdings, daß man sich auf eine Kooperation mit dem 18-Uhr-Bündnis geeinigt und auch diesen Termin auf das Plakat genommen hat. Ein kleiner Versuch, die Spaltung der radikalen Linken am 1.Mai zu überwinden.

Ähnlich unspektakulär gibt sich das offfizelle Bündnisplakat dieser 18-Uhr-Demo. Die schwarze Silhouette eines Straßenkämpfers mit Fahne, auf der »G 8 stoppen!« steht, vor einem roten Stern auf blauen Grund. Dazu riesige Buchstaben, die »heraus zum revolutionären 1.Mai« und »Demo 18 Uhr« mitteilen. Eine ästhetische Fließbandarbeit, die aber im Stadtbild ähnlich penetrant auffällt wie die Media-Markt-Werbung. Für den mittlerweile zum polit-sportiven Klassiker gereiften 18-Uhr-Demotermin werben in Berlin zirka 20 Gruppen mit einem halben Dutzend Aufrufen. Wer auf sich hält, hat auch noch ein eigenes Plakat auf Lager. So kommt mit herrlich verbalradikaler »Unten gegen Oben«-Rhetorik der Aufruf der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) daher. Unter der Überschrift »Ghettos, billiges Bier und Langeweile« wettern die Jungrevolutionäre in einem einzigartigen sprachlichen Crossover aus Straßenslang und RAF-Duktus gegen das Schweinesystem. Sie zeichnen das Bild einer perspektivlosen Jugend, die in Ghettos und Knästen wie »Zombies« vor sich hinvegetieren muß – mit der fatalistischen Pointe, daß »für den Großteil von uns dieses System nix mehr zu bieten (hat) außer Armut, Knast und Bullenknüppel«. Spaltungen durch »Sexismus, Rassismus und Nationalismus« werden ausdrücklich verurteilt, propagiert wird der gemeinsame Kampf der Unterdrückten. Als positive Beispiele gelten die Riots in den französischen Vorstädten vor zwei Jahren und natürlich der Kreuzberger Kiezaufstand vom 1.Mai 1987. Auf dem dazugehörigen Flyer ist der Berliner Gangster-Rapper »MC Bogy« mit einer dicken Goldkette um den Hals und dem Marx-Zitat »Das Proletariat hat nichts zu verlieren als seine Ketten, es hat eine Welt zu gewinnen« zu sehen. Auch hier wird ein Pop-Musiker als Aufmacher benutzt, auch wenn die ARAB im Gegensatz zu ihren antideutschen Kollegen von der TOP immerhin über eine klar definierte Zielgruppe verfügt: Gangster-Rap-Hörer, Rütlischüler, Migrantenkids und Anhänger des alten MTV-Fernsehens.

Stilistisch und inhaltlich aggressiver ist das Plakat der »kommunistischen und autonomen Gruppen«. Unter der Überschrift »Heuschreckenalarm« fliegen mehrere giftgrüne Hedge-Fonds-Heuschrecken über Kreuzberg, die jedoch von einem wachsamen Autonomen mit Hilfe einer Zwille rechtzeitig abgeschossen werden. Neben einer eindeutigen Bildsprache verfügt das Plakat über eine klar formulierte wie verständliche Aussage: »Mieten rauf? – Nicht mit uns, ihr Schweine!« Mit Hilfe populistischer Verkürzungen sollen die Sorgen der »Normalbürger« thematisiert werden. Dabei wird die linksinterne Debatte um die Tragfähigkeit von Münteferings Heuschrecken-Metapher als Mittel der Aufklärung propagiert – mit einer gewagten Mischung aus KPD-Plakaten der 1920er Jahre, autonomen Flugis der 1980er Jahre und Comicelementen der 1970er. Müntes Moral rules okay, das soll wohl eine Provokation der Altautonomen gegen das antideutsche Spektrum sein, die solche Symbolik als strukturell antisemitisch ablehnen. Wahrscheinlich wird dieses Plakat nicht nur »die ganz normale Kindergärtnerin« ansprechen, sondern noch auf ewig und drei Tage nach dem diesjährigen Kreuzberger 1.Mai in der Kneipe diskutiert werden.



weitere Infos unter: http://de.indymedia.org/2007/04/173912.shtml


[editiert: 29.04.07, 10:26 von bjk]
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