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Offener Brief an Dr. Rita Knobel-Ulrich (Fernsehsendung Anne Will)

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Autor Beitrag
volmi


New PostErstellt: 28.05.08, 12:42  Betreff: Offener Brief an Dr. Rita Knobel-Ulrich (Fernsehsendung Anne Will)  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Dr. Rita Knobel-Ulrich
Drennhäuser Str. 11

21423 Drage


E-Mail:

Sehr geehrte Frau Knobel-Ulrich,

am 25.05.2008 haben Sie in der Sendung „Anne Will“ in der ARD – unter anderem – folgende Äußerung getätigt:
"Hartz IV alimentiert die Menschen ganz gut. Vater, Mutter und zwei Kinder bekommen 345 Euro pro Erwachsenen, 247 Euro pro Kind, plus Wohngeld, plus Heizung, plus Strom, plus Krankenversicherung. Das sind circa 2000 Euro im Monat. Das muss man erst mal verdienen! Ein Mann, der vielleicht der einzige Verdiener ist, der im Kindergarten den höchsten Satz zahlt, weil man sagt ‚Du hast ja Arbeit‘, der jeden Tag sieht, dass seine Tankfüllung teurer wird, dem nicht angeboten wird, dass er ein Sozialticket für die U-Bahn bekommt, der muss mit diesen 2000 Euro ganz schön haushalten."

Wir, die Aktiven Erwerbslosen in Deutschland, verwahren uns nachdrücklich gegen die Behauptung, wir, die wir betroffen sind, würden "ganz gut alimentiert". Weiter sind wir entsetzt über Ihre offenkundige Unkenntnis verschiedener Fakten, die einer Journalistin, die mehrfach ausgezeichnet wurde, nicht nachzusehen ist. Dass Sie nicht einmal wissen, welche Leistungen Hartz-IV-Anspruchsberechtigte tatsächlich bekommen, ist noch der geringste Punkt.

Hartz-IV-Anspruchsberechtigte müssen von 347 Euro ihren Strom selber zahlen, ebenso Warmwasser oder Gas zum Kochen. Ehepartner oder Lebensgefährten in einer Bedarfsgemeinschaft erhalten nur 90 Prozent des Regelsatzes, also 312 Euro, und Sozialtickets gibt es zwar in einigen größeren Städten, die Masse der Erwerbslosen zahlt aber die vollen Preise. Hartz-IV-Anspruchsberechtigte bekommen auch kein „Wohngeld“, das ist eine ganz andere Leistungsart, vielmehr übernimmt die zuständige ARGE Mietkosten in "angemessener Höhe". In welcher Höhe Kosten als angemessen anzusehen sind, richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten und ist nicht bundeseinheitlich geregelt.

Schade, Frau Dr. Knobel-Ulrich, dass Sie nicht einmal diese einfachen Fakten sorgfältig recherchiert haben! Dabei hätten Sie nur einen kurzen Blick in das Informationsheft der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II werfen müssen, das in jeder Geschäftsstelle ausliegt.

Was war Ihre Antwort auf die Frage „Was würden Sie als ALG-II-Empfängerin machen, wenn Ihre Waschmaschine kaputt geht?“? Sie sagten: "Dann würde ich in den Waschsalon gehen." Genau das würden Sie nicht tun, denn Sie hätten nicht das Geld dafür, falls Sie überhaupt in einer Gegend wohnten, in der es so etwas gibt.

Hartz-IV-Anspruchsberechtigte sollen von 347 Euro oder weniger Gas und Strom zahlen, Telefon und Versicherungen, darüber hinaus auch noch Rücklagen für Neuanschaffungen bilden, Bus- oder Bahntickets kaufen, Praxisgebühren und Medikamentenzuzahlungen leisten. Eltern behinderter Kinder sollen vom Regelsatzanteil der Kinder (347 € = 100 %) zusätzlich sogar noch Teile notwendiger Therapiekosten tragen. Nach diesen ganzen Abzügen reicht die Differenz nicht einmal mehr für die Lebensmittel nach Art der "Sarrazin-Diät".

Der Familienvater, der 2000 Euro nach Hause bringt, bekommt wenigstens noch das Kindergeld zusätzlich, das den Eltern in Hartz-IV-Familien nicht zur Verfügung steht und vermutlich auch Wohngeld. Außerdem vergleichen Sie offenbar das Brutto-Einkommen der Hartz-IV-Anspruchsberechtigten mit dem Netto-Einkommen eines Erwerbstätigen. Ihr Beispiel hinkt, Frau Knobel-Ulrich!

Wie sagten Sie noch in der TV-Sendung? "Ich habe genug Menschen kennengelernt, die sich in ihrer Arbeitslosigkeit eingerichtet haben."
Das glauben wir Ihnen gern, denn Sie haben ja offenbar genau nach diesen gesucht. Eine alte Erfahrung ist, dass man immer das findet, was man sucht. Natürlich gibt es einzelne Fälle, auf die das, was Sie behaupten, zutrifft, aber das ist kein Grund, einen Generalverdacht in der Art zu äußern, als ob rund acht Millionen Deutsche Sozialschmarotzer wären.
Ein automatisierter Datenabgleich von 3,2 Millionen Datensätzen im Oktober 2005 ergab knapp 60.000 Fälle von nicht angegebenen Einkommen (1,9 Prozent).
Dabei wurden auch die Fälle erfasst, in denen ein Einkommen erzielt, aber nicht rechtzeitig oder aus Unkenntnis nicht angegeben oder doch angegeben worden war, aber im Chaos der Behörde unter den Tisch gefallen war. Nur in 22.900 Fällen bestand der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat aufgrund falscher Angaben. Nur in 4.200 Fällen wurde der Anspruch auf ALG II gestrichen. Bezogen auf die Zahl von 3,2 Millionen Datensätzen ist das wirklich ein "ganz immenser Missbrauch".

Ein Bericht darüber ist natürlich längst nicht so spannend wie eine "Reportage" über zwar verhältnismäßig wenige Leute, die sich aber so durchmogeln und die man dann mit geschätzten acht Millionen anderer Bedürftiger polemisch-populistisch in denselben Topf werfen kann. Gute journalistische Arbeit ist das jedenfalls nicht.

Ich zitiere aus der Präambel des Grundsatzprogramms des Deutschen Journalisten-Verbandes:

"Presse und Rundfunk haben im demokratischen Staat die Aufgabe, die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger so zu informieren, dass sie am Prozess der demokratischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen können …
Den aus dem Grundgesetz Presse und Rundfunk verbrieften Rechten muss die Pflicht der Journalistin und des Journalisten zu einer sachlichen und fairen Berichterstattung entsprechen …
Aufgabe und Verantwortung von Journalistinnen und Journalisten ist es insbesondere, die Rechte einer jeden Bürgerin und eines jeden Bürgers auf Achtung und Schutz der Menschenwürde, auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf freie Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen zu wahren …
Ethische Grundprinzipien für die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten sind die Absage an Intoleranz, Rassismus, Totalitarismus und Fremdenfeindlichkeit."

Wann wollen Sie, was die Erwerbslosen betrifft, damit anfangen, Frau Knobel-Ulrich?


Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Vollmer ( Berliner Montagsdemo )



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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 28.05.08, 13:57  Betreff:  Re: Offener Brief an Dr. Rita Knobel-Ulrich (Fernsehsendung Anne Will)  drucken  weiterempfehlen

Lieber volmi,

Deiner großarigen offenen Mail schließe ich mich gerne an und stelle sie auch ins WISP-Forum!!! - Dein Einverständnis vorausgesetzt, bringe ich Deine Mail auch als Leserbrief in unserer Monatsbroschüre WISP-spezial Ausgabe Mai - bin gerade über Layout, Umbruch und Druck.

Gruß
bjk
ALG II-Unterschichtler




Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 29.05.08, 00:10  Betreff: Re: Offener Brief an Dr. Rita Knobel-Ulrich (Fernsehsendung Anne Will)  drucken  weiterempfehlen

... hier könnt ihr euch an der Protestmail beteiligen: http://www2.digital-attack.de/index.php#001



Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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Quirie
New PostErstellt: 29.05.08, 08:13  Betreff: Re: Offener Brief an Dr. Rita Knobel-Ulrich (Fernsehsendung Anne Will)  drucken  weiterempfehlen

Und vergesst bitte nicht den Hinweis, dass es sich dabei um eine Aktion der Aktiven Erwerbslosen in Deutschland handelt, die diesen Brief verfasst haben und deren Urheberrecht er unterliegt.

LG Quirie
Aktive Erwerbslose in Deutschland
Administrator
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 29.05.08, 09:07  Betreff: Re: Offener Brief an Dr. Rita Knobel-Ulrich (Fernsehsendung Anne Will)  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: Quirie
    Und vergesst bitte nicht den Hinweis, dass es sich dabei um eine Aktion der Aktiven Erwerbslosen in Deutschland handelt, die diesen Brief verfasst haben und deren Urheberrecht er unterliegt.

    LG Quirie
    Aktive Erwerbslose in Deutschland
    Administrator


... hier ist der Link zu deren Forum: http://www.aktive-erwerbslose.de/forum/
... ja, Quirie har recht, volmi hätte explizit darauf hinweisen müssen, daß der offene Brief nicht von ihm war sondern er ihn, genau wie ich und viele andere, nur mitunterschrieben hat
... aber jetzt ist's ja klargestellt

Bernd Kudanek alias bjk
ALG II-Unterschichtler
und Administrator




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Gast
New PostErstellt: 29.05.08, 09:26  Betreff: Re: Offener Brief an Dr. Rita Knobel-Ulrich (Fernsehsendung Anne Will)  drucken  weiterempfehlen

Danke, Bernd.

So ist es ok, zumal Volmi das auch nur aus Versehen vergessen hatte, wie er uns mitgeteilt hat.

LG Quirie
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 29.05.08, 09:32  Betreff: Re: Offener Brief an Dr. Rita Knobel-Ulrich (Fernsehsendung Anne Will)  drucken  weiterempfehlen

... schon okay 

Gruß
bjk
ALG II-Unterschichtler




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