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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 15.08.10, 14:18     Betreff:  Justiz und Polizei sichern den Nazis die alleinige Herrschaft über die Straße!

kopiert aus: http://de.indymedia.org/2010/08/287859.shtml



Bad Nenndorf und die Folgen

WW   15.08.2010 12:44


Die Polizei installiert eine national befreite Zone

Eigentlich war alles wie jedes Jahr: Nazis marschieren, Gegendemonstranten werden kriminalisiert, die Demokratie wird abgeschafft.

Und doch war es dieses Mal anders. Die Demokraten wollten Dresden nach Bad Nenndorf holen - und bekamen Anklam.

Zum fünften Mal in Folge liefen am ersten Augustwochenende etwa 800 Nazis durch Bad Nenndorf, um ihren "Trauermarsch" für deutsche NS-Verbrecher durchzuführen und die deutschen Täter als angebliche Opfer zu propagieren. Diese rechtsextreme Tradition, welche in den letzten Jahren in Halbe und Wunsiedel verboten wurde, wird aktuell noch an zwei Orten regelmäßig praktiziert: Bad Nenndorf und Dresden.

Die Bevölkerung, welche das Geschehen zu Beginn ablehnend, aber noch passiv bzw. ignorierend begleitete und eher "die linken Chaoten" fürchtete, zeigte in den letzten Jahren zunehmend ihre offene Ablehnung gegen die Instrumentalisierung ihrer Stadt und bildet heute ein breites Bündnis, welches intensiv gegen die Vereinnahmung der Stadt und der Gefängnisinsassen durch die rechtsradikalen Gruppen arbeitet, aufklärt und Gegenveranstaltungen durchführt.

Leider zeigte sich dieses Jahr aber auch an zwei Orten, dass ziviles und friedliches Engagement gegen Propagandamärsche der Nazis vom Rechtsstaat keineswegs honoriert, sondern geahndet wird!

Wie bereits zuletzt in Anklam, so wurden auch in Bad Nenndorf Nazi- und Gegendemonstration zugleich verboten und die Nazi-Demonstration mittels Gerichtsurteil anschließend wieder erlaubt. Und in beiden Fällen wurde den Nazi-Gegnern zwar danach wieder eine Veranstaltung zugestanden, aber in beiden Fällen war das Ergebnis unbefriedigend: In Anklam war die Erlaubnis so kurzfristig, dass keine Demonstration mehr geplant werden konnte, sondern die Bürger nur noch durch demonstrative Ignoranz ihre Ablehnung bekunden konnten. Ein allzu schwaches Signal.

In Bad Nenndorf konnte eine vom Oberverwaltungsgericht (erst spät am Abend) erlaubte Kundgebung immerhin noch etwa 1000 Menschen mobilisieren. Gleichwohl muss auch hier davon ausgegangen werden, dass das vorübergehende Verbot zu einer Demobilisierung und erheblich weniger Teilnehmern geführt hat. Viele Polizisten kannten sich gar nicht aus und konnten so anreisenden Teilnehmern noch nicht einmal den Weg zur Kundgebung weisen, welcher erst kurzfristig festgelegt wurde. Auch hier hinterließ die Polizei - wie in vielen anderen Fällen - ein unglückliches Bild. Dazu später mehr. Mancher erreichte darum die Kundgebung nur zufällig und aus Glück, andere mussten selbst suchen. Wie in Anklam, so muss man auch in Bad Nenndorf festhalten: Bei so kurzfristiger Erlaubnis ist eine Planung und ein koordinierter Ablauf kaum mehr möglich. Darum auch der große Dank an Radio Flora aus Hannover, die mit einer Lautsprecheranlage aushelfen konnten.

In den Reden wurde ausdrücklich den Anwälten gedankt, welche in anstrengenden, spätabendichen Sitzungen immerhin noch diese Kundgebung vor Gericht erstreiten konnten. Damit haben sie den Rechtsstaat vor einer noch größeren Blamage bewahrt - auch im Hinblick auf die zahlreichen und internationalen Pressevertreter, die inzwischen ebenfalls den Weg nach Bad Nenndorf finden. Auch drückten Amtsträger aus dem Landkreis, dem Landtag und dem Bundestag, von Gewerkschaften und Sozialverbänden ihr Unverständnis für das Verbot der Gegendemonstration aus und bekundeten ihre Solidarität mit den Bürgern.

Es wurde immer wieder heftig die Kriminalisierung des gesamten Bündnisses kritisiert, welche das Demonstrationsverbot vor Gericht erst möglich machte. Denn die von der Polizei herbei fantasierten 500 gewaltbereiten Autonomen ließen sich zu keiner Zeit im Ort blicken, sodass die Gegenkundgebung - wie in all den Jahren zuvor - natürlich friedlich blieb. Anwesend waren aber neben den genannten Organisationen auch die jüdische Gemeinde und zahlreiche Bürger aus Vereinen und Initiativen, welche sich durch die polizeiliche Einschätzung persönlich angegriffen fühlten und ihren Ärger deutlich äußerten. Offensichtlich hat sich die Polizei mittels einer - gemäß der vergangenen Jahre - absichtlich übertriebenen Gefahrenprognose des Problems zweier Demonstrationen entledigen wollen - mit Erfolg.

Hintergrund: Die Polizei hatte sich geärgert, dass die bisher mächtigste Bündnisdemonstration im letzten Jahr mit 1500 Menschen sehr erfolgreich war. Wurden in den ersten drei Jahren die Demonstrationen der Nazi-Gegner noch jeweils vorzeitig abgebrochen (teils wegen Polizeigewalt, teils von der Polizei aufgelöst), so war das vierte Jahr 2009 vollständig geglückt - trotz der auch früher schon erfolgten erheblichen Kriminalisierung und dem traditionellen Herbeireden von Gewalt durch die Polizei, um das Bündnis zu spalten. Die Bürger aber ließen sich zunehmend weniger davon beeindrucken - erlebten sie selbst doch das Gegenteil. So musste die Polizei dieses Mal andere Wege gehen, um den ungeliebten Gegenprotest zu unterbinden.

Und so hat sich die Justiz sowohl von den Nazis als auch von der Polizei am Nasenring von den demokratischen Grundrechten hinweg führen lassen, um den Missbrauch des Demonstrationsrechts durch die Nazis unwidersprochen zu gewährleisten. Geht es in Bad Nenndorf, Dresden und all den anderen Orten der "Trauermärsche" doch nicht darum, eine Position publik zu machen, sondern mittels des Demonstrationsrechts die Szene zu einen, Strukturen aufzubauen und zu pflegen und die Öffentlichkeit zu provozieren. Dass sich deutsche Behörden dafür als Unterstützer zur Verfügung stellen, ist demokratisch zutiefst unappetitlich.

Die neue Strategie, welche von der Polizei nun gewollt und von der Justiz bestätigt wurde, lautete: Konnten bisher die Nazi-Gegner eine eigene Demonstration durchführen und den Nazis auf Sichtweite ihre Abscheu entgegen schleudern, so sollten die Nazis dieses Jahr nicht mehr in ihrer "Trauer" belästigt werden und von den Gegenprotesten rein gar nichts bemerken müssen. Und das geht so:

a) Am besten verbietet man alle Gegenproteste.
b) Wenn sich das Verbot durch die verdammt demokratischen Gesetze nicht halten lässt, dann erlaubt man aber keine Wegstrecke, sondern nur eine stationäre Kundgebung.
c) Diese Kundgebung muss hunderte Meter von der Naziroute entfernt sein, damit lautes Rufen nichts nützt.
d) Die Kundgebung muss beendet sein, bevor die Nazis starten, damit man alle Gegner mittels polizeilicher Maßnahmen vertreiben kann.

Und so begann der Tag bereits früh morgens. Denn bereits viele Stunden vor dem Eintreffen der Nazis war die ganze Stadt eine einzige große Polizeifestung. Die Bewegungsfreiheit aller Bürger wurde den ganzen Tag stark eingeschränkt. Das demokratische Grundrecht auf Bewegungsfreiheit gilt zwar für alle gleich, aber Nazis sind - wie auch beim Demonstrationsrecht - eben gleicher als andere.

Bereits mehrere Straßenzüge vor der Naziroute wurden die Straßen hermetisch abgesperrt. Anwohner kamen nur nach Hause, wenn sie sich ausweisen konnten. Bereits in den letzten Jahren mussten Anwohner, die Gäste einluden, der Polizei eine Gästeliste vorlegen. Insgesamt kam das öffentliche Leben in großen Teilen der Stadt den ganzen Tag lang zum erliegen. Dabei ging die Polizei bewusst über das notwendige Maß hinaus. Wenn die Aufgabe lautet, die Nazi-Demonstration zu begleiten, dann gibt es aber keinen Grund, bereits Stunden vor dem Eintreffen der Nazis in der halben Stadt eine "national befreiten Zone" durchzusetzen. Davon abgesehen, hat sich die Polizei bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe zudem als so inkompetent erwiesen, dass trotzdem Blockierer auf die Route gelangen konnten. Auch die im letzen Jahr erfolgreiche Pyramide konnte dieses Jahr wiederholt werden. Ein großes Kompliment an die Durchführung der Aktion!

Dass es auch anders geht, wurde dieses Jahr in Dresden bewiesen, wo sich die Polizei als Vertreter eines demokratischen Staates zurück hielt und den demokratischen Protesten Respekt erwies. Dieses Vorbild hatten sich die Demonstranten in Bad Nenndorf explizit gesetzt - allerdings ohne die Voraussicht, dass der Polizei hier jeder Aufwand recht sein würde, demokratische Proteste auch durch die beliebige Ausweitung des Einsatzes im Keim zu ersticken.

Fazit: Wer sich fragt, wie ein 1933 möglich wurde, der möge ansehen, wie willig sich Polizei und Justiz für antidemokratische und gewalttätige Gruppen als Erfüllungsgehilfen andienen - und wie auch im Jahr 2010 der Widerstand von Gewerkschaften, demokratischer Parteien, Juden, demokratisch gesinnten Bürgern und der Zivilgesellschaft von der Justiz und unter einem martialischen Polizeieinsatz erstickt wird.

Die Polizei weist am Ende darauf hin, dass Antifaschistischen mehrere Durchbruchsversuche zu den Nazis unternommen hätten und will damit ihre Maßnahmen belegen - obwohl sie diese Situation erst selbst geschaffen hat. Denn diese Aktionen gingen von zahlreichen kleinen Gruppen aus, welche sich nach der Kundgebung in der Stadt bewegten. Hätte eine reguläre Demonstration stattgefunden, dann wären all diese Menschen in einem großen Zug durch die Stadt gelaufen und hätten gar nicht die Gelegenheit gehabt, an vielen Orten zu erscheinen.

Auch am Bahnhof - dem einzigen Ort, wo Nazis und Gegner aufeinandertreffen konnten - mussten die Antifaschisten nach lauten Nazis-raus-Rufen auf Anweisung der Polizei "noch fünf Meter zurück", bis sie endlich keine Sicht mehr auf den Nazi-Sammelpunkt hatten.

Ach, noch etwas: Gewalttätig waren - ganz entgegen der Polizeiprognose - an diesem Tag nur die Nazis. Ein Journalist wurde angegriffen, die anderen sollten sich auf Anweisung der Polizei wegen der aggressiven Stimmung nicht den Nazis zu sehr nähern. (Zwar ist Pressefreiheit im Grundgesetz garantiert, aber das Verhältnis der Polizei zu den Grundrechte hatten wir oben schon erklärt...)

Selbstverständlich führte die aggressive Stimmung der Nazis nicht dazu, die Demonstration aufzulösen - im Jahr 2008 aber wurde aus diesem Grund damals aber die antifaschistische (!) Demonstration verboten - weil man aufgrund des polizeilichen Notstandes nicht zwei Demonstrationen begleiten konnte. Dass sich dieses Argument nun im voraus wiederholt hat, dürfte bei der Polizei zu einem Lerneffekt führen, dessen Folgen noch nicht absehbar sind. Sollte dieses Argument Bestand haben, dann wäre es juristisch zukünftig ein sicherer Weg, mittels des Notstandes Gegenproteste konstant zu untersagen und den Nazis die alleinige Herrschaft über die Straße zu sichern. In Deutschland 2010.


Ihre wahre Trauer brachten die Nazis übrigens schließlich zum Ausdruck, als sie am Abend - lauthals aggressive Parolen schreiend - durch den Hauptbahnhof Hannover liefen.





... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson
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