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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 14.10.11, 15:05  Betreff: Frauen von Cervarolo (Italien) erzählen vom NS-Massaker in ihrem Dorf  drucken  weiterempfehlen

gelesen in: http://www.neues-deutschland.de/artikel/208878.nur-schmerz-ist-ihnen-geblieben.html


Von Katja Herzberg

Nur Schmerz ist ihnen geblieben

Frauen von Cervarolo erzählen vom NS-Massaker in ihrem Dorf



Wehrmachtssoldaten ermordeten 1944 im italienischen Cervarolo 24 Männer. Die Frauen haben überlebt und das Dorf wieder aufgebaut. Darüber sprechen sie heute mit Besuchern. Die Anfang Juli verurteilten Täter schweigen weiter.

Sie stehen bereits auf der asphaltierten Dorfstraße, als rund ein Dutzend Besucher in den kleinen Ort gelaufen kommt. An diesem sommerlichen Septembertag zeigen fünf Frauen aus Cervarolo zum ersten Mal selbst ihr Dorf und den Ort eines Massakers deutscher Wehrmachtssoldaten. Sie haben überlebt und erzählen, solange sie noch können, die grauenhafte Geschichte der Ermordung von 24 Männern. Es waren ihre Urgroßväter, Großväter, Väter, Onkel, Ehemänner, Brüder und sogar der Priester, die am 20. März 1944 auf dem Dorfplatz zusammengetrieben und erschossen wurden.

»Hier war das Haus meiner Familie und der Rovalis, das sie niedergebrannt haben«, sagt Natalina Maestri mit zittriger Stimme, auf einen leeren Platz vor sich blickend. Sie stützt sich auf ihren Gehstock, hält eine Sonnenbrille zwischen ihren Händen. »Ich habe gesehen, wie die deutschen Soldaten in ihrem Wagen angefahren kamen. Damals gab es nur Feldwege. Deshalb haben wir überhaupt nicht damit gerechnet, dass plötzlich so viele Soldaten kommen und gleich von allen Seiten den Ort umstellen würden.« Matthias Durchfeld vom Geschichtsinstitut Istoreco in Reggio Emilia übersetzt Natalinas Schilderungen für die kleine Reisegruppe von jungen Deutschen und Österreichern, die er nach Cervarolo begleitet hat. Doch die 80-Jährige ist noch nicht fertig. »Ich erinnere mich, wie sie sogar den alten Antonio Rovali, der krank war und schon nicht mehr gehen konnte, in den Hof gezerrt haben, wo sie alle hinbrachten, um sie am Abend zu erschießen.« Er war mit 84 Jahren das älteste Opfer des Dorfes. Der jüngste Tote stammte ebenso aus der Familie Rovali und war nur 17 Jahre alt.

Die Frauen reden nicht gern über diese Details, erklärt Matthias Durchfeld in den immer wiederkehrenden Momenten der Stille während des Rundgangs entlang der etwa zehn Häuser.

Die Frauen überlebten

Vor allem berichten sie nicht gern davon, was die Soldaten ihnen angetan haben. Während die Nazis die Männer auf den Dorfplatz schafften, plünderten sie die Häuser, trieben die Tiere aus den Ställen und vergewaltigten die Frauen. Die damaligen Mütter, Großmütter und Tanten sind inzwischen alle verstorben. Nur die Töchter leben noch. Das Dorf der Witwen und Waisen ist ausgestorben. Die wiederaufgebauten Steinhäuser sind nur noch am Wochenende oder in den Ferien bewohnt.

Eine andere Signora wirft ein, sie wünsche sich manchmal, dass auch sie erschossen worden wäre. Dann müsste sie sich nicht immer wieder an diesen Tag erinnern, an dem ihr Leben zerstört wurde. Ihr Haus steht direkt an dem Platz, auf dem die Wehrmachtssoldaten die Männer erschossen haben. Nachdem sie ihr Mordwerk vollbracht hatten, setzten die Deutschen das Dorf in Brand. Die Frauen flüchteten. Als sie wenig später zurück kamen, fanden sie nur noch Schutt und Asche vor. Doch sie konnten in diesen Kriegstagen nirgendwo anders hingehen. So bauten sie ihr Dorf trotz allem wieder auf.

Das Massaker in Cervarolo ist eines von Hunderten, die SS- und Wehrmachtssoldaten in ganz Italien anrichteten. Nachdem der Waffenstillstand mit den Westalliierten am 8. September 1943 verkündet worden war, besetzten die Deutschen den Norden Italiens, der noch nicht befreit war. Die Resistenza begann. Partisanenverbände nahmen vor allem nahe der Front in der Region Reggio Emilia den Kampf gegen die italienischen Faschisten und die nationalsozialistischen Besatzer auf.

Diesen Widerstand versuchten die Nazis mit Gräueltaten zu brechen. Zwischen August 1943 und Mai 1945 führten sie einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Dabei wurden nicht nur Männer ermordet, sondern auch Frauen und Kinder. So wurden ganze Gebiete in den Apenninen entvölkert. Das größte Massaker fand in Marzabotto nahe der Regionalhauptstadt Bologna mit mehr als 770 Todesopfern im Herbst 1944 statt.

»Sie haben doch nichts getan, sie waren unschuldige Menschen - nicht Faschisten, nicht Partisanen, einfache Bauern, die für ihren Lebensunterhalt arbeiteten«, bricht es aus Talide Vannucci heraus. Die Gruppe ist am Dorfplatz von Cervarolo angekommen. Hier wollten die Deutschen ein Exempel statuieren.

Krieg gegen Zivilisten

Sympathie und Hilfe für die noch neu formierten antifaschistischen Bewegungen und Partisanenverbände sollten bestraft werden. Nur kurz zogen Partisanen durch das 1000 Meter hoch gelegene Cervarolo. Als sie die Männer des Dorfes vor den Nazis warnten, versteckten die sich in den Wäldern. Aber sie kamen zurück ins Dorf, als ihre Frauen sie riefen. Denn Wehrmachtssoldaten der Berliner Division Hermann Göring, die von Faschisten in die Berge geführt wurden, versprachen, ihnen nichts anzutun. Am nächsten Morgen begann das Inferno.

Ihr sei nur ein Knopf vom Mantel ihres Vaters geblieben, berichtet Talide Vannucci, die am meisten von allen Frauen aus Cervarolo erzählt. Sie war bei dem Überfall der Deutschen erst sechs Jahre alt. »Sonst ist uns nur Schmerz geblieben«, fährt sie fort. Auch ihre Tochter ist heute beim Besuch der Reisegruppe dabei. Esterina Manfredi beginnt über die noch immer schwelende Wut zu sprechen. »Am schlimmsten ist, dass die Soldaten nicht bestraft worden sind und sich nie entschuldigt haben. Es wird immer noch alles geleugnet«, empört sie sich und spielt damit auf den Anfang Juli zu Ende gegangenen Prozess vor dem Militärgericht in Verona an. Nach der zweijährigen Verhandlung wegen des Massakers in Cervarolo und in weiteren Dörfern der Umgebung mit insgesamt 340 Toten wurden sieben Wehrmachtsangehörige der Berliner Division Hermann Göring wegen besonders grausamen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Diese müssen sie wohl nie antreten. Der deutsche Staat kann etwa Wilhelm Karl Stark und Fritz Olberg, die für ihre Beteiligung an dem Verbrechen in Cervarolo verurteilt wurden, nicht gegen ihren Willen nach Italien ausliefern. Die hiesige Justiz hat aber offenbar auch kein Interesse, die Täter noch hinter Gitter zu bringen. So leben sie frei in Deutschland und leugnen weiter ihre Verantwortung. Nicht einmal haben sie sich auf der Anklagebank blicken lassen.

Die Bundeswehr gibt lediglich zu, dass die Wehrmacht »teils schuldhaft« in den Nationalsozialismus verstrickt gewesen sei, sieht aber keinen Grund, an diesen Teil der Geschichte zu erinnern. Das Bundesverteidigungsministerium wollte sich zu diesem Kapitel der deutschen Militärtradition auf mehrfache nd-Anfrage nicht äußern. Dabei ist gerade die Division Hermann Göring mit ihrem Sitz in der heutigen Julius-Leber-Kaserne in Berlin für ihre grausamen Taten in ganz Europa bekannt. Helmut Odenwald (siehe letzten Absatz ganz unten, Einschub bjk), der ebenso in Verona verurteilt wurde, lebt heute in unmittelbarer Nähe des Militärstützpunkts.

Genugtuung im Prozess

Dass die Deutschen nach Kriegsende einfach zurück zu ihren Familien gehen konnten, schmerzt die Hinterbliebenen in Cervarolo noch immer. »Wir hatten nichts. Kein Haus, keine Kleider, keine Familie«, betont Talide Vannucci. Doch schnell beruhigt sich die grauhaarige, kleine Frau wieder: »Wenigstens haben wir die Genugtuung, den Prozess gewonnen zu haben.« Sie dankt Matthias Durchfeld für seine Hilfe beim Gerichtsverfahren und auch den Besuchern. »Wir wissen, dass ihr damit nichts zu tun habt«, sagt Talide Vannucci zum Abschied. Den Gästen der zweiten Generation nach dem Nationalsozialismus ist nun Entspannung anzumerken. Zu bedrückend war der Besuch, um Nachfragen an die Überlebenden zu richten, zu groß der Respekt von Nachfahren der Tätergeneration, an den Ort des Verbrechens zu kommen.


In loser Reihenfolge werden zu diesem Thema weitere Artikel erscheinen und zusätzliche Informationen sowie Bilder in einem Internet-Dossier unter http://www.neues-deutschland.de/dossiers/161.html zusammengestellt.



Fotobericht unter http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/write/28051921/28051921.0.30115.html der Kundgebung am 16.07.2011 gegen den in Italien rechtskräftig verurteilten NS-Kriegsverbrecher,
Helmut Odenwald in 13407 Berlin, Becherweg 21, der aber in der BRD nie seine Strafe verbüßen mußte und auch nicht nach Italien ausgeliefert wird. 



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von Yossi Wolfson
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New PostErstellt: 14.10.11, 17:45  Betreff:  Re: Frauen von Cervarolo (Italien) erzählen vom NS-Massaker in ihrem Dorf  drucken  weiterempfehlen



... der Link ist falsch, hier die Korrektur: http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/28085108#28085108




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