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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 21.01.14, 08:58     Betreff:  Rosa-Luxemburg-Berlintour mit Dr. Seltsam - Teil 1 - 6

entnommen aus: http://kommunisten-online.de/mithilfe-der-matrosen-werden-uberall-arbeiter-und-soldatenrate-gebildet-die-fursten-treten-ab-es-fehlt-aber-die-verhaftung-der-reichsregierung-enteignung-der-banken-und-grosbetriebe-insgesamt-ist/



Die Rosa-Luxemburg-Berlintour mit Dr. Seltsam 2013



Rosa Luxemburg Teil 1

Zu Beginn 2013 bezahlte mir der Euopäische Sozialfonds eine Umschulung zum Stadtführer/Reiseleiter, aber in Berlin gibt’s ja alles schon. Durch die wunderbaren Bücher von Knobloch („Liebste Mathilde“) und Gietinger („Der Konterrevolutionär“) begann ich, die Lebensorte Rosa Luxemburgs wieder und wieder aufzusuchen und zu vergleichen, was in den verschiedenen Büchern über die Abschnitte ihres Lebens geschrieben wurde und stellte bald fest, dass das Bild Rosas als einer gestrengen Revolutionärin nicht immer stimmt und dass an ihren Lebensorten ihre Theorien gut zu erklären sind. Diese Rosa-Touren führe ich nun seit Oktober, jeden Donnerstag nach Voranmeldung tel. 01577 386 2029.

HERKUNFT

Geboren wurde sie am 5.März 1871 in Zamosc in Russisch-Polen. Polen als Staat existierte damals gar nicht, war zum dritten Mal geteilt zwischen den Großmächten Deutschland, KuK-Österreich und Russland. Das erklärt einiges in ihrem Leben, etwa die persönliche Teilnahme der längst Deutsche gewordenen Rosa an der Russischen Revolution von 1905, wo sie im Gefängnis vermodern sollte, und einen der wenigen Streitpunkte mit Lenin, der das Nationalgefühl der entrechteten Minderheiten für die Revolution nutzen wollte. Rosa war sehr gegen den Artikel des SDAPR-Programm des Rechts der kleinen Nationen auf Loslösung von Rußland, weil das nur die überlebte polnische Adelskaste begünstigen würde. Ihr Vater war Holzgroßhändler mit großem Haus am Marktplatz, ein Tourgast hat mir erzählt, dass man früher in Zamosc das falsche Haus gezeigt hat, aber jetzt das richtige Rosa- Geburtshaus besichtigt werden kann. Ich selber war noch nicht da, es gibt keine linken Reisen in diese interessante Gegend; aber Zamosc wirbt auch nicht damit, eigentlich kennt das kaum jemand.

Der Vater hatte geschäftliche Verbindungen bis nach Westeuropa, fuhr auch gelegentlich nach Berlin und war für die neugierige Tochter Quell aller aufregenden Erzählungen über die illegale deutsche Sozialdemokratie, damals die größte linke Bewegung der Welt und sie war wohl früh entschlossen, sich darin nützlich zu machen. Das Revolutionäre in Rosas Wesen kam also nicht daher, dass sie selber arm und unterdrückt war, sie war soziale Aufsteigerin nur in dem Sinne, dass sie als polnische Schülerin die russischen Beamtentöchter am Warschauer Gymnasium durch beste Noten deklassierte. Ihre lebenslange Empörung über unverdiente Privilegien bei frech ausgestellter Dummheit dürfte aus dieser Zeit stammen. Und sie hatte ein Handicap: Mit fünf Jahren befiel sie eine merkwürdige Krankheit, wahrscheinlich eine schmerzhafte Knochenentzündung, und die Ärzte wussten sich nicht anders zu behelfen, als ihre Hüfte ein Jahr lang einzugipsen. Seitdem hatte sie ein kürzeres Bein und „humpelte“ ein wenig.“Wer sie in diesen Tagen sah, wie sie hüftenwiegend durch die sonnigen Straßen ging, mit einem Gesicht, das in der Entspannung aufblühte, mit einer Stimme und einem Lachen voll Charme und Übermut, – wer sie so sah, behielt für immer die Erinnerung an ihren außergewöhnlichen Liebreiz.“ So später Henriette Roland-Holst, die bekannte sozialistische Millionärin aus Holland.

Zum Glück konnte sie während ihrer Liegezeit schon lesen und verschlang alles was ihr in die Hände kam, das schulte ihr Gedächtnis. Und sie wollte dem Dienstpersonal das ABC beibringen, das schulte ihre pädagogische Intelligenz. Ihr eigentlicher polnischer Name war Rosza oder Rozalia Luksenburg. Sie entstammte einer alten rabbinischen Familie, („jüdischer Adel“). Da haben wir nun alles beisammen, was das revolutionäre Feuer in ihr schürte: Intellektuelle Überlegenheit gegenüber der spießigen Schulumgebung, immer wache Abwehr wegen Behinderung und Judenspott. Natürlich lernte sie in diesem Treibhaus Selbstbewußtsein, selbständiges Denken und Sichwehren.

(…)

Wer denkt, Rosa käme aus der unkultivierten östlichen Steppe, erlebt bei einer Google-Recherche eine Überraschung: „The Old city of Zamosc“ gehört zum UNESCO Weltkulturerbe, 1630 geplante Anlage als Renaissancestadt, „PADUA DES OSTENS“. Die Landschaft heißt Wolhynien, Kreis Lublin,Ostpolen, heute im Grenzdreieck Weißrussland, Ukraine, Polen. In der Nähe lag das Vernichtungs-KZ Chelmno, 1939 wurden hier alle Juden in Abgasen von Lastwagen erstickt. Dann kam in den Propaganda-Wochenschauen der Zuzug deutscher Siedler aus den eroberten Ost- Gebieten, es hieß statt „Samosch“ nun ausgerechnet „Himmlerstadt“, die SS wollte diesen Gau „judenrein“ zur Musterkolonie der Auslandsdeutschen-Ansiedlung machen, ein eigenes Königreich für Kaiser Heinrich. Zynisch gesagt: Rosa ist einiges erspart geblieben. (5167 Zeichen)

Rosa Luxemburg Teil 2

JUGEND BIS 1900


Als Rosa drei wird, zieht die Familie in die Großstadt Warschau um, mit fünf wird sie krank, mit neun erfolgt ihre Aufnahme ins Zweite Mädchengymnasium, mit sechzehn tritt sie vermutlich als einzige Schülerin dem illegalen kommunistischen Zirkel „Proletariat“ bei und hat ihre erste Begegnung mit marxistischer Theorie. In der Schule hat sie beste Noten „in einer Umgebung, die eigentlich den Töchtern der russischen Besatzungsbeamten vorbehalten war“. Sie sagt später von sich selbst, sie sei eigentlich faul, aber ihr „gutes Gedächtnis“ beschert ihr stets gute Zensuren Sie lernt perfekt vier Sprachen polnisch , deutsch, französisch, russisch und z.B. beim Internationalen Sozialisten-Kongress wird sie offizielle Dolmetscherin für Jean Jaurès. Aber ihre eigentliche Begabung ist Statistik und Ökonomie.

1889 macht sie Abitur, unter ungeheurem Druck, denn die zaristische Geheimpolizei Ochrana ist ihr schon auf der Spur. Von Warschau flieht sie in die Schweiz, in einer Ladung Heu versteckt. Zürich ist die erste Uni Europas, wo Frauen studieren dürfen. In Zürich jobt sie bei Familie Carl Lübeck, deutsche Sozialdemokraten im Exil, wo sie den Haushalt führt. Neben dem Sudium beteiligt sie sich an der Gründung der SDKP, der „Sozialdemokratie des Königreichs Polen“, (das es zu der Zeit nur nominell gibt), schreibt illegal in der ersten linken Zeitung Polens „Arbeitersache“.

Bereits 1897, mit 26, erwirbt sie die staatswissenschaftliche Doktorwürde mit der Dissertation „Die industrielle Entwicklung Polens.“ (Leipzig 1898, in den Werken Band 1). Zuhause stirbt ihre Mutter an Krebs. Rosa hat es wirklich niemals leicht!

Ihr Ziel bleibt die revolutionäre SPD. Um nach Deutschland zu kommen, geht sie mit dem dritten Sohn der Lübecks, Gustav, eine Scheinehe ein. Das verhilft ihr zur preußischen Staatsbürgerschaft. Gustav war ein netter Kerl, wohl schwul, später versucht Rosa, ihm manchmal etwas Geld zu schicken. Um nach vier Jahren die Scheidung zu erlangen, wurde eine Prostituierte bestochen, um „Ehebruch“ vorzutäuschen. Auf Reisen in Italien trägt sie sich als Dr. Rosalia Lübeck ein. Gustav Lübeck war linker Arbeiter, Freund Erich Mühsams und Anarchist, der Kriege und Nazizeit überlebte, er verhungerte Ende 1945 in einem zerbombten Wohnhaus in der Zietenstraße 10, heute Werbellinstraße im proletarischen Rollbergviertel in Neukölln. Am 4.4.1903 wird das Scheidungsurteil gültig, Rosa ist frei.

Rosa-Luxemburg-Tour mit Dr. Seltsam jeden Donnerstag , Anmeldung Tel. 01577-3862029

(2480 Zeichen )

Rosa Luxemburg Teil 3

BERLIN! BERLIN!


Wenn man bedenkt, wie spießig um 1900 selbst fortschrittliche Menschen das Geschlechterverhältnis ansehen, können wir Rosa nur bewundern, wie sie mittels Beziehungs-Networking alles ganz modern managt. Mit geradlinigem Ehrgeiz verfogt sie ihre Ziele. Gustav Lübeck sorgt für den Pass, Leo Jogiches zahlt die Miete, Kostja Zetkin teilt ihr Bett, Hans Dieffenbach vererbt ihr sein Vermögen und Anwalt Levi wird ihr letzter Tröster. Aber die Männer sind für solch harte emanzipative Verhältnisse nicht bereit. Jogiches bedroht sie eifersüchtig mit Revolvern, Kostja findet sie zu anstrengend, Hans wird Soldat und Levi veröffentlicht rachsüchtig später ihre geheimen Gedanken über Russland, nachdem er aus der KPD geflogen ist und begründet damit den „Luxemburgismus“.

Aber jetzt ist Rosa 27, frisch gebackene Doktorin und zieht im Mai 1898 nach Berlin. Das kennen wir ja alle hier: Die erstbeste Bleibe wird genommen, meist zu teuer, dann die zweite schon in der Gegend wo es einem gefällt, die dritte oder vierte Wohnung ist dann die eigentliche, wo man bleibt und lebt. Rosas erste Adresse in Berlin ist die Cuxhavener Straße 2, Gartenhaus links für 120 Mark. Brieflich entschuldigt sie sich bei Jogiches, der bezahlt, für die hohe Miete. Die Adresse gibt es heute nicht mehr., nicht mal die Straße, alles ist modern überbaut vom Hansaviertel. Der Ort heißt heute Klopstockstraße 23. Hier gibt es eine Gedenktafel vom Bezirk für Lovis Corinth, der zur selben Zeit dort lebte, aber nicht für Rosa. Wer das Gefühl nachempfinden wills, wie Rosa in dem frischen palastartigen Neubau wohnte, kann das in der Botschaft von Honduras jenseits der S-Bahn im Restteil der Cuxhavener Straße sehen oder in der Haydnstraße 1 am S-Bahnhof Tiergarten. Keine 500 Meter von hier entfernt wird sie 20 Jahre später ermordet. Aus dem äußerlich so prächtigen Wohnblock schreibt sie entsetzt nach Zürich: „Und erst die Reinlichkeit! Ich weiß nicht, woher das Märchen von den reinlichen deutschen Hausfrauen stammt; ich habe hier noch keine einzige gesehen!“

Überraschend fix schafft sie es in den innersten Führungszirkel der SPD. Sie marschiert einfach in die Katzbachstr. 9 in Kreuzberg: Die erste legale SPD-Zentrale (Brave Gedenktafel an der Hauswand: Hier schufen Bebel, Liebknecht , Singer die moderne SPD…), Rosa wird von Singer sofort als Wahlkampfhelferin für Schlesien eingesetzt und Partei-Referentin .Sie befreundet sich mit Kautsky, Mehring, Zetkin, Bebel und den anderen Größen, Auf „Familien“-Feiern wird gestritten und geflapst. „Rosa, nach der Revolution wird man dich erschießen müssen“, orakelt Papa Bebel, Rosas Antwort: „Oder Dich!“

1898 wird sie bereits Chefredakteurin der Sächsischen Arbeiterzeitung, alles im ersten Jahr nach ihrer Ankunft in Berlin! Und sie nutzt ihre Position gleich revolutionär zur Polemik gegen die Reformisten. Ihre Artikel sind die allerersten gegen Bernstein („Die Bewegung ist alles, das Endziel nichts.“) und so hilft sie auf dem SPD-Parteitag 3.-5 Oktober 1898 in Stuttgart den ideologischen Sieg über den Revisionismus zu erringen. Bebel will die Revolution in der Arbeiterbewegung am Leben erhalten, aber er will auch die Einheit der Partei. Rosa dagegen fordert klar den Ausschluß Bernsteins, ehemals Sekretär von Engels! (In „Sozialreform oder Revolution“1898/ 99) Mit 27 Jahren!

Wie müssen sich die in mühsamer Ochsentour ergrauten Alten vorkommen, als sie von der jugendlichen begabten Polin runtergeputzt werden?! Ich empfinde Rosa als ganz modernen jungen Menschen: Studieren, die Welt sehen, Doktor machen, mit Chuzpe eine Stelle finden, angestrengt arbeiten. Nur ist sie im Unterschied zu unseren heutigen Yuppies eben antikapitalistisch, kritisch und revolutionär. Für die heutigen Karrieristen in der Linken gilt Ulrike Meinhofs Verdikt: „Wer in der Bewegung nur seine persönliche Lage verbessern will, wird sie über kurz oder lang auch durch Verrat verbessern“. Ignaz Auer, Bayrischer Revisionist, über RL:“Diese gescheite Giftnudel wird auch nach Hannover kommen. Ich habe Respekt vor ihr. Sie aber haßt mich aus tiefstem Herzensgrund.“ (4000 Zeichen)

Dr.Seltsams Rosa-Luxemburg-Tour, jeden Donnerstag , Anmeldung 015773862029

Rosa Luxemburg Teil 4

MASSENSTREIKDEBATTE IM FRIEDLICHEN FRIEDENAU


Die S-Bahn nach Potsdam gab es schon 1900, es war eine der ersten Bahnlinien in Preußen, kongenial von Menzel gemalt. Damals noch mit Dampf. Rosa stieg am Anhalter Bahnhof in die Wannseebahn ein und am Bahnhof Friedenau wieder aus.Es ist dort heute noch fast so schon gemütlich und altertümlich wie zu Rosas Zeiten. Am Cafe im S-Bahnhof Friedenau beginnt immer unsere Rosalux-Stadtführung.

Wilhelm-Hauffstr. 4 in Friedenau, zur Untermiete ab 15.8.1899, das Haus existiert nicht mehr. Dann um die Ecke umgezogen: Wielandstr. 23, 1900-1901, Gedenktafel vom Bezirk. RL wohnte zur Untermiete im schönsten Zimmer, 2.Etage für 80 Mark incl. Frühstück, Plüschmöbel und großer Schreibtisch. Um die Ecke wohnt in der Saarstrasse 14 Familie Kautsky und lädt sie immer zum Essen ein, was ihr gar nicht passt. Bürgerliche Gegend, noch heute kann man die eleganten Hausfassaden sehen. Heute wohnt man hier vom Autobahnrauschen gestresst, aber tolle Bahnstation mit Cafe. sehr nett, ganz unbekannte Szene-Ecke Berlins. In dieser Zeit widmet RL sich verstärkt der Flottenpoltik, der Agitation in den deutsch besetzten polnischen Gebieten und untersucht die aufstrebenden US-Amerikanischen Finanztrusts. Leo Jogiches zieht zu ihr und gemeinsam organisieren sie die polnischen Sozialdemokraten . Rosa wird Delegierte zum Kongress der II. Internationale in Paris, wird in das Büro der Internationale gewählt. Leider wieder das alte Muster ihres Lebens: Während Rosa „Karriere“ macht, stirbt ihr Vater. Diese Gegensätze ihres Lebens setzten sie so unter Spannung, dass sie öfter Migräne hat und dann nichts arbeiten kann; noch in ihrer Todesnacht wird sie unter Migräne leiden.Reichen eigentlich ihre kargen Parteieinkünfte und Honorare für die großen Zimmer in dieser gutbürgerlichen Gegend? Sie erhält etwas Geld von ihrer Familie, Leo Jogiches gibt das meiste dazu und zieht bei ihr ein. Das geht aber nicht lange gut.

Cranachstr. 58 1901-1911 Die entscheidenden 10 Jahre im Leben Rosas.(Unter der S-Bahn Friedenau hindurch, Dürerplatz, dann bis zum Eisladen) Hier eine große Gedenkstele aus Bronze auf dem Fußweg am Baumkranz , also wohl vom Hausbesitzer nicht gestattet. Kann mir vorstellen, dass sie hierhin umgezogen ist, weil sie Abendsonne und im Grünen wohnen wollte und endlich eine eigene Wohnung hatte, Miete gemeinsam mit Leo Jogiches,. Balkone fehlen heute, es gibt ein schönes Foto mit Clara Zetkins Sohn Kostja auf dem Balkon 2.Etage. „…der Lebenspuls wird stark, man fühlt, dass man lebt und nicht vegetiert, und ich hasse so das Vegetieten, daß ich mich dagegen und gegen Friedenau jeden Augenblick auflehne.“ (Brief an Kostja) Das gilt wohl den Nachbarn.

24.8.-25.10.1904 Amtsgerichtsgefängnis Zwickau wg. Majestätsbeleidigung. Insgesamt muß Rosa bis 1919 neunmal für Monate ins Gefängnis, im Krieg für Jahre, immer wegen politischer Aussagen.

1905 Revolution in Rußland. RL mit Jogiches in Warschau inhaftiert, SPD-Vorstand bezahlt 3000 Rubel Kaution. Rosa tobt, aber Bebel wollte sie nicht im russischen Knast verschimmeln lassen. Jogiches flieht auf eigene Rechnung, über den Körper einer schönen Frau, das erträgt Rosa nun gar nicht, sie nimmt sich den jungen Kostja.

1906 Massenstreikdebatte „Massenstreik, Partei und Gewerkschaften“, Hamburg(!) 1906. Große Auseinandersetzung in der SPD, Politischer Generalstreik ja oder nein. Rosa empfiehlt aus den Erfahrungen der Russischen Revolution 1905 den Massenstreik / Generalstreik für demokratische Forderungen in das Arsenal der Sozialdemokratie aufzunehmen. Wird von der Gewerkschaftsbürokratie und der Parteirechten bekämpft. Bebel-Kompromiß: Kein Generalstreik darf in Deutschland stattfinden ohne Genehmigung der Gewerkschaftszentrale! Lächerlich! Als ob die Proleten darauf warten würden, wenn es einmal wirklich losgeht!

Danach schreibt 1907 Erich Mühsam sein Spottgedicht auf die rechten Sozis das Lieblingsgedicht alter SPD-Mitglieder:

„Der Revoluzzer" - gewidmet der deutschen Sozialdemokratie.

War einmal ein Revoluzzer, im Zivilstand Lampenputzer,
ging im Revoluzzerschritt mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: „Ich revolüzze!“ Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr, kam sich sehr gefährlich vor.
Doch die Revoluzzer schritten mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt alle Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen, rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus zwecks des Barrikadenbaus
Aber unser Revoluzzer schrie: „Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts. Bitte, bitte tut ihm nichts!

Wenn wir ihm das Licht ausdrehen, kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Laßt die Lampen stehn, ich bitt! Denn sonst spiel’ ich nicht mehr mit!“
Doch die Revoluzzer lachten, Und die Gaslaternen krachten,
Und der Lampenputzer schlich fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zuhaus geblieben und hat dort ein Buch geschrieben:
Nämlich, wie man revoluzzt und dabei doch Lampen putzt.

(4500 Zeichen)

Rosa Luxemburg Teil 5

LENIN IN DER CRANACHSTRASSE


Endlich ist es soweit: Rosa fühlt sich einigermaßen gesettelt: Der SPD-Vorstand stellt sie als Redakteurin beim Vorwärts ein. Ein Jahr später eröffnet in einer Fabriketage die Parteischule. Rosa hat erstmals regelmäßige Einkünfte, kann sich ihre Wohnung in der Cranachstraße gut einrichten, Planen, Urlaub machen.

1907 fährt sie zum V.Parteitag der (russischen) SDAPR in London 13.5-1.6. RL ist sowohl Delegierte für die SPD als auch für die polnische SDKPil. Unterstützt in allen Fragen die Bolschewiki.

1907 Stuttgarter Sozialisten-Kongress 18.-24.8.1907 Rosa unterstützt mit Lenin folgende Resolution:

„Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um den Ausbruch des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern und steigern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, sind sie verpflichtet, für dessen rasche Beendigung einzutreten, und mit allen Kräften dahin zu streben, um die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen.“ Also falls die Imperialisten Krieg anfangen, sollen die Arbeiter mit Revolution antworten.

12.Juni-12. August 1907 Gefängnis Barnimstraße „Zwei Monate im Abtritt wohnen.“

Parteischule 1. Oktober 1907 . Rosa wird anstelle des „Schönen Rudolf“ Hilferding Dozentin an der SPD- Parteischule, im neuen Vorwärts-Gebäude in Kreuzberg, Lindenstr. 3, 2. Hof, 4 Treppen, für Nationalökonomie, erhält 3000 Mark pro Semester. Schule, Straße und SPD-Haus: Heute alles vom neuen Mehringplatz/West überbaut. Kein Denkmal, kein Hinweis. Anfrage bei der Gedenktafel-Kommission Kreuzberg erfolglos.Wenn man die alten Straßenpläne über die heutigen legt, dann wäre der Ort der Parteischule etwa im zweiten Kreis des Mehringplatzes, just dort, wo das „Bürgerbüro“ der Abgeordneten Wawziniak der Linkspartei liegt. Ob die wohl genug Wumm hat, um sich an das Gedenken der unbeugbaren Kommunistin Rosa zu heranzuwagen?

1908, 4. Januar Besuch von Lenin und Krupskaja in der Cranachstr. 58.

„Heute war wieder einer aus Rußland hier und hat mir das Herz ganz wund gemacht.“ RLBriefe2, 321) Lenin bringt ihr den linken Kalender 1908 mit seinem Bericht vom Sozialistenkongress, worin er Rosa sehr lobt. Lenin hält Rosa zeitlebens für die bedeutendste Verbündete der Bolschewiki in Deutschland. Weil die SPD-Rechten sie an der Teilnahme am Sozialistenkongreß hindern wollten, besorgte ihr Lenin ein Mandat der russischen SDAPR, um die Antimilitaristen zu stärken. Der Kampf gegen den drohenden Weltkrieg wurde immer wichtiger und Lenin forderte die rechtzeitige Loslösung der Linken von der opportunistischen SPD. Luxemburgs Kritik an Lenin wurde später von SPD-Seite überschätzt. Rosa war durchaus für die Diktatur des Proletariats, ihre berühmten Worte sind gegen die Verhältnisse unter unserer kapitalistischen „Pressefreiheit“ gerichtet: „Das öffentliche Leben der Staaten mit beschränkter Freiheit ist eben deshalb so dürftig, so armselig, so schematisch, so unfruchtbar, weil es sich durch Ausschließung der Demokratie die lebendigen Quellen allen Reichtums und Fortschritts absperrt…Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ Soviel Rosa über unsere Bundestagswahlen, wo 95 % für den Kapitalismus stimmten.

Nachruf Lenins über Rosa Luxemburg:“—ein Adler kann wohl manchmal tiefer hinabsteigen als ein Huhn, aber nie kann ein Huhn in solche Höhen steigen wie ein Adler. Rosa Luxemburg irrte in der Frage der Unabhängigkeit Polens; sie irrte in der Beurteilung des Menschewismus…, sie irrte in ihren Gefängnisschriften (wobei sie selbst ihre Fehler 1918 korrigierte). Aber trotz aller dieser Fehler war sie und bleibt sie ein Adler…“Die deutsche Sozialdemokratie ist nach dem 4. August 1914 ein stinkender Leichnam“ – mit diesem Ausspruch wird ihr Name in die Geschichte der Arbeiterbewegung der ganzen Welt eingehen.“ LW33, 184 (4000 Zeichen)

Rosa Luxemburg Teil 6

DIE LETZTE WOHNUNG


Endlich erleben wir Rosa etwas beschwingt: Drei Jahre lang von 1906 bis 1909 dauert die Liebe zu Kostja Zetkin. Mutter Clara ist sauer, Ex-Lover Jogiches ist sauer, aber Rosa steht zu ihrem Jungen. Dann verliert er selber die Lust an dieser anstrengenden Freundin. Rosa gibt ihn frei. Das sind ziemlich emanzipiertze Briefe, die es da von ihr zu lesen gibt. Kein Jammern, kein Nachtreten, kein erpresserisches Trauern, stattdessen plant sie gemeinsam mit der Freundin Luise Kautsky die ersehnte große Reise nach dem Süden, April bis September 1909: Stuttgart, Zürich, Genua, Gardasee, Sestri Levante, St. Gallen. Sie trägt sich ein als Dr. Rosalia Lübeck..

Und wieder ein Umzug. In Friedenau ist es mittlerweile nicht mehr ländlich genug. Der Weg geht so: Cranachstraße, Thorwaldsenstraße, Grazer Damm, Steglitzer Damm, fünfte rechts:

Biberacherweg 2. 1911-1919 hieß das hier Lindenstr.2 in Steglitz., S-Bahn Attilastraße bzw. S-Bahn Südende.

Das alte Haus ist weg, in einem häßlichen Neubau residiert eine Investmentfirma. Nur Nachbarn aus Nr. 3 erinnern sich noch, dass eine alte Bewohnerin mal von der Roten Rosa erzählt habe. Keine Gedenktafel hier. Rosa liebte diese Gegend, weil sie damals noch unbebaut war und sie oft in der Natur spazierengehen konnte: 7.11.18 Mieterhöhung. „Mir graute vor dem Gedanken, daß Sie nun auf die Suche nach einer neuen Wohnung gehen müßten und daß wir unser liebes Nest in Südende verlieren könnten“ so in ihrem letztern Brief an ihre Sekretärin Mathilde Jacob.

Hier entsteht 1913 „Die Akkumulation des Kapitals“ in der Buchhandlung. Paul Singer, das ist der hochoffizielle SPD Parteiverlag: Der Versuch, „Das Kapital“ von Marx weiterzuschreiben. Die rechtzeitige Übernahme der kapitalistischen Wirtschaft in die Hände der Arbeiter („geplante Genossenschaftsökonomie“) würde Krisen und Kriege verhindern. Die imperialistische Wirtschaft wird wachsen, bis sie die ganze Erde erfaßt und dann möglicherweise von selbst zusammenbricht, falls die Arbeiter ihr nicht rechtzeitig den Garaus machen.Wie es früher allenthalben „Kapital“-Lesekreise gab, so weiß ich heute von „Akkumulation“-Lesekreisen, aus denen mir gesagt wurde, dass das direkt anschließende Werk, die „Antikritik“ noch viel besseren Stoff zur Einsicht in die Ökonomie böte. Ich weiß das nicht genau, ehrlich gesagt vermag ich Rosas theoretisches Hauptwerk nicht zu kritisieren, die Ergebnisse ihrer Forschung liegen noch zu weit in der Zukunft, um entscheiden zu können ob sie Recht hat oder nicht. Als leicht verständliche Einführung empfehle ich das Suhrkamp-Buch über Rosa von Dietmar Dath. Wir Linken sollten wieder mehr politische Ökonomie lernen und diskutieren.

Ob der Investmentberater in Nr. 2 weiß, auf welchem Vorgänger sein Geschäft gebaut ist?

(2645 Zeichen)

Dr. Seltsams Rosa-Luxemburg-Tour jeden Donnerstag. Anmeldung 015773862029.



... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson


[editiert: 21.01.14, 08:58 von bjk]
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