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LL-Demo 2014

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 21.01.14, 09:05  Betreff:  Rosa-Luxemburg-Berlintour mit Dr. Seltsam - Teil 7 - 12  drucken  weiterempfehlen

Dr. Seltsams Rosa-Luxemburg-Tour jeden Donnerstag. Anmeldung 015773862029.


Rosa Luxemburg Teil 7

DER ERSTE WELTKRIEG


Im Jahr 2014 werden eine Menge Bücher erscheinen, die den Ausbruch des Ersten Weltkrieges als zufällige dynastische Fehde von Rache und Ehre darzustellen versuchen. Dabei war Lenin, Luxemburg und den paar europäischen Linken klar, dass nun die imperialistische Weltaufteilung mit Gewalt erfolgte. Von Beginn an versuchte der deutsche Militarismus, seine Hauptgegnerin mundtot zu machen. Bereits am 20.Februar 1914 gab es den großen politischen Prozess gegen Rosa vor dem Landgericht Frankfurt mit der Strafe von 1 Jahr Gefängnis, nur weil sie auf einer Kundgebung gesagt hatte, Deutsche und Franzosen würden niemals aufeinander schießen. Das ist das Jahr, das sie im Weibergefängnis Barnimstraße absitzen wird, wo sie die berühmte Juniusbroschüre verfaßte. Fast muß man den Richtern dankbar sein, dass sie die Gelegenheit zu dieser mitreißenden Polemik geliefert haben. Schon ein paar Monate später am 29.Juni im Kriminalgericht Moabit versuchte die Heeresleitung sie wegen Beleidigung der Armee zu bestrafen, weil Rosa Mißhandlungen an Rekruten anprangerte. Nachdem über tausend Soldaten bereit waren, als Zeugen für Rosa aufzutreten, wurde dieser Prozess erst verschleppt und schließlich ohne förmliche Einstellung vergessen, weil die Generäle eine tödliche Blamage fürchteten. So kämpfte Rosa gegen den Kriegsausbruch, während um sie her schon alles zusammenbrach. Nun war sie Kassandra, diese letzten Sommerwochen bis zum August müssen für sie von hoffnungsloser Klarsicht erfüllt gewesen sein, wenn man nur die Daten sprechen läßt:

28.Juni 1914 Das tödliche Attentat auf den Österreichischen Kaiserthronfolger in Sarajewo durch serbische Nationalisten.

5.Juli 1914 Kaiser Wilhelm II. ermuntert Österreich zum Krieg.

28.Juli 1914 Österreichisches Ultimatum an Serbien, Kriegserklärung.

28.Juli 1914 Die SPD organisiert überall große Massenversammlungen gegen den Krieg mit Hunderttausenden Teilnehmern

29.Juli 1914 Südekum versichert dem Reichskanzler im Namen von SPD und Gewerkschaft , dass die Arbeiter nichts gegen den Krieg unternehmen werden.

29.Juli 1914 Letzte Anti-Kriegsdemonstration auf dem Hermannplatz Berlin Kreuzberg.

1.August 1914 Mobilmachung, Kriegserklärung Deutschlands an Rußland.

4. August 1914 Die gesamte SPD-Fraktion stimmt den Kriegskrediten zu („Die Schande der SPD“), gleichzeitig erfolgt der absolut völkerrechtswidrige Einmarsch deutscher Truppen in das neutrale Belgien, um Frankreich zu schlagen, mit dem es gar keine aktuellen Streitfragen gibt. Nationaler Wahnsinn bricht aus.

Erst am 2. Dezember 1914 stimmt Karl Liebknecht als erster und vorerst einziger gegen die Kriegskredite.

Zuvor noch der verzweifelte Versuch, die Internationale zu retten: In Brüssel wendet sich am 29./30. Juli 1914 ein Kongress des Büros der II. Sozialisten-Internationale pathetisch gegen Krieg.

„Man wollte Rosa Luxemburg hören, weil man hoffte, diese merkwürdige Frau, die schon eine Tradition als Radikalistin hatte, könne einen Ausweg aus dem bevorstehenden Jammer zeigen. Rosa Luxemburg saß traurig gebrochen auf der Rednertribüne. Sie schaute sich mit einem wehmütigen Lächeln die bei ihr sitzenden Führer und auch Jaures an und sagte nichts. Ich wußte, dass sie in Deutschland einen Prozess wegen ihres Antimilitarismus hatte. Ich versuchte, in ihrem damals sehr traurigen Blick und wehmütigen Lächeln zu lesen und fand, dass sie damit der Masse eine stumme, grausame Rede hielt. „Was wollt ihr? Wie kann ich, eine einzelne Frau, die in der Partei von jedem bekämpft wird, für euch etwas tun? Wenn eure größten und angesehendsten Führer, ein Jaures, auch nichts wollen, nur Reden halten. Eure Führer fürchten, ein Opfer zu bringen.“ Heute weiß ich ganz genau, dass ich Rosa Luxemburgs nicht gehaltene Rede richtig hörte.“ So beschreibt es Emil Sittya, ein polyglotter Zeitzeuge.

31.Juli 1914 wird Jean Jaurès in Paris auf offener Straße ermordet. Die ersten Schüsse des Krieges treffen den weltberühmten Pazifisten. Am Beginn eines jeden Krieges, von Gleiwitz bis 9/11, steht solch eine Provokation der Kriegstreiber. (3800 Zeichen)

Rosa Luxemburg Teil 8

DIE JUNIUS-BROSCHÜRE


Vom Winter Februar 1915 -bis Februar 1916 verbringt Rosa die einjährige Gefängnishaft aus dem Frankfurter Urteil im „Königlich-preußischen Weibergefängnis“ Barnimstraße 10, Zelle 8. Sie hat Magenschmerzen, ihr Haar wird weiß. „Die Dividenden steigen, und die Proletarier fallen.“ Heute ist das düstere Gebäude abgerissen, einem Verkehrskindergarten gewichen und das ist gut so. Selbst die Straße ist nur zu finden, wenn man sie kennt. Als ich die Stelle suchte, in der Nähe der Tramstation Büschingstraße, fand sich eine nette Anwohnerin, die mich im Regen dahinführte. Es gibt eine kleine Informationstafel am Zaun und eine bronzene/goldene Gedenkstele am Nebenausgang Weinstraße aus der DDR.

Die JUNIUS-Broschüre, 1915 in der Haftzelle geschrieben und rausgeschmuggelt und in Zürich gedruckt, ist eine geniale Abrechnung mit der SPD: „Die Krise der Sozialdemokratie.“- „Geschändet, entehrt, im Blute watend, von Schmutz triefend – so steht die bürgerliche Gesellschaft da, so ist sie. Nicht wenn sie, geleckt und sittsam, Kultur, Philosophie und Ethik, Ordnung, Frieden und Rechtsstaat mimt – als reißende Bestie, als Hexensabbat der Anarchie, als Pesthauch für Kultur und Menschheit -, so zeigt sie sich in ihrer wahren, nackten Gestalt. Mitten in diesem Hexensabbat vollzog sich eine weltgeschichtliche Katastrophe: die Kapitulation der internationalen Sozialdemokratie...“ mit der Kriegszustimmung. Lenin schreibt „Über die Junius-Broschüre“: „Man spürt den allein Dastehenden, der keine Genossen in einer illegalen Organisation hat, die revolutionäre Losungen bis zu Ende durchdenken,… die diese Aktionen unbedingt durchführen: 1. Das Abstimmen gegen den Krieg. 2.Sprengung des Burgfriedens.3.Schaffung einer illegalen Organisation.4. Verbrüderung der Soldaten. 5. Unterstützung aller revolutionären Massenaktionen…Bürgerkrieg.“ Traurig, aber wahr.

Die Junius-Broschüre ist eine gewaltige Polemik, die offenbar versucht, die SPD trotz allem doch noch zu erreichen und vom völligen Versinken im Burgfrieden-Verrat an der sterbenden Arbeiterklasse abzuhalten. Aber die SPD-Führung selber spaltet nun die „linksextremen“ Kriegsgegner ab und läßt sie verfolgen, am Ende entsteht die USPD, nicht etwa durch Abspaltung der Linken, sondern sie werden als kleines Häufchen aus der Partei rausgeschmissen. Offenbar hatte Lenin Recht gehabt, man muss sich rechtzeitig den Massen als Kriegsgegner /Antiimperialist bekanntmachen, auch wenn man in der Minderheit unterlegen ist, damit sie eine Hoffnung auf Widerstand haben und die Chance des Bürgerkriegs ergreifen. Eine einfache Lehre, die man den Kräften der Linkspartei, die heute zur SPD streben, gar nicht oft genug vorlegen kann. Jetzt ist in Deutschland schon alles zu spät. Der Krieg kann nicht gewonnen werden, die ratlosen Generäle opfern Millionenmassen im sinnlosen Stellungskrieg vor Verdun.

Endlich, was für ein Lichtstrahl, welch erleichternder Durchbruch in dem allgemeinen Elend: es erfolgt die erste selbständige Äußerung der Linken. Am 15.April 1915 erscheint das erste Heft „Die Internationale“ mit 9000 Exemplaren. Eine Monatsschrift für Praxis und Theorie des Marxismus, Herausgegeben von Franz Mehring und Rosa Luxemburg- (Vom Gefängnis aus, über ihre Sekretärin Mathilde Jacob) Wird sofort illegal, erscheint weiter als Zirkularbrief der linken Opposition bis Nr. 23 am 25.12.1916. Daraus erscheint im Mai 1915 das Massenflugblatt von Liebknecht „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“= Die erste selbständige Erklärung der Linken. In der Wohnung von Karl Liebknecht tagt am 1.Januar 1916 die erste „Reichskonferenz der Linken“, miniklein, aber immerhin. Die politischen „Leitsätze“ von Rosa Luxemburg, als Kassiber aus dem Knast geschmuggelt, bilden die Grundlage der Diskussion. So ist sie zwar nicht persönlich anwesend, ihr Geist lenkt aber die Genossen draußen. Was für Helden!

Und endlich, am 1. Mai 1916 erleben wir den ersten mutigen Auftritt gegen das Schlachten. Rosa Luxemburg ist auf dem Potsdamer Platz dabei. Karl Liebknecht steigt auf einen Laternen sockel und brüllt in die ihn umwogende Menge: „Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!“ Die Menschen können seine sofortige Verhaftung nicht verhindern, aber sein Beispiel, sein Aufruf, wird weitererzählt und nach zwei Jahren Früchte tragen. Heute erinnert immerhin ein Denkmalsockel vor dem Balzac-Kaffeeladen an diese bemerkenswerte Demonstration, einer der wenigen Momente, auf die man als deutscher Mensch stolz sein kann.(4330 Zeichen)

Rosa Luxemburg Teil 9

DER BÜFFELBRIEF AUS WRONKE


Rosa bleibt nur ein halbes Jahr frei, die letzte halbwegs unverfolgte Zeit ihres Lebens. Sie beginnt sofort die Herausgabe der „Spartakusbriefe“ zur Sammlung der linken Opposition, Nr.1 am 20. September 1916. Nr. 12 Oktober 1918. Auflage unbekannt, aber danach heißt die Gruppe dann Spartakusgruppe und später sogar KPD/Spartakus. Ehrlich gesagt ein etwas unglücklich gewählter Name, denn dieser antike Sklavenaufstand, die „gewaltigste Tatsache der alten Geschichte“ (Marx) ist nach langen Kämpfen furchtbar gescheitert und 4000 Sklaven wurden entlang der Via Appia gekreuzigt; leider sollte der moderne Spartakusaufstand ein ähnliches Ende erleben. Widerrechtlich wird sie ohne Gerichtsurteil von der Militärverwaltung am 10.Juli 1916 in sogenannte „Sicherheitshaft“ genommen, zunächst im Polizeigefängnis Alexanderplatz (dort war in den Zwanziger Jahren die Karstadt-Hauptverwaltung), am 27.7.1916 landet sie wieder im Weibergefängnis Barnimstraße, danach bis 9.11.1918 in den schlesischen Festungsgefängnissen Wronke und Breslau. Die parlamentarische SPD-Regierung amnestiert Ende Oktober alle politischen Gefangenen, aber nicht Rosa in „Schutzhaft“ wie diese Institution unter den Nazis heißen wird. Erst ihre Durchsetzungskraft befreit Rosa am 9. November 1918 aus dem Breslauer Knast, deswegen ist sie nicht dabei, als die Revolution Berlin erreicht.

Trotz der grauenhaften Abgeschlossenheit und politischen Hoffnungslosigkeit entsteht hier in Wronke ein literarisches Meisterwerk, der sogenannte „Büffelbrief“, den sie im Dezember 1917 an Sonja Liebknecht schreibt, ein tröstlicher Weihnachtstext für alle einsamen Revolutionäre. Der Meister der deutschen Sprache Karl Kraus bekam im Jahre 1920 diesen Brief in die Hände und verlas ihn mehrmals unter Ausdrücken höchster Anerkennung für seine lyrische Kraft vor großem Publikum. An einem schweren Wintertag sieht Rosa im Gefängnishof ein Büffelgespann und muß erleben, wie ein Soldat auf die Zugtiere einschlägt bis sie weinen. Zur Rede gestellt sagt der Soldat: „Mit uns hat ja auch keiner Mitleid!“ Damit ist alles gesagt!. In seiner Zeitschrift „Die Fackel“ druckt Karl Kraus in der nächsten Nummer den Brief einer ungarischen Gutsbesitzerin ab, die meint, wenn die Rosa bei Blumen und Tieren geblieben wäre, „hätte sie wohl nicht Bekanntschaft mit dem Gewehrkolben gemacht“. Kraus kommentiert diesen Brief auf unnachahmliche Weise und unterzieht die zynische Gans quasi einer literarisch-moralischen Auspeitschung..“Der Kommunismus… – der Teufel hole seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als konstante Drohung über den Häuptern jener, so da Güter besitzen …, damit sie wenigstens doch auch mit einem Alpdruck zu Bette gehen!“ (Karl Kraus Band 16) Alle drei Werke in dieser Reihenfolge gehören sicher zum Besten was in deutscher Sprache jemals verfasst worden ist und es wäre wert, an jedem Rosa-Gedenken ausgiebig zitiert zu werden. Auch dem Karl Kraus merkt man an, wie er die Rosa verehrt haben muß. (2850 Zeichen)

Rosa Luxemburg Teil 10

REVOLUTION


Am 7. November 1917 bricht in Russland die Oktoberrevolution aus, sie wird begrüßt von Karl Liebknecht (Brief 11.11.17), USPD-Vorstand (12.11.), SPD-Zeitung Vorwärts, sogar von den rechten SPD-Führern Ebert und Stampfer (15.11.), Clara Zetkin (16.11.), zehn USPD-Demonstrationen in Berlin, von der Polizei aufgelöst (18.11.), Brief von RL aus dem Gefängnis (24.11.). Lediglich ihr Exfreund, der „Renegat Kautsky“ kritisiert sofort die „Diktatur des Proletariats“. Es folgen Streiks bei Daimler in Berlin Marienfelde (3.-8.12.),Verbrüderungen an der Ostfront, im April 1918 Meutereien auf den Panzerkreuzern „Westfalen“ und „Posen“, 46 Matrosen werden erschossen.

Endlich beginnt am 3. November 1918 die deutsche Novemberrevolution. Matrosen der kaiserlichen Kriegsflotte in Wilhelmshaven und Kiel weigern sich, zur „letzten Schlacht“ gegen England auszulaufen und abzusaufen. Um nicht erschossen zu werden, müssen sie ihre Offiziere entwaffnen und die Verwaltung der Garnisonstädte übernehmen und dann in allen umliegenden Städten die reaktionäre Macht ausschalten, d.h. mithilfe der Matrosen werden überall Arbeiter- und Soldatenräte gebildet. Die Fürsten treten ab. Es fehlt aber die Verhaftung der Reichsregierung, Enteignung der Banken und Großbetriebe, insgesamt ist das eine merkwürdige Revolution. Wir heutigen Linken sollten daraus lernen, uns bereits in friedlichen Zeiten innerlich darauf vorzubereiten, wie man den Kapitalismus technisch entmachtet, wenns soweit ist.

Ohne Kenntnis der Ereignisse beschließen die „Revolutionären Obleute“ mit Liebknecht die Revolution für Berlin, aber

frühestens für den 11.November! So sehr täuschen sich auch glühende Revolutionäre über den Ausbruch der Massenenrevolte, sie verlieren eine entscheidene Woche, während derer sich schon der Konterrevolutionär Gustav Noske (SPD) zum Militärgouverneur von Kiel wählen läßt! Karl Liebknecht verkündet am 9. November vom Balkon des Schlosses die „Sozialistische Räterepublik“. An der Spitze von einer Handvoll linker Matrosen besetzt der Spartakist Hermann Duncker den reaktionären Scherl-Verlag. Mit den Worten „Meine Herren, die Zeiten haben sich geändert, sie wissen was sie nun zu schreiben haben!“ zwingt er die rechten Redakteure, die erste „Rote-Fahne“-Zeitung herauszubringen, die berühmte Nummer 1 vom 9. November mit dem Titel in Jugengstil-Schrift.(Die Schlagzeile „Berlin unter der roten Fahne“ steht allerdings in altdeutscher Fraktur.) Heute ist dieses Exemplar unbezahlbar. Die aus allen deutschen Ländern zusammenrekrutierten Matrosen werden in ihre Heimatstädte entsandt und revolutionieren dort die Verhältnisse, in Berlin entsteht so die linke und bis zuletzt revolutionstreue „Volksmarinedivision“ , ihre Zentrale war im Haus der Schiffahrt (Auszahung der Löhnung, Waffenausgabe) am Märkisches Ufer neben der China-Botschaft (eine Tafel im Innern der Gaststätte erinnerte früher daran), Bis Januar hält die Volksmarinedivision zuerst das Schloß als Kampfstellung besetzt, dann den Marstall daneben (Großes Wandrelief neben dem Eingang).

Von all dem bekommt Rosa Luxemburg gar nichts mit, denn sie ist am 9. November immer noch Gefangene. Erst am 10. November trifft sie aus Schlesien mit dem Breslauer Zug am Schlesischen Bahnhof ein, heute der Ostbahnhof. Man verfrachtet sie sofort zum Anhalter Bahnhof, wo in dem eleganten, heute nicht mehr existierenden Hotel Excelsior endlich der revolutionäre Spartakusbund gegründet wird und Aufgaben verteilt werden: Liebknecht Straßenagitation, Luxemburg Rote Fahne Redaktion usw. Nun könnte man endlich loslegen, aber der fette Scherl-Verleger hat sich schon hinter Ebert gesteckt und der läßt mit eigenen Soldaten die Revolutionäre rauswerfen. Zwar werden sie noch nicht umgebracht, das passiert erst zwei Monate später, aber Rosa steht jetzt ohne Zeitung da.

Erst am 18. 11. erscheint die RF Nr.3 unter der Redaktion von Rosa Luxemburg, über zwei Wochen nach Ausbruch der Revolution, da ist fast alles zu spät. Man kann noch so tolle Ideen und Pläne haben; wenn man sie im entscheidenden Moment nicht verbreiten kann, geht das Leben vorbei.Ständiger Hotelwechsel wegen Verfolgung, am 17. Dezember Übersiedlung der RF-Redaktion in ein Hotel Wilhelmstr. 114 oder Hotel Ascanischer Hof, wo schon Kafka 1913 wohnte. Erst Ende Dezember schläft Rosa erstmals wieder zu Hause.“Das kleine Journal“, Königgrätzer Str. 40/41 (Heute Stresemannstraße, wie in ganz Kreuzberg gibt es keine Erinnerungstafel an Rosa Luxemburg!) wird zum Verlag der Roten Fahne, Rosa schreibt das meiste und beaufsichtigt bis Mitternacht den Umbruch. Gelegentlich kommen Ebert-Soldaten vorbei und suchen sie zu verhaften. Das war Rosas ganze „Schuld an der Revolution“, wofür die Nosketruppen sie ermorden werden. (4665 Zeichen)

Rosa Luxemburg Teil 11

KPD UND SPARTAKUSAUFSTAND


Nun folgt Rosas größte Tat: Die Gründung der KPD! Ein Raum ist schnell gefunden, in dem alten Palais Hardenberg, dem preußischen Herrenhaus, tagt schon der Berliner-Arbeiter- und Soldatenrat in Permanenz, bewaffnete Matrosen bewachen das Haus; in den Festsaal unterm Dach passen die hundert Delegierten aus ganz Deutschland knapp hinein. Zu DDR-Zeiten stand der Saal unter Denkmalschutz und es gab eine Gedenktafel, allerdings unterstnd das Gebäude dem Grenzregime, so dass genau wie zum Schulze-Boysen-Gedenkort, kein Normalbürger Zutritt hatte. Jetzt ist alles wegrenoviert und die CDU tagt darin und wer es nicht weiß, findet es nicht. (zwischendrin war dies Görings „Haus der Flieger“ und im KPD-Festsaal zeigte er seine Hochzeitsgeschenke.) Die neue Berliner Republik hält es nicht für nötig, an die Gründung der größten linken Partei, an die klügste Politikerin und jedenfalls beste Autorin zu erinnern, die dieses Haus jemals gesehen hat. Heute ist hier das Berliner Abgeordnetenhaus, Käthe-Niederkirchner-Straße, Saal 306. Sylvester und Neujahr 31.12.1918 /1.1.1919 startet hier die Gründung der „KPD/Spartakusbund“ , Rosa hält die Programmrede. Endlich erfolgt die organisatorische Trennung von den Sozialdemokratischen Kriegsbefürwortern und den unentschlossenen Kautskyanern. Zwar erleidet Rosa eine Niederlage in der Diskussion, die sich gegen die Beteiligung an bürgerlichen Parlamentswahlen ausspricht, aber 12 Jahre später bei der letzten Wahl vor den Nazis wird aus dieser kleinen Gruppe die stärkste Partei Berlins geworden sein und bei der Präsidentenwahl bekommt der Kommunist Thälmann sechs Millionen Stimmen.

Der Gründungskongress und Rosas Rede sind gut dokumentiert. „Wir sind wieder bei Marx“, sagt sie und man spürt das Bemühen aller Beteiligten um marxistische Argumentation; allerdings, es fehlt an Einfluß, an realer Macht. Kein Vergleich mit der russischen bolschewistischen Partei, die ein Militärkomitee bildete und zum gegebenen Zeitpunkt die alte Regierung einfach verhaften und die Zarenfamilie killen ließ. Alle Projektionen der jungen zuspätgekommenen KPD reichen nur in die Zukunft, keiner weiß, wie man die verfahrene Revolution noch retten kann, die von den übermächtigen Sozialdemokraten gründlich an die Reaktion verraten wurde und die bereits ihre Mörder heranführt.

Bereits am 6. Januar 1919 gibt es ein Gespräch in der Wilhelmstraße: Gustav Noske erhält das militärische Oberkommando mit den Worten: „Einer muß der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht!“. Jetzt ist alles klar, man muß die letzten bewaffneten Linken nur dazu kriegen, sich vor die Kanonen der Regierungstruppen zu stellen und sich abschlachten zu lassen. Der Anlaß ist Eichhorns Entlassung. Im Eingang der ehemaligen Garde-Dragoner, heute das Finanzamt Kreuzberg am Mehringdamm, versucht eine längere Denktafel den Spartakusaufstand zu erklären, ohne Noske und die SPD-Verantwortung dabei zu erwähnen:

9.November 1918 Unter den Linden. Die Revolution im kriegsmüden Deutschland hat die Hauptstadt erreicht. Die Republik wird ausgerufen. Die Monarchie bricht zusammen. Es kommt zu Massenstreiks, Arbeiter- und Soldatenräte werden gebildet, zwei Tage später wird der Waffenstillstand unterzeichnet.

5.Januar 1919 Demonstration am Dönhoffplatz, Berlin Mitte. Mit der Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (Unabhängige Sozialdemokratische Partei USPD) durch den preußischen Innenminister Paul Hirsch (SPD) hat die radikale Linke tags zuvor ihre letzte Machtbasis verloren. Daraufhin erklären ihre Anhänger die Regierung für abgesetzt und besetzen das Zeitungsviertel um die Koch- und Lindenstraße. Im Januar 1919 wurden hier, in der ehemaligen Garde-Dragoner-Kaserne regierungstreue Truppen aus Potsdam einquartiert. Kurz zuvor hatten bewaffnete Arbeiter und Soldaten das nahegelegene Zeitungsviertel besetzt. Die in diesem Gebäude untergebrachten Truppen erstürmten am 11. Januar 1919 das besetzte „Vorwärts“-Gebäude in der Lindenstraße (heute Mehringplatz).

Die Ermordung der Parlamentäre. Sieben Besetzer, die durch Verhandlungen eine friedliche Übergabe des Verlagsgebäudes erreichen wollten, wurden gefangen genommen und anschließend hier erschossen. Bei der Räumung des „Vorwärts“-Gebäudes machten die Regierungstruppen 295 Gefangene und brachten sie ebenfalls in die Kaserne und mißhandelten sie schwer. Erschossen wurden W. Fernbach (29 Jahre); K. Grubusch (29) W. Heise (25); E. Kluge (24); W. Möller (31); A. Schöttler (26); P. Wackermann (29). (Text Gedenktafelkommission Kreuzberg)

Die RF-Redaktion arbeitete inmitten der Kämpfe.Verschiedene Verstecke, z.B. Blücherstr.13 gegenüber der Heilig-Kreuz-Kirche bei Dr. Bernstein (Anarchist), in der sozialistischen Musterschule Birkenwerder bei der Lehrerin Frieda Winkelmann und in Neukölln bei einer Arbeiterfamilie in der Boddinstr /Werbellinstraße x Hinterhaus 4 Treppen. Hier mußten sie weg, weil zuviel Laufverkehr die Aufmerksamkeit des Hausmeisters erregte. Jetzt war die Revolution massenmäßig erledigt, und man konnte darangehen ihre Führung liquidieren. In übergroßer Solidarität mit den toten Kämpfern verzichtete Rosa darauf, ins Ausland zu fliehen. (4695 Zeichen)

Rosa Luxemburg Teil 12

DER DOPPELMORD


Die wichtigste Frage gleich zu Anfang: War Noske schuld oder nicht?

Ich zitiere dazu den Tatort-Regisseur und Buchautor Klaus Gietinger:

Hauptmann Pabst hatte in der Mordnacht Noske in der Reichskanzlei angerufen! Ergänzt man Pabsts Memoiren-Hinweis mit der Aussage von RA Kranzbühler, ergibt sich folgendes nächtliche Telefongespräch:

Pabst: »Ich habe Luxemburg und Liebknecht. Geben Sie entsprechende Erschießungsbefehle?« Noske: »Das ist nicht meine Sache! Dann würde die Partei zerbrechen, denn für solche Maßnahmen ist sie nicht und unter keinen Umständen zu haben. Rufen Sie doch Lüttwitz an, er soll den Befehl geben.« Pabst: »Einen solchen Befehl kriege ich von dem doch nie! « Noske: »Dann müssen Sie selber wissen, was zu tun ist.«

Eine sensationelle Entdeckung, die nicht nur die allgemeine Verantwortung der SPD-Regierung für Freikorpsterror und politischen Mord untermauerte, sondern im speziellen Noske für den bestialischen Doppelmord mitschuldig erklärte. Als ich dies veröffentlichte, sah ich mich heftigen Angriffen von Seiten der selbstgerechten SPD ausgesetzt. Tilmann Fichter, ein gewendeter Alt-68er, bezeichnete meine Forschungen als »Räuberpistole«. Und Heinrich August Winkler, ein Schlachtroß rechter SPD-Geschichtsschreibung, rügte mich, »ohne jeden quellenkritischen Vorbehalt« vorgegangen zu sein; inzwischen werde ich von ihm als ein „von der PDS mißbrauchter Filmemacher“ tituliert.

Am 14. Januar übernachteten Karl und Rosa in der Wohnung Marcussohn, -er ist USPD-Mitglied, sie ist Rosas Freundin- in der Mannheimer Straße 43, einer ruhigen Gegend in Berlin-Wilmersdorf. (Heute trägt das Haus die Nummer 27 und im Gehsteigpflaster ist ein Gedenkstein eingelassen; untrügliches Zeichen dafür, dass der Hausbesitzer es nicht an seinem Gebäude haben will. Warum eigentlich nicht?) „Die Mannheimer Straße findet ihre konsequente historische Verlängerung in den Lagerstraßen von Dachau und Buchenwald“, schrieb Günter Kunert überaus passend: Am Ende der Straße gelangt man heute auf den Fehrbelliner Platz mit seinen Büroblocks im Nazistil für 15000 Beamte. Hier Verrat und Festnahme durch den „Sozialdemokratischen Helferdienst“ und Wilmersdorfer Bürgerwehr.

Abtransport Liebknechts zur Zentrale der Bürgerwehr im neugebauten Cecilien-Lyzeum am Nikolsburger Platz.

Autofahrweg: Mannheimerstraße-Fehrbellinerplatz-Hohenzollerndamm-Güntzelstraße-Trautenaustraße-Nikolsburger Platz / Cecilienschule. Hier wurde telefoniert. (Mit wem? Wahrscheinlich wurde SPD-Regierungs-Pressechef Breuer gefragt, ob man nun die angeblich 100.000 Mark Belohnung von Scheidemann kriegt. „Ein jeder der an der Aktion Beteiligten erhielt durch den Vorsitzenden des Wilmersdorfer Bürgerrats Fabian für den Fang die damals enorme Summe von 1.700 Mark“Gietinger.) Danach werden Pieck und Rosa geholt und direkt zum Edenhotel gebracht.

Bis 21 Uhr Ablieferung der drei Gefangenen Liebknecht, Rosa und Wilhelm Pieck im Hotel Eden bei Hauptmann Pabst, der in Absprache mit Noske den Mord befiehlt. Pieck kann sich rausreden, wird ins Polizeipräsidium gebracht und kann nachts fliehen. Seine genauen Zeugen-Aussagen führen späterhin nicht zur Verurteilung der Mörder.

Liebknecht wird erschossen um 23.45h bei der Rettungsstelle am Zoo (neben dem heutigen Elefantentor) abgeliefert, gleich danach wird Rosa rausgeschafft, mit Kolbenhieben von Jäger Runge verletzt und auf dem Weg zum Kanal von Hauptmann Souchon „aus der Menge“ in den Kopf geschossen, an der Brücke in den Landwehr-Kanal geworfen, —-und bleibt verschwunden! Ihr Tod wird später amtlich auf 23 Uhr 45 am 15. Januar 1919 festgelegt.

Heute steht im Tiergarten das Doppel-Denkmal von Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte von 1987, gegossen in Lauchhammer/DDR. Große Bronze-Buchstaben der Namenszüge RL und Karl L bezeichnen die jeweilige Mordstätte am Lützowufer/ Landwehrkanal bzw. Großer Weg am Nordufer des Neuen Sees, nähe S-Bahn Tiergarten. Hier finden schon seit den Sechziger Jahren an jedem 15. Januar am frühen Abend ergreifende Gedenkstunden der West-Linken statt. Beider offizielle Grabstelle befindet sich auf der Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde. Die gewaltige 6 Meter hohe expressionistische Granitwand von Mies van der Rohe wurde 1935 von den Nazis zerstört. Weder SED noch SPD dachten daran, dies würdige Kunstwerk wieder aufzubauen, stattdessen liegt dort ein Gedenkstein, der an die Opfer Stalins erinnern soll; das ist völlig unpassend, denn an dieser Stelle liegen nur Opfer der SPD und der Nazis.

Rosas Leichnam wird erst am 31. Mai 1919 an der Unteren Freiarchenbrücke gefunden, wg. Verwesung erst nach Tagen identifiziert. Heute floriert hier die Gaststätte Schleusenkrug, Müller-Breslau-Strasse.,Auch hier an der Schleuse findet sich kein Gedenkstein; dabei hätte die DDR dort ein eigenes RL-Denkmal errichten können, denn die Wasserwege, Schleusen, etc. waren bis 1990 unter DDR-Verwaltung. „So verlief an dieser Stelle die Grenze quasi horizontal. Im Untergeschoß sorgten die Genossen für reibungslosen Schiffsverkehr, darüber genossen die Westberliner Sonne, Bier und deftige Küche.“ (Speisekarte Schleusenkrug) (5100 Zeichen)

Hier ist die RL-Serie zuende. Bei Gefallen könnte ich noch einen kleinen Anhang schreiben über die gemeinen und fiesen Denkmale gegen Rosa vor der Grundkreditbank, dem Hotel Eden usw. Und einen kleinen Briefwechsel mit dem Hotel Schweizerhof und der Grundkreditbank initiieren, warum sie für jeden Klimbim teure Bronzen aufstellen, aber für Rosa nix übrig haben. Und einige andere Apercus. Bitte um Aufträge. Im übrigen vielen Dank für eure Mühe, beim ersten Durchlesen habe ich leider wieder viele Tippfehler gesehen, aber jetzt will ichs erstmal loswerden. Ich selber bin vom 10 bis 24. 12 nicht im Berlin. Wie üblich genehmige ich euch jegliche redaktionelle Änderung im Voraus., zum Beispiel eine originelle Überschrift über das Ganze hab ich noch nicht. Für euch zum Vergnügen noch ein Sätzchen aus dem letzten Kommentierenden Teil, den ich oben schon angeboten habe:

Ferner eine bronzene Rosa auf den Hof der Jungen Welt, wo sie drohend zur PDS rüberguckt und dieselbe Statue als Ensemble vor dem Haus des Neuen Deutschland, Franz-Mehring-Platz 1 in Berlin Friedrichshain, wo heute die Rosa-Luxemburg-Stiftung residiert. Am Rosa-Luxemburg-Platz heute die Zentrale der Linkspartei und die Hans-Poelzig-Bauten auf dem ehemaligen jüdischen Scheunenviertel, RL-Zitate auf Goldbändern im Straßenbelag . Jeden zweiten Sonntag im Jahr Gedenkdemo vom Frankfurter Tor („Stalinallee“) nach Friedrichsfelde mit hunderttausend Teilnehmern, jeden zweiten Samstag jedes Jahr LRL-Konferenz der Jungen Welt in der Urania mit tausenden Teilnehmern. Politische Nachahmung in der Linkspartei: „Jetzt fängt Sarah Wagenknecht schon an zu humpeln, um Rosa Luxemburg ähnlich zu sein.“ (Lothar Bisky), dabei fehlt der alles, die massenergeifende Rede, radikale Angiffslust und die Freundschaft mit Lenin.

ENDE.






... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson


[editiert: 21.01.14, 09:10 von bjk]
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