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Gegen soziale Ausgrenzung und Verelendung

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 23.05.08, 19:07  Betreff: Re: Gegen soziale Ausgrenzung und Verelendung  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.freitag.de/2008/21/08210601.php


Mathias Wedel

Und da hängt sie

DIE STäRKSTE DER PARTEI´N * Jung, blitzblank - aber ohne Visionen und Hoffnung



Es war einmal eine kleine Partei, die hat alles richtig gemacht. Obwohl eine sehr alte und einstmals sogar mächtige Partei ("Wir sind die stärkste der Partei´n", sang es aus ihr), hat sie plötzlich wieder jung und blitzblank ausgesehen: Sie nahm sich - und das war das Schlaueste, was ihr eingefallen ist - den frechsten Namen der Welt. Oder anders: Sie nahm sich die Frechheit, sich diesen Namen zu nehmen. Sie nannte sich "Die Linke".

Der Name ist schon deshalb toll, weil er nicht kleinzukriegen ist. Er ist der einzige Parteienname in der deutschen Geschichte, der so kurz wie lang ist. Wenn ab jetzt jemand die Worte "Die Linke" in den Mund nahm, weiß man nie genau: Ist jetzt diese kleine blitzblanke Partei gemeint oder quasi die Hälfte (mindestens) der Gesellschaft? Raffiniert!

Mit ihrem Namen hat die kleine Partei, die alles richtig gemacht hat, der Gesellschaft plötzlich wieder zwei Pole gegeben, einen Plus- und einen Minuspol. Wir oder die. Alle, die auf dem Minuspol sitzen, sind das Gegenteil von links, nämlich rechts, da können sie heißen, wie sie wollen. Wer "irgendwie" links ist, musste plötzlich überlegen, ob er damit nicht automatisch zu "Die Linke" gehört und bequemerweise gleich da bleiben sollte.

So erging es auch einer anderen ebenfalls sehr alten, einstmals mächtigen und einstmals linken Partei ("Wann wir schreiten Seit´ an Seit´", sang es dereinst aus ihr). Der blitzblanke neue Name der kleinen Partei, die alles richtig gemacht hat, hat sie in die Bredouille gebracht: Sollte sie sich nicht gleich mit auf den Pluspol setzen oder weiter furchtbar zwischen plus und minus vegetieren? Wäre die SPD vor einem Jahr der "Linken" beigetreten, sie hätte sich viel Leid erspart. Und es gäbe sie heute noch.

Die Funktionäre der kleinen blitzblanken Partei, die alles richtig gemacht hat, (und sie hat verdammt viele Funktionäre!) werden sagen: Na so was! Wir haben uns doch nicht nur einen neuen Namen gegeben, sondern noch viele andere Sachen richtig gemacht. Das stimmt vielleicht. Aber wichtig war das nicht. Der neue Name war die Einladung, die Umarmung, die Nötigung an alle: In "Die Linke" oder für "Die Linke" kann sein, wer in netter Seniorenrunde Kuchen essen und Weichnachtsgestecke basteln will oder Molotowcoctails, wer für Ordnung sorgen oder wer Chaos säen will, wer den Staat stützen oder wer ihn stürzen will, wer rasch reich werden oder wer die Reichen erschießen oder wenigstens bluten lassen will, wer die Armen speisen und im "Ehrenamt" idyllisch beschäftigen will oder wer sie aufhetzen will, wer Kinder in die Krippe geben will oder wer sie auf jeden Fall zu Hause lassen will, wer Steuern bezahlen will oder wer dem Schweinesystem gar nichts bezahlen will, wer die Eigentumsfrage nicht stellt und wer die Eigentumsfrage scharf stellt, wer sich prinzipiell eine Fahrkarte kauft oder wer prinzipiell schwarz fährt, wer deutsch fühlt oder wer bei "deutsch" kotzen muss, wer Frau Merkel wegen ihrer klugen Menschenrechtspolitik schätzt oder wem sie nur ein Unfall der Geschichte bzw. der Biologie ist, für wen die Mauer die Mauer war und für wen die Mauer der Antifaschistische Schutzwall war, wer aus dem Prager Frühling kommt oder wer aus den Kampfgruppen der Arbeiterklasse kommt, wer Ossi ist oder wer Wessi ist. Usw. usf. Nur für Krieg sein, das kann man in "Die Linke" nicht.

Mit diesem "Programm" wurde die kleine, blitzblanke Partei, die alles richtig gemacht hat, die mächtigste Partei der Republik. Sie zwingt die Kanzlerin, ihre Tage zu verdämmern. Sie könnte Beck jederzeit fallen lassen. Über kurz oder lang führt sie den Mindestlohn ein und legt das Renteneintrittsalter neu fest. Sie stellt die richtigen Fragen und freut sich über hilflose Antworten. Sie zwingt viele Leute auf den Pluspol, die sich dort sehenden Auges den Arsch verbrennen, zum Beispiel Westerwelle. Sie könnte Bisky zum Bundespräsidenten machen. Will der aber nicht.

So könnte es weitergehen. Wird es aber nicht. Die sehr alte, blitzblanke Partei mit dem frechen Namen wird wohl einen frühen Kindstod sterben. Warum strömen ihr die Massen nicht zu? Warum tragen sie nicht jubelnd ihre Funktionäre durch die Straßen? Warum feiert diese Partei nicht? Warum ist es nicht chic, warum ist man nicht stolz, in "Der Linken" zu sein? Warum verschlingen nicht Millionen morgens das ND? Warum verliert man in "Der Linken" seine Jugend? Warum ist man in "Der Linken" verloren? Die Antwort lautet: Eine Linke, die keine Vision hat, hat auch keine Hoffnung. Schon gar keinen Glauben. Vielleicht ist sie nicht einmal links. Diese Linke kann sich nicht einmal selber sagen, wie die Gesellschaft aussieht, die sie will und für die zu streiten es sich lohnt. Vielleicht will sie gar keine andere.

"Die Linke" mag sich selbst nicht leiden. Eines Morgens kommt man in den Keller, um zu gucken, ob noch Bier da ist - und da hängt sie, denn sie hat sich aufgehängt. Wie konnte sie nur, wird man dann sagen. Sie hat doch alles richtig gemacht. Tja, wäre sie vor einem Jahr der SPD beigetreten, wäre ihr dieser Tod erspart geblieben. Und es gäbe sie heute noch.




Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!

[editiert: 23.05.08, 19:10 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 23.05.08, 11:18  Betreff: Re: Gegen soziale Ausgrenzung und Verelendung  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.scharf-links.de/40.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=1357&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=615f6ebbb7


Anmerkungen zum Leitantrag des Parteivorstandes der LINKEN

zum Bundesparteitag 2008


Von Thies Gleiss


1. Lernen wir debattieren!


Was in fast jeder anderen politischen oder gesellschaftlichen Einrichtung selbstverständlich ist und von allen wissenschaftlichen Methodenlehren gefordert wird, ist in dem Parteimodell, an dem sich der Mainstream der neuen Partei Die Linke offenkundig orientiert, scheinbar nicht möglich: das Denken und Diskutieren in Alternativen. Wie von einer unsichtbaren Regie geleitet, werden die Genese und natürlich auch das Endresultat der aktuellen Leitantrags-Debatte von einer vorab gefassten Absicht fast aller Beteiligten gelenkt, es muss am Ende etwas herauskommen, dem alle zustimmen. Die Behauptung, dass nur dies dem Wohl der Partei dient, wird als nicht mehr zu hinterfragendes Gebot vorangestellt und durch die ebenso unbewiesene, sich bei näherer Betrachtung sogar als komplett falsch herausstellende These garniert, "die Medien" oder "die WählerInnen" würden dies und nur dies erwarten. Nun ist es sicherlich ein zeitweilig angenehmer Zustand, wenn ein lebendiger politischer Organismus von gut 70.000 Menschen einer Meinung ist und einem und nur einem Text die Zustimmung erteilt, aber jeder und jede weiß natürlich, dass dieser Zustand fast niemals eintreten wird. Es gibt - zum Glück - immer verschiedene Meinungen und auch verschiedene Interessen, die zwar in einer Partei zusammengeführt werden können und um gesellschaftlich zu wirken, auch zusammengeführt werden müssen, die aber in jeder konkreten Situation neu ausgearbeitet und gegenübergestellt werden sollten. Für eine demokratische Partei sind deshalb Mehr- und Minderheitenmeinungen, unterschiedliche Konzepte und Plattformen für die nächsten Schritte, ja auch Streit und ungelöste Konflikte um inhaltliche Fragen der Normalzustand. Wer sie durch ein Gebot zur unbedingten Einheitlichkeit ausschalten will, der oder die hofft entweder auf einen fast völlig irrealen Nicht-Normalzustand oder muss Zwang ausüben, dessen Opfer immer die innerparteiliche Demokratie zuerst ist.

Die Partei Die Linke kennt ja sogar mehr oder weniger dauerhafte politische Strömungen, die von der Satzung mit Sonderrechten ausgestattet werden. Wenn solche Strömungen einen Sinn haben sollen, dann doch den, dass sie sich als Strömung mit eigenen, durchargumentierten Entwürfen und Konzepten einbringen, Alternativen vorschlagen und ihre Strömungsexistenzberechtigung in einer aktuellen Debatte untermauern oder eben auch mal aufgeben. Das führt dann zu Parteitagen, die wirklich kollektiv debattieren und entscheiden. Wo es, wie überall sonst im Leben auch, in der Regel Mehr- und Minderheiten gibt, wo unterschiedliche Konzepte und Plattformen sich gleichberechtigt einbringen und vorstellen können.

Die Leitantragsdebatte 2008 der LINKEN verlief leider entlang anderer Strukturen. Eine Vorgabe aus dem Büro der Parteivorsitzenden durfte mit "Änderungsanträgen" verschönert werden. Zu grundsätzliche Alternativen, die von verschiedenen Seiten, so auch vom Autor dieser Anmerkungen, vorlagen, wurden gleich im ersten Bearbeitungsdurchlauf abgewehrt. Hinter den Kulissen und ohne öffentliche Debatte wurde um Kompromiss-Formulierungen gerungen und alles Scharfe und Verbindliche rund geschliffen. Es wurde eine reduzierte zweidimensionale Diskussion organisiert, von der Führung nach unten und zurück mit möglichst moderaten, individuellen Änderungsanträgen. Die bekannten politischen Strömungen meldeten sich ab und debattierten lieber in ihren eigenen Kreisen. Diese Art der Parteidiskussion ist gleichermaßen aus den schlechten Traditionen der bürokratisierten und überzentralisierten Parteien aus der Sozialdemokratie und auch der in dieser Frage noch bizarreren Parteien aus der stalinistischen Epoche der kommunistischen Internationale bekannt. So hat die LINKE eine weitere Chance verpasst, eine innerparteiliche Debatte wirklich demokratisch und einer modernen, aufgeklärten linken Partei gemäß zu führen, die auch außerhalb der Partei wahrgenommen wird und auf reale gesellschaftliche Prozesse einwirkt.

Das Ergebnis ist entsprechend blöd: ein langweiliger Text, voller Plattitüden, der zeitlos und nicht aneckend, nicht bindend und nicht anregend sein will. Ein Text, für den das von allen Seiten gehörte "Er richtet keinen Schaden an" noch als Kompliment gemeint ist. Ein Text, der die politischen Vorbehalte eines großen Teils der Bevölkerung, Parteien sind geschwätzige Anachronismen und nur auf sich bezogen, leider gut bestätigt. Ein Text, mit der einzigen Funktion, einen einheitlichen Parteitag vorzugaukeln und der neuen oder alten Führung jegliches konkretes Handeln zu ermöglichen. Ein Abnicktext, der die Mitglieder nicht etwa politisch zusammenführt, sondern atomisiert und zur Kulisse degradiert. Ein Text der Beliebigkeiten und der Stilblüten - von denen die saublöde Zeile "Wir wollen weg von Hartz IV", als angeblicher Kompromiss zwischen denen, die einen radikalen Kampf gegen die Hartz-Gesetze führen wollen und denen, die an diesen Gesetzen irgendwie mildernd herumdoktern wollen, sicherlich die bemerkenswerteste ist.  Die LINKE sollte lieber weg von solchen Leitanträgen!

2. In welcher Welt leben wir?

Der Leitantrag des Parteivorstandes mündet in einer finalen, den Sinn unserer programmatischen Identität zusammenfassenden Frage: In welcher Welt wollen wir leben?  Die acht Seiten des Antrags geben auf diese Frage keine Antwort. Außer dünnen Bekenntnissen nach mehr Gerechtigkeit, Teilhabe, Solidarität und Friedlichkeit steht als radikalste Formulierung die auch schon fast zur Plattitüde verkommene Formel, dass der Kapitalismus nicht das letzte Wort der Geschichte sein darf und der Sozialismus anzustreben ist. Das ist natürlich kompatibel mit Vielem, vom CDU-Arbeitnehmerflügel bis zur Beck'schen SPD. Doch diese Schwammigkeit oder netter formuliert, dieser Mut zur Lücke wäre nicht schlimm, würde die viel wichtigere Frage -  "In welcher Welt leben wir?" - so aufklärend und konkret beantwortet, dass daraus gesellschaftspolitisches Handeln abzuleiten wäre. Doch leider ist die Analyse der tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse im Leitantrag ähnlich schwach und vielfach fahrlässig oberflächlich oder schlicht falsch wie in früheren Texten der LINKEN auch, manchmal sogar schwächer als zum Beispiel in den "Programmatischen Eckpunkten".  Wer allerdings nicht genau benennt, wie die Dinge zusammenhängen, die heute das politische Bewusstsein der Menschen bestimmen, wer nicht kollektive oder Klasseninteressen herausarbeitet, wer nicht klar Täter und Opfer, Gewinner und Verlierer der herrschenden Politik identifiziert, der oder die wird nicht etwa "realitätstüchtiger" oder gar durchsetzungsfähiger in seiner Politik, sondern im Gegenteil handlungsunfähiger und reiht sich in die Phalanx politischer Heilsversprecher ein. Die rote Linie des Handelns der LINKEN ist und bleibt die Mobilisierung für die Interessen der breiten Mehrheit der Bevölkerung gegen die Besitz- und Machtinteressen einer gesellschaftlich dominierenden Minderheit von Kapitalbesitzern und ihren Getreuen. Wer diese einfache Wahrheit übersieht und nicht beim Namen nennt, wird Armut, Krieg, Umweltzerstörung, Unterdrückung und Ausbeutung nur als "schlechte Politik", "Fehlentwicklung" oder höchstens als "neoliberalen Irrtum" erklären können. Als "Lösung" wird dann fast zwangsläufig nur angeboten, dass "wir" es besser machen würden und eine Wahl der LINKEN schon alles richten würde. Man braucht das "Parlament" nicht einmal beim Namen zu nennen, um mit einem solchen Text nur eine tröstende, alles zusammen aber affirmative Haltung den herrschenden Verhältnissen und der parlamentarischen Parteiendemokratie gegenüber zu erzeugen. In Wahrheit ist der Adressat solcher Texte auch nicht die Mitgliedschaft der Partei oder die Opfer der herrschenden Politik - sie werden ihn nicht zur Kenntnis nehmen beziehungsweise nach einem Tag vergessen haben - sondern der politische Wettbewerber im Streit um Parlamentssitze. Statt Leitantrag also eher Regierungserklärung einer Oppositionspartei - unernster geht es kaum.

Die Massenerwerbslosigkeit, Hartz IV-Gesetze, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und Armut sind allerdings keine Irrtümer oder Fehlentwicklungen. Sie sind gewollte Politik und leider auch ziemlich erfolgreiche - trotz der Existenz von Gewerkschaften, sozialem Protest und der LINKEN. Die Schaffung eines Niedriglohnsektors ist erklärtes Ziel aller Parteien und Regierungen, die sich der so genannten Lissabon-Strategie des europäischen Kapitals verpflichtet haben. Wer einen Niedriglohnsektor schaffen will und Armut erzeugt, der macht keinen Fehler, sondern ist im gewollten Sinne erfolgreich. Wer, wie  alle Parteien außer der LINKEN - und die schwankt auch schon zuweilen - die so genannten "Lohnnebenkosten" kürzen will, muss Renten, Gesundheitswesen, Bildung usw. privatisieren, um die ca. 200 Milliarden Euro variablen Kapitals, die bisher und seit Zeiten einer noch kämpferischen Sozialdemokratie, der Bismarck damit seinerzeit den Wind aus den Segeln nehmen wollte, durch gesellschaftspolitische Festlegung für Sozialversicherungsbeiträge festgeschrieben sind, wieder der allgemeinen Kapitalverwertung zuzuführen. Und wer die Lohnquote weiter senken will, der muss versuchen, die Produktion des absoluten Mehrwerts auszudehnen, indem der Arbeitstag wieder verlängert wird. Das sind geschriebene und lauthals verkündete Programmschwerpunkte aller anderen Parteien. Die SPD begeht darüber hinaus den Frevel, dies als "moderne linke Politik" zu verkaufen. Tröstete die Vor-98-SPD sich und ihre AnhängerInnen noch stets mit der Parole "wir würden ja gerne mehr, aber die "Gegenseite", "der Koalitionspartner"  usw. lassen nicht mehr zu", so heißt es heute gerade bei sich selbst als Linke  bezeichnenden Sozialdemokraten, diese Politik der Umverteilung von unten nach oben ist moderne linke Politik, per aspera ad astra, soziale Ungleichheit ist Voraussetzung für Forschritt und  ähnlicher Müll mehr.

Dieser Politik kann vor allem da widerstanden und Gegenmacht entgegen gestellt werden, wo sie entsteht. In den Betrieben, mit den Beschäftigten, mit den Erwerbslosen und prekär Beschäftigten; in den Universitäten mit den Studierenden gegen Uni-Gebühren. In den Stadtteilen gegen die Privatisierungen. Und eine linke Partei müsste als Mindestes aufklären, dass diese Zusammenhänge  bestehen und wer sich wie und wo dagegen wehren kann. Sie muss die Möglichkeiten des Kampfes im Zusammenhang mit diesen konkreten Zielsetzungen verbessern helfen, durch politischen Flankenschutz und zum Beispiel durch die Ermunterung  zu politischen Streiks.

Die Umverteilung von unten nach oben wird heute massiv beschleunigt durch eine Ausdehnung aller Arten von indirekten Steuern, allen voran die Mehrwertsteuer, die immer vor allem die trifft, die ihr gesamtes Einkommen zum direkten Lebensunterhalt konsumieren müssen. Die LINKE muss sich dem gegenüber als Umverteilungspartei der anderen Richtung, von oben nach unten, präsentieren und eine Reduzierung bis Abschaffung der indirekten Steuern stark machen (was nicht mit der Erhebung von Strafabgaben auf Luxusgüter und aus Umweltgründen verwechselt werden darf).

Auch die weltweite Tendenz, die Schwelle zur gewaltsamen, kriegerischen Konfliktlösung immer mehr herabzusetzen und die Zunahme Konkurrenz bedingter Kriege um kleine oder große Anteile am internationalen Markt sind keine Zufälle. Der Krieg als dem Kapitalismus innewohnende Konsequenz kann nur durch eine bedingungslose Opposition gegen die Rüstungsindustrie, die militärischen Pläne aller anderen Parteien und die Ausbeutung der armen Welt durch die reiche verhindert werden. Es sind auch hier die SPD und die Grünen, die dem weltweiten imperialistischen Herrschaftsanspruch mit modern klingenden Parolen wie "Weltinnenpolitik" oder auch dem simplen "Krieg gegen den Terrorismus" hübsch kaschieren.
Es ist auch Aufgabe eines linken "Leitantrages" , den Zusammenhang zwischen kapitalistischer Produktion, die einem der Profitratenentwicklung folgenden unnatürlichen Zeit- und Raumregime folgen muss, die versucht, alle angeblich außerökonomischen Faktoren zu externalisieren, und der beschleunigten Umweltkrise aufzuzeigen. Die weltweit wichtigste Kapitalfraktion die Auto-, Öl- und Reifenindustrie wird bis zum bitteren Ende ihr "Recht" verteidigen, im Dienste der Profite die Welt zu zerstören - ob mit Krieg um Öl oder durch  globale Klimakrise. Zur militärischen Absicherung schnöder Minderheitenherrschaft gehört auch der rasante Abbau der demokratischen Rechte sogar in den selbst ernannten Mutterländern der Demokratie. Die herrschende Klasse bunkert sich buchstäblich ein und die LINKE darf dies nicht als überzogene Hysterie und wirkungsloses Fehlmittel abtun, sondern mit der Einbunkerung auch die Herrschaften darin in Frage stellen.

Werden diese heute sehr eingängigen Zusammenhänge, die von den Menschen jeden Tag in Form von Angst erzeugendem Klassenkampf von oben und ideologischer Einheitsberieselung durch sämtliche Medien erlebt, aber eben nur zum Teil erkannt werden, aufgezeigt, so wird unmittelbar klar, dass eine Entmachtung der großen Konzerne nicht etwa am Ende einer Entwicklung zu einer neuen Politik stehen kann und wird, sondern am Anfang stehen muss. Diese Entmachtung geschieht auch punktuell und befristet - durch Streiks, Blockaden und viele Formen wirklicher Gegenmacht der Betroffenen, aber sie geschieht und muss von der LINKEN  aufgegriffen, unterstützt und verstärkt werden.

Und zum Schluss in diesem Kontext: wer all diese Zusammenhänge nicht erkennen oder aufschreiben mag, der oder die soll doch nur die Charakterisierung der LINKEN durch ihre Gegner zitieren. Wenn ein weich gekochter und unverbindlicher Leitantrag nicht nur die Gemüter in der Partei, sondern auch eine breitere Öffentlichkeit besänftigen soll, um den Eindruck zu erzeugen, die LINKE wäre doch so nett, dann ist diese Rechnung bisher nicht aufgegangen und wird nicht aufgehen. Der politische und Klassengegner weiß sehr wohl, was er in der LINKEN für eine Gefahr sieht und bereitet sich darauf vor. Ihn interessiert nicht ein wohl formulierter Antrag und auch keine Distanzierung von der DKP oder anderen Linken. Er fürchtet die politische Bewusstwerdung der Menschen, von deren Unwissenheit und Ausbeutung er gut lebt. Ein wässriger Leitantrag käme ihm zwar gelegen, die AntragsautorInnen bleiben aber dennoch suspekt.

3. Links wirkt

Der Leitantrag freut sich zu Recht, dass die Gegner der LINKEN nervös werden. Eine linke Massenpartei in Deutschland haben sie nicht mehr für möglich gehalten. Insbesondere die SPD sieht die Geschäftsgrundlage ihrer bisherigen Politikkonzeption nicht nur dadurch schwinden, dass ihre bisherigen Partner auf Seiten des Kapitals auf Grund ihres neuen Selbstbewusstseins und des Wechsels zu einer aggressiven Politik der Umverteilung auf das Bisschen sozialen Frieden scheißen, das ihnen bisher die Zusammenarbeit mit der SPD wert war, sondern dass die LINKE ihr auch noch die WählerInnen und ideologische Heimat streitig  macht. Da schimmern Spuren von Existenzangst bei der SPD durch. Sie reagiert mit einer neuen sozialen Rhetorik, die auch von Teilen der CSU und der CDU je nach Tagesopportunität eingeschlagen wird. Mehr als Rhetorik ist es allerdings nicht. Doch die LINKE kann stolz darauf sein, diese Bewegung ausgelöst zu haben. Der Leitantrag verschweigt jedoch wohlweislich, dass diese Wirkung der LINKEN ausschließlich auf Grund ihrer Oppositionsrolle ausgelöst wurde. Die Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin hätte eigentlich verdient, im Leitantrag nach dem ersten Jahr der Parteiexistenz ausführlich gewürdigt zu werden. Aber es findet sich kein Wort dazu, vielleicht weil die Überschrift über ein entsprechendes Kapitel nur "Links wirkt nicht" hätte heißen können.

Leider wird im Leitantrag auch nicht, in einigen Fällen ginge dies auch nur selbstkritisch, bilanziert, wo die LINKE noch nicht genügend wirkt. Die Konzeption der Wahlkämpfe war nicht dazu angelegt, nennenswerte Einbrüche im Block der NichtwählerInnen zu erzielen.  Nur in Niedersachsen ist es gelungen, mehr Stimmen als noch zur Bundestagswahl 2005 zu mobilisieren. Die LINKE gewinnt Neumitglieder fast nur im Westen und unter Männern zwischen 40 und 60.  Es gab eine Reihe von  gesellschaftlichen Konflikten, wo die LINKE stärker präsent sein müssen. An der Spitze davon steht sicherlich der Streik der Lokführergewerkschaft GDL, dessen politische Bedeutung mit keiner Zeile im Leitantrag gewürdigt wird.  Im Konflikt um die Stilllegung des Nokia-Werkes in Bochum war die LINKE physisch gut dabei, ihre politischen und praktischen Vorschläge waren aber sehr bescheiden, scheuten leider auch in wichtigen Momenten den Konflikt mit der IG-Metall-Vertretung vor Ort.

Einige bedeutende Bürgerentscheide zu Privatisierungsvorhaben gingen verloren, was möglicherweise - weil es teilweise sehr knapp war - durch stärkeres Engagement der LINKEN zu verhindern gewesen wäre.  Die LINKE hat ihren Einfluss in den Gewerkschaften deutlich steigern können, sie hat sich damit für die Verwirklichung der Idee einer echten, politisch pluralen Einheitsgewerkschaft sehr verdient gemacht. Dennoch ist es ihr nicht gelungen, die sozialdemokratische Hegemonie  auf der obersten Führungsspitze zu durchbrechen. Das dies notwendig ist, erwähnt auch der Leitantrag, wenn er feststellt, dass die aktuelle Schwäche der Gewerkschaftsbewegung auch viel damit zu tun hat, dass die Unterordnung unter die SPD-Regierungspolitik und Konzepte einer sozialpartnerschaftlichen auf Co-Management ausgerichteten Gewerkschaftsarbeit immer noch zu mächtig in den DGB-Gewerkschaften sind. Nur durch eine kämpferische, Konflikt bereite Gewerkschaftspolitik wird die notwendige Kraft mobilisiert werden, um die Lohnsenkungen, die prekäre Beschäftigung und die Angst in den Betrieben zurück zu drängen. Der LINKEN muss allerdings klar sein,  dass sie sich in der ja schon seit Jahren laufenden strategischen Gewerkschaftsdebatte zwischen "links" und "rechts", zwischen Anhängern der Verbetrieblichung der Gewerkschaftsarbeit und den einer politischen klassenkämpferischen Linie nicht neutral verhalten darf, sondern sich deutlich auf die Seite der Linken schlagen muss.

4. ZIP und ZAP

Im Zentrum des Leitantrages steht eine Liste von scheinbar konkreten Zielen und Forderungen. Da sie aber wie oben skizziert nicht in einen Zusammenhang von realer Gesellschaftsanalyse und Strategie des antikapitalistischen Kampfes eingebettet werden, sind diese Forderungen ziemlich isoliert und beliebig. Die Liste ist in der kurzen Zeit der Leitantragsdebatte immer weiter gewachsen, weil  Teile der Partei mit Spezialforderungen vorstellig geworden sind. Dies gilt vor allem für eine längere Passage zu einem Zukunftsinvestitionsprogramm. Das wurde von Teilen der Partei um das Forum demokratischer Sozialisten herum heftig kritisiert, weil es angeblich nicht "gegenfinanziert" sei. Das ist natürlich ein sehr bizarrer Streit. Wenn die GenossInnen des FDS allen Ernstes meinen, die Einführung des letzten Teils ihres Namens wäre eine Kostenfrage und müsse haushaltsneutral gegenfinanziert werden, dann ist ihnen sowieso nicht mehr zu helfen.

Wir haben ganz andere Einwände: Gerade eine so große haushalts- und steuerpolitische Neuausrichtung muss sich auch dazu äußern, wer dies gegen wen durchsetzen kann. Wir erinnern daran, dass eine ungleich harmlosere Regierungsgrundlage der ersten rot-grünen Regierung 1998 bereits auf so heftigen Widerstand des deutschen und internationalen Kapitals gestoßen ist, dass die SPD nicht mehr wusste, was tun. Der heutige Vorsitzende der LINKEN, Oskar Lafontaine - den die BILD immerhin schon mit der schönen Schlagzeile geadelt hat: "Macht Lafo Deutschland unregierbar" - wurde damals noch erregender als "Europas gefährlichster Mann" durch die  Yellowpresse Englands gejagt. Das ZIP - auch in der außerhalb des Leitantrags vertriebenen Langfassung - macht leider auch keine Aussagen, ob ihm zuliebe die Forderung nach einer Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung ausfallen soll, was politisch falsch wäre. Am wichtigsten jedoch ist, dass sowohl das ZIP als auch die anderen konkreten Forderungen darum herum, leider nicht in ein ZAP - ein Zukunftsaktionsprogramm - eingeordnet werden. Wäre dies nämlich geschehen, wären die Forderungen in ein Konzept der gesellschaftlichen Kämpfe darum integriert worden, dann wäre als erstes die absolut unverständliche, geradezu reaktionäre Bescheidenheit bei einigen Forderungen  weggefallen.

Das am meisten benutzte Wort im Leitantrag ist "Richtungswechsel".  Doch jeder Autofahrer wird wissen, dass Richtungsänderung nicht durch langsamer fahren erreicht wird.  Wer heute die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bekämpfen will, der darf dies nicht nur mit "Weg mit der Rente mit 67" tun. Ein Richtungswechsel muss an der realen Auseinandersetzung der letzten Jahre anknüpfen und eine Verkürzung des Renteneintrittsalters fordern. Auch in der Frage der Arbeitszeit ist ein Richtungswechsel nicht durch den Kampf gegen die Verlängerung der Arbeitszeit zu erreichen. Gerade das erste Jahr der LINKEN hat eine Abfolge von Niederlagen insbesondere von Verdi erlebt, wo durch diese Kampfstrategie nur Niederlagen eingehandelt wurden. Gewerkschaften und die LINKE müssen deshalb eine Kampagne zur deutlichen und schnellen Verkürzung der Arbeitszeit beginnen. Warum heute die jahrzehntelange Forderung nach einer 30-Stundenwoche "unrealistisch" sein soll, bleibt absolut unverständlich. Über die unsägliche Losung "Wir wollen weg von Hartz IV" haben wir schon gespottet. Sie ist praktisch nur als Aufforderung an die Erwerbslosenbewegung zu verstehen, der Partei Die Linke den Vogel zu zeigen.

Ein letztes Beispiel: nachdem sie maßgeblich, über die Hartz-Kommission und fürchterliche Tarifverträge, an der Etablierung der Leiharbeit beteiligt waren, leiden heute alle Gewerkschaften, vor allem die IG-Metall, an der grassierenden Leiharbeit. Es ist offenkundig, dass die gewerkschaftliche Strategie, die Leiharbeit so teuer zu machen, dass sie sozusagen automatisch zurückgeht, in einer weiteren Niederlage enden wird. Eine politische Kraft wie die LINKE muss in dieser Lage politische Unterstützung durch eine weitergehende Kampagne zum Verbot der Leiharbeit (oder wenigstens Einschränkung bis auch äußerste Notmaßnahmen) geben. Der Leitantrag bleibt jedoch auch hier bescheiden auf dem untersten Niveau der realen gewerkschaftlichen Kämpfe stehen.

So bleibt auch bei den konkreten Forderungen der Gesamteindruck des Leitantrags und wird sogar verstärkt: es geht hier nur um einen Katalog von elegant formulierten Ansprüchen an kommende parlamentarische Fraktionen, die entweder in einer Regierung real mitspielen wollen, oder in der Opposition nichts anderes im Kopf hat als so zu tun, als spiele sie in der Regierung mit. Die realen gesellschaftlichen Konflikte, die darin ablaufenden Debatten, die Forderungen und ihre Akteure scheinen der Partei Die Linke völlig egal zu sein. Das wird als einer der vielen schon erlebten Lernprozesse mit tödlich Ausgang enden.

5. Die Partei aufbauen

Außer dem Wunsch, mehr Mitglieder zu bekommen, äußert sich der Leitantrag nicht zu weiteren Schritten im konkreten Parteiaufbau. Das ist sehr schade. Das erste Jahr der LINKEN hat doch einige Strukturmerkmale hervortreten lassen, die behoben werden müssen, wenn die Erfolgsgeschichte der LINKEN weiter gehen soll.

- Die Namensgebung Die Linke. hat sich als ziemlicher Flop herausgestellt. Er wird weder intern noch extern angenommen (alle Formen von Linkspartei oder Linke dominieren stattdessen) und bleibt eine dumme Anmaßung gegenüber der  Gesamtlinken.
- Die Linke gewinnt Mitglieder, wird sie aber wieder verlieren, wenn sie keine aktiven Strukturen vor Ort, Betriebsgruppen, Stadtteil- und Straßenkollektive, Aktionsgruppen innerhalb der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen  usw.
- Die Partei ist statt auf reale Kämpfe nur auf Wahlkämpfe ausgelegt. Mit Wahlkämpfen kann aber keine Partei aufgebaut werden, die gerade die Beschränktheit der parlamentarischen, repräsentativen bürgerlichen Demokratie aufheben will.
- Die Partei ist überzentralistisch, was nur Geld kostet und die Kreativität der Basisgliederungen abtötet. Mehr Selbstständigkeit der Basis, breite Streuung der FunktionsträgerInnen, keine Doppelämter und enge Befristung der Amtszeiten wären Mittel dagegen zu steuern.
- Die Partei ist Männer dominiert, was ohne eine rigide Quotierung bis in die Spitze nicht ernsthaft durchbrochen werden kann.
- Die Partei ist Parlaments fixiert, was ohne eine scharfe Trennung von Ämtern und Mandat und eine Beschränkung der Parlamentszeit auf maximal zwei Legislaturperioden kaum verändert werden kann.

Der Leitantrag sollte unverzüglich  durch ein entsprechendes Arbeitsprogramm des neu gewählten Vorstandes erweitert werden.

So bleibt als Fazit, dass sich der Leitantrag in die allgemeine, ambivalente Entwicklung der Partei Die Linke einordnet. Die Schwächen, die sie hat, hat auch er. Wenn er mit breiter Mehrheit angenommen wird, freut sich die Gemeinde. So what?

Köln, 22.05.2008
Thies Gleiss
Mitglied des Parteivorstandes Die Linke.



Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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New PostErstellt: 22.05.08, 22:52  Betreff: Re: Gegen soziale Ausgrenzung und Verelendung  drucken  weiterempfehlen

Praktische Hilfe
Brief an den Parteitag der Linken
Von Dr. Seltsam

Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen fressen.

In den Berliner Armenküchen läßt sich die Linkspartei nicht blicken
Die Linke ist mehr als die Partei. Sie umfaßt auch massenweise Unorganisierte, die die Nase voll haben von Koalitionen und Anpassertum und reale Machtpolitik erwarten – praktische Hilfe gegen Verelendung statt Regierungsprojekte. Millionen Arme haben keine andere politische Vertretung mehr als euch.

Aber weil ihr nirgends vor Ort seid, wißt ihr nicht, was ganz unten los ist: Ihr kennt nicht die herzzerreißenden Szenen auf den Ämtern, wenn es kein Geld für Windeln gibt, die Verzweiflung der Arbeitslosen, die am Fünfzehnten des Monats keinen Cent mehr auf Tasche haben, die Schmerzen der Omas, die erst in zwei Wochen zum Arzt gehen können, weil ihnen die zehn Euro Praxisgebühr fehlen. Das kann sich ein Bundestagsabgeordneter eben nicht vorstellen, der nicht nur 8000 Euro Staatsknete bekommt, Freifahrt in Bahn und Flieger, Chauffeure in ekelhaften Protzautos und mit den Mitarbeitern in den Abgeordnetenbüros das absolutistische Verfügungsrecht über eine Handvoll Menschen, die meist klüger sind als er selber. Dazu Aufsichtsratsposten, Stiftungspräsidien und Studienreisen nach Bedarf. Wenn ihr das alles zusammenrechnet, verfügt jeder Abgeordnete im Monat über soviel Geld wie hundert »Hartz-IV«-Opfer. Ein Leben gegen hundert – das verschaffen wir euch, eure Wähler, und was kriegen wir dafür? Den Hohn eines Parteifunktionärs, die Partei müsse sich davor hüten, Politik nur für Arme zu machen!

Die Linken waren immer die Partei der Armen, der Ausgegrenzten, der Arbeitslosen, der Hoffnungslosen und Hungerleider – genau der Menschen, über die die Berliner Boygroup, die mit der SPD zusammen die Hauptstadt verwaltet, die Nase rümpft. In allen anderen westlichen Ländern kümmert sich die linke Partei um die Unberührbaren, hat eigene Sozialprojekte und Altenheime. Die Volkshäuser in Italien etwa sind Arbeitslosencafés, soziale Treffpunkte für eine eigene Kultur gegen den Mainstream und gleichzeitig Anlaufstelle für die Partei. Solche Projekte überlassen die Linken in Deutschland den Nazis und den Kirchen. Eigentlich ist linke Politik stets praktische Hilfe für die Allerärmsten. Wenn das in Berlin nicht klappt, dann entweder deshalb, weil man nicht links ist oder weil man keine Ahnung von praktischer Politik hat.

Mittlerweile machen die Berliner Tafel und die Heilsarmee mehr linke Aktionen als die Partei die Linke. In Kreuzberg hat der Pfarrer Rutkowski ein Gemeindehaus kurzerhand zum Säuferheim umfunktioniert, weil er es nicht ertrug zuzusehen, wie ein Obdachloser sich eine Handvoll Maden aus seinem entzündeten Bein kratzte. Das Karl-Liebknecht-Haus als AIDS-Hospiz – so etwas kann sich der einfache Parteifunktionär nicht vorstellen: Wo soll er denn dann seine Akten lagern?

Nach dem Verbot der KPD 1956 haben die nichtsozialdemokratischen Kräfte im Westen jeden Kontakt zur Sozialarbeit verloren, während sie diese im Osten guten Gewissens der staatlichen Fürsorge überließen. Bis heute wissen die Ostfunktionäre gar nicht, was kapitalistisches Elend ist, sie scheinen in völliger sozialer Blindheit zu leben.

Die Grundforderung muß sein, daß jeder Parteifunktionär und jeder Abgeordnete und jeder, der mit Hilfe der Partei einen Posten bekommen hat, praktische Sozialarbeit leistet. Wer soviel wie hundert Hartz-IV-Empfänger einnimmt, sollte wissen, daß er soviel nicht verdient und mindestens 90 Prozent dieser Einnahmen ans Volk zurückgeben müßte. Die Fraktionsheilige Katja Kipping redigierte jüngst eine Propaganda-Broschüre zu »Hartz IV«, in der alle Rechtsmittel angegeben sind, aber keine einzige Parteiadresse, wo der Arme Hilfe bekommt. Die letzte Diätenerhöhung spendete sie ihrem eigenen »Prager Frühling«-Verein. So etwas nennt man Selbstbedienung.

Auffällig ist die Diskrepanz zwischen den arbeitsrechtlichen Forderungen der Partei, die sich offiziell für Kündigungsschutz und Mindestlohn einsetzt, deren Abgeordnete aber Mitarbeiter auf 400-Euro-Basis beschäftigen, grundlos kündigen oder ihren ganzen Stab halbjährlich auswechseln – Heuern und Feuern als Grundprinzip wie im Wallstreetkapitalismus. Schon beim Abrutschen der SPD in den Krieg 1914 spielten rechte Mehrheiten auf den Parteitagen eine verhängnisvolle Rolle, bestehend aus Parteibeamten, die sofort auf Stütze wären, wenn sie ihren Posten verlören. Daß diese Funktionäre kein Interesse an einer radikalen linken Politik haben, die sie »abenteuerlich« nennen würden, ist klar: Wer will schon seine eigene Existenz gefährden, um anderen zu helfen? Doch links ist das nicht.

Und auch nicht erfolgreich. Die Linkspartei lebt im Moment von dem ungeheuren Vertrauensvorschuß, den die Ruinierten und Entrechteten ihr schenken, weil sie erwarten, daß die Partei etwas für sie tut. Sobald diese Wähler sich anders orientieren, ist die Linkspartei erledigt, denn der Platz in der »Mitte« bei den Steuerzahlern und »Leistungseliten« ist besetzt. Aber mit zehn Millionen Armen, die man organisiert, kann man jedes Parlament lahmlegen und jede Regierung platzen lassen – eine Horrorvorstellung für die, die nichts anderes wollen als mitregieren! Aber keine Angst, die Regierungsbeteiligung kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Die SPD wird die Linke gebrauchen, um die nächsten Weisungen des Kapitals durchzusetzen.

In den letzten Jahren waren viele Chefs der Linkspartei so freundlich, sich von mir öffentlich befragen zu lassen, so daß ich glaube, ihre Konzepte zu verstehen. Im Unterschied zu manchen jW-Kollegen billige ich sie sogar teilweise. Lafontaine will sich an der SPD rächen und peitscht sie zu demagogischen Höchstleistungen – das sehe ich gern, aber es ist auch nicht schwer, denn die Beck-SPD ist die dümmste, die es je gab. Gysis Aufgabe ist, die Fraktionen offenzuhalten für eventuelle Regierungsbeteiligungen und bei der liberalen Bourgeoisie gut Wetter zu machen, damit sie sich das gefallen läßt.

Gegen das Mitregieren ist prinzipiell nichts einzuwenden, doch der Preis dafür muß mindestens die Verdoppelung von »Hartz IV« sein und zehn Prozent mehr Gehalt für den öffentlichen Dienst. Wenn man das nicht hinkriegt, hat man in einer Regierung nichts verloren. Die absurde Idee, der Ausgleich des Staatshaushalts wäre linke Politik, kann nur Leuten einfallen, die ihr Betriebspraktikum bei IBM gemacht und auch dort nicht recht aufgepaßt haben. Denn dies ist der Staat der Bourgeoisie, der Staat der Reichen, sollen die doch dafür sorgen, wie sie ihn bezahlen. Die Linke hat nur die Pflicht, ihre Klientel nicht verhungern zu lassen. Ohne eine klare linke Führung mit Lafontaine und seiner penetranten Forderung nach einem Systemwechsel und ohne marxistische Antikapitalisten ist die Linkspartei nur noch eine PDS, das heißt ein Haufen von Karrieristen, die endlich irgendwie im Westen ankommen wollen und sonst keine weiteren Ziele verfolgen, als in ihren verlassenen Ostdörfern Bürgermeister zu werden. Aber die Linke ist mehr als die Linkspartei. Vielleicht wird sie sich eines Tages ohne sie behelfen müssen.

PS. Erste Forderung an den Parteitag: Lederer abledern



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bjk

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New PostErstellt: 19.05.08, 05:54  Betreff:  Sahra Wagenknecht kapituliert  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2008/05-17/029.php

Kandidaturverzicht

Stellungnahme der Linke-Politikerin und Europaparlamentarierin Sahra Wagenknecht:



Vor einigen Wochen haben Christa Luft, Heiner Fink, Friedrich Wolf und Klaus Höpcke mich in einem offenen Brief für eine Kandidatur als stellvertretende Parteivorsitzende vorgeschlagen. Seither haben mir sehr viele Genossinnen und Genossen sowie Funktionsträger unserer Partei ihre Unterstützung signalisiert und mich ebenfalls ermutigt, über eine Kandidatur auf dem nächsten Parteitag nachzudenken. Ich danke allen, die mir ihre Unterstützung angeboten bzw. sich bereits aktiv für mich eingesetzt haben.

Ich selbst habe einer solchen Kandidatur zunächst aufgeschlossen gegenübergestanden. Auch, weil ich in meiner politischen Arbeit und bei öffentlichen Auftritten, insbesondere in den Wahlkämpfen des letzten Jahres, immer wieder die Erfahrung machen konnte, mit meinen Positionen gegen neoliberale Politik, für eine antikapitalistische Orientierung und eine konsequente Oppositionsstrategie keineswegs nur eine einzelne Strömung zu vertreten, sondern erhebliche Teile der Mitgliedschaft der neuen Partei in Ost und West.

Allerdings hat der offene Brief auch andere Reaktionen ausgelöst. So wurde Unterstützern signalisiert, meine mögliche Kandidatur würde von einigen Funktionsträgern aus der Quellorganisation PDS als »Kriegserklärung« empfunden. Harsche Gegenreaktionen wurden angedroht, Rücktrittsgerüchte für den Fall meiner Wahl kolportiert. Statt sich mit meinen wirklichen Positionen auseinanderzusetzen, wurde ich eines »unklaren Verhältnisses zum Stalinismus« bezichtigt – ohne Belege, versteht sich, denn die wären schwerlich zu finden gewesen. So wurde erheblicher Druck erzeugt. Im Ergebnis hat auch mancher, der meine Kandidatur politisch unterstützt, mir geraten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon abzusehen, um der neuen Partei auf ihrem ersten Parteitag eine solche zugespitzte, polarisierende Auseinandersetzung zu ersparen.

Ich muß zur Kenntnis nehmen, daß meine mögliche Kandidatur zumindest von einigen nicht als normaler demokratischer Vorgang akzeptiert, sondern zur »Zerreißprobe« mit gefährlichen Folgen hochstilisiert wird. Es ist selbstverständlich nicht mein Interesse, daß der erste Parteitag unserer jungen Partei in der öffentlichen Wahrnehmung statt von linken Alternativen zu Neoliberalismus, Kriegspolitik, Privatisierung und Rentenraub von der Frage einer Kampfkandidatur und personalpolitischen Grabenkämpfen dominiert wird.

Hinzu kommt ein weiteres Problem. Es ist politisch gewollt und sinnvoll, daß bis zum Jahr 2010 die Führungsfunktionen unserer Partei, Vorsitzende wie Stellvertreter, paritätisch mit Vertretern aus Ex-PDS und Ex-WASG besetzt werden. Dieser Proporz ist jetzt aber zum ersten Mal nicht mehr durch das Wahlverfahren abgesichert. Meine Kandidatur könnte daher zur Folge haben, daß die Gewichte zugunsten einer der beiden Ursprungsparteien verschoben werden. Ein solches Ergebnis hielte ich selbst für problematisch.

Aus all diesen Gründen werde ich auf dem kommenden Parteitag nicht für die Funktion der stellvertretenden Parteivorsitzenden kandidieren. Ich werde mich vielmehr erneut um einen Sitz im Parteivorstand bemühen, um mich zunächst weiterhin auf dieser Ebene in die Gestaltung der Politik der Linken einbringen zu können. Ich hoffe sehr, daß die Formen der innerparteilichen Auseinandersetzung, die ich aus der Vergangenheit kenne und die einige in den letzten Wochen erneut gepflegt haben, in der neuen Partei keine Zukunft haben werden.






... ihr möchte man mit Brecht nur zurufen: "Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren!"


bjk
ALG II-Unterschichtler




Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!

[editiert: 19.05.08, 05:56 von bjk]
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volmi


New PostErstellt: 04.05.08, 12:48  Betreff: Gebt Sahra eure Stimme  drucken  weiterempfehlen

Liebe Genossinnen und Genossen!

Der Sozialismus auf deutschen Boden (DDR) hatte vom Anfang an keine Chance, er war auch gar nicht gewollt bzw. geplant.
Eingedenk der Tatsache der Zerschlagung des Faschismus auf deutschen Boden und dessen Wiedererrichtung planten Stalin und das ZK der KPDSU ein neutrales Gesamtdeutschland ohne Blockbindung à la Schweiz.
Dieser Tatsache ist auch von Seiten der SU auf der Konferenz von Jalta die Westverschiebung Polens und der Sowjetunion geschuldet worden.
Dem verbliebenen Teil zwischen Elbe und Oder unter sowjetischer Besatzung fehlte das für ein zukünftiges geplantes sozialistische Deutschland, das notwendige Hinterland. Es war so nie überlebensfähig.
Das die SU kein sozialistisches Deutschland wollte zeigt auch die Tatsache das die übriggebliebenen wirtschaftlichen Ressourcen auf dem Gebiet der späteren DDR der Reparationen zum Opfer fielen.
Zusammengefasst, ein sozialistisches Deutschland mit den abgetrennten Gebieten im heutigen Polen hätte die größtmögliche Chance gehabt zu existieren bzw. zu überleben.
Vor allem die Millionen Umsiedler die in die westlich besetzten Teile Deutschlands gingen hat das zukünftige sozialistische Deutschland für immer verloren.
Der zweite entscheidende Fehler war die von der Basis nicht gewollte Vereinigung der SPD und der KPD.
Man kann sich nicht mit jemandem vereinigen der einen 12 Jahre vorher bis auf´s Messer bekämpft hat.
Die KPD hörte auf zu existieren die daraus entstandene SED war die Verbrüderung mit den Zustimmern der Kriegskredite 1914, der stillschweigenden Zulassung der Ermordung von Karl und Rosa, der Noskes und Scheidemänner und den Verhinderern eines Generalstreikes
gegen die Nazis. Es waren die Genossen der SPD die sich der Macht beugten und die Schlüssel der Rathäuser den Nazis übergaben.
Die besondere Hinterhältigkeit zeigt sich im Handeln des späteren SPD-Vorsitzenden Kurt Schuhmachers, ohne die Solidarität der KPD-Genossen im KZ hätte der Kriegsinvalide keine Woche überlebt.
Wieder in Freiheit beschimpfte er die Genossen der KPD als "rotlackierte Faschisten".
Man hat sich so Hinterhältigkeit, Ignoranz, Verkommenheit eben die menschlichen Abgründe in die eigenen Reihen geholt. Das konnte nicht gut gehen.
Das Dümmste was wir gemacht haben war der Mauerbau wenn wir die Menschen nicht überzeugen konnten da hätten wir sie gehen lassen müssen.
Dem angeblichen Arbeitskräftemangel hätten wir durch Internationalisierung der DDR entgegenwirken können.
Es gab genug Menschen die in der DDR hätten leben und arbeiten mögen.


Mit sozialistischen Grüßen
H-J Vollmer



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volmi


New PostErstellt: 03.05.08, 16:50  Betreff: Gegen soziale Ausgrenzung und Verelendung  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Genossinnen und Genossen

Gegen eine Sozialdemokratisierung der Partei.
Gebt Sahra eure Stimme am 1. Parteitag der Partei DIE LINKE in Cottbus.





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