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Kommunistische Plattform der PDS versus Jürgen Elsässer

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 10.12.06, 12:45  Betreff:  Kommunistische Plattform der PDS versus Jürgen Elsässer  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2006/12-08/013.php


Sozialpolitik bester Antifaschismus

Zur aktuellen Debatte in der Linkspartei über Sozialpolitik mit antikapitalistischem und antifaschistischem Vorzeichen

Der jW-Autor Jürgen Elsässer formulierte in einem Beitrag vom 19.9.2006 Positionen, die rechte Kreise in der Linkspartei nutzten, um vor »zu viel« Antikapitalismus unter den Linken zu warnen, weil man zu sehr in die Nähe neofaschistischer Hetze komme. Aus diesem Grund wendet sich die KPF nun mit der hier dokumentierten Erklärung an den Autor. Keine Solidarität auf der Grundlage partieller Entsolidarisierung, fordert sie von ihm. Elsässer antwortet nun darauf.



Erklärung des Bundeskoordinierungsrates der Kommunistischen Plattform vom 2. Dezember 2006

»Mein Gott, bewahre mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden werde ich allein fertig.« Diese Worte Voltaires kommen einem in den Sinn, liest man Jürgen Elsässers Äußerungen in der jungen Welt vom 19. September 2006, die im Küchenkabinett der Berliner Landes-PDS noch geduldeten Ossis verbänden die Absage an Klassenkampf und Antiimperialismus mit der Bedienung ihrer Randgruppenklientel. »Mit Staatsknete wird Multikulti, Gendermainstreaming und schwule Subkultur gefördert, während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden und sich oft auch keine Kita, kein Schwimmbad und keine warme Wohnung mehr leisten können.«

Keine Solidarität auf der Grundlage partieller Entsolidarisierungen

Wer – und sei es auch nur um sieben Ecken – den Schluß zuläßt, die Linke könne die Asozialität dieses Systems mildern, indem sie Mehrheiten der Erniedrigten und Beleidigten dadurch gewinnt, daß sie de facto Minderheiten als Projek­tionsfläche für Primitivismus freigibt, der zerstört eine Wesensart der Linken. Es gibt keine Solidarität auf der Grundlage partieller Entsolidarisierungen. Das sollte Elsässer wissen. Und er wußte es auch schon einmal. Als er nämlich eine seinerzeit stellvertretende PDS-Vorsitzende namens Christine Ostrowski zu recht dafür angriff, daß sie sich mit einem Nazikader traf, um mit dem über Soziales und Nationales zu reden. Damals hatte Elsässer gleich das Gros der PDS-Mitgliedschaft mit im Visier. Zu unrecht.

Wir müßten also auf seine, hin und wieder abrupt wechselnde Meinung nicht allzu viel geben, wäre da nicht noch etwas: Elsässer bietet jenen in der Linkspartei.PDS eine Steilvorlage, denen Antikapitalismus nicht ins Konzept paßt. Die Sachzwangideologie bestimmt deren Handeln. Und der oberste Sachzwang ist der Kapitalismus selbst. Die Sachzwangverwalter warnen: Die Linke solle nicht in antikapitalistischer Protestpose verharren. Unter Verweis auf die Gebrüder Strasser verwechseln sie antikapitalistisch verbrämte Demagogie der Nazis mit realem Antikapitalismus – und folgern also, mit dem Weltbild von Faschisten zu konkurrieren fehle ihnen die Lust. Sie warnen sogar davor, Antikapitalismus – mit welchen Vorzeichen auch immer – könne das Tor zu fremdenfeindlicher und antisemitischer Mobilisierung öffnen. Letzteres so geschehen im Vorfeld des Sachsen-Anhalter September-Parteitages. Ersteres so geschehen auf der außerordentlichen Tagung des 10. Parteitages ebenso wie auf der Regionalkonferenz von Berlin-Brandenburg und andernorts. Und der anscheinend lebende Beweis für all diese vermeintlichen Gefahren ist ihnen Jürgen Elsässer. Der ist zwar weder Mitglied der Linkspartei.PDS noch der WASG; doch er soll – so die stellvertretende Linksparteivorsitzende Katina Schubert am 26. November 2006 auf dem Bundesparteitag – Mitarbeiter der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag sein. Statt gegebenenfalls das Problem in der Fraktion zu klären, ziehen, wie erwähnt, Protagonisten der vor Anpassung strotzenden programmatischen Eckpunkte von Veranstaltung zu Veranstaltung und warnen vor zuviel Antikapitalismus. Und sie verniedlichen de facto den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus, indem die sozialen Ursachen für rechte Ideologie heruntergespielt werden. Die Entstehung und Entwicklung rechter Ideologie wird weitgehend individualisiert und somit die Sicht auf gesellschaftliche Ursachen für Nazi-Tendenzen verstellt.

Wie sehen wir die Dinge?

Die Anzahl der Menschen wächst, die sich sozialen Verwerfungen ebenso ausgeliefert fühlen wie einer düsteren Perspektive. Politisches Engagement erscheint ihnen zunehmend sinnlos. Sorgen drücken sie, und ein Denken über den Tag hinaus kommt ihnen so nicht in den Sinn. Gerade in Zeiten sozialer Polarisierungen wachsen die Chancen rechter Demagogen. Zunehmend fallen deren Parolen auf fruchtbaren Boden. So wie die Faschisten die Juden zum Buhmann erklärten, schieben deren Enkel heute Ausländern die Schuld für Arbeitslosigkeit und Sozialabbau in die Schuhe. Mit rassistischen Losungen wie »Gute Heimreise« wird wieder suggeriert, die Ausländer seien unser Unglück. Wie gehabt setzen auch heutige Nazis auf die primitivsten Ansichten von Menschen. Nationalismus, Chauvinismus, Rassismus und nicht zuletzt der Antisemitismus sind die ideologischen Bindeglieder ihrer Aktivitäten. Und die werden zunehmend aggressiver. Verbal und auch physisch. Wo denen nicht das Wort verboten, wo solchen die Straße überlassen wird, ist es kein Wunder, daß kaum eine Woche vergeht ohne Überfälle auf Ausländer, Linke, Behinderte, ohne Schändung jüdischer Friedhöfe, antifaschistischer Ehrenmale und Gräber gefallener Sowjetsoldaten. Offen rechte Parteien erfreuen sich wachsenden Zulaufs.

Sie verbergen nicht mehr, daß sie Nazis sind

Nazis fühlen sich stark, durch erlaubte rechte Demonstrationen und legale Neonazi-Clubs und -Kneipen. Letztere spielen beim Zustandekommen rechter Gewalt keine geringe Rolle. Skinhead-Musik und Teile der Black-Metal-Szene verbreiten Botschaften von Rassenhaß und zukünftigen Endsiegen. Nicht zuletzt mit CDs, die Haß und Gewalt säen, wurde Wahlkampf betrieben. Und dabei belassen es die Nazis nicht. Das brutale Agieren der mit der NPD verschmelzenden Freien Kameradschaften erinnert an SA-Praktiken. Daß Nazis schlagen, ist nichts Neues. Aber – daß sich die Faschisten in bürgerlichem Outfit in der Öffentlichkeit nicht mehr von jenen distanzieren, die ihnen die Dreckarbeit machen, das schon. Sie verbergen eigentlich nicht mehr, daß sie Nazis sind. Sie meinen, sie müßten dies nicht mehr unbedingt. Und die erhebliche Zunahme an Wählerstimmen gibt ihnen auf erschreckende Weise recht. Entsprechend ihre Tonlage. Die Menschen da draußen hätten gemerkt, mit wem es die Banditen im Schweriner Landtag zu tun kriegen würden, so der Nazispitzenkandidat Udo Pastörs am Wahlabend: »Mit einer qualifiziert arbeitenden nationalen Fraktion und Nationalisten auf der Straße.« Ja, viele haben gezielt Nazis gewählt. Mit dem Begriff Protestwahl lassen sich die Ergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern und andernorts nicht mehr herunterspielen. Überdimensional viele Arbeitslose waren es in Mecklenburg-Vorpommern, viele Arbeiter und ebenso viele Selbstständige. Und es waren in erster Linie Jugendliche, die den Nazis die Stimme gaben. Die jüngste Shell-Studie schildert den entsprechenden Stimmungshintergrund. Vor allem sind es die unheilvollen Ängste der Perspektivlosigkeit und Deklassierung. Sündenböcke produziert der Zeitgeist. Letzterem ist auch das Kleinbürgertum besonders zugetan – schon einmal eine entscheidende Säule der Braunen. Die Gesellschaft selbst hat politisch und sozial die Zeit reif gemacht für Nazis als etabliertem Teil des politischen Systems. Und die verfügen offenkundig über ein Konzept. Und das in einer Situation, in der im Land Millionen Menschen jegliches Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben.

Statt Ursachenanalyse Verbrämung

Die Ursachenanalyse hierfür bleibt faktisch aus. Würde sie konsequent betrieben, so ginge es ohne Systemkritik nicht ab. Anstelle dessen Verbrämungen. Jenen, welche die soziale Situation als den entscheidenden Humusboden für zunehmenden Nazismus betrachten, wird entgegengehalten: Arbeitslose oder Jugendliche ohne Lehrstelle liefen den Nazis nicht häufiger zu als Facharbeiter oder Lehrlinge; auch unter Intellektuellen wachse deren Einfluß. Diese »Beweisführung« ist Verbrämung. Zwar gibt es keinen Automatismus zwischen sozialer Situation und individuellem ideologischem Standort. Aber es gibt sehr wohl einen engen Zusammenhang zwischen der, nicht zuletzt aus sozialen Faktoren gespeisten gesellschaftlichen Atmosphäre und sich ausprägenden politischen Tendenzen. Und es gibt daher auch einen engen Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlich üblichen Umgang mit der Geschichte und der Wirkung nazistischen Ungeistes in der Gegenwart. Wenn Nazis am 8. Mai 2005 unter dem Motto marschierten »Schluß mit der Befreiungslüge – Schluß mit dem Schuld-Kult«, dann haben sie bestenfalls die Zuspitzung »erfunden«. Die These, es sei nun an der Zeit, einen Schlußstrich zu ziehen, kommt aus der sogenannten Mitte der (kapitalistischen) Gesellschaft. Die Schlußstrichmentalität in Sachen Geschichte ist ein Eckpfeiler für ideologische Konzepte der heutigen Nazis. Das Klima des Vergessens gedeiht, und der Anti-Antifaschismus ist längst in der sogenannten Mitte der Gesellschaft vor Anker gegangen – verankert im Sumpf des Antikommunismus. Ein gleichermaßen wesentlicher Bestandteil des Naziweltbildes ist der Rassismus; dieser wird auch durch die mit dem sogenannten Asylkompromiß von 1993 zunehmend verheerender werdende deutsche Asyl- und Flüchtlingspolitik stimuliert; ebenso durch die Stigmatisierungen von Millionen Muslimen unter der Flagge der Terrorbekämpfung. Und wo Rassismus gedeiht, kann eines natürlich nicht ausbleiben: das schreckliche Wiedererstarken des Antisemitismus.

Fazit

Die Hintergründe, vor denen alte und neue Nazis ihren Einfluß erweitern und vertiefen, lassen sich wohl so zusammenfassen: Zunehmendes sozia­les Elend, gepaart mit repressiver gewordener und gehandhabter staatlicher Ausländergesetzgebung, die »Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch« und ein in alle Poren der Gesellschaft eindringender Geschichtsrevisionismus, dessen unabdingbarer Begleiter der Antikommunismus ist. Jeder dieser Faktoren ist nachweisbar mit den ökonomischen Interessen der Herrschenden verbunden – mit Kapitalinteressen. Die Protagonisten des sozial immer brutaler und nach außen immer aggressiver agierenden Kapitalismus stört es eher nicht, daß Nazis sich zu einer Option entwickeln könnten: Für den Fall, daß die Instrumentarien der parlamentarischen Demokratie irgendwann nicht mehr ausreichen sollten, die aus der kapitalistischen Globalisierung resultierenden sozialen Verwerfungen zu beherrschen. Ein Hirngespinst? Nach Auschwitz sollte niemand mehr Hirngespinste unterstellen, wenn von Nazis die Rede ist. »Auch die Weimarer Republik«, äußerte NPD-Chef Voigt unmittelbar nach Einzug seiner Partei in den sächsischen Landtag, »ist einmal geendet«. Der entschiedenste Schutz vor der Ausbreitung der Nazis, ihrer Ideologie und Strukturen sind linke Kräfte, die außerparlamentarisch und parlamentarisch über Einfluß verfügen und als konsequenter Oppositionsfaktor wahrnehmbar sind. Die zukünftige neue Linke muß gerade diesbezüglich eine unbedingt in Rechnung zu stellende Kraft sein. Auch der aktuelle Kampf um die Rolle der Linkspartei.PDS als konsequente Oppositionskraft ist daher von strategischer Bedeutung. Die Linkspartei wird mit jedem Quentchen Antikommunismus mehr, daß sich in ihr breit machen kann, mit jedem aufgegebenen Schritt oppositioneller Politik an Wirksamkeit im Kampf gegen soziale Grausamkeiten, gegen Krieg und Faschismus verlieren.



Mit Gendermainstreaming gegen Nazis?

Von Jürgen Elsässer

Liebe Genossinnen und Genossen der KPF,


Eure Kritik freut mich, aber etwas mehr Sorgfalt sollte schon sein. Ihr unterstellt mir, ich empfehle der Linken, daß sie »Mehrheiten der Erniedrigten und Beleidigten dadurch gewinnt, daß sie de facto Minderheiten als Projektionsfläche für Primitivismus freigibt«. Da Euch diese Unterstellung wohl selbst nicht ganz geheuer ist, fügt Ihr vorsichtshalber ein, dies gelte auch dann, wenn es »nur um sieben Ecken herum« geschehe. Was würdet Ihr wohl dazu sagen, wenn einer von Euch »um sieben Ecken herum« mit Joseph Goebbels gleichgesetzt würde? Wißt Ihr nicht, wofür ich stehe? Drei Tage nach dem Artikel für die junge Welt, über den Ihr Euch so aufregt, habe ich in einem Beitrag für den Freitag die antiislamische Hetze gegeißelt, die nach den sogenannten Kofferbomben in Deutschland betrieben wurde. Kernsatz: »Das ist die Feinderklärung an eine inländische religiöse Minderheit wie zuletzt in den dreißiger Jahren.«

Über mich plappert Ihr einfach nach, womit die versammelte Parteirechte seit ein paar Wochen durch die Versammlungen zieht. Eine prominente Berliner Politikerin (Petra Pau, Einschub bjk) sagte etwa: »Was empfiehlt Elsässer letztlich? Klassenkampf für Hetero-Deutsche. Ich finde: Das ist nicht links, das ist originär rechts. Eine Partei, wie sie nach meiner Lesart Elsässer vorschwebt, gibt es schon. Sie heißt NPD.«

Ganz offensichtlich wird auf mich nur stellvertretend eingeprügelt. »Elsässer wird zunehmend zum Stichwortgeber und Multiplikator des Lafontaine-Flügels in der Linkspartei«, behauptet etwa die Jungle World. Beweis: null. Aber die Absicht ist klar: So können alle meine Sünden dem ehemaligen Sozialdemokraten und seinen Verbündeten in der Bundestagsfraktion aufs Schuldkonto geschrieben werden. Nun fühlt sich ausgerechnet die Kommunistische Plattform, die kein Mensch mit Elsässer in Verbindung bringt, bemüßigt, öffentlich diesem Gott-sei-bei-uns die Leviten zu lesen und sogar zu empfehlen, »das Problem in der Fraktion zu klären« – eine typische Arbeitgeberumschreibung für Abmahnung oder Kündigung. Cui bono?

Kommen wir nun zu dem Zitat, das Euch ebenso mißfällt wie der Parteirechten. »Mit Staatsknete wird Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert, während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden und sich oft auch keine Kita, kein Schwimmbad und keine warme Wohnung mehr leisten können«, schrieb ich über den Senat von SPD und Linkspartei.PDS in Berlin. Ist das, siehe oben, »Klassenkampf für Hetero-Deutsche« und damit »originär rechts«? Was für ein geschichtsvergessener Quatsch! »Originär rechts« war Klassenkampf noch nie, auch nicht in der Heteroversion. Sonst müßte man die Weimarer KPD als Nazipartei bezeichnen, denn – bei allem Respekt – die damaligen Kommunisten sind nicht gerade als Vorkämpfer der Schwulen hervorgetreten. Grosso modo könnte man das, was ich geschrieben habe, als Wiederaufnahme des Klassenkampfgedankens der KPD definieren, und meinetwegen mag man mich deswegen antiquiert und altbacken schimpfen. Aber mit »originär rechts« hat es eben nichts zu tun: Die Nazis propagierten die Volksgemeinschaft, das heißt die Klassenversöhnung – und diejenigen, die den Klassenkampf wollten, steckten sie ins KZ.

Die neuen Nazis in der NPD sind cleverer geworden. Sie eifern eher Strasser als Hitler nach und machen rhetorische Anleihen beim Antikapitalismus, um unter den Verelendeten auf Stimmenfang zu gehen. Daß dies ein Bluff ist und sie immer noch in den Kategorien der Rasse denken, ist offensichtlich: Sie plakatieren offene Feindschaft gegenüber Nichtdeutschen, fordern deren Abschiebung und animieren ihre Anhängerschaft zu kriminellen Attacken. Damit spalten sie die Arbeiterklasse und sabotieren den Klassenkampf: Jeder weiß, daß kein Streik in dieser Republik erfolgreich sein kann ohne den Mut und die Einsatzbereitschaft etwa unserer türkischen Kollegen.

Aber auch die postmodernen Linken, die sich die Berliner PDS schon vor einigen Jahren unter den Nagel gerissen haben, betreiben die Spaltung der unteren Klassen. Statt einer einheitlichen Politik zur Abwehr des Sozialkahlschlages profilieren sie sich mit Lobbying für einzelne Gruppen. Eric Hobsbawm hat dazu das Notwendige gesagt: »Das politische Projekt der Linken ist universalistisch: Es richtet sich an alle menschlichen Wesen. Wie auch immer wir diese Formulierung interpretieren, sie meint nicht die Freiheit für Aktionäre oder Schwarze, sondern für jeden. Es ist dies nicht die Gleichheit der Mitglieder des Gattick Club oder der Behinderten, sondern die Gleichheit aller. Es ist nicht die Brüderlichkeit ehemaliger Eaton-Schüler oder der Schwulen, sondern aller. (...) Seit den siebziger Jahren hat es eine verstärkte Tendenz gegeben, die Linke vor allem als Koalition von Minderheiten- und Interessengruppen zu sehen: der Rasse, des Geschlechts, sexueller oder anderer kultureller Präferenzen und Lebensstile. (...) Dies ist verständlich, aber deshalb gefährlich, weil die Addition von Minderheiten nicht mit dem Gewinn von Mehrheiten zu verwechseln ist« (Hobsbawm, Identitätspolitik und Linke, in: Perspektiven 33, Mai 1998).

Im Kapitalismus herrscht eine Minderheit über die Mehrheit. Das kann nur gelingen, indem die Herrschenden die Bevölkerung spalten und die Menschen gegeneinander ausspielen: Deutsche gegen Nichtdeutsche, Schwule gegen Heteros, Feministinnen gegen Kopftuchträgerinnen. Dieses Ausspielen betreibt der Berliner Senat exzellent: Der großen Masse, und zwar unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Religion, wird mit immer neuen Methoden das Geld aus der Tasche gezogen. Wenn sich dann jemand beschwert, wirft man sich mächtig in die Brust und verweist auf die Förderung von Minderheiten. Warum verteidigt Ihr diesen wirklich billigen Minderheitentrick – die »Arm, aber sexy«-Propaganda Wowereits kostet tatsächlich nur den Bruchteil einer fairen Sozialpolitik – gegen meine Kritik? Sozialpolitik ist der beste Antifaschismus, da habt Ihr ganz recht. Genau deswegen muß sie aber universalistisch angelegt sein, gegen die Aufspaltung der Bevölkerung in partikulare Gruppen.

Im Falle der Berliner Regierungssozialisten kommt verschärfend hinzu, daß von ihrer Politik noch nicht einmal ihre Lieblingsgruppen profitieren, sondern nur deren selbsternannte Vertreter. Was nützt es dem arbeitslosen Schwulen, wenn Senatsgelder für die Veranstalter von Party-Events fließen? Hätte er ein vernünftiges Arbeitslosengeld statt Hartz IV, könnte er mit dieser ökonomischen Sicherheit sein Privatleben so gestalten, wie er will. Ebensowenig kommt das ganze Multikultisponsoring den Immigranten zugute, sondern nur einer kleinen Gruppe von Sozialarbeitern. Mehr noch: Multikulti ist zum Synonym für eine neue Form von Rassismus geworden. Die Haßkampagnen gegen Muslime, die seit dem 11. September 2001 in steigender Intensität durchs Land gehen, werden von den Protagonisten der sogenannten weltoffenen Gesellschaft vorangetrieben: Weil die Religiösen aus dem Morgenland Probleme mit der Pornographisierung und der Amerikanisierung unserer Lebenswelt haben und ihre Traditionen verteidigen, werden sie als Feinde der Weltoffenheit dargestellt.

Am schlimmsten aber ist der Rummel um Gendermainstreaming, und es entwertet Euer richtiges Engagement für den Sozialstaat, daß Ihr diesem unsozialen Betrug nicht entgegegentretet. Mit der Förderung von Frauen und selbst mit Feminismus hat das unübersetzbare Wortungetüm gar nichts zu tun. Frauenfeindlichkeit pur ist es, wenn der Senat von SPD und Linkspartei.PDS die Kita-Gebühren erhöht und dadurch die Mütter aus armen Familien zwingt, zum Kinderhüten zu Hause zu bleiben. Das Gegenteil von Frauenförderung ist die Aufhebung des Ladenschlusses, den Berlin als bundesweites Pilotprojekt durchgesetzt hat: Es sind doch in der übergroßen Mehrheit keine Männer, die nun bis nachts um zwölf an der Kasse sitzen und weder für Familie noch für Kultur und Politik mehr Zeit haben. Einen Nutzen aus dem Gendermainstreaming ziehen nur die hippen Frauen der Latte-Macchiatto-Linken, übrigens unter dem Beifall der weiterhin tonangebenden männlichen Chefs. »Sie gestatten jetzt, um eigene Fortschrittlichkeit vorzutäuschen, einigen Alibifrauen, sich als Karrieristinnen im Kapitalismus wohnlich einzurichten«, schrieb die sozialistische Feministin und Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke ganz richtig in der jW vom 16.7.2003.

Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit den hier nur angeschnittenen Fragen empfehle ich mein neues Buch, das Mitte Januar im Pahl-Rugenstein Verlag erscheint: »Angriff der Heuschrecken. Zerstörung der Nationen und globaler Krieg«





[editiert: 08.08.11, 13:31 von bjk]
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