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Fußballweltmeisterschaft 2006

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bjk

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New PostErstellt: 18.07.06, 17:25  Betreff:  Re: Fußballweltmeisterschaft 2006  drucken  weiterempfehlen




Klinsmann beweist Zivilcourage

und läßt trittbrettfahrende Politschranzen und Grinse-Hotte Köhler eiskalt abblitzen!


hier nachzulesen:
http://www.n-tv.de/690283.html



Mensch bleiben muß der Mensch ...
von Tegtmeier
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indy
New PostErstellt: 13.07.06, 17:20  Betreff: Re: Fußballweltmeisterschaft 2006  drucken  weiterempfehlen

Mein persönlicher Eindruck zur Nationalismusdebatte & WM:
"Die Linke" oder Menschen, die sich gegen Nationalismus aussprechen, haben eine Menge an Boden verloren. Vor ein paar Jahren gingen Diskussionen (mit 'Normalos'), an die ich mich erinnere, so aus: "Klar, wir als Nachfahren unserer Großväter haben keine Schuld am Krieg oder am Holocaust, aber trotzdem die Verantwortung, dass so etwas nicht wieder passiert". Damit einher ging irgendwie auch ein eher vorsichtiger Umgang mit schwarz-rot-gold.

Jetzt während und nach der WM heisst es nur noch: "Wir wollen endlich so sein, wie alle anderen Nationen auch. Wir wollen nichts mehr von den Nazis hören, das ist ein für alle mal vorbei". Also das Gehirn auf Standby gestellt, Leute mit anderer Meinung als Spießer abgetan, Trikot übergezogen, Fahne ausgepackt und auf zur WM-Party, wo alle so schön gleich aussehen.

Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass es früher nicht gelungen ist, Nationalismus an sich, auch losgelöst von der deutschen Geschichte, in Frage zu stellen. Zumindest konnte dies nicht der breiten Masse vermittelt werden.
Der einzige Vorteil, der bleibt: nachts lassen sich sehr schön ein paar Fahnen pflücken.
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bjk

Beiträge: 7353
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New PostErstellt: 12.07.06, 01:30  Betreff:  Re: Fußballweltmeisterschaft 2006  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.taz.de/pt/2006/07/12/a0192.1/text



Lob der Sensibilität

DAS SCHLAGLOCH von HILAL SEZGIN



Jetzt heißt es also abwarten, wie lange die letzten Fahnen noch an den Autos flattern bleiben. Dass sie in den letzten Tagen massenweise hoch gehalten wurden, ist schon vielfach bemerkt worden, und fast jeder Zeitung war es einen Artikel wert, dass auch die "Ausländer" deutsche Flagge zeigten - was vermutlich daran liegt, dass sich die "Ausländer" viel mehr als "Inländer" fühlen, als uns die inländischen Zeitungen in den Wochen zuvor glauben machen wollten.

So wie jeder Depp noch am selben Abend um die Fehleinschätzung der Bild-Zeitung wusste, die vor der Niederlage der deutschen Elf ihr unverschämtes "Arrivederci Italia" getitelt hatte: Womit die Bild nicht nur die italienischen Fußballer falsch einschätzte, sondern auch die nicht Fußball spielenden Italiener, die nämlich nicht im Traum daran denken, Deutschland Arrivederci zu sagen. Sie leben nämlich hier. Der Sommer ist jung, wir brauchen das Eis, die Frisuren, die Druckereierzeugnisse und was Leute mit italienischem Namen sonst noch so alles in Deutschland herstellen.

Wenn man so darüber nachdenkt, waren auch die übrigen Bild-Schlagzeilen der Fußball-Wochen politisch nicht gerade feinfühlig. Vielleicht ist es an der Zeit, über eine Neuauflage der "Enteignet Springer"-Kampagne nachzudenken?

Doch Achtung, nicht vom Thema abschweifen. Eigentlich soll es heute nämlich um gewisse Pappnasen mit schwarzrotgoldenen Streifen auf den Wangen gehen, die, kaum haben sie die ersten Pubertätswirren überstanden und in der Schule ein, zwei Mal die Zeit des Nationalsozialismus durchgenommen, zur WM-Zeit in die Kamera krähten: "Endlich kann sich Deutschland wieder zu sich selbst bekennen", "Endlich ist Patriotismus nichts Schlechtes mehr" und "Endlich darf man wieder stolz sein auf dieses Land". Als ob euch Nike-tragenden und iPod-besitzenden, verwöhnten kleinen Konsumkröten irgendwer mal irgend was Relevantes verboten hätte! Aber man will ja nicht ausfallend werden. Das Wort "endlich" allerdings gehört meiner Meinung nach tatsächlich für geraume Zeit verboten.
 Nun könnte man einwenden, dass keiner genau weiß, wie viele junge Menschen überhaupt einen solchen "Endlich"-Satz geäußert haben. Es ist gut möglich, dass nur jeder Zehnte einen sagte, dass die Fernsehmacher davon aber so entzückt waren, dass sie es gleich hundertmal gesendet haben - gut, den Einwand will ich gelten lassen. Dann also gegen die Kollegen vom TV: Es sind nicht die Fahnen, die uns Patriotismusskeptiker an dem neuen Patriotismus stören. Nicht die Allgegenwart der Farben Schwarz-Rot-Gold (obwohl ich empfehlen würde, über eine Umbenennung von "Gold" in "Gelb" nachzudenken, nur so'n Vorschlag). Sondern was uns stört, ist die Tatsache, dass diese neuen Patrioten nicht mal einem Halbfinale beiwohnen können, ohne das gleich wieder als Tabubruch und Befreiungsschlag zu inszenieren. Dahinter steht diese altbekannte, selbstmitleidige Rückschau in die deutsche Nachkriegsgeschichte: wie die armen Deutschen sich all die Jahre haben schämen müssen. Und alles nur, weil sie damals diesen blöden kleinen Fehler mit den Juden begangen haben. Okay, das war vielleicht nicht so doll, sagen sie dann, aber kann nicht jeder mal einen Fehler machen? Und darf man bitte auch mal zurück fragen: Was war mit Dresden?

Das ist die Rhetorik des Revisionismus, der Bombenkriegs- und der Vertriebenendebatte. Es ist das Gejammer von einem, der wissentlich und willentlich seinem Klassenkameraden mit dem Hockeyschläger eins über die Nase gezogen hat und dann prophylaktisch heult, um seiner Lehrerin zu signalisieren, eine Strafpredigt könne seine verletzliche Kinderseele irreversibel schädigen. Verdammt, und was ist mit Nase und Seele des Klassenkameraden?

Wie eine Presseschau der Zeit zeigte, haben auch die großen Zeitungen Frankreichs und Englands, Österreichs, der USA und der Schweiz in denselben Jubel eingestimmt: wie unverkrampft die Deutschen "endlich" mit ihrem Nationalstolz umgehen, wie fröhlich deutsche Fahnen im WM-Wind wehen. Nun hört man immer gern die Meinung von außen, gerade als Korrektiv in nationalen Fragen; doch in diesem Fall muss man sagen: Jetzt mal halblang, liebe Engländer, Franzosen etc., davon versteht ihr nicht genug, und bitte haltet euch da raus. Lasst uns das Beispiel Englands herausgreifen, einfach deswegen, weil ich absolut in England (nicht: in Beckham) vernarrt und daher jeder allzu strengen Betrachtung dieses Landes unverdächtig bin.

Trotzdem irritiert mich bei jedem Besuch auf der Insel die Unbekümmertheit, mit der man dort vergangene militärische Siege preist und die Zeit Queen Victorias, in der doch ein Gutteil der Welt unterm Joch der Krone stand. In Deutschland denkt jeder Ausstellungsmacher, der sich der Räume eines deutschen Kaisers bedient, die von diesem Kaiser geführten Kriege mit. In England dagegen himmelt man seine Herrenhäuser an, ohne sich auch nur einmal kurz zu fragen, ob man in damaligen Zeiten zu denjenigen gehört hätte, die dieses Herrenhaus höchstens per Dienstboteneingang betreten hätten. Man hat in England irgendwie kein Gefühl dafür, dass das, was damals Größe war, für andere Not bedeutete. Und die heute dort Lebenden verspüren nicht den Nachhall einer Schuld an etwas, das früher geschah.

Erst der Oxforder Philosoph Bernard Williams musste den Engländern beibringen, dass berechtigte Scham- und Schuldgefühle nicht unbedingt mit etwas einhergehen müssen, für das man selber haftbar zu machen ist. Und jetzt möchte ich mal stolz die deutsche Flagge hervorkramen: In Deutschland weiß so etwas jeder abiturlose Rowdy. Jeder weiß, dass mit diesem Land etwas im Argen liegt, dass jeder Lebende auf dem Grab Ermordeter wandelt. Wir wissen es, wenn von gynäkologischen Versuchen der NS-Ärzte die Rede ist. Und wir wissen es, wenn wir von den Beschichtungen auf den Stelen des Holocaust-Mahnmals hören: Egal, woher diese Chemikalie letztlich stammt, es gibt nun mal kein sauberes Geld in diesem (und möglicherweise keinem Nachbar-)Land.

Ja, seitdem Deutschland ein Höchstmaß an Perfidie gegenüber einigen aus seiner Mitte an den Tag legte und erst von außen daran gehindert wurde, bis in alle Ewigkeit damit weiterzumachen, haben wir eine größere Sensibilität auch für andere, subtilere, normaler wirkende, weiter verbreitete Perfidien bekommen (von denen wir einige mit anderen Ländern teilen). So hat die Mehrzahl der deutschen Bevölkerung eine tief sitzende Abscheu gegen jede militärische "Lösung" entwickelt, was kriegslüsterne Leitartikler gern als billigen Pazifismus verspotten - umsonst. Der Verkauf deutscher Panzer wird von den meisten "Tagesschau"-Sehern jedenfalls nicht mit "mehr Geld" assoziiert, sondern mit "mehr Tod".

Wenn es etwas gibt, das sich die Nachkommen der Verbrecher von einst bewahren sollten, dann ist es diese Sensibilität, ihr Gewissen. Wir sollten gar nicht erst hoffen, dieses Gewissen abschütteln und unsere Nationalhymne feucht-fröhlich drauflos singen zu können, "endlich wieder". Wir sollten vielmehr froh sein, dass wir dabei immer auch ihre negativen Untertöne heraushören, immer noch.



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von Tegtmeier


[editiert: 08.08.11, 12:53 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 11.07.06, 21:21  Betreff:  Re: Fußballweltmeisterschaft 2006  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://de.indymedia.org/2006/07/151939.shtml



Der Ball hat ausgerollt - WM 2006

von Martin Bayer - 11.07.2006 08:32



Was bleibt nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland? Wurde ein deutscher Nationalismus befördert? Oder ist Deutschland ein Stück mehr multikulturell geworden? Und was bedeutet das Ganze wirtschaftlich und sozial?

Die Zuvielverdiener aus dem Kader der Deutschen Fußballnationalmannschaft haben ausgekickt und es tatsächlich bis zum dritten Platz geschafft, begleitet von den dauernden Vorspiel-, Halbzeit- und Nachspielkommentaren der notorischen Besserwisser auf den diversen TV-Sendern. Die "überladene Symbolik", die Medien, Politik und Öffentlichkeit dem deutschen Team zusprachen und die "Maßlosigkeit, wie die Qualität der Mannschaft in der Heimat bejubelt wurde" irritierten nicht nur die Neue Zürcher Zeitung (NZZ online, 06.07.06). Aber nicht die sportlichen Ereignisse sollen hier beleuchtet werden, sondern die erheblich wichtigeren gesellschaftlichen Bedeutungen, die dieses Massenereignis nicht nur für Deutschland hatte und noch hat.


Im Windschatten: Sozialabbau, Sicherheitsstaat und Militär

Die etwas infantil applaudierende und sich ebenso kindisch freuende Kanzlerin der Bundesrepublik machte sich offensichtlich gerade wegen dieser auf der Zuschauertribüne offen gezeigten Einfalt zu einem Publikumsliebling. Dass dieses freundlich-unbedarfte Auftreten nicht ihrem wahren Wesen entspricht, dokumentierte Angela Merkel im Verbund mit ihrem Kabinett zeitgleich an anderer Stelle: In Erfüllung der Erwatungen von Mittelstand und Industrie und der besser verdienenden Kreise holte sie zu einem neuen Schlag gegen ein solidarisches Gesundheitssystem aus. Als Ergebnis werden den neuen Belastungen für Gering- oder Normalverdienende massive Entlastungen für Besitzende gegenüberstehen.

Im Weltmeistertaumel kam es nicht ansatzweise zu öffentlichem Protest oder Widerstand, wenngleich auch ohne WM nicht mit großen Bewegungen zu rechnen gewesen war. Immerhin: Der Fußball erleichterte die Umverteilung von unten nach oben etwas, konnte doch für vier Wochen jenen "bis aufs schwarz-rot-goldene Trikot ausgeplünderten" Menschen "zumindest der Stolz aufs Vaterland weiterhelfen" (Flugblatt "Rote karte gegen Sozialraub!" des Bochumer Sozialforums).

Gleichzeitig wurden anlässlich der Fußball-WM die Ladenöffnungszeiten für einige Wochen ausgedehnt. Dies dürfte auch ein Probelauf für die kommende Freigabe der Öffnungszeiten im Handel sein.

Nicht zu vergessen: Die flächendeckende Überwachung der Fans durch die Polizei und neue Methoden können auf der Habenseite der verbeamteten Überwachungsexperten angesehen werden. Mit der Angst vor Hooligans konnte alles begründet und die Frage nach der Verhältnismäßigkeit oder der demokratischen Legitimation abgebügelt werden. Die Kooperation mit ausländischen Polizeibehörden wurde ebenso eingeübt wie umfassend Datenmaterial erstellt und bearbeitet wurde. Massenüberprüfungen aller Fans, die polizeiliche und verfassungsschützerische Überprüfung aller Bediensteten von der Toilettenfrau bis zum Spieler, Videoüberwachung großer Menschenansammlungen, Kontrolle von Aus- und Einreisverboten - die Sicherheitsexperten hatten mit der WM ein gigantisches Übungsfeld, wurden aber selten wirklich benötigt, hielten sich auch gerne zurück, wohl um dem deutschen Ansehen im Ausland nicht zu schaden.

Polizeieinsätze gingen zeitgleich dann doch ganz traditionell gegen soziale Proteste, hier gegen die Studierenden, die um mehr Bildungsgerechtigkeit und gegen Studiengebühren kämpften. Diese aber bekamen es teils knüppeldick!

Auch die Militärs nutzen die WM. Zwar konnte Wolfgang Schäuble sein Ziel des umfassenden Einsatzes der Bundeswehr im Inneren noch nicht durchsetzen; allerdings wurden in vielen Bereichen dennoch mehrere Tausend Bundeswehrangehörige eingesetzt und das Bundeswehrkrankenhaus wurde zur zentralen FIFA-Klinik. Ganz ohne wirklichen Sachzwang konnte so die Zivil-Militärische Zusammenarbeit gefördert werden. Frank Brendle betonte in der Jungen Welt (17.06.06) den Hintergrund solcher Aktivitäten: Der Bevölkerung "wird demonstriert, dass die Bundeswehr ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft ist". Er sieht hier einen "Ausdruck der fortschreitenden Militarisierung der deutschen Politik".


Neoliberale Ideologieproduktion

Die Kommerzialisierung der WM wurde bereits oft kritisiert. Von der unsäglichen Ticketvergabe und den diversen und bis ins Unerträgliche gehende Fanartikeln wurde viel gesprochen. Allerdings liegt darin keine wirklich neue Qualität.

Interessanter ist da schon die Instrumentalisierung der Fußball-WM durch die Kanzlerin. Sie deutet das Massenereignis kurzum als Bestätigung ihrer Politik und insbesondere als Aufruf zu noch mehr asozialen Gräueltaten: "Wenn ich sehe, welches Potenzial an Fröhlichkeit, an Begeisterung in diesem Land steckt, ... dann wird mir nicht bange, dass dieses Land auch die Herausforderungen meistert, vor denen wir insgesamt stehen" (Angela Merkel, zitiert nach Handelsblatt, 21.06.06). Dazu Bundestrainer Jürgen Klinsmann: "Wenn die Autos mit den Fahnen durch die Stadt fahren, das ist etwas, was vereint" (Passauer Neue Presse, 14.06.06). Zu welchem Zweck hier wer mit wem vereint wird, das dürfen wir dann der obigen Androhung der Kanzlerin entnehmen.

Da lohnt es sich auch schon mal, Massen an Steuergeldern zu verschenken. "Alles in allem müssen die Steuerzahler um die sechs Milliarden Euro für die Fußballweltmeisterschaft aufbieten. Von den Ausgaben wird nur jeder zehnte Euro wieder in den Staatssäckel zurückgespielt werden" (Hermannus Pfeiffer im Neuen Deutschland, 05.07.06).

Für den Weltfußballverband FIFA allerdings lohnt sich das Ganze. Auf mindestens 1,5 Milliarden wird der Reingewinn durch diese WM geschätzt! Dazu trugen nicht nur die Aufwendungen und Steuergeschenke der Bundesrepublik bei - das ganze Spektakel lief steuerfrei ab -, sondern auch die 15.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die in den verschiedensten Bereichen Dienst taten, bis hin zum Marketing oder dem technischen Service. Diese Freiwilligen "sind strategischer Bestandteil der WM-Konzeption, es verbinden sich die Interessen der Organisatoren mit den Wünschen der deutschen Politik. Schließlich wird hierzulande seit einiger Zeit nach einem nationalen Modell für globalisierte Ökonomie gesucht." (Jörn Hagenloch in Freitag, 30.06.06). Und dazu gehört eben auch das unentgeltliche, das ehrenamtliche Engagement.

"Das neoliberale Mantra tönt dabei immer gleich: Es ist kein Geld vorhanden" (ebd.). Daher muss die Bürgergesellschaft (oder wie auch immer dies dann bezeichnet wird) mit unentgeltlicher Arbeit aushelfen. Und so wie die Erzählung vom fehlenden Geld bei der WM nicht stimmt, so stimmt sie auch sonst nicht, auch wenn dieses Mantra noch so oft wiederholt wird.

Franz Beckenbauer über die Freiwilligen: "Ohne ihr ehrenamtliches Engagement wäre es überhaupt nicht möglich gewesen, die WM zu organisieren." Dass der bayerische Zuvielverdiener hier ganz offensichtlich lügt, macht die Sache nicht besser, sondern beweist nur, wie unverfroren hier die neoliberale (und gleichzeitig sehr alte) Ideologie vom Verzichten und Aufopfern vorgetragen wird. Passend hier auch, dass WM-Organisator Beckenbauer nach Medieninformationen angeblich volle 20 Stunden pro Tag (!) gearbeitet hätte; und das ganze vier Wochen lang. Ein neoliberales Vorbild an Aufopferung und Arbeitsbereitschaft, in Wahrheit ein Musterbeispiel selbstzerstörerischer und höchst pathologischer Arbeitssucht, wenn es denn stimmen würde.

Merkels Verzichtshoffnung und der Feiwilligeneinsatz sind zwei Seiten einer Medaille.


Nationalismus oder "Partyotismus"?

Am meisten beschäftigten sich die linken Kommentatoren der WM aber mit der Frage nach dem schwarz-rot-goldenen Nationalismus. Zwar nutzen vereinzelt Rechtsextremisten und angesoffene Spießer die WM-Feiern, um Frust abzulassen und ihre Art der "Propaganda der Tat" umzusetzen, dies allerdings kaum organisiert und in einem so geringen Maß, dass sogar gestandene Antifas überrascht wurden. Unabhängig davon, dass jeder Übergriff einer zuviel ist, muss doch angemerkt werden, dass die Polizei offensichtlich die braunen Horden gut im Griff hat, wenn sie dies will.

Die sicherlich Hunderttausende von Nationalfahnen, das offene Absingen von "Einigkeit und Recht und Freiheit" mögen nahe legen, dass hier ein neuer Nationalismus fröhliche Urstände feiert. Und die einheimischen Nazis haben das auch schon reklamiert: "In diesen Tagen wandet sich Deutschland schwarz-rot-gold, es denkt schwarz-rot-gold und fühlt schwarz-rot-gold" (Jürgen W. Gansel bei npd.net; 04.07.06). Es gäbe "einen übermächtigen Wunsch nach nationaler Normalisierung und Identitätsfindung" (ebd.). Dabei bemerken zumindest intelligente Nazis, dass der propagierte Patriotismus Ablenkungscharakter hat. Im Gegensatz zu Hartz IV ergebe sich hier er eine völlig kostenlose Stabilisierungsfunktion; er sei ein "Aufputschbonbon in schwarz-rot-goldenem Wickelpapier" (ebd.). Und dann versteigt man sich rechts außen zu der Hoffnung, dass "wenn der nationale Geist nun der Flasche entweicht", er sich nicht mehr zurückbannen lasse. "Der bisherige Fußball-Patriotismus hat ... einen bislang nur unterirdisch wirkenden Normalisierungsnationalismus zutage treten lassen" (ebd.). Sollte Gansel Recht haben, so steht uns Grausames bevor.

Was aber ist mit den Fanmeilen und dem ganzen Multikultierlebnis? Bis zu einer Million Menschen (in Berlin) sollen an so genannten Public-View-Orten die Spiele gesehen haben, auf teils riesigen Leinwänden. Aber auch aus den Innenstätten wird erstaunliches berichtet: Deutsche und Schlachtenbummler aus allen Kontinenten feiern gemeinsam, reden, lachen, tanzen, Deutsche tragen englische Fanartikel, Einheimische begeistern sich für die Mannschaften aus Ghana oder Togo, Party allüberall. Die Berichte auch von ansonsten kritischen Geistern klingen erstaunt bis überschwänglich.

Haben die Nazis doch nicht Recht? Pfeifen sie vielleicht schon ängstlich im Dunkeln Durchhalteparolen, da sie wissen, dass dieses Sportmultikulti und farbige Spieler in der Nationalmannschaft (oder solche mit Geburtsort in Polen) und ein in den USA lebender Trainer den rechtsextremen Deutschnationalismus nicht wirklich befördern?

Die Zeit ist noch zu früh, um hier ein endgültige Resümee zu ziehen. Allerdings muss bedacht werden, dass wir in einer Eventgesellschaft leben. Und die WM ist eben ein gigantisches Event: Party und der dazugehörende "Partyotismus". Und die Fahne sowie das zum Partyhit gekürte Deutschlandlied als Zugangscodes zur Partygemeinde, - hier dürfte erheblich mehr Wahrheit liegen als in der Vermutung des neue deutschen Militanz-Nationalismus, weswegen ein Vergleich mit der Nazi-Olympiade 1936 nicht wirklich weiterhilft.

Allerdings versuchen Medien und Politik derzeit nicht ungeschickt, diesen "Partyotismus" doch noch zum Patriotismus zu verklären. Mal sehen, was ihnen hier gelingt und ob sie dies unbehelligt umsetzen können.

Allerdings sollte auch niemand auf die multikulturelle Verbrüderungsparty hoffen, die wenigsten mittelfristig eine positive Auswirkung auf den Umgang mit den "Fremden" haben könnte. Eine Party - und sei sie noch so groß - macht wohl niemanden zum Antirassisten.

Und der Staat ließ sich eh nicht aus der Ruhe bringen. Der junge Kurde Serif Akbulut, Fußballspieler beim Siegerteam "Bleiberecht Hanau" des Antirassistischen Fußballturniers in Frankfurt wurde am 7. Juli aus seiner Unterkunft geholt und sitzt in Abschiebehaft. Die Teams aus Accra/Ghana und Lagos/Nigeria durften zu der durch die FIFA geförderten 1. Weltmeisterschaft im Straßenfußball nach Berlin-Kreuzberg erst gar nicht einreisen. Soweit ging das WM-Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" denn doch nicht: Den Spielern wurde "mangelnde Rückkehrwilligkeit" unterstellt (Jungle World, 05.07.06). Wer Freund ist bestimmen noch allemal die Einheimischen! Aber auch das ist nicht neu.

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Zum Foto: In der nordbayerischen Kleinstadt Miltenberg übernahm es die örtliche Werbegemeinschaft, mit einigen hundert Fahnen den Multikulturalismus zu erzwingen. Allerdings: In jede Reihe wurde auch eine deutsche Fahne gehängt, so dass die Übermacht der Einheimischen auch symbolisch demonstriert wurde. (Foto: M. M. Krug)

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Zum Weiterlesen:

Deutschlands teuerste Image-Kampagne
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=93071&IDC=2

Sportliches Strohfeuer
Konjunkturelle Wirkung nicht nachhaltig
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=93070&IDC=2

Lücken im Spielplan (Streetfootball)
http://jungle-world.com/seiten/2006/27/8057.php

Exerzierplatz Stadion (Bundeswehr)
http://www.jungewelt.de/2006/06-17/047.php?sstr=polizei|weltmeisterschaft

Es rechnet sich (Freiwillige)
http://www.freitag.de/2006/26/06260602.php

Der Fußball und der deutsche Normalisierungsnationalismus (NPD)
h**p://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=7&cmsint_id=1&detail=416

Polizei gegen Studierenden-Demonstration
http://de.indymedia.org/2006/07/151653.shtml



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von Tegtmeier


[editiert: 08.08.11, 12:54 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 10.07.06, 18:19  Betreff:  Re: Fußballweltmeisterschaft 2006  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2006/07-10/031.php



Nach dem Ende der Fußball-WM:

Arme Schweinis


Werner Pirker



Auch die Palästinenser haben eine Fußball-Nationalmannschaft. Denn was zählt eine Nation ohne Nationalmannschaft? Die palästinensische Auswahl durfte sich sogar an der Qualifikation zur Fußball-WM in Deutschland beteiligen. Unter von der israelischen Besatzungsmacht diktierten Bedingungen. Monatelang begaben sich die Kicker aus Gaza jede Nacht zum Grenzübergang nach Ägypten, um mit dem Rest der Mannschaft zusammenzutreffen – und mußten immer wieder umkehren. Die Grenze wurde erst wenige Tage vor dem Entscheidungsspiel mit Usbekistan geöffnet. Das Ergebnis mangelnder Vorbereitung: 0:3.

Dem Ansuchen des palästinensischen Fußballverbandes, das Spiel zu verschieben, war von der FIFA nicht stattgegeben worden, da keine »höhere Gewalt« vorgelegen habe. So endete ein Fußballtraum. Für das palästinensische Volk gibt es kein Fair play. Und kein Gastrecht bei Freunden.

Die »Welt des Fußballs« schreibt keineswegs ihre eigenen unpolitischen Gesetze. In Gestalt der FIFA ist sie Teil des Globalisierungsregimes, das, wie am Beispiel Griechenland ersichtlich, auch nationale Sportgesetze außer Kraft zu setzen imstande ist. In Deutschland hat diese »wunderbare Fußballwelt« den ihr würdigsten Schauplatz gefunden. Noch nie in der Geschichte von Fußballweltmeisterschaften hat sich das Veranstalterland derart selbstverliebt und aufdringlich in Szene gesetzt, wie das zwischen München und Hamburg der Fall war. Als wäre diese WM nicht dazu dagewesen, die weltbeste Nationalmannschaft zu ermitteln, sondern den besten WM-Standort und das beste Fußballvolk aller Zeiten. Es war spielerischen Defiziten der deutschen Mannschaft zu verdanken, daß Fußballenthusiasmus »Made in Germany« nicht seinen unerträglichen Höhepunkt fand.

Nun könnte man es als positiv vermerken, daß die Geschichte dieser Fußball-WM nicht so sehr von den auserwählten Akteuren auf dem Rasen, sondern von den Massen auf den Fußballbannmeilen der Republik geschrieben wurde. Doch ein sich selbst ohne Sinn und Verstand feierndes Millionenpublikum, dem nie in den Sinn käme, die Bannmeilen zu durchbrechen, hebt die Entfremdung nicht auf, sondern treibt sie auf die Spitze. Denn die vielen armen Schweinis haben nichts zu feiern, auch wenn es der Schweini zuletzt noch einmal richtig krachen ließ. Weil sie es dennoch taten, wurden sie zu Weltmeistern eines »positiven Nationalbewußtseins« gekürt. Dem Wunder von 1954 folgt das Wunder von 2006: die zu sich selbst gefunden habende, politisch korrekte Volksgemeinschaft.

Derweilen träumen die Palästinenser weiter von einem unabhängigen Staat und fairen Wettbewerbsbedingungen für ihre Nationalmannschaft.



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[editiert: 08.08.11, 12:56 von bjk]
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Anja.

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New PostErstellt: 08.07.06, 23:33  Betreff: Re: Fußballweltmeisterschaft 2006  drucken  weiterempfehlen

Früher habe ich sehr viele Fußballspiele, einige Weltmeisterschaften und Europameisterschaften begeistert verfolgt. Im Laufe der Zeit und Jahre hab ich mich gewandelt und stand und stehe allem sehr kritisch gegenüber.

Wenn alles "Fußball" und "Tor" schreit und alles andere in den Hintergrund gerät, bloß, weil gerade mal eine Weltmeisterschaft ansteht, da komme ich doch sehr stark ins Grübeln und Zweifeln.

So bin ich zwar nicht direkt zum "Fußballhasser", aber doch zur völlig desinteressierten "Nichtfußballseherin" geworden.

ABER: Ich habe dieses Mal mit Spaß und Freude diese WM verfolgt. Freude und Spaß deshalb, weil mich einfach das Konzept eines Jürgen Klinsmann von Anfang an überzeugt hat, der entgegen aller Kritik und aller vorherigen Trainer darauf gebaut hat, mit jungen Spielern eine fast komplette Mannschaft aufzubauen und mit vielen neuen Aspekten (mentales Training mit Yoga und Entspannungsübungen, etc.) am Ende recht gehabt habt.

Spaß und Freude, weil es einfach eine Freude war, dieser Mannschaft, dem niemand auch nur das Überstehen der Vorrunde zugetraut hätte, und die sich von Spiel zu Spiel gesteigert haben, zuzuschauen.

Spaß und Freude auch deshalb - auch wenn gerade dieser Punkt bei vielen so kritisch gesehen wird, da es wahrscheinlich nach dieser WM alles vorbei sein wird (?) - weil es unglaublich war, nach jedem Spiel solche friedliche Freude, solch ein Zusammensein und solche Feiern zu erleben.

Ich selbst habe bis zum Jahr 2002, als sich bei mir vieles änderte - wenn auch nicht immer mit dem gleichen Interesse - jede WM seit 1974 verfolgt. Ich glaube, niemals eine solch begeisterungsfähige Mannschaft mit einem solch sympathischen und doch kompetenten Trainer gesehen zu haben.

Auch wenn das nun gerade von mir, die die Fußballbegeisterten in den letzten jahren immer etwas belächelt hat - ich möcht einmal ganz persönlich und sehr ehrlich nur für mich ein großes

DANKE!
aussprechen! Ihr habt mir - und besonders meiner 17-jährigen Tochter, die etwas solches noch niemals erlebt hat und die durch ihre Freune und ihren Enthusiasmus wieder mich begeistert hat - wunderbare Wochen und eine wunderbare Zeit geschenkt!

Es hat einfach Spaß gemacht und ich kann nicht verhehlen, dass mir tatsächlich heute nach dem verdienten 3. Platz ein paar Emotionstränen bei mir geflossen sind - normalerweise bei Sportveranstaltungen bei mir wirklich ansonsten undenkbar!!!!

Mögen dieses friedliche Zusammensein der Nationen, die friedlichen Feiern und diese Freude auch nach dem Montag so weitergehen...........

Anja



"Existieren heißt sich verändern,
sich verändern heißt reifen,
reifen heißt sich selbst endlos erschaffen
(Henri Bergson)"
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Io


New PostErstellt: 06.07.06, 16:24  Betreff: Re: Fußballweltmeisterschaft 2006  drucken  weiterempfehlen

Da kann ich nur beipflichten, wieviel Tausende waren überall auf den Beinen und jubelten mit Ihren Fähnchen zu ,aber zur Hartzer Demo kommt nur ein paar Hanseln. Aber Arbeitslose tragen auch Fahnen und wenn es am Fahrrad ist !

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bjk

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New PostErstellt: 04.07.06, 23:56  Betreff:  nix Weltmeister - Italien war besser  drucken  weiterempfehlen




... 0 : 2 kurz vor Ende der 2. Verlängerungshalbzeit
... die Italiener haben verdient gewonnen
... zum Glück haben damit auch der merkelmanische Deutschlandwahn und die Trittbrettfahrerei der Politmafia ein verdientes Ende gefunden
... zum Glück brauchen wir uns vor allem Änschie Gänschen im Fußballstadion nicht mehr antun müssen
... Jürgen Klinsmann und seiner Mannschaft Glückwunsch zu ihrer großartigen Gesamtleistung

bjk



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[editiert: 08.08.11, 12:46 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 30.06.06, 22:47  Betreff:  Fußballweltmeisterschaft 2006  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen




... jetzt kann ich nicht anders, als Jürgen Klinsmann und seiner tollen Mannschaft für ihre ausgezeicheten Leistungen in diesem Turnier zu gratulieren
... die Betreuer und überhaupt der gesamte aktive Troß natürlich inbegriffen
... ich will ehrlich sein: als Klinsmann seinerzeit berufen wurde, hätte ich ihm diese begeitsernden Spiele hier im WM-Turnier nicht zugetraut, der damaligen Mannschaft auch nicht
... die deutsche Mannschaft ist verdient im Halbfinale - trotz Reinhold Beckmann, und trotz des alberndümmlich hinundherhopsenden Gänschens neben Grinse-Hotte Köhler
... jetzt noch Italien bezwingen, meinetwegen auch im Elfmeterschießen, und dann - - - sehen wir weiter
... RESPEKT - und wie hier jede/r weiß, geht bjk damit sehr sparsam um
... so, gleich ist auch das Italien gegen Ukraine zuende

einen schönen Abend noch
bjk



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