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Autor Beitrag
Baba Yaga
New PostErstellt: 10.03.04, 03:57     Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

Lieber Udo!

Wie angekündigt, nur mit etwas Verspätung, möchte ich nun ausführlicher auf Deinen Beitrag antworten.
In einem ersten Anlauf möchte ich auf Deine 2. Fragestellung eingehen und aus meiner Sicht und meinem Anarchieverständnis antworten.

Grundsätzlich entnehme ich nicht nur Deinem letzten Beitrag, daß Du, wie die Mehrheit der Bevölkerung (enschuldige bitte, daß ich Dich in einem Atemzuge mit dem Volke nenne) eine libertäre Gesellschaftsform, welche auf Herrschaftslosigkeit, auf Repressions- und Gewaltfreiheit, sowie der Freiwilligkeit und der gegenseitigen Unterstützung und Hilfe aufbaut, als utopisch empfindest, ja sogar ablehnst,
- und was ich persönlich etwas schmerzhaft empfinde -,
daß Du im Gegenzug Anarchisten genau das unterstellst, was auch un- und falschinformierte "Volksmassen" vom Anarchismus halten,
- nämlich Chaos, Gewalt, Mord und Todschlag!

Um diese Vorstellung vom Anarchismus zu bekräftigen und zu verallgemeinern, zitierst Du Paul Brousse, welcher 1876 (nicht 1877) mit seiner Formel "Propaganda durch die Tat", oder auch mit dem Satz "der Weg der Revolution führt durch eine königliche Brust" in Literatur und Geschichte eingegangen ist.
Dabei verzichtest Du völlig darauf, die gesellschaftlich-sozialen und machtpolitischen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts, insbesondere die des letzten Viertels des Jahrhunderts zu erwähnen, geschweige denn die Vielschichtigkeit und die damit einhergehenden ideologischen Auseinandersetzung, Anfeindungen und Rivalitäten zwischen Anarchisten, Kommunisten und Sozialisten !
Du gehst auch nicht darauf ein,
...daß Anarchismus (bis heute) jene politische Philosophie ist, die am heftigsten von allen Seiten (Monarchisten, Bürgerlichen, Republikanern, Sozialisten und Kommunisten) bekämpft,
...daß die verschiedenen erfolgreichen und/oder erfolgversprechenden Versuche und Ansätze eine Ordnung ohne "Herren" aufzubauen, erstickt und niedergeschlagen wurden,
...daß in der Folge die unterschiedlichsten Mißliebigen und Übeltäter von den Herrschenden den "Anarchisten" zugerechnet wurden/werden.

In meinem vorhergehenden Kurzbeitrag habe ich Dir schon den Hinweis auf Bakunins Todesdatum 1876 gegeben.
Er war also an den von Dir (und Avram Yarmolinsky im Buch "Zaren und Terroristen") aufgezählten Attentaten und Attentatsversuchen weder mit Agitation noch mit Tat beteiligt, ebenso wenig wie Stirner (gestorben 1856),
...der landläufig auch unter die Anarchisten subsummiert wird,
...der jedoch seine Denkansätze und Forderungen aus dem Solipsismus und Individualismus herleitete.

Du hast ihn zwar (noch)nicht mit seinem "populärsten" und "erfolgreichsten" Horror-Zitat aufgeführt,
- "Ich bin durch mich berechtigt zu morden, wenn ich Mir´s selbst nicht verbiete, wenn ich Mich selbst nicht vorm Morde als vor einem Unrecht fürchte" (Der Einzig und sein Eigentum 1845) -,
aber da er regelmäßig eine eindrucksvollen Beschreibung und ein abschreckendes Beispiel zur Warnung vor dem Anarchismus abgibt, habe ich ihn hier gleich mit eingeführt.

Klar sollte jedenfals sein,
...daß Gedanken frei sind, auch wenn das Denkresultat weder Gefallen noch Zustimmung findet,
...daß Zitate im Kontext des jeweiligen Themas, der Situations- und Zeitumstände eingebettet sein sollten,
...daß es innerhalb politischer Systeme, Parteien und Weltanschauungen die verschiedensten Strömungen und Ausprägungen gibt,
...daß politische Straftaten und Verbrechen aus den unterschiedlichsten Motivationen, Obsessionen und Gründen begangen wurden und werden und
...daß es kein ausschließliches Merkmal des Anarchismus ist, wenn Morde, Terroranschläge und Attentate vom Menschen begangen werden, so wie Du das postulierst und unterstellst!

Zitat Udo:
"Wenn der Anarchismus vielfach mit Gewaltfreiheit assoziiert wird, so gibt es dafür gute Gründe, denn die Verfechter des Anarchismus um Bakunin, Netschajew, Tkatschew, Kropotkin hatten sich alle dazu durchgerungen, die schöne Utopie von der herrschaftsfreien Daseinsweise mit häßlicher Gewalt vorantreiben zu müssen".

Das sehe ich etwas anders als Du!
Auf die historischen und situativen Zustände der monarchistischen Terror-, Ausbeutungs- und Unterdrückungs-Regime habe ich bereits in meinem vorhergehenden Beitrag hingewiesen, um die Entstehung und Entwicklung anarchistischer Gedankenwelt und die Umsetzungs- und Befreiungsbestrebungen vor diesem Kontext begreiflich zu machen.
"Gewaltfreiheit" wurde von Anarchisten ebenso wenig als ubiquitäre Verhaltensmaxime gegenüber Feinden, Unterdrückern und Verfolgern verstanden, wie von Religionen (z.B. die christliche), welche ausserhalb und sogar innerhalb ihrer Gläubiger-Gemeinschaft morden, foltern und brandschatzen!!!!
Es kommt eben immer auf den Betrachtungsstandort an, wie Thesen und Tatsachen verstanden, aufgenommen und weiterverarbeitet werden.
Z.B. hast Du meiner einer Darstellung des BRD-Unrecht-Systems nicht widersprochen, aber im Gegensatz zu mir, fällt Deine Beurteilung dazu positiv aus!

Gewaltfreiheit bedeutet(e) für Anarchisten (und Autonome) nicht Pazifismus gegenüber Peinigern,
- also nix mit verlogenen Sprüchen von linker und rechter Backe -,
sondern eine herrschaftslose Ordnung innerhalb welcher, auf freiwilliger und gewaltfreier Basis, die Menschen sich zu Gesellschaften organisieren und zu gegenseitiger Hilfe, Unterstützung und damit Entwicklung auf den verschiedenen Feldern menschlicher Fähigkeiten bereit sind!

Daß dies erreichbare Ziele und nicht nur verwegene und Utopien sind, haben vielfältige Realisierungsversuche gezeigt, wurden aber mit Gewalt niedergeschlagen und erstickt.
Um einige wenige Beispiele für anarchistische Versuche zu nennen:
Pariser Commune 1871
Mexikanische Revolution 1912
Münchner Räterepublik 1919
Machnow-Bewegung während russ.Oktober Revolution 1917 in Ukraine
Kronstadt Aufstand 1921
Aufstand in Argentinien (Patagonien) 1921
Aufstand Pariser Mai 1968 (damals war Cohn Bendit Anarchist)
Nelkenrevolution 1971 Portugal
Hausbesetzer-Kommunen am 1981
Autonomenwiderstand gegen AKW´s, Militarismus und WAA
Selbstverwaltungsinitiativen 2003 in Argentinien nach dem Wirtschaftszusammenbruch

Anarchie ist Ordnung ohne Herrschaft!

Ich bin jetzt müde!

Fortsetzung folgt, insbesondere zu Deiner Frage
"1. Sind die Menschen zu Anarchismus fähig?"

Gute Nacht

Baba Yaga
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