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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 21.10.07, 10:00     Betreff:  Erzreaktionärer klerikaler Größenwahn + nazistisches Gedankengut = Kirchenpolitik

kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2007/10-20/029.php



Hannibal ante portas

Joseph Ratzinger, der Papst aus Karthago

Von Hans Heinz Holz
 
Benedikt XVI.
spricht gern von seinen geistigen Wurzeln. Nein, nicht von Kardinal Faulhaber und von dem zwieschlächtigen Verhältnis von katholischer Jugend und Hitlerjugend.
Viel Früheres hat er im Sinn: die Kirchenväter. Unter ihnen liegt ihm besonders Cyprian am Herzen, der Bischof von Karthago (200–258). Angesichts der aggressiven kirchenpolitischen Aktionen der letzten Monate lohnt es sich zu fragen, wer denn da sein geistiger Gewährsmann ist.

Die katholische Kirche steckt in einer Krise. Seit langem schon. Die Arbeiterpriester in Frankreich, die Befreiungstheologen in Lateinamerika, in ihrem Glaubensverständnis von der sozialen Frage erschüttert, rüttelten an der Hierarchie und drängten auf ein neues Gesellschaftsverständnis; die Allianz von Kirche und herrschender Klasse sollte aufgebrochen werden. Der Impuls wurde durch disziplinäre Maßnahmen erstickt.

Die Kompromisse der Kirche mit dem Faschismus – die durch Konkordate abgesicherte Unterstützung der Mussolini, Hitler, Franco, der offene Faschismus der Kardinäle in Osteuropa, Stepanic in Jugoslawien, Mindszenty in Ungarn – konnten verschleiert werden, weil es auch tapfere Antifaschisten im Katholizismus gab, wie zum Beispiel den in Auschwitz ermordeten Pater Maximilian Kolbe; sie waren die Alibifiguren, hinter denen sich eine profaschistische Kurienpolitik verstecken konnte.

Der Einbruch einer theologisch unzulänglichen Liberalität, für die im deutschen Sprachraum die zwei publizistisch wirksamen, aber theoretisch schwachen Dissidenten Hans Küng und Eugen Drewermann stehen, ist dem Kirchenregiment unangenehm, weil sie die Gläubigen der organisatorischen Disziplin entfremdet. Dem allerdings war durch viel propagandistischen Aufwand entgegenzuwirken.

Jetzt kommen noch die persönlichen Skandale hinzu, nicht neu, aber zum erstenmal mit großer Öffentlichkeitswahrnehmung und juristischen Folgen: Sex und Mißbrauchsaffären von Österreich bis Kalifornien, nun sogar, vom Spiegel genüßlich ausgebreitet, im Bistum Regensburg. Die Verquickung kirchlicher Instanzen mit Geheimdiensten, der Missionen mit der CIA, des polnischen Episkopats mit dem Geheimdienst der Volksdemokratie – immer mit der jeweils herrschenden Macht. Die Glaubwürdigkeit der Kirche ist erschüttert, ihre Geschlossenheit bedroht.

Bislang haben die Päpste darauf kirchenpolitisch reagiert. Pius XII. (Pacelli) mit der Unterstützung extrem reaktionärer imperialistischer Regime in aller Welt und einem militanten Antikommunismus, der bis zur Legitimation eines möglichen Atomkriegs ging; Johannes XXIII. (Roncalli) mit der Scheinmodernisierung und Liberalisierung des 2. Vaticanum (1962–65), die wirklich nur scheinbar und an der Oberfläche einen Wandel vortäuschte; seine Nachfolger mit schrittweiser Restauration, die im 2. Vaticanum schon angelegt war. Zuletzt Johannes Paul II. (Wojtyla), hinter dem schon Joseph Ratzinger die Fäden zog.


Reaktionäres Konzept

Jetzt haben wir, was es seit dem 1. Vaticanum nicht mehr gab: einen Papst, der eine kirchenpolitische Strategie auf eine durchdachte theologische Systematik aufbaut. Ratzinger hat ein Konzept. Die auf seine leutselige Art hereinfallen, schließen die Augen vor der Härte und Rückschrittlichkeit dieses Konzepts.

In einem Kommentar zu den fünf Regensburger Reden Papst Benedikts vom September 2006 schrieb ich: »Von diesem Papst ist noch einiges zu erwarten. Das Dossier Ratzinger ist noch nicht geschlossen.«1 Das war nicht schwer vorherzusagen. Verblüffend ist nur, wie schnell der oberste Feldherr der ecclesia militans seine Attacken aufeinander folgen läßt. Es lohnt sich schon, seinen Verlautbarungen auf der Spur zu bleiben, mit denen er eine generalstabsmäßig geplante Offensive gegen jede Modernisierung der alleinseligmachenden Kirche in einer pluralen Welt einleitet. Und es unterscheidet ihn von seinen Vorgängern, daß er seinem reaktionären kirchenpolitischen Programm aus subtiler Vertrautheit mit der Dogmengeschichte eine schwer anzufechtende theologische Grundlage zu geben vermag, von der aus er seine innerkirchlichen Kritiker in Schach hält und die externe Diskussion in die von ihm gewünschten Bahnen lenkt, das heißt: ablenkt.

Es ist erstaunlich, wie bereitwillig und naiv die protestantischen und säkularen Partner des ökumenischen Gesprächs sich auf diese Vorgabe einlassen. Gerade hat der Herder-Verlag, ein knappes Jahr nach dem Regensburger Eklat, einen Sammelband mit Reaktionen darauf veröffentlicht, der unter dem Titel »Die Religionen und die Vernunft« ein Reihe von Stimmen, kritische und zustimmende, zusammenführt.2

Die Neue Zürcher Zeitung (14.8.2007) konstatiert, es habe »eine lebhafte Diskussion eingesetzt, die vor allem um die Forderung nach einer neuen Synthese von Glaube und Vernunft zentriert ist. So ist man dem Vogelfänger auf den Leim gegangen! Es geht ihm ja gar nicht um die Synthese von Glaube und Vernunft, sondern um die Unterordnung der Vernunft unter den Glauben. »Das Festhalten am universalen Wahrheitsanspruch des Glaubens« sei »die Voraussetzung dafür, mit einer klar konturierten Position den Dialog zu suchen«, schrieben zwei Freiburger Theologen schon 2005 in einer Analyse der vom Pontifikat Benedikts zu erwartenden Position.3 Der universale Wahrheitsanspruch des Glaubens schließt aber eben die Intervention der kritischen Vernunft aus.

Wirkliche Kritik kann man von einem Buch des katholischen Herder-Verlags (wie liberal dieser auch zuweilen ist) nicht verlangen. So versuchen alle Gesprächspartner, sich auf Ratzinger einzulassen. Von Jürgen Habermas darf man annehmen, daß er von den patristischen und scholastischen Voraussetzungen, die in Ratzingers Kundgaben eingehen, zu wenig weiß, um die Fallgruben zu erkennen, die der Papst im Gesprächsfeld versteckt hat. Und wenn Habermas sich jetzt in einem Kongreßvortrag in Rom gleichsam als Überpapst geriert und dekretiert, »daß wir in dieser postsäkularen Welt nicht einfach weiter so tun können, als ob es Gott nicht gäbe«, dann darf man das schon als einen Punktsieg Ratzingers buchen; allerdings weiß Habermas nicht, wovon er redet, wenn er dem Papst bei anderer Gelegenheit das Stichwort liefert, die »Ideen von Freiheit und solidarischem Zusammenleben seien unmittelbar ein Erbe der jüdischen Gerechtigkeit und der christlichen Liebesethik«. Wo Habermas im Alten Testament Gerechtigkeit finden will, ist mir rätselhaft; sein Inhalt ist doch der Eifer Gottes für das von ihm vorgezogene auserwählte Volk, mit dem er einen Bund schließt, in dessen Namen auch größte Ungerechtigkeit gegen Nachbarvölker gerechtfertigt wird. Und daß im Neuen Testament Jesu Liebesbotschaft oft genug in »Drohreden« (der evangelische Theologe Rudolf Bultmann) umschlägt gegen jene, die ihm den Glauben an seine Gottessohnschaft verweigern, scheint dem flüchtigen Bibelleser auch entgangen zu sein.

Lassen wir es dabei bewenden! Dagegen hätte Kurt Flasch, einer der besten Kenner der christlichen Philosophie des Mittelalters, das Zeug dazu gehabt, zur Gegenoffensive übergehen zu können; auch er hat die Chance zu einer wirklichen Auseinandersetzung verschenkt. Daß die katholischen Kritiker Ratzingers zurückhaltender sind, versteht sich; allerdings spürt man bei den Äußerungen von Kardinal Walter Kaspar, dem Präsidenten des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, das Unbehagen an der retrograden Tendenz der Papstreden. Daß indessen der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, ernstlich glaubt, mit diesem Oberhaupt der katholischen Kirche in einen Diskurs eintreten zu können, ist unverständlich, wenn nicht duckmäuserisch. Benedikts Rigorismus ist ja gerade die Verweigerung des Diskurses. Die Protestanten erhielten auch sofort eine Ohrfeige, als der Papst ihnen absprach, eine kirchliche Gemeinschaft in der Christenheit zu sein, und sie sozusagen zu religiösen Freibeutern degradierte. Nun werden sie, friedlich unterwürfig, auch die andere Wange zum Backenstreich hinhalten.


Ausgrenzungspolitik

Ein halbes Jahrtausend zuvor hat Luther die päpstliche Bannbulle und die Schriften des kanonischen Rechts feierlich in Wittenberg verbrannt und das damit begründet, der Papst nehme es sich, das Bibelwort Matthäus 16,19 von der Schlüsselgewalt Petri bewußt mißdeutend, heraus, »die ganze Christenheit mit seinen mutwilligen Gesetzen zu beschweren«. Wo ist Luthers Aufbegehren gegen den römischen Machtanspruch geblieben? »Dadurch ist die römische Kirche, die vor Zeiten die allerheiligste war, nun eine Mordgrube, schlimmer als alle Mordgruben, ein Bubenhaus, schlimmer als alle Bubenhäuser, ein Haupt und Reich aller Sünde, des Todes und der Verdammnis geworden. (...) Es ist aus mit dem römischen Stuhl, Gottes Zorn hat ihn überfallen ohne Aufhören.«

Nicht nur die Protestanten schließt Benedikt aus der Gemeinschaft der Christenheit aus (obwohl diese doch längst Luthers Streitbarkeit abgelegt haben). »Schnittmengen der Gemeinsamkeit sind wohl in der Sicht des Papstes im katholisch-evangelischen Verhältnis gegenwärtig nicht vorhanden, (...) und je mehr sich die kontroverstheologische Diskussion auf die zentralen Fragen des Kirchenverständnisses zubewegt, desto geringer werden die Aussichten auf eine rasche Einigung«, konstatierte nüchtern schon vor zwei Jahren der frühere bayerische Kultusminister und Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken, Hans Maier. Überhaupt haben für Ratzinger Menschen, die sich aus dem durch die katholische Kirche gestifteten »Zusammenhang der sittlichen Ordnung der Menschen verabschieden«, ihr Menschsein verloren, und ihre Wissenschaft werde »pathologisch und lebensgefährlich«.4 Man muß solche Aussagen, die dicht an die Ideologie vom »Unmenschen« oder »Untermenschen« herankommen, wenn sie auch diese Vokabeln klug vermeiden, im Kontext von Ratzingers theologischem Konzept lesen. »Ohne Kirche kein angemessener Zugang zu Jesus Christus, ohne Jesus Christus kein angemessener Zugang zur Wahrheit des lebendigen Gottes – so ließe sich der Grundakkord der Theologie des neuen Papstes zusammenfassen«, resümieren die beiden schon zitierten Freiburger Theologen.

Was Ratzinger sagt, sind keine dahingeredeten Worte, die man einfach wieder zurücknehmen könnte. Ein Papst will doch wohl ernst genommen werden. Also nehmen wir seine »Ausrutscher« ernst! Es ist wohlüberlegt, wenn er die 2. Koran-Sure falsch zitiert; es ist wohlüberlegt, wenn er dem nicht-katholischen »Ungläubigen« eine Perversion der Humanität vorwirft; es ist wohlüberlegt, wenn er den in der Öffentlichkeit und im Bewußtsein der Gläubigen doch wenig präsenten Kirchenvater Cyprian (Bischof von Karthago 200–258) als Kronzeugen rechter katholischer Gesinnung bemüht. Den Insidern sagt das, wohin der Papst steuert. Was er damit meint, belegt die Ansprache, die Benedikt am 6. Juni 2007 vor etwa 50000 Zuhörern anläßlich der Generalaudienz auf dem Petersplatz in Rom gehalten hat.5 Sie widmete sich Cyprian (auf den auch schon im Jesus-Buch des Papstes6 immer wieder hingewiesen wird).

Werfen wir einen Blick auf Werk und Wirken Cyprians, um das ideologische Gewebe zu entwirren, in dem sich der Unkundige verfangen soll. In der überwiegenden Mehrheit seiner Schriften und Briefe tritt uns Cyprian als ein theoretisch nicht sonderlich reflektierter Seelsorger entgegen – ein Mahnprediger, der seine Gemeinde zu rechtem Lebenswandel, zu Gehorsam gegen die Oberen und zu fragloser Gläubigkeit anhält; das sind Ziele, die auch Ratzinger immer wieder an ihm hervorhebt, vor allem in seinem Jesus-Buch, in dem er von Cyprians Auslegung des Vaterunser reichlich Gebrauch macht. In der Ansprache auf dem Petersplatz sagt er von ihm: »Er war streng, aber nicht unbeugsam, sehr menschlich und vom echten Geist des Evangeliums durchdrungen, unerschütterlich bei der Bekämpfung der verdorbenen Sitten und der Sünden, immer mit seinem pastoralen Dienst verbunden. Er neigte wenig zur theologischen Spekulation und schrieb vor allem für den Aufbau der Gemeinde und für das gute Verhalten der Gläubigen.« Kann es das sein, weswegen Ratzinger den Cyprian allen anderen Kirchenvätern vorzieht? Will er, seit Jahrzehnten ein versierter Kirchenpolitiker, sich in der Orientierung an einem Vorbild zum besorgten Vater der Christengemeinde stilisieren? Das möchte wohl zur Verrätselung des Papstnamens gehören, die darauf angelegt ist, bei dem Namen Benedikt eher an den Gründer des Benediktinerordens zu denken als an den Kirchenorganisator des 14. Jahrhunderts.7

Nicht gefehlt, der Satz über den Aufbau der Gemeinde und das gute Verhalten der Gläubigen geht nahtlos über in das eigentliche Thema Benedikts: »In der Tat, die Kirche ist das Thema, das ihm am meisten am Herzen liegt; er erklärt kraftvoll, daß die Kirche eine einzige ist, die auf Petrus gründet.« Darauf kommt es Ratzinger an, darum liegt ihm Cyprian besonders nahe.

Denn Cyprian war es, der überhaupt erst in seiner Schrift »Die Einheit der katholischen Kirche« die Lehre von der Kirche begründete. Bis ins 3. Jahrhundert bildete die Christenheit im Römischen Reich einen lockeren Verband von lokalen Gemeinden mit Bischöfen eigener Kompetenz. In Einzelheiten des Glaubens und des Kultus unterschieden sich die Ortsgemeinden oft recht stark voneinander. Die Mission des Paulus hatte zwar ein Band spiritueller Gemeinsamkeit geschaffen, aber noch keine Organisationsform. Doch ließen die rasche Ausbreitung des Christentums in weiten Teilen des Reiches und die Selbstbehauptung gegen heidnische Kritik und staatliche Verfolgung das Bedürfnis nach einem engeren Zusammenhalt entstehen. In diese Situation hinein schrieb Cyprian sein Programm einer Einheitskirche.

Er legte seine Argumentation in drei Denkschritten an. Nachdem er die Gefahr der Spaltung der Christenheit beschworen hat, entwickelt er die Idee der Einheit des Christentums in der Form der Kirche mit hierarchischem Aufbau. Sodann schließt er alle von der einen Kirche Entfernten und die in den Verfolgungen abtrünnig Gewordenen von dem Genuß der Heilsbotschaft und der Erlösung aus und verstärkt den Bannstrahl noch durch harte Drohreden. Der Schluß klingt dann in der Ermahnung zu rechtem Tun und der Lobpreisung der Gerechten aus, die sich in der Einheit der Kirche sammeln und diese verteidigen. Der »Zorn Gottes dagegen wird die anderen treffen, mit schweren Strafen, die über die Ungläubigen kommen werden« und mit »ewigen Qualen, die für die Treulosen festgesetzt sind.

Das klingt nicht gerade menschlich und vom echten Geist der Evangelien durchdrungen; eher schon nach der inquisitorischen Erbitterung, mit der Ratzinger als Leiter der Glaubenskongregation die progressiven Priester und Bischöfe Lateinamerikas bekämpfte und maßregelte. In Cyprian fand der bayerische Eiferer einen Gesinnungsverwandten mit kanonischer Autorität, auf den er sich theologisch korrekt berufen konnte. Natürlich zitiert Benedikt den markigen Satz Cyprians: »Gott kann der nicht mehr zum Vater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat.« Diesem geht bei Cyprian voran: »Jeder, der sich von der Kirche trennt, (...) ist ein Fremder, er ist ein Unheiliger, er ist ein Feind.« Das muß man mitlesen, wenn man Benedikts Predigt liest. Und danach heißt es: »Wer außerhalb der Kirche sammelt, der zerstreut die Kirche Christi (...) Wer an dieser Einheit nicht festhält, der hält nicht fest an Gottes Gesetz.« Und einige Kapitel später werden die geächtet, die »unter Mißachtung der göttlichen Überlieferung neuen Lehren sich zuwenden und Schulen rein menschlicher Erfindung begründen«. Wen wundert's da, daß die Protestanten verstoßen werden. Ausdrücklich gebietet ja Cyprian: »Zurückziehen muß man sich von den Sündern oder vielmehr sich vor ihnen fliehen«. Herr Huber mag sich's ins Stammbuch. schreiben!


Die Kirche hat das Sagen

Genug der Blütenlese! Nur eines ist noch hinzuzufügen: Vom Kirchenvater lernt der Heilige Vater, wer das Sagen hat: »Der Vorrang wird dem Petrus zugewiesen. Auf einen baut er die Kirche, und ihm übergibt er seine Schafe zur Weide. Wer den Stuhl Petri verläßt, auf den die Kirche gegründet ist, ist der noch überzeugt, innerhalb der Kirche zu stehen?« Das ist ganz nach dem Sinne Ratzingers: der Bischof von Rom, in der Nachfolge Petri, ist der unanfechtbare Selbstherrscher aller Christen und befindet darüber, wer zu seinen Schafen gehört. Noch einmal Cyprian (nach Johannes 15,14): »Wenn ihr tut, was ich euch gebiete, so nenne ich euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde.«

Zu Anfang des Ratzingerschen Pontifikats haben die zwei Freiburger katholischen Theologen darauf aufmerksam gemacht, daß im Zentrum seines Interesses seit seiner Dissertation über Augustinus immer die Lehre von der Kirche gestanden habe; nicht der jenseitige Gott (für ihn, wie für den Protestanten Karl Barth ein »ganz Anderes«, das sich unserem Vorstellen und Begreifen entzieht), auch nicht Christus als Gottessohn und gottgleich, sondern dieser in seiner Gestalt als Mensch, der stellvertretend für alle Menschen die Sünden am Kreuz abbüßt, ist der Bezugspunkt. Alle Menschen – darum geht es. Sie treten die »Nachfolge Christi« in der Kirche an, die Kirche ist der »Leib des Herrn«, das heißt seine weltliche Existenzform, und darum wird in der Zugehörigkeit zur Kirche der Mensch erst wirklich zum Menschen. Die Teilnahme am kirchlichen Ritual, der Eucharistie, verbindet den Gläubigen mit der Göttlichkeit des Menschen Jesus. Der Vollstrecker des Rituals und Verwalter der göttlichen Gnade ist der Priester, der seine Autorität vom Bischof erhält, und vermittelt durch diesen in letzter Instanz vom Papst, dem Bischof von Rom und als solcher Nachfolger des Apostelfürsten Petrus. Eine strenge Pyramide von einer ersten Spitze herab bis zur Basis des Fußvolks. Ratzingers Christusglaube realisiert sich in dem organisationssoziologisch autoritären Modell einer strengen Hierarchie. Diese Sicht habe er, schrieben die Freiburger Theologen, in die nachkonziliare Diskussion eingebracht, »auch um einer einseitigen Sicht der Kirche als ›Volk Gottes‹ und damit verbundenen Demokratisierungsforderungen gegenzusteuern.«

Nun sehen wir also, warum ihm Cyprian – wie Ratzinger selbst sagt – unter den Kirchenvätern der liebste ist. Der ebenso frömmelnde wie disziplinarisch strenge Bischof von Karthago hat als erster das Prinzip der einheitlichen Welt-Kirche unter der Weisungsbefugnis des Bischofs von Rom, des Papstes, in die Gemeinschaft der Christen eingeführt und damit die institutionelle Entwicklung des Katholizismus vorgezeichnet.

Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen. Ratzinger sagt's auf die feine Art mit der Gelehrsamkeit des Dogmatikers und Historikers. In Köln hat er den Mann fürs Grobe. Wo Ratzinger den Nicht-Katholiken die Humanität abspricht und sie »pathologisch« nennt, sagt sein Kardinal Meisner im Klartext »entartet«. Er sagt auch »Pervertierung« – und wiederholt dieses Wort in seiner Rechtfertigung, obwohl er wie jeder wissen kann, daß das nur das latinisierende Fremdwort für dieselbe Sache ist. Und damit jeder weiß, aus welcher Ecke des Reichs der Dunkelmänner er kommt, spielt er auch noch auf Hans Sedlmayrs »Verlust der Mitte« (1948) an, jene polemische Kampfschrift gegen alles Moderne in der Kunst, was sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelt hat. Meisner betont den »Zusammenhang von Kultur und Kult«, und man muß schon lächeln, wenn gerade ein katholischer Kirchenfürst die »Ritualisierung des Kults« als Indiz der Entartung nimmt. Wo wäre der Kult ritualisierter als im katholischen Gottesdienst?


Klerikale Offensive

Das Kölner Kunstintermezzo ist kein Zwischenfall und noch weniger ein Mißverständnis, wie die Verteidiger des Kardinals zu seiner Entlastung behaupten. Es ist Teil einer Strategie des Vatikans, die Kirche auf den vormodernen Stand der Gegenreformation zurückzuführen. Selbst in der einer reaktionären Ideologie doch nicht abholden Welt nennt der Journalist Alan Posener das Kind beim Namen: »Hier spricht eine selbstbewußte katholische Kirche, die sich anschickt, eine Roll-Back-Strategie gegen die Moderne zu entwickeln. Papst Benedikt XVI. selbst erklärt, es dürfe keinen Widerspruch zwischen Vernunft und Glauben geben – also habe die Vernunft sich der Leitung des Glaubens zu unterwerfen. Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien, erklärt dem »Evolutionismus« den Kampf und propagiert die Theorie von »Intelligent Design«. Der Chefhistoriker des Vatikans, Walter Brandmüller, findet das Urteil gegen Galilei in Ordnung und verteidigt die Inquisition als »rationale Veranstaltung«. (Die Welt v. 16.9.2007) Schlagendere Belegstücke für eine generalstabsmäßig geplante Offensive kann man kaum finden. Ratzinger liefert dafür die dogmengeschichtliche Munition, mit der die Bataillonskommandeure in die Schützengräben gehen. Es ist aus dem Geiste Cyprians gesprochen, wenn Meisner den Kirchenvater Irenäus auf den Kopf stellt; dieser sagte: »Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch«. Meisner meint dagegen: »Und wir können es umgekehrt sagen: ›Der lebendige Gott ist die Herrlichkeit des Menschen‹«. Für ihn lebt der lebendige Gott in der Kirche und als Kirche. Was sie wirkt, ist das Werk Gottes – oder lateinisch: Opus Dei.




1 Hans Heinz Holz, Marxistische Blätter, Heft 6/2006, S. 72 ff.
2 Knut Wenzel (Hg.), Die Religionen und die Vernunft, Freiburg/Br. 2007
3 Helmut Hoping/Jan Heiner Tück, »Der Wahrheitsanspruch des Glaubens«, in: Neue Zürcher Zeitung v. 22.4.2005
4 Joseph Ratzinger, Werte in Zeiten des Umbruchs, Freiburg/Br. 2005
5 Benedikt XVI., Cyprian-Rede, www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/audiences/2007/documents/hf_ben-xvi_aud_20070606_ge.html
6 Joseph Ratzinger – Benedikt XVI, Jesus von Nazareth, Freiburg/Br. 2007
7 Vgl. Hans Heinz Holz, »Der Name der Rose«, in: jW v. 13./14.8.2005



Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!


[editiert: 08.08.11, 09:31 von bjk]
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