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Anarchie - Was ist das? - Teil II

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Autor Beitrag
Peter Nowak
New PostErstellt: 20.02.11, 21:24  Betreff: Re: Anarchie - Was ist das? - Teil II  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: Isquierda
    Ihr lieben Mitmenschen, Anarchisten und Demokraten,

    da es in den anderen Threads schon reichlich unübersichtlich ist und mir am thema wirklich etwas liegt, möchte ich die Diskussion um den Begriff und die Idee der Anarchie gern erneut aufleben lassen.

    Um auch wirklich keine Vorgaben und Anforderungen an die Diskussion aufzuerlegen, die den ein oder anderen vielleicht abschrecken könnten, liefere ich diesmal keine vorgefertigte Definition des Begriffs "Anarchie", sondern frage ganz einfach, was sich der ein oder andere darunter vorstellt: Wie kann Anarchie funktionieren?, was muß dafür getan werden?, wie stellt man Anarchie sicher?, Muß man Anarchie sichern?, was ist Anarchie überhaupt? Welche Anforderungen stellt sie an den Einzelnen und an die Gemeinschaft? und zu guter Letzt: Wie bekommt man das hin?

    Liebe Grüße

    Ines
Tja, auch dieser Thread ist leider schon total alt, trotzdem möchte ich was dazu sagen:

Zunächst zum Begriff:
Er kommt aus dem Griechischen und bedeutet "An" = Nicht, "archein" = Anfangen". Dahinter steht die Beobachtung des Zusammenbruchs einer alten Ordnung, ohne dass etwas neues an ihre Stelle tritt. Er wird zum Beispiel verwendet, um führungslos gewordene militärische Verbände zu bezeichnen. Die oft verwendete Beschreibung als "Nicht-Herrschaft" ist nur im übertragenen Sinne richtig, da Nichtherrschaft griechisch "Ankratie" wäre.

Zur Historie:
Ich bitte erstmal um Nachsicht, dass ich die STellen hier nicht nachschlagen kann, weil ich auf der Arbeit bin, aber ich kann sie, wenn gewünscht, nachreichen.
Die älteste Erwähnung eines mit Anarchie übereinstimmenden GEsellschaftszustandes findet sich bei Herodot und stammt von dem Perser Otanes. Er gehörte zu den Verschwörern um Darios, die die Fremdherrschaft in Persien beendeten. Er vertrat damals die Auffassung, dass "das Volk selbst" seine Angelegenheiten regeln sollte (also auch keine gewählten Vertreter, wie in der DEmokratie). Da er sich nicht durchsetzen konnte, erbat er sich, dass er und seine Nachkommen nicht zum Gehorsam verpflichtet sein sollten, was deutlich seine anarchistische Gesinnung zeigt.
In noch ältere Zeiten führt die zeitlich spätetre Erwähnung von Diodor von Sizilien, der angibt, die indischen Weisen (wobei nicht klar ist, wen er genau darunter versteht) hätten sich gegen Gesetze ausgesprochen. In diesen Zusammenhang gehört vermutlich auch die Kritik von Lao Tse im "Tao te king" am Sittengesetz ("der Verwirrung Anfang"). Eine Reihe Stellen in seinen Sprüchen zeigen deutlich, dass er eine ablehnende Haltung gegen jegliche Form von Herrschaft einnahm, mit Ausnahme der Herrschaft der Weisen in der Vorzeit, die er aber eigentlich als Nichtherrschaft beschreibt.

Zur heutigen Bedeutung:
Heute werden unter dem Begriff "Anarchie im wesentlichen drei verschiedene Strömungen verstanden, die sich eigentlich ergänzen , in der Praxis aber nicht immer komplementär sind:

1.) Der Anarcho-Syndykalismus, bei dem es vor allem um die Organisation der Lohnabhängigen auf betrieblicher Ebene geht,

2.) Der Anarcho-Kommunismus (auch anarchistischer, freiheitlicher oder libertärer Kommunismus), der einen Kommunismus ohne Parteienherrschaft anstrebt und

3.) Der individualistische Anarchismus, bei dem es um die individuelle Befreiung von Dogmen (Lasst Euch nicht von Ideen, "Gespenster" genannt, beherrschen, sondern beherrscht die Ideen!) und die freiwillige Zusammenarbeit von selbstbeherrschten Individuen ("Verein der Egoisten") geht. Diese letzte Art geht schon stark ins esoterische und hat starke Berührungspunkte mit Lao Tse.

Das sind die drei Strömungen, die man unter dem Begriff "Anarchie" zusammenfasst, wobei sich unter diesem Schlagwort mitunter auch Wirtschaftsliberale (die sind auch "gegen den Staat") und andere obskure Personen tummeln, die die Anarchie nicht als nächsthöhere Entwicklungsstufe der menschlichen Gesellschaft zu einer klassenlosen, herrschaftsfreien Gesellschaft betrachten, sondern als Mittel, die Ausbeutung und Unterdrückung auf ökonomischer Grundlage fortzusetzen.

Die Problematik der Anarchie besteht aus meiner Sicht in erster Linie in der mangelnden theoretischen Klarheit, was aber nicht auf eine Geringschätzung der Theorie zurückzuführen ist (theoretische Diskussionen fanden durchaus statt), sondern auf dem Vorrang der praktischen Aktion, was natürlich auch historisch bedingt ist, da die Anarchisten lange Zeit als Verschwörerorganisationen arbeiten mussten, deren Ziel die Tötung von Tyrannen, das heisst, aristokratischen Herrschern, war. In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation ist es aber eher von Nachteil, da es die Revolution nicht voranbringt, andererseits aber durch die Eskalation der Gewalt die Messlatte für eine erfolgreiche Revolution immer höher legt.
Peter Nowak
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Frank
New PostErstellt: 21.06.11, 21:09  Betreff: Re: Anarchie - Was ist das? - Teil II  drucken  weiterempfehlen

Hallo Peter,

da mir die Erlaubnis gegeben wurde, doch zumindest als Gast einige Gedanken äußern zu dürfen, möchte ich einen Punkt aufgreifen, der mir ins Auge gestoßen ist.

    Zitat: Peter Nowak
    3.) Der individualistische Anarchismus, bei dem es um die individuelle Befreiung von Dogmen (Lasst Euch nicht von Ideen, "Gespenster" genannt, beherrschen, sondern beherrscht die Ideen!) und die freiwillige Zusammenarbeit von selbstbeherrschten Individuen ("Verein der Egoisten") geht. Diese letzte Art geht schon stark ins esoterische und hat starke Berührungspunkte mit Lao Tse.
"Verein der Egoisten" finde ich problematisch formuliert. Die weitverbreitete Auffassung von Egoismus als selbstsüchtiges Denken und Handeln verleiht einer möglichen Zusammenarbeit mehr Probleme als Gutes. Hier würde ich unbedingt betonen, dass diese Form von Egoismus versteht, dass die langfristige Verwirklichung des Einzelnen nur dann funktioniert, wenn er die Selbstsüchtigkeit ausklammert. Das setzt allerdings voraus, dass der Mensch begreift, dass er andere Menschen braucht, um sich selbst verwirklichen zu können und deshalb auch auf sie angewiesen ist. Gemeinschaftsdenken und Win-Win-Situationen, "Egoismus" gegenseitiger Bereicherung sind hier die Schlüsselworte. Anders kann auch eine Anarchie nicht funktionieren, denn der Verzicht auf übergeordnete Gesetze macht es notwendig, dass Individuen untereinander Regelungen finden, wie ihr Zusammenleben optimal gestaltet wird - und von der Einsicht begleitet wird, dass diese individuelle Regelung mit einem Menschen nicht zwangsläufig auch für andere Menschen funktionieren muss.
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