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Gedanken zumTod eines Arbeitslosen

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 12.11.04, 15:18  Betreff:  Gedanken zumTod eines Arbeitslosen  drucken  weiterempfehlen



Am vergangenen Dienstagabend, dem 9. November, hat im schwäbischen Bietigheim-Bissingen ein 51jähriger Fernmeldehandwerker, der seit längerem arbeitslos war, den Freitod direkt vor seinem Arbeitsamt gewählt. Er soll gegen 19:40 Uhr mit seinem Auto und einer geöffneten Gasflasche auf dem Beifahrersitz bis unmittelbar vor den Haupteingang gefahren sein und dort kam es zur Explosion. Der 51jährige ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Weitere Menschen kamen nicht zu Schaden nur an der Fassade des Arbeitsamtes hinterließ die nach Augenzeugenberichten hochaufschießende Feuersäule Brandspuren.

Wie sich später herausstellte, war der Anlaß, daß ihm das Arbeitsamt die Zahlung des Arbeitslosengeldes ab November gesperrt hat. Es gab Streit wegen dieser Sperre. - Welche Verzweiflung muß den Mann getrieben haben, daß er keine Hoffnung mehr für sich sah und diesen grausamen Freitod in der Öffentlichkeit gewählt hat bzw. ihn in Kauf nahm?

Gleich vorweg, ich halte diese und ähnliche Freitod-Aktionen für völlig überzogen - aber ich verstehe und respektiere solche Schicksalsentscheidungen. Denn die abgrundtiefe Verzweiflung der Menschen ist real. Und sie wird sich bald verhunderttausendfachen, wenn nicht gar in die Millionen gehen, sobald das nächste Sozialschandgesetz, nämlich Hartz IV im Januar 2005 in Kraft tritt. - Schande über diese Kaste verbrecherischer PolitikerInnen nicht nur hierzulande, die als pfründegeile Steigbügelhalter des globalen Raubtierkapitalismus solche inhumanen Ausplünderungsgesetze wie Agenda 2010 und Hartz IV beschließen und damit bewußt Menschen in die Armut, ja, gar in den Tod treiben!

An den Pranger gestellt gehören aber auch die willkürblinden Vollstrecker in Behörden und Verwaltung, die dumpfen knüppelschwingend demonstrantenprügelnden Büttel, die abgestumpft achselzuckenden UmsetzerInnen hinter den Schreibtischen - - - kurz, alle diejenigen und zwar quer durch alle Hierarchien, die sich auf vermeintlichen gesetzlichen Befehls- bzw. Befolgungsnotstand berufen und schlimmste Sozialschweinereien den ihnen ausgelieferten Menschen bedenkenlos antun!

Wie kann sich z.B. hier in Berlin eine Sozialsenatorin damit rechtfertigen, sie sei zwar gegen Agenda 2010 und Hartz IV, müsse die entsprechenden Gesetze aber besonders gut umsetzen? Und ihr Parteigenosse und Kollege Wirtschaftssenator tönt, z.B. die 1 Euro-Jobs seien eine gute und richtige Sache! Meint er nun, gut für die betroffenen Menschen, die zu rechtlosen Sklaven werden oder gut für den Stadtsäckel, weil dieser sich pro Sklave und Monat mit bis zu 500 Euro wundersam auffüllt?

Von diesen 500 Euro erhält der 1 Euro-Lohnsklave gerade mal real höchstens ca. 200 Euro, die restlichen ca. 300 Euro sind satter Abzocke-Reibach zugunsten des jeweiligen sklavenhaltenden Arbeitgebers. Das sind sowohl Kommunen, Kirchen, Sozialverbände und sogar die Privat-Wirtschaft, so sie denn den Billigstlohnsektor in vermeintlich gemeinnützige zusätzliche Arbeitsgelegenheiten umfunktioniert! Die bekannt skrupellose Kreativität dieser Abzocker macht jede beabsichtigte Kontrolle durch Arbeitsämter etc. eh zur Farce. - Die vorher den Ärmsten der Armen geraubte Staatsknete fließt also wie Milch und Honig als sagenhaft leichter Profit in die Taschen der modernen Sklavenhalter. Ach ja, - nur das Land Berlin allein will übrigens nach Aussage von PDS-Wolf in 2005 mindestens 40.000 solcher Sklaven beschäftigen, Insider sprechen gar von 70.000 – 80.000 zur Zwangsarbeit gepreßten 1 Euro-Sklaven in der gesamten Stadt.

Wie kann sich z.B. hier in Berlin ein Innensenator rechtfertigen, der meint, aus arbeitgeberischer Verantwortung für seine Polizeikräfte, insbesondere den bekannt-berüchtigten und auf Demos eingesetzten Schlägertrupps, die vor „Bedrohungen“ (O-Ton Innensenator Körting) geschützt werden müßten, mit neuen millionenteuren Mehrzweckschlagstöcken, nämlich mit gefährliche Tonfas auszustatten, statt diese Mittel sinnvollerweise z.B. in verstärkte Deeskalations-Lehrgänge auszugeben? Denn wer einmal solche dumpf-provozierenden Schlägertrupps in voller Kampfmontur erlebt und in brutaler Aktion gesehen hat, kann höchstens bitter lachen, daß diese schwer gepanzerten Prügel-Rambos von irgendwem „bedroht“ werden könnten. Genötigt, bedroht und zusammengeschlagen werden immer nur Demonstranten – und zwar wahllos Männlein wie Weiblein, junge oder alte, ja, selbst Behinderte werden blutig zu Boden geprügelt und zwecks „Feststellung der Personalien“ weggeschleift. Wo bleibt bei diesen willkürlichen Unverhältnismäßigkeiten der Mittel durch Polizeikräfte die Verantwortung des Innensenators „seiner“ Berliner Bevölkerung gegenüber? Dürfen sich die ausführenden Polizeischläger dabei auf rechtfertigenden Befehlsnotstand berufen ohne irgendwelche persönlichen Konsequenzen fürchten zu müssen?

Der kürzlich geschehene grausame Tod des jungen französischen Atomkraftgegners liegt auf der gleichen Ebene. Der Eisenbahnzug, der ihn überrollt hat, ist nachweislich mit 100 km/h in die Kurve gefahren, hinter der sich der junge Atomkraftgegner an die Gleise gekettet hatte. Angesichts stets zu erwartender plötzlicher Gefahrensituationen bei einem solchen Atommüll-Transport ist diese Geschwindigkeit m. E. von vornherein unverantwortlich, hierfür trägt das Bahn-Managment die volle Schuld! Den grausigen Unfall verursacht hat aber trotzdem der Lokomotivführer, auch wenn er letztlich nur eine „arme Sau“ ist. Darf aber auch er sich damit rechtfertigen, weil für ihn Befehlsnotstand vorlag? Hätte nicht vielmehr gerade er als Praktiker die Gefahren einer unübersichtlichen Kurve erkennen und entsprechend eigenverantwortlich handeln müssen – ggfs. auch gegen Anweisung seiner Vorgesetzten? - Zivilcourage und selbstständiges Denken sind kein Privileg nur von AnarchistInnen und DemonstrantInnen, sie sind unabdingbare Voraussetzung einer jeden humanen Gesellschaft.

Zurück zum Arbeitsamt Bietigheim-Bissingen und dem schrecklichen Freitod des 51jährigen: – kann ein/e Arbeitsamt-Sachbearbeiter/in, wo auch immer und hinter welchem Schreibtisch auch immer, sich überhaupt damit rechtfertigen, möglicherweise sogar korrekt und gemäß geltender Verwaltungsvorschriften die Sperrung des Arbeitslosengeldes verfügt zu haben? Darf er/sie sich nun angesichts dieses traurigen Ereignisses im Schwäbischen achselzuckend zurücklehnen und beim eigenen nächsten Fall ebenso gedankenlos wie rücksichtslos bloße Vorschriften befolgen? Sind solche SachbearbeiterInnen in den Ämtern denn nicht eigentlich, wenn schon nicht von dienstwegen so aber doch aus Mitmenschlichkeit in der Pflicht, sehr viel mehr für den ihnen ausgelieferten Menschen zu tun, als nur Vorschriften zu befolgen und sich um das weitere Schicksal der betroffenen Menschen nicht mehr zu kümmern?!

Ist nun speziell dem 51jährigen wirklich eine über das übliche gleichgültige Achselzucken hinausgehende individuelle Beratung und Hilfemöglichkeit zum menschenwürdigen Meistern seiner bitteren Situation ausreichend zuteil geworden? - Das schwäbische Bietigheim-Bissingen liegt übrigens in einem der reichsten Bundesländer der Bundesrepublik und hat demzufolge auch nur eine sehr geringe Arbeitslosenzahl. Die SachbearbeiterInnen der dortigen Arbeitsämter dürften also kaum unter Streß wegen zu hohem „Kunden“-Andrang zusammenbrechen, sie sollten vielmehr wirklich ausreichend Zeit für individuelle Hilfe und Beratung haben. - Aber ein arbeitsloser verzweifelter 51jähriger hat hier den Freitod gewählt - - -


bjk

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Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!
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