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Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 05.04.05, 22:04  Betreff:  Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen





Der Papst ist tot –

– ein Nachruf auf Herrn Karol Wojtyla alias Johannes Paul II


Am 2.4. verstarb nach langem, in den Medien perfekt zur Schau gestelltem Leiden Karol Wojtyla, alias „der Papst“. Die Medien machten aus seinem Sterben eine riesige Inszenierung, lassen Zehntausende trauern und verhelfen der katholischen Kirche so zu einem zweiten Frühling – auch wenn dieser nur von kurzer Dauer sein wird. Um die Nebelschwaden dieser verordneten Massentrauer zu lichten, sei ein Rückblick auf Leben und Werk des verblichenen Papstes gestattet.

Die offiziellen Rückblicke auf das Leben und Wirken des Papstes zeichnen das Bild einer „Lichtgestalt“, die vielleicht die eine oder andere Schattenseite gehabt haben mag. In die Geschichtsbücher wird er aber nicht nur als erster slawischstämmiger Pontifex maximus eingehen, sondern auch als wichtigster Papst der Neuzeit, der einen wichtigen Beitrag für den Weltfrieden geleistet habe, der sich unermüdlich für die Armen und Geschundenen eingesetzt habe, der ein Ohr für die Jugend hatte. Er war ein Superstar, ein Virtuose, ein „Vater, an den man sich anlehnen konnte“.

So lassen wir die Fakten sprechen, damit wir uns frei von Vorurteilen und katholischen Propagandasendungen in staatlichen wie privaten Rundfunkanstalten ein Bild machen können.


Ein Papst wird gemacht

Die katholische Kirche verfügt über ein wahres Arsenal an netten Märchengeschichten. Da kann natürlich eine über die Mechanismen der Papstwahl nicht fehlen. Dutzende Kardinäle treffen sich demnach zu dieser Wahl im Vatikan und warten dabei auf die Niederkunft des Heiligen Geistes, der nach langem hin und her, einer Mehrheit der Kirchenfürsten den Namen des neuen Papstes einhaucht, den diese dann zu wählen haben.

Als Materialisten glauben wir jedoch vielmehr, dass auch im Vatikan handfeste materielle Interessen über die Wahl des Staatsoberhauptes entscheidend sind. Als Karol Wojtyla am 16. Oktober 1978 als neuer „Papa“ der katholischen Herde präsentiert wurde, dürften aber nicht nur kircheninterne Interessenlagen ausschlaggebend gewesen sein. Die engen, seit Jahrzehnten bestehenden und während des Kalten Krieges gut gepflegten Verbindungen des CIA zu namhaften Vertretern des „Opus dei“ und dem „Malteser-Ritterorden“, zwei erzreaktionären Sekten in der katholischen Kirche mit guten Beziehungen zum Vatikan, dürften damals für die Wahl entscheidend gewesen sein.

Die „Malteser“ und „Opus dei“ organisierten Wojtylas Wahlkampf, nachdem dieser unter den möglichen Papstkandidaten den vom CIA ausgeschriebenen Kriterien für den neuen Papst am nächsten kam.

1976 ging diese Taktik noch nicht auf, und es wurde Herr Luciani, ein Verfechter des zweiten Vatikanischen Konzils und einer eher gemäßigten Linie, zum Papst (Johannes Paul I.) gewählt. Als dieser jedoch auf mysteriöse und bis heute ungeklärte Weise nach kurzer Amtszeit (33 Tage) aus dem Leben schied, war der Weg für den polnischen Kardinal frei. Vom ersten Tag an sollte Wojtyla vom Vatikan aus dann auch Politik im Interesse des US-Imperialismus machen.

Mit Wojtyla zieht ein neuer Typus im Vatikan ein. Er steht für eine konservative Gegenoffensive. Es ist wohl kein Zufall, dass er mehr oder weniger zur selben Zeit an die Spitze der katholischen Kirche gelangt, als Ronald Reagan und Maggie Thatcher in den USA und Großbritannien eine rechtskonservative Wende einläuten. Wojtyla ist die religiöse Flankendeckung für deren Neoliberalismus.


Wojtyla der Antikommunist

Karol Wojtylas Werdegang ist geprägt von der Auseinandersetzung der starken katholischen Kirche in Polen gegen das „kommunistische Regime“. Wojtyla war Zeit seines Lebens ein fanatischer Antikommunist. Die Verteidigung der Religionsfreiheit stand immer im Zentrum seines Wirkens. Und Religionsfreiheit war für ihn das wichtigste Menschenrecht, weil nur die Religion dem Sittengesetz zum Durchbruch verhelfen könne. Wo der Staat gegen dieses gottgegebene Sittengesetz verstößt (wie bei der Liberalisierung des Abtreibungsrechts, der Einführung eines Aufklärungsunterrichts an Schulen,…), und zwar nur da, habe die Kirche auch die Pflicht sich ins politische Leben einzumischen.

Wojtylas Menschenbild verneint gesellschaftliche Verhältnisse. Soziale Rechte des Menschen sind daher bestenfalls zweitrangig. Wo diese Rechte im Kapitalismus mit Füßen getreten werden, kann die Kirche, der es ja nur um das Seelenheil geht, auch getrost die Augen verschließen und sich ins Gebet für die armen Schafe der Herde vertiefen.

Der Kommunismus ist für Wojtyla jedenfalls die völlige Negation des Sittengesetzes. Seine zentrale Aufgabe sieht er somit auch im Kampf gegen dieses „Reich des Bösen“, das seinen Platz in der Sowjetunion hat. Ein Bild, das sein Freund Ronald Reagan später dankend übernommen hat. Mit seiner Polenreise im Jahre 1979 sollte Johannes Paul II. einen wichtigen Beitrag im antikommunistischen Kampf leisten. Diese Reise hatte einen klar politischen Auftrag, nämlich die Stärkung des Katholizismus, der in Polen immer auch ein politischer Faktor war, und damit indirekt die Destabilisierung des „kommunistischen“ Polens.

So ist es auch wenig überraschend, dass die erzkatholischen Kräfte an der Spitze der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc in der Streikwelle von 1980 bewusst Papstporträts zum Symbol ihres Widerstands machten. Ein interessantes Detail dabei: Die Streikwelle im Polen der 1970er und frühen 1980er wurden unabhängig von der Solidarnosc geführt. Mit Hilfe des Netzwerkes der katholischen Kirche und finanzieller Unterstützung der Reagan-Regierung gelang es der erzreaktionären Solidarnosc-Führung, die Führung der Streikbewegung zu übernehmen und in prokapitalistische Bahnen zu lenken. Lech Walesa sprang im August 1980 über die Mauern der streikenden Danziger Werft und übernahm gegenüber der Öffentlichkeit die Führung des Streiks, was nichts als ein (erfolgreicher) Putsch gegen die tatsächliche Streikleitung war, die mit der Solidarnosc nichts am Hut hatte. Walesa und sein damaliger Beichtvater bilden bis heute den rechten Rand des katholischen Lagers in Polen und sollen in verschiedenste mafiöse Geschäfte verwickelt sein.

In diesem Zusammenhang sind auch die Predigten des Papstes für ein „neues, geeintes, christliches Europa“ zu sehen. Österreichs Bundeskanzler Schüssel gab sogar offen zu, dass die Europa-Vesper des Papstes bei dessen ersten Wien-Besuch 1983 eine große Vorbildwirkung auf konservative Politiker wie ihn hatte und einen ideologischen Anstrich für christdemokratische Europapolitik (Stichwort Osterweiterung) lieferte. Das Christentum sei der Eckpfeiler der europäischen Kultur und müsse auch in Zukunft Leitbild für den europäischen Vereinigungsprozess werden. Die Verbrechen der christlichen Kirchen im Zuge der europäischen Geschichte werden da wohlweislich unter den Teppich gekehrt.

Am europäischen (sprich christlichen) Wesen sollte die Welt genesen. Voraussetzung dafür sei, dass sich der Osten Europas aus den Fängen der atheistischen Kommunisten befreie. Diese Vorstellungen passten natürlich vorzüglich in die Gedankengebäude reaktionärer Politiker vom Schlage des deutschen Ex-Kanzlers Helmut Kohl oder des ÖVP-Vorzeigereaktionärs Andreas Khol, die sich des christlichen Banners bedienen, um den europäischen Imperialismus zur Weltmacht machen zu können.


Wojtyla und Lateinamerika

Als Vorbilder für dieses neue Europa dienten dem Papst kaum verwunderlich die Konquistadoren, die vor rund 500 Jahren Südamerika mit der Bibel in der einen Hand und dem Schwert in der andern „missionierten“. Für den Spruch „Das Schwert und die Eisenrute sind die besten Prediger“ kann es dann schon mal eine Seligsprechung geben, wie im Fall des „Apostels Brasiliens“ Jose de Anchieta. Spätestens seit der kubanischen Revolution war der „Hinterhof der USA“ aber zu einem Zentrum des revolutionären Prozesses geworden. Gerade dieser Kontinent, wo die Kirchenspitze und die herrschenden Klassen in trauter Einigkeit die herrschende Ordnung verteidigen, befand sich jedoch bei Amtsantritt von Johannes Paul II. in Gärung. Die revolutionären Prozesse spiegelten sich auch in der katholischen Kirche wider. Die sogenannte „Befreiungstheologie“ verstand sich durchaus als Teil der revolutionären Bewegung.

Johannes Paul II. sah sodann auch eine seiner wichtigsten Aufgaben darin, die lateinamerikanische Kirche von diesem „marxistischen Bazillus“ zu säubern. Bei seiner ersten Auslandsreise nach Mexiko stellte er fest: „Es steht zum Glauben der Kirche im Widerspruch zu meinen, dass Jesus politisch engagiert gewesen sei, gegen die römische Herrschaft und die Mächtigen gekämpft habe und sogar in einen Klassenkampf verwickelt gewesen sei.“ Welchen Ratschlag gibt der Papst also den Entrechteten und Ausgebeuteten in Lateinamerika? Kuschen und für das Seelenheil beten, aber nur nicht für das Paradies auf Erden eintreten…

Natürlich sprach er auch die Frage der „sozialen Gerechtigkeit“ in diesem Zusammenhang an. Die Kirche müsse ihre Stimmer erheben, wenn die Reichen immer reicher würden und die Armen immer ärmer. Nicht die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums sei aber der Schlüssel zur Lösung sondern eine Rückbesinnung an die „Prinzipien der Ethik“. Amen und vergelt’s Gott! Diese Aussagen des Papstes gaben der Rechten in ganz Lateinamerika Auftrieb und wurden von Augusto Pinochet, dem chilenischen Militärdiktator, der 1988 ebenfalls vom Papst einen freundlichen Besuch erhielt, ausdrücklich gelobt. In der Folge legitimierte der Papst auch mit einer seiner Reisen die Militärjunta in Brasilien. Zwar wolle er an der Spitze „der Kirche der Armen“ stehen, das könne aber nicht bedeuten, dass die Kirche dazu dient „dass Spannungen verursacht werden und der Kampf zwischen den Menschen ausbricht.“ Soziale Veränderung könne nur von den Mächtigen kommen, die Armen sollten gefälligst die Fingern vom Klassenkampf lassen. Befreiung, so der Papst, könne nur jeder Mensch für sich durch den Glauben an Gott erlangen. Befreiung habe aber nichts mit einer Veränderung der Gesellschaft zu tun.

Wo Katholiken als Teil der Linken auftraten, wurden sie von Johannes Paul II. kräftig in die Schranken gewiesen, wie die Basisgemeinden in Nicaragua, welche die Sandinisten unterstützten. Der vor ihm kniende Befreiungstheologe und Kulturminister der revolutionären Regierung Nicaraguas Ernesto Cardenal wurde von Johannes Paul II. mit erhobenem Zeigefinger öffentlich abgemahnt. Bischof Romero, der die Rolle des US-Imperialismus in El Salvador offen anprangerte, wurde vom Papst nach Rom zitiert und scharf kritisiert. Als Romero einem politisch motivierten Mord zum Opfer fiel, ermahnte der Papst mehr oder weniger offen die Anhänger der Befreiungsbewegung in den Reihen der katholischen Kirche zu politischer Enthaltsamkeit. In Osteuropa hingegen wurden politisch aktive Kleriker schnell in den Rang seliger Märtyrer erhoben.

Ein weiterer Stein seiner Marxismus-Destructions-Tour war sein mehrtägiger Kuba-Aufenthalt im Jahr 1998. Obwohl dieser Auftritt aus konterrevolutionärer Sicht ein Fehlschlag war, wird er heute wiederholt als Glanztat in Erinnerung gerufen. Dazu folgende Bemerkungen: Der kubanische Klerus ist traditionell so rechts, dass er keinen Massenanhang hat, obwohl das Land auf dem Papier katholisch dominiert ist. Dennoch kamen zur Papstmesse 500.000 Menschen und die Stimmung war, so ein deutscher Bischof, „elektrisierend“. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da die Mobilisierung zur Messe über die Strukturen der Kommunistischen Partei erfolgte, die katholische Kirche hätte nicht ein Zehntel der Menschen für dieses absurde Spektakel in Havanna mobilisieren können. Die Brandmarkung der systematischen „Todeskultur“ auf Kuba, wo gratis Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche (ab 16 auch ohne Zustimmung der Eltern) zur Normalität gehören, fiel hier klarerweise auf unfruchtbaren Boden. Die päpstliche Forderung nach der Öffnung des Landes und der Öffnung der Welt gegenüber Kuba entsprach der politischen Orientierung Kubas in den ausgehenden 1990er Jahren, die auf Investitionen und das Durchbrechen der politischen und ökonomischen Blockade ausgerichtet war. So blieb dieser Schachzug in den ersten Zügen stecken. Zwar bescheinigt der Vatikan, dass es mit der Religionsfreiheit seither besser geworden sei, was aber angesichts leerer Kirchen als Pyrrhussieg gewertet werden muss. Der Versuch der ideologischen Konterrevolution auch materiell etwas nachzuliefern setzte die konservative Regierung Spaniens unter Aznar. Sie wollte Hilfslieferungen über die kubanische Caritas verteilen lassen, um der katholischen Kirche auf Kuba bessere Argumente für ihre antirevolutionäre Arbeit in die Hand zu geben. Dies wurde von der Regierung abgelehnt und führte zu ernsthaften diplomatischern Konflikten, die die jetzige Eiszeit zwischen der EU und Kuba einleiteten. Ein Bonmot noch: In einem abschließenden Gespräch mit Castro brachte der Weihbischof aus Boston dann noch der Unterschied zwischen dem Kommunismus und der Kirche auf den Punkt: „Sie jagen einer Utopie nach (dass es dem Menschen auf Erden besser gehen könne, Anm.), wir aber agieren im Wissen, dass unser Erlöser nach dem Tode auferstanden ist.“ Na dann...

Bei all seinen Lateinamerikaauftritten gab es im Vorfeld Gespräche mit hochrangigen US-Politikern, wo offensichtlich das öffentliche Auftreten des Papstes geplant und abgestimmt wurde. Die Kirche spielte unter Johannes Paul II. auf alle Fälle eine wichtige Rolle als Verteidigerin der herrschenden Ordnung und der Aufrechterhaltung von Ausbeutung und Unterdrückung. Und der Papst gab dabei zu verstehen, dass er sich bewusst ist, dass der Marxismus der wichtigste Gegner ist.



Der Papst des Friedens

Immer wieder sprach sich der Papst in seinen öffentlichen Auftritten für den Frieden aus. Gerade vor dem Hintergrund des Kalten Krieges waren die Ansichten des Papstes aber gleichzeitig eindeutige Parteinahmen für den Westen, wo er den Hort der Freiheit sah, den es gegen den totalitären Osten zu verteidigen gilt. Sein Motto lautete: „Schütze die Freiheit, dann schützt du den Frieden!“ Artikel in der Zeitung des Vatikans zeigen, dass sich daraus leicht eine Unterstützung für die Rüstungspolitik des Imperialismus gegen die Sowjetunion ablesen ließ. Auch in diversen Reden vor NATO-Soldaten legitimierte er die Politik des Westens. Die Abschreckung mit Atomwaffen hat Johannes Paul II. sogar als moralisch vertretbar bezeichnet, womit natürlich nur die „guten“ Atomwaffen des Westens gemeint waren.

Sein „Pazifismus“ bekam ebenfalls spürbare Risse, als er im Zuge der nationalistischen Konflikte in den 1990ern eindeutig Partei zugunsten der (katholischen) Kroaten bezog, und damit neben dem deutschen und österreichischen Imperialismus eine wichtige außenpolitische Stütze des kroatischen Nationalismus abgab, was einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Auseinanderbrechen Jugoslawiens und der Welle an kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan darstellte. Im Vorfeld des Irakkriegs hat der Papst aber eindeutig gegen den Krieg Stellung bezogen, so werden seine Verteidiger einwenden. Abgesehen davon, dass der Vatikan aufgrund der katholischen Minderheit im Irak ein gewisses Eigeninteresse verfolgte und hoffte durch eine pazifistische Position im arabischen Raum seinen Einfluss ausbauen zu können (was ihm insofern gelang, als dass die Taliban sein Ableben bedauerten), so muss ganz klar gesagt werden, dass die Kriegsgegnerschaft des Papstes außer ein paar Gebeten nicht viel konkretes aufzubieten hatte. Die wahren Ursachen des Krieges, nämlich handfeste imperialistische Interessen, nannte er wohlweislich nicht beim Namen. Alles wird auf eine Frage der Ethik, die jeder für sich individuell zu beantworten habe, reduziert. Dem Papst wurde dabei in den bürgerlichen Medien mehr Bedeutung zugeschrieben als er hatte, um einer Radikalisierung der Antikriegsbewegung entgegenzuwirken und das Kräfteverhältnis zugunsten sehr moderater, pazifistischer Kräfte zu verschieben.



Wider die „Fleischeslust“

So unverbindlich Johannes Paul II. in den Fragen des Friedens und der Abrüstung blieb, so deutlich wurde er dann wenn es um sein Lieblingsthema ging. Von Beginn seiner Amtszeit an stand ein Thema immer im Mittelpunkt des päpstlichen Interesses: die Sexualität. Gar nicht so sehr die eigene (zumindest wissen wir darüber nichts genaueres), aber die seiner Schäflein, die in diesen unheiligen Zeiten ständig dem Teufel auf den Leim gehen und in sexuellen Angelegenheiten sündigen. Die Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts ein einziges Sodom und Gomorra. Im Mittelpunkt seines Feldzuges für eine katholische Sexualmoral steht sein Kampf gegen „die Geißel der Abtreibung, der künstlichen Empfängnisverhütung und der vorehelichen Beziehungen“ (Peru, 1984). Die „sexuelle Permissivität“ zerstöre genauso wie die Drogensucht das Leben von Millionen Menschen (London, 1982). So die Worte des „Heiligen Vaters“.

Und so bleibt dem „Papst der Jugend“ nichts als der Ruf nach Keuschheit und „unberührter Reinheit“. Er wird zum Vorbeter und Schutzpatron all jener Kreuzritter gegen die „Schamlosigkeit“, die jegliche Form der Sexualität ins eheliche Schlafzimmer verbannen wollen, und dabei auch vor Zensur und gewaltsamen Übergriffen gegen Kinos, FKK-Anlagen usw. nicht zurückschrecken. Keusch sollen wir leben, erst in der Ehe soll dann der Fruchtbarkeit freiem Lauf gelassen werden. Sex, der nicht darauf hinausläuft, Kinder zu zeugen, höre auf ein „Akt der Liebe“ zu sein, ist somit Teufelswerk. Wer sich dran hält wird selig…

Das Recht auf Abtreibung war ihm bis zum Schluss ein schmerzender Dorn im Auge. Vom „Heiligen Stuhl“ aus führte er über mehr als 25 Jahre den Kampf der reaktionären AbtreibungsgegnerInnen weltweit. „Das erste Recht des Menschen ist das Recht auf Leben.“ (sic!) – und das vom Oberhaupt einer Kirche, die seit Jahrhunderten die Todesstrafe akzeptierte und nicht zu selten selbst praktizierte. Einer Kirche, die seit Jahrhunderten dem Massenmord auf den Schlachtfeldern den Segen erteilt. Dabei war es dem Papst noch nicht einmal zu blöd, Abtreibungen, „dieses unaussprechliche Verbrechen gegen das menschliche Leben“, mit der Bedrohung der Menschheit durch „die Macht der Atomwaffen“ gleichzusetzen (Vancouver, 1984). In der Abtreibungsfrage geht der Vatikan unter Wojtyla damit Hand in Hand mit rechtskonservativen Politikern vom Schlage eines Ronald Reagan.

Karol Wojtyla war ein extrem politischer Papst, der wusste auf welcher Seite er zu stehen hat. In seinem Wirken kommt klar zu Tage, welch reaktionäre Rolle die Kirche, im konkreten Fall die katholische, in dieser Gesellschaft spielt. Sein Welt- und Menschenbild lehnt jede Veränderung kategorisch ab, außer sie beruht auf dem religiösen Sittengesetz. In der Praxis werden damit die herrschenden Verhältnisse einzementiert, weil den Herrschenden die Aufrechterhaltung ihrer Machtposition und ihrer Privilegien immer wichtiger sein werden als das ewige Seelenheil. Die Bilanz des Papstes ist aus der Sicht der herrschenden Klasse zweifelsohne eine erfolgreiche. Deshalb wird er auch in ihre Geschichtsbücher Eingang finden. All jene, die für ein Paradies auf Erden eintreten, werden diesem Papst aber keine Träne nachweinen.


http://www.derfunke.de/rubrik/geschichte/der_papst_ist_tot.html


[editiert: 05.04.05, 22:16 von bjk]
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Baba Yaga
New PostErstellt: 06.04.05, 00:40  Betreff: Thukydides (460 bis 400 v.Chr.) u. Chilon (6. Jhd. v. Chr.) wußten schon:  drucken  weiterempfehlen

Den, der nicht mehr ist, pflegt jeder zu loben (Thukydides 2,45)!

De mortuis nil nisi bene (Chilon)!





Deshalb äußere ich mich nicht!

Baba Yaga
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bjk

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Ort: Berlin


New PostErstellt: 06.04.05, 12:03  Betreff:  Re: Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla  drucken  weiterempfehlen

"Den, der nicht mehr ist, pflegt jeder zu loben (Thukydides 2,45)!

De mortuis nil nisi bene (Chilon)!"





Hmm, Thukydides spricht eine Lebensweisheit aus, - wogegen Chilon, bezeichnenderweise ein Spartaner, den moralischen Zeigefinger hebt. Ironische Zungen wie bjk sind sogleich versucht, von moralinsauer zu reden.

Übrigens kann ich im Wojtyla-Artikel in "der Funke" kein Schlechtmachen des Verstorbenen erkennen, vielmehr werden dort Fakten benannt, die sicher für den einen oder die andere nicht immer angenehm zu lesen sind aber deshalb unbestreitbare Verdienste des kleinen polnischen Papstes doch nicht herabwürdigen oder gar ethisch grottenschlecht und falsch sind. Wo Licht ist, ist eben auch Schatten ... ... ... warum also so tun, als sei im Leben auch eines großen Menschen nur Licht gewesen?

bjk



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crack

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Ort: Eitorf


New PostErstellt: 06.04.05, 16:10  Betreff: Re: Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla  drucken  weiterempfehlen

Über die Toten nur gutes...

...Wieso, seit wann ist sterben ein Verdienst? Wir irgendein Mensch besser durch den Tod? Lässt der Tod unsere Taten und Verfehlungen verschwinden oder bessert er Sie? Nein, tut mir leid...



mit freundlichen Grüssen,
with best regards,

crack
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 07.04.05, 00:08  Betreff: Re: Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.taz.de/pt/2005/04/05/a0249.nf/text



alles papst oder was? ein ordnungsruf von WIGLAF DROSTE

"Widdewiddewitt, der Papst ist tot / Die Katholiken sind in Not / Doch sie können sich auch freuen / Denn sie kriegen bald 'nen neuen", sang mir der Jazzsaxofonist Ernst-Ludwig Petrowsky telefonisch ins Öhrchen. Das war am Sonntag, dem 3. April 2005, um ein Uhr mittags. Die alten volkstümlichen Verse, die Luten Petrowsky fröhlich zitierte, waren das erste Vernünftige, das im Geningel um den Abgang von Papst Johannes Paul II. zu hören war.

Was rissen sie sich alle die Beine aus, um beim römischen Todesmarathon vorn mit dabei zu sein. Der Herrscher der Gläubischen katholischen Zuschnitts hatte seinen letzten Furz gelassen, die mediale Welt nahm ihn voll auf Lunge und behauptete stolz, es handele sich um Weihrauch. Beschmiert und stinkend vor Dummheit standen die Medientrompeter da und dachten, sie verströmten die Aura von Pietät und Würde. Da sie alle das Identische taten, hielten sie den Karneval mit Karol Wojtyla für ganz große Kondolenz. So funktioniert Massenhypnose. Wer seinen Kopf so zugerichtet hat, dass er die eigene Propaganda unerschütterlich für die Wahrheit hält, kann in den USA Präsident werden. In Deutschland wird er Journalist und spricht gern von Pressefreiheit, einem Konsumartikel zu Einsneunundneunzig.

An Verstandabschaltungskraft konnte es das Szenario um den päpstlichen Hingang mit einem größeren Tsunami, einem Bundesligafußballbestechungsskandal oder dem Getunneltwerden einer britischen Prinzengattin durchaus aufnehmen. Die Schlammflutverwalter der öffentlichen Meinung nahmen's dankbar entgegen - schön peu à peu, langsam und qualvoll, so wie sie das lieben, nippelte die polnische Flugente ab, sodass alle etwas davon hatten. Das nennt man wohl einen fairen Umgang mit den Medien, die diesen Tod nicht einmal künstlich breittreten und auswalzen mussten - das besorgte der Papst ganz allein. Der Mann war ein Profi, keine Frage.

Auf das letzte Kapitel folgte Gebrüll. Kleinkinder wurden vor Kameras gezerrt und mussten heulend beteuern, dass der Papst für sie "ihr ganzes Leben" gewesen sei. Dass die Eltern dieser armen Geschöpfe nicht wegen Kindesmisshandlung belangt werden, zeigt nur, dass für Christen nicht dieselben Regeln gelten wie für mündige, also auch strafmündige Menschen. Offiziell gibt es in der Bundesrepublik Deutschland die Trennung zwischen Kirche und Staat, faktisch ist sie aufgehoben. Ein ausländischer Besucher, der Anfang April 2005 die deutschen Zeitungen las, konnte nur zu dem Schluss kommen, er sei in einem Gottesstaat gelandet.

So viel Unisono-Geblöke wie nach dem Erlösungsgewürge des obersten katholischen Hasspredigers war sogar im Kernland der freiwilligen Gleichschaltung selten zu hören. Die Tageszeitung, die nach dem Deutschen Herbst gegründet wurde, damit in Zeiten der Massenhysterie wenigstens eine Stimme mit Gehirn zu vernehmen sei, ging genauso begeistert vom Netz wie der Rest. Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" gilt nicht für deutsche Medienvertreter. Was nicht vorhanden ist, kann nicht angetastet werden. Der Papst ist tot? Die Zeitungsrubrik für Meldungen dieser Preisklasse heißt Vermischtes.


taz muss sein: Was ist Ihnen die Internetausgabe der taz wert?


[editiert: 07.04.05, 00:08 von bjk]
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Baba Yaga
New PostErstellt: 07.04.05, 20:43  Betreff: Re: Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla  drucken  weiterempfehlen

Massenhysterie!

Wir leben in der Hochzeit der Mediendiktatur!

Ich frage mich schon die ganze Woche, was es so Besonderes und Verdienstvolles ist, wenn ein auf ein Podest Emporgehobener hie und da ein paar Ethikparolen fallen läßt?

Beginnt man eine Reflexion der Leistungen und Verdienste bei einem so unbeschränkt Mächtigen und unangreifbar Positionierten, sollte man sich fragen, was hat dieser Potentat versäumt und unterlassen, um verändernd auf Elend, Not und Herausforderungen der Jetztzeit zu wirken?
Hat er seine Möglichkeiten genutzt und sich entsprechend bis an die Grenzen des Erreichbaren eingesetzt?

Die Antwort ist für mich eindeutig "nein"!

Ausser ein paar Allgemeinplätzen aus dem christlichen Moralcodex war da nix Bedeutendes für mich zu erkennen - und das bei einem Vermögen im Rücken, das im weltweiten Vergleich auf einem der vordersten Plätze rangiert!
Im Vergleich zur Spendenbereitschaft abhängig Beschäftigter und deren Einkünften, waren "Leistungen" der Curie und der katholischen Kirche. - wie gehabt -, klägliche Almosen.

Schöne Reden und Religionshokuspokus mögen Massenhypnose auslösen, eine nachhaltige und meßbare Leistung ist das in meinen Augen nicht, - schon gar nicht im Hinblick auf die Möglichkeiten des Medienzeitalters!

Getreu dem Spruch:
"De mortuis nil, nisi bene" , werde ich hier meine Rückblende beenden!

Baba Yaga
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bjk

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Ort: Berlin


New PostErstellt: 07.04.05, 22:16  Betreff:  Re: Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla  drucken  weiterempfehlen

"Getreu dem Spruch:
"De mortuis nil, nisi bene" , werde ich hier meine Rückblende beenden!"






Liebe Baba,

wie Du sehr richtig erkannt hast, leben wir in einer Hochzeit des medialen Mummenschanzes, wir alle sind "Versuchskaninchen" einer großangelegten medialen allgemeinen Gehirnwasch-Volksverblödungs-Versuchsreihe! Die vorletzte war der Südostasien-Tsunami, die momentan letzte die Massenhysterie um das Ableben des höchsten katholischen Würdenträgers.

Die subtile Perfidie dieser massenverblödenden Gehirnwäsche wollte ich mit der Eröffnung dieses Threads aufs Korn nehmen, weniger die Person Wojtyla, wenn auch unvermeidlich ist, daß sein Wirken zu Lebzeiten in die Argumentation einfließt. Weil Wiglaff Droste von der "taz" in seiner Glosse genau das gleiche Anliegen hatte und es in herrlich erfrischend freche Sätze gekleidet hat, brauchte ich mir hierzu keine weitere Mühe zu geben sondern hab ihn einfach nur zitiert.

Und weil es hier im Thread eben nicht um die Person Karol Wojtyla geht, wird hier auch kein Rufmord oder schlimmeres betrieben. Das erledigt die Medienindustrie, indem sie uns bis zum Überdruß berieselt. Mal sehen, was als nächstes dran ist - - - und ganz gewiß findet sich irgendein Ereignis, was die Massen von der bewußten Wahrnehmung ablenkt, daß durch weltweite Ausplünderung immer größerer Bevölkerungsteile durch eine privilegierte Minderheit die Massenverelendung mit Riesenschritten voranschreitet.

Die Kirchen, ihre Würdenträger und der Mummenschanz um beide tragen daran ein gerütteltes Maß an Mitschuld, wenn nicht sogar durch Unterlassen und Beschwichtigen die Hauptschuld!

Gruß
bjk


[editiert: 07.04.05, 22:18 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 08.04.05, 08:10  Betreff:  die Berliner CDU, Gregor Gysi und der tote Papst  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/berlin/76765.html


Wie viel Papst braucht Berlin?


[...] beim Gang des Heiligen Vaters durchs Brandenburger Tor. Nun ist er tot. Doch schon bald könnte eine Berliner Straße seinen Namen tragen.

Die CDU in Mitte will die Karl-Marx-Allee rasch in Johannes-Paul-II.-Allee umtaufen.

Kreischef Stephan Tromp sagte dem KURIER: "Berlin ist dem verstorbenen Papst zu besonderem Dank verpflichtet, weil er maßgeblich mit den Prozess eingeleitet hat, der zum Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Europa und zum Fall der Mauer führte." [...]

Auch PDS-Star Gregor Gysi ist der verstorbene Papst heilig: "Die Benennung einer Straße nach Johannes Paul II. halte ich für denkbar, weil ich glaube, dass er eine moralisch-integre Persönlichkeit war. Er hat Ungerechtigkeiten scharf kritisiert – egal, ob sie staatssozialistisch oder kapitalistischer Prägung waren."





was beim guten Gregor die Hirnoperation vor ein paar Wochen nicht so alles bewirkt ... ... ...

bjk





[editiert: 08.04.05, 08:10 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 11.04.05, 07:49  Betreff:  Re: Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2005/04-11/024.php




11.04.05

Klaus Bittermann

Kaputte Katholen

Der Papst, die Medien und der Tod


Es war ein langes Gewürge, und die öffentliche Zurschaustellung des Siechtums hatte nicht mal der Papst verdient, auch wenn er sich selbst keine Schonung gewährte. Kurz bevor er den Löffel abgab, lehnte er sich noch einmal krächzend aus dem Fenster, um seine Schäflein zu segnen, was ein bißchen nach Muppetshow aussah. Früher kippte man dem Papst einfach ein bißchen Gift in den Becher und die Sache war geritzt. Aber die Kirche ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Zehntausende weideten sich auf dem Petersplatz am schmerzverzerrten Gesicht von Paul II. und gerieten darüber in religiöse Verzückung. Kein schöner Anblick, aber es wurde einem nichts erspart, und daran sieht man, daß die Verurteilung von Gewaltvideos in den Medien nur geheuchelt ist, denn schlimmer, als jemandem öffentlich beim Abkratzen zuzusehen, sind diese Dokumente auch nicht. Der religiös verbrämte Voyeurismus will dabei ebenso auf seine Kosten kommen wie jeder andere eben auch. Das Leid und die Qual üben vor allem auf die Religiösen eine große Faszination aus, und auch wenn man sie offiziell verdammt, verabscheut, verurteilt, verteufelt und ganz entschieden ablehnt, würde man ohne sie gar nicht auskommen. Die Affinität der Gläubischen zu den Bildern und Darstellungen des Grauens ist Tradition, die Wundmale ihres Chefs und die ausgesuchten, ja exquisiten Qualen der Märtyrer waren immer auch die Quelle großer Befriedigung. Oder, wie man im Ruhrgebiet sagen würde: »Da gehen die Katholen kaputt drauf!«

Vielleicht aus diesem Grund wurde die Nachricht vom Tod des Papstes wie ein glückliches Ereignis gefeiert. Sein Tod wurde beklatscht und bejubelt, Menschen umarmten und beglückwünschten sich, als sei man froh darüber, daß der durch sein Verbot von Verhütungsmitteln für AIDS maßgeblich verantwortliche Massenmörder endlich weg vom Fenster ist. Aber es war nicht plötzlich der Weltfriede ausgebrochen, sondern man feierte den Papsttod und sich selbst als mediales Ereignis, weil man dabeigewesen ist. Die Menschen zückten Foto-Handys und Cam-Corder, um genau das zu dokumentieren und mitzuteilen. Man imitierte damit, was Prominente vormachen. Wichtig ist nicht, warum man da ist, sondern daß man da ist. Nun war man deshalb zwar noch kein Promi, aber immerhin schon mal ein Adabei, also dort, wo Medien und Massen sich ein Stelldichein gaben und sich selbst inszenierten. Auf einen Betenden kamen zwei Kameras, die ihn filmten. Und deshalb klatschten sie. Sie beklatschten sich selbst, weil man wußte, daß man als bloße, sich zusammenballende Masse aus dem Papsttod ein »Mega-Event« machen konnte. Es herrschte eine geradezu symbiotische Beziehung zwischen Massen und Medien, denn je mehr Menschen nach Rom strömten und eine ganze Stadt lahmlegten, desto weniger konnte man dem Terror der medialen Berichterstattung entgehen, und je mehr darüber berichtet wurde, desto mehr Menschen wollten dabei sein.

In den Nachrichten der TV-Anstalten bekam man nichts anderes mehr serviert als fundamentalistische Eiferer, die nicht, wie in einer von Vernunft regierten Welt, ob ihres Geisteszustandes bemitleidet und ansonsten ignoriert werden, sondern denen man den gesamten Nachrichtenplatz einräumte, obwohl oder vielleicht auch gerade weil die Christen nichts als entrücktes und befremdliches Betroffenheitsgequackel und ein paar Tränen zu bieten hatten. Und wenn das aktuelle Befinden des Papstes bis ins Kleinste durchgekaut war, ging eine andere religiöse Sekte auf Sendung, die für das unwürdige Dahinvegetieren der im Wachkoma liegenden Terri Schiavo mit Gebet und Gewalt eintraten und ihr kurz vor dem Tod sogar noch einen Pfaffen auf den Hals hetzten. Da hatte selbst Harald Juhnke, der sonst immer für eine Schlagzeile gut war, keine Chance. Er hatte Glück: Im Schatten des Papstes konnte er sich fast unbemerkt davonmachen. Ihm blieb das unwürdige Ende des Papstes erspart, von Hunderttausenden angegafft und fotografiert zu werden.

Der Papst-Biograph Andreas Englisch schrieb: »Ich bin froh, daß sie dem Marathonmann Gottes für die letzte Reise die Lederslipper angezogen haben, die er so gerne mochte. Ich weiß noch, wie er sie nach der Hüftoperation 1994 zum ersten Mal trug. Sie waren bequemer als die Lederschnürschuhe.« Und damit wußte man, woraus das Mega-Event wirklich bestand: Aus aufgeblasener Nichtigkeit.


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[editiert: 11.04.05, 07:53 von bjk]
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New PostErstellt: 19.04.05, 20:44  Betreff:  Re: Gedanken zum Mummenschanz um den toten Papst Wojtyla  drucken  weiterempfehlen

der perverse Medien-Mummenschanz nun auch um den neuen Papst, nur weils ein deutscher Kathole ist, flimmert volksverblödend über sämtliche Bildschirme. Die hysterische "Freude" und der "Stolz", dass ausgerechnet ein Deutscher Papst werden "durfte" und dass nach 482 Jahren, das ist einfach nur irre! Wer noch immer GEZ zahlt ist selber schuld



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