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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 18.05.05, 08:35     Betreff:  Lutherkult - zum Teufel damit !





kopiert aus: http://de.indymedia.org/2005/05/117090.shtml


Lutherkritisches Theater in Wittenberg

von Martin - 18.05.2005 00:39



In der letzten Woche gab es in der Lutherstadt Wittenberg ein obrigkeitskritisches Theater, das sich mit den dunklen Seiten des Reformators und "großen Deutschen" Martin Luther auseinandersetzte. Verwirrung brachten Graffities, ein NPD-Aufruf und weitere Vorgänge, die kurz zuvor den Mann focusierten, auf den sich beispielsweise Adolf Hitler bezog als er sein Handeln damit begründete, er "tue nur, was die Kirche seit fünfzehnhundert Jahren tut, allerdings gründlicher". Das "Channeling" mit dem Toten brachte einige ungeheuerliche Zitate des Reformators an die Öffentlichkeit, die von den Touristen in Wittenberg zum Teil mit Unbehagen aufgenommen wurden.

Am vergangenen Donnerstag trat in Wittenberg eine kleine Gruppe theaterkritischer KünstlerInnen mit einem "Channeling mit einem Toten" auf. Mit dabei waren ein Moderator und etwas Technik, um den Kontakt ins Reich der Toten aufnehmen zu können. Verstärkt wurde die manchmal etwas unklare Stimme des "großen Mannes" (Zitat Hitler) durch eine Verstärkeranlage. Während der Moderator dem Reformator Fragen zu seiner Sicht auf die Welt stellte, waren andere kostümierte Leute unterwegs und verteilten lutherkritische Postkarten an die vorüberziehenden PassantInnen und TouristInnen. Seit Anfang Mai ist in der Lutherstadt wieder Touri-Saison: jeden Morgen kommen eine Masse TouristInnen-Busse an und ständig gibt es irgendwo Führungen durch die Stadt. Der Zeitpunkt war also recht günstig gewählt, um den großen Stadt-Guru in Frage zu stellen und dabei eine größtmögliche Öffentlichkeit zu erreichen.

Ungünstigerweise hatten das wohl auch andere erkannt, so dass es bereits zu Graffities und anderen Veränderungen am Stadtbild gegeben hatte, die sich kritisch mit Luther auseinandersetzten. Eigentlich war das sogar eine ganz gute Publicity für das Theaterstück, denn viele Leute waren sehr aufmerksam und schauten sich genau an was da geboten wurde. Hintergrund war bei vielen eher der Verdacht, das Theater stünde im Zusammenhang mit den lutherkritischen Inschriften überall in der Innenstadt. Manche fragten auch nach, ob die KünstlerInnen damit etwas zu tun hätten.

Alle Antworten Luthers auf die Fragen des Moderators waren Originalzitate aus Schriften, die der gebürtige Eislebener verfasst hatte. An vielen Stellen "intervenierte" der Fragende und hakte nach, ob Luther seine Äußerungen wirklich so meinte, wie sie klangen. Meist führte dies zu noch härteren Sprüchen - Luthers Weltbild war durch und durch obrigkeitshörig und hier nach Relativierungen zu suchen ist schwer. Doch die Interventionen und ständigen Betonungen des Moderators, es handele sich hier um Originalaussagen waren nötig, weil sonst unschwer der Eindruck einer rechtsextremen Veranstaltung hätte entstehen können: "Darum wisse Du, lieber Christ, und Zweifel nichts dran, dass Du, nähest nach dem Teufel, keinen bittern, giftigern, heftigern Feind habest, denn einen rechten Juden, der mit Ernst ein Jude sein will." Noch härter wird es, wenn Luther seinen "Sieben-Punkte-Plan" erklärt: "Ich will meinen treuen Rat geben. Erstlich, dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich... Zum andern, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben eben dasselbige darin, was sie in ihren Schulen treiben ..."

Nachdem der Moderator nun schnell das Thema wechselte, lies sich "Luther" über Frauen aus: "Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden". "Eine Frau hat häuslich zu sein, das zeigt ihre Beschaffenheit an; Frauen haben nämlich einen breiten Podex und weite Hüften, daß sie sollen stille sitzen". "Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da." Im Laufe des "Channelings" wurde eine Reihe weiterer Aspekte hinterfragt, die auch nicht sonderlich dazu beitragen konnten ein positives Bild des Reformators zu zeichnen.

Besonders seine Meinung zu den Bauernkriegen und zur Obrigkeit wurden in Bezug auf die Hart IV-Proteste thematisiert und Luthers alte Worte wiedergegeben: "Es ist besser, wenn Tyrannen hundert Ungerechtigkeiten gegen das Volk verüben, als dass das Volk eine einzige Ungerechtigkeit gegen die Tyrannen verübt". "Man darf dem Pöbel nicht zuviel pfeifen, er wird sonst gern toll. Es ist billiger, ihm zehn Ellen abzubrechen, als ihm in einem solchen Falle eine Handbreit, ja, die Breite eines Fingers einzuräumen. Und es ist besser, wenn ihm die Tyrannen hundertmal unrecht tun, als dass sie dem Tyrannen einmal unrecht tun. Denn weil ja das Unrecht gelitten werden muss, so ist vorzuziehen, durch die Obrigkeit zu leiden, als dass die Obrigkeit durch die Untertanen zu leiden hat. Denn der Pöbel besitzt und kennt kein Maß. In jedem einzelnen stecken wohl mehr als fünf Tyrannen, So ist es besser, von einem Tyrannen, d. h. von der Obrigkeit, Unrecht zu leiden als von unzähligen Tyrannen, d. h. vom Pöbel."

Es gab vereinzelte PassantInnen, die aufgrund dieser Sprüche den Vorwurf erhoben, die Theatergruppe würde den Nazis zuarbeiten. Durch die ständige Wiederholung, dass dies Luthers Originalzitate seien und durch die deutlich kritischen und abwehrenden Ansagen des Moderators dürfte dieser Befürchtung ausreichend entgegengesetzt worden sein. Wahrscheinlich bezog sich die Kritik auch mehr auf ein NPD-Flugblatt, das vor kurzem in Wittenberg im Umlauf war, in dem die Nazis zu einer "nationalen Prozession zu Ehren Luthers" aufriefen (siehe http://de.indymedia.org/2005/05/116634.shtml). Dieser Aufruf sollte angeblich zusammen mit mehreren bekannten rechtsextremen Organisationen und einigen evangelischen Einrichtungen verfasst sein, gewissermaßen ein "Schulterschluss" zwischen Nazis und Kirche, wie bereits zu NS-Zeiten, als nicht nur Faschisten, sondern auch Kirchliche das menschenverachtende und tödliche Treiben der Nazis u.a. auf Luthers Schriften bezogen. Inzwischen scheint es klar zu sein, dass es sich dabei um ein Fake handelte, das zu einer weiteren Thematisierung der Kritik an Luthers Antisemitismus führte.

Mehr Aufmerksamkeit dürften allerdings die neuen "Thesen" verschafft haben, die an verschiedenen Gebäuden zu lesen waren: "These 1: Lutherkult abschaffen", "These 2: Selbstbestimmung statt Gottes Gnade" und "These 3: Sei unter den Aufrührern". An verschiedenen öffentlichen Gebäuden (z.B. Universität, Rathaus, evangelische Akademie) waren diese Graffities zu lesen. Die dritte These schien sich auf eine andere Umgestaltung bezogen haben: ein obrigkeitsverehrendes Relief am Rathaus Wittenbergs war so verändert worden, dass dort nunmehr zu lesen war "Fürchte die Obrigkeit und sei unter den Aufrührern". Vorher stand dort (teils noch lesbar) "Fürchte Gott Ehre die Obrigkeit und sei unter den Aufrührern". Spannend dürfte es werden, wenn die Stadt diesen gewiss denkmalgeschützten Spruch restaurieren lässt. Angesichts der darin verkörperten Denkweise dürfte das bereits für sich einen Skandal darstellen...

Vielfach mussten die Theaterleute erklären, dass sie mit diesen Sprüchen nichts zu tun haben und dass es eigentlich auch nicht verwundert, wenn auch andere auf die Idee kommen, Luther zu kritisieren. Gerade wenig kritikwürdiges hat der große Reformator ja nicht gerade zu bieten. Auch dass die Quelle der zitierten Luthersprüche die gleiche Internetseite ist, die auf einigen der Graffities erschien ( http://www.luther-action.de.vu), ist nicht weiter verwunderlich - eine vergleichbar umfassend zusammengestellte Seite mit Hintergründen, Aktionshinweisen und Zitaten (sowohl aus der "Szene" wie auch aus konventionellen Quellen) gibt es meines Wissens nicht nochmal.

Was vielleicht auch noch zu erwähnen ist, um die Lutherkritik-Phobie aufzuzeigen, die in Wittenberg vorherrschte als das Theater die Runde machte: gleich als die KünstlerInnen vor der Stadtinformation mit ihrem kritischen Stück anfingen rief der Chef der "Information" die Polizei. Die sollte doch mal klären, ob die Leute nicht für die "Schmierereien" verantwortlich seien. Besonders war ihm aufgefallen, dass die Leute barfuss rumliefen und das ist ja verdächtig... (die Logik daran müsst ihr euch jetzt selbst ausdenken)



Martin Luther spricht aus der Welt der Geister


Die Fragen des Moderators beantwortet der Reformator mit Originalzitaten


These 1: Lutherkult abschaffen


These 2 an der Leucorea (Universität)


These 3 an der Evangelischen Akademie



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