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Anarchisten versus Kommunisten in der Weimarer Republik

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 09.01.06, 06:14  Betreff:  Anarchisten versus Kommunisten in der Weimarer Republik  drucken  weiterempfehlen

Anarchistische Strömungen in Auseinandersetzung

mit der kommunistischen Bewegung in Deutschland zwischen 1920 und 1933

 

Einleitung

Die Auseinandersetzung der Anarchisten mit der kommunistischen Bewegung in der Weimarer Republik ist kein Novum in der Geschichte der sozialistischen Bewegung. Die Ursprünge der Auseinandersetzungen zwischen Antiautoritären und Autoritären liegen bereits in der Zeit der ersten Internationalen, in der es zum Streit zwischen Michail Bakunin und Karl Marx kam, welcher zum Ausschluss Bakunins und der Anarchisten und letztendlich zum ersten Bruch zwischen Anarchisten und Kommunisten führte.

Der antistaatliche Sozialist bzw. Anarchist Bakunin kritisierte in scharfer Form die Absicht der autoritären Sozialisten um Karl Marx den bestehenden Staat nach einer Revolution aufrechtzuerhalten, ja sogar auszubauen, um eine Diktatur des Proletariats zu installieren. Bakunin und seine Anhänger glaubten nicht, dass der Gang aus der einen Unterdrückung in die nächste der Weg zur Freiheit sei. "Bakunin unterstellte Marx schreckliche autoritäre Absichten, einen Durst nach der Herrschaft über die Arbeiterbewegung, dessen Züge er sicherlich überzog." Marx verleumdete daraufhin Bakunin und lässt auf dem Haager Kongreß 1872 seinen Ausschluss beschließen.

Doch wo liegen die inhaltlichen Unterschiede zwischen Kommunisten und Anarchisten die zu diesem ersten großen Bruch führten und in der Geschichte bis heute immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern verursachten? Bevor ein Versuch gestartet werden kann diese Frage zu beantworten ist es wichtig festzustellen, dass es weder bei den Kommunisten und noch viel weniger bei den Anarchisten eine einheitliche Lehre gibt, unter der wir alle Anhänger einer Richtung zusammenfassen können.

Marx selbst unterscheidet sich in seinen Schriften über die Jahre und macht Entwicklungen durch. Es gibt nicht den einen Marx mit einer einheitlichen Einstellung. Zusätzlich wurden seine Schriften von denen, die sich selber Marxisten nannten über die Jahre verschieden interpretiert und seine Ideen unterschiedlich weitergeführt. Viel schwieriger noch ist die Differenzierung bei den Anarchisten. Da der Gedanke des Anarchismus eine ständige Weiterentwicklung und einen damit verbundenen Antidogmatismus für sich beansprucht gibt es hier viele verschiedene Ansätze und Vorstellungen vom Anarchismus. Auch wenn im weiteren Verlauf häufig von "den Anarchisten" oder "den Kommunisten" gesprochen wird, ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass diese auch in sich nicht immer einig sind und dass es punktuelle Meinungsverschiedenheiten auf beiden Seiten gibt.

Trotz dieser notwendigen Differenzierung lassen sich einige grundlegende Unterschiede in den Ideen der Kommunisten und Anarchisten feststellen. Die Abschaffung des Kapitalismus und die Befreiung der Arbeiterklasse aus der Unterdrückung durch die Bourgeoisie als Ziel ist beiden eigen und auch die staatenlose, freie Gesellschaft streben beide an. Nur unterscheiden sie sich fundamental in der Ansicht, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Wie schon oben erwähnt lehnen die Anarchisten den Staat grundsätzlich ab und sind willens mit jeder Regierung zu brechen. Sie glauben nicht, dass eine Übernahme des Staates, wie die Kommunisten sie propagieren, die Lösung des Problems sein kann, da der Staat das Problem ist. Die Kommunisten hingegen sind der Überzeugung der Staat und die Staatsgewalt müssten übernommen werden um sich gegen die Angriffe der Konterrevolution schützen zu können und um systematisch den Kapitalismus abzuschaffen. Ist dies erreicht würde, nach Meinung der Kommunisten, der Staat überflüssig werden und absterben. Gerade hier sind die Anarchisten skeptisch, da sie bezweifeln, dass ein kommunistisches Regime die Führung und damit verbundene Macht wieder abgeben würde. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass die Anarchisten Recht behalten sollten. Alle Versuche über den Staatssozialismus den Kommunismus zu errichten sind gescheitert und endeten in einer Diktatur der Partei oder einzelner Diktatoren und nicht der des Proletariats.

Zwar haben Anarchisten und Kommunisten auch nach dem Bruch in der ersten Internationalen zusammengearbeitet, aber es endete oftmals tragisch für die Anarchisten. Hier wäre z.B. die russische Revolution und der spanische Bürgerkrieg zu beachten. In Deutschland waren die linksradikalen Gruppierungen während der Revolutionsmonate 1918/19 kaum zu unterscheiden weder hinsichtlich des Programms noch der Handlungen. Vordergründig war der Wille nach Beseitigung des kapitalistischen Wirtschaftssystems und die Durchsetzung einer Räteherrschaft. Die geringen Unterschiede in den gestellten Forderungen zwischen den neuen Organisationen und Parteien führte dazu, dass es nicht es nicht ungewöhnlich war, wenn jemand in mehreren Gruppen gleichzeitig Mitglied war. Bis zum Ende des großen Bergarbeiterstreikes an der Ruhr im April 1919 hielt diese Aktionseinheit. Die "Allgemeine Bergarbeiter Union" in der sich diese Bewegung zusammengeschlossen hatte wurde zerschlagen und die verschiedenen Fraktionen entfernten sich voneinander. Nun wurden ideologische Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen und Parteien gezogen.

Ein Beispiel für diese Entfremdung gab es von Seiten der KPD im Ruhrgebiet allerdings schon im Februar/März 1919. Die Zeitung "Freiheit" von Mülheimer Syndikalisten (von frz.: syndicat=Gewerkschaft) wurde von der KPD auf undurchsichtige Art und Weise übernommen und als "Organ der kommunistischen Partei" deklariert. Daraufhin wurde die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVDG), die zu diesem Zeitpunkt von Anarchosyndikalisten dominiert war, in einem Artikel vom 4. März als politischer Gegner bezeichnet, "da sie nur die wirtschaftliche Revolution anstrebe und nicht die der KPD wichtigere politische Revolution". Die Syndikalisten aus der FVDG begannen mit der Propaganda gegen die "drei sozialdemokratischen Parteien" spätestens im Sommer 1919. Damit meinten sie die SPD, die USPD und die KPD. Der Bruch begann und es gründeten sich verschiedene neue Organisationen, die sich inhaltlich voneinander abgrenzten. Hauptsächlich waren es die Auseinandersetzungen zwischen Syndikalisten und Parteikommunisten, die den Konflikt zuspitzten. So gab die KPD (Spartakusbund) im August 1919 einen Vortrag von F. Brandt heraus mit dem Titel "Syndikalismus und Kommunismus", in dem es im Wesentlichen um Unterschiede syndikalistischer und kommunistischer Auffassungen in Bezug auf Ziele (Staat und Wirtschaft), Taktik und Organisationsform geht. Sein Fazit ist, dass ein Syndikalist in der kommunistischen Partei fehl am Platz ist. In Anbetracht dieser Spannungen, die im Jahre 1919 entstanden, wird sich der folgende Text mit dem Verhältnis von Anarchisten und Kommunisten in Deutschland zwischen 1920 und 1933 beschäftigen.


Hauptteil
Die Organisationen auf beiden Seiten...


Nach dem Bruch 1919 gab es eine Vielzahl an anarchistisch/syndikalistisch orientierten Gruppierungen wie auch an kommunistischen Organisationen. Die beiden größten und einflussreichsten sind aber in jedem Fall die KPD und die anarchosyndikalistische "Freie Arbeiter Union Deutschlands" (FAUD).
Die KPD verfolgte Anfang der 1920er Jahre einen stark parteizentralistischen Kurs und bemühte sich die Radikalen und die Syndikalisten aus ihren Reihen zu drängen. Sie bejahte den Parlamentarismus und arbeitete in den reformistischen Gewerkschaften, d.h. sozialdemokratisch dominierten, mit. Dies führte zur Spaltung der Partei und zur Gründung der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (KAPD). Die KAPD wurde vom "radikalen" Teil der Partei gegründet. Die nun etwa um die Hälfte geschrumpfte KPD näherte sich der USPD an und schloss sich 1920 mit dieser zur Vereinigten Kommunistischen Partei (VKPD) zusammen. Die KPD konnte so mit 350.000 Mitgliedern die größte Mitgliederzahl bis 1933 erreichen. Die FAUD entstand als sich im Dezember 1919 auf ihrem 12. Kongress die FVDG in die FAUD umbenannte und Rudolf Rockers Prinzipienerklärung als Leitlinie syndikalistischer Arbeit festsetzte. Die FAUD war im absoluten Gegensatz zur KPD für eine "wirtschaftliche" Kampforganisation, war antistaatlich und lehnte die Eroberung der politischen Macht und damit auch die Beteiligung an parlamentarischen Wahlen ab. Zusätzlich gab es noch verschiedene kleinere Gewerkschaften und Organisationen, die teilweise unter dem Einfluss der KPD waren und teilweise inhaltlich der FAUD näher standen. Die KPD hatte eine recht diffuse Taktik gegenüber den Gewerkschaften, die sich von Zeit zu Zeit änderte. So war es Anfangs nicht ungewöhnlich, dass KPD Anhänger auch gleichzeitig in syndikalistischen Gewerkschaften Mitglieder waren. Dies änderte sich allerdings als sich die KPD mit dem zunehmenden Konflikt zwischen Syndikalisten und Kommunisten von den syndikalistischen Gewerkschaften abwendete.

Wichtig ist es hier die FAU Gelsenkirchener Richtung zu erwähnen. Sie war ein Relikt aus dem Ruhrbergarbeiter-Streiks von 1919. Zu dieser Zeit hatte die linkskommunistische Mehrheit der KPD den Eintritt in die Unionen gefordert. Sie stand unter dem starken Einfluss der KPD und arbeitete eng mit ihr zusammen und wurde deshalb von der FAUD abgelehnt. So sagte Fritz Kater, Vorsitzender der FAUD (Syndikalisten) auf ihrem Gründungskongress als er gefragt wurde "auf welchem Boden die Freie Arbeiter-Union der Bergarbeiterrichtung Gelsenkirchen" stehe: "Soweit ich informiert bin, sind sie Gegner der Freien Arbeiter-Union. Sie arbeiten für die kommunistische Partei, an manchen Stellen für die U.S.P."

Die Syndikalisten hatten sich nun also mit der Gründung der FAUD organisiert und die Kommunisten, nun in der VKPD organisiert, traten, nach offiziellem Kurs, in großen Teilen in die bestehenden sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaften ein und versuchten diese zu unterwandern. Nur wenn eine Gewerkschaft kommunistisch dominiert war sollte der Anschluss an die Rote Gewerkschaftsinternationale (RGI) vorgenommen werden, dem gewerkschaftlichen Gegenstück zur 3. Internationale. Die internationale Organisation der Syndikalisten zu dieser Zeit war die IAA (Internationale Arbeiter Assoziation), die nach der ersten Internationalen benannt war. Entgegen dieser "offiziellen" Taktik versuchte die KPD aber auch weiterhin Einfluss auf die offiziell parteiunabhängige FAU Gelsenkirchener Richtung zu nehmen. Als gewerkschaftlicher Vorläufer der linkskommunistischen KAPD wurde 1920 die Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD) gegründet.
Die Bergarbeiterunion, als Überrest des Bergarbeiterstreiks, hatte sich zwar kurzzeitig der FAU-Gründung in Rheinland-Westfalen angeschlossen, konstituierte sich aber im September 1921 als Union der Hand- und Kopfarbeiter Deutschlands (UdHuK), indem sie sich mit oppositionellen Verbänden anderer Berufsgruppen zusammenschloss und vergrößerte. Anders als die FAUD schloss sie sich der RGI an. (10) Diese Gruppierungen sind sicherlich nicht alle, die es zu dieser Zeit gab und bis 1933 werden auch noch Namen anderer Gruppen auftauchen. Sie sind aber mit Sicherheit die wichtigsten, wenn es darum geht sich mit der Auseinandersetzung zwischen Anarchisten und Kommunisten zu dieser Zeit zu beschäftigen. Die FAUD und die KPD waren reichsweite Organisationen, die schlichtweg zusammen mit der KAPD und ihrer Gewerkschaft der AAUD als die wichtigsten Organisationen aus der Linken zu dieser Zeit zu bezeichnen sind.


...und ihre Organisationsformen am Beispiel der KPD und der FAUD

Die Frage der Organisierung ist ein elementarer Streitpunkt zwischen den antiautoritären Anarchisten und den autoritären Kommunisten. Während die KPD, in der die große Masse der Kommunisten organisiert war seit der Annahme des Levi-Kurses auf straffe Parteizentralisation setzte war die FAUD(S) föderalistisch organisiert.

Sie lehnte jegliche Parteiarbeit ab und konzentrierte sich auf den wirtschaftlichen Kampf. Die Syndikalisten lehnten autoritäre Führungen, wie sie in der KPD, die hierarchisch in Betriebs- und Straßenzellen, Orts- und Stadtteilgruppen, Bezirke und Unterbezirke aufgeteilt war, die dem ZK unterstanden, üblich waren, ab. Die auf ganzer Linie unterschiedliche Taktik der KPD und der Syndikalisten beruhte auf der unterschiedlichen Ansicht bezüglich der Revolution und wie die Organisation der Gesellschaft nach jener erfolgreich abgeschlossenen auszusehen habe. Die KPD war Verfechter der politischen Revolution, d.h. sie versuchten entweder auf parlamentarischen oder auf gewaltsamen Wege die Herrschaft an sich zu reißen um dann durch die Diktatur des Proletariats den Sozialismus zu errichten. Zentralisation und Autorität waren hier also unabdingbar und da zu jener Zeit ein Großteil derer, die politisch links von der SPD standen, an die baldige Revolution glaubte, wurde die Partei so konzipiert, dass sie nach der Revolution die Macht und den Staat an sich reißen und ihn gegen die Angriffe der Konterrevolution verteidigen könne. Für die Syndikalisten hingegen war dies ein schrecklicher Gedanke, da sie in der politischen Revolution nur den Austausch der Unterdrücker sahen, nicht aber ihre Beseitigung. Nach ihrer Ansicht würden die Arbeiter nach einer Übernahme des Staates durch die Kommunisten nun zwar nicht mehr von der Bourgeoisie, aber eben von der Partei unterdrückt und ausgebeutet werden.

Die Syndikalisten setzten auf die soziale Revolution. Sie wollten die Unterdrückung beenden und zwar nicht durch die Übernahme des Staates, sondern durch seine Beseitigung. Auf wirtschaftlicher Ebene sollte die Macht und Herrschaft der Bourgeoisie geschwächt und abgeschafft und eine neue Regierung nicht akzeptiert werden. Statt dessen sollte die Gesellschaft durch föderalistische Räte organisiert werden. Diese sollten nicht auf politischer Ebene, sondern auf wirtschaftlicher Ebene, d.h. in den Betrieben agieren.

So sollten sich erst einmal "Vereinigungen aller Berufe" in den Orten bilden. Waren in solch einer Vereinigung mehr als 25 Personen des selben Berufszweiges vertreten sollten diese einen neuen Ortsverein bilden. Laut Geschäftskommission gab es im November 1922 im ganzen Reich 214 "Vereinigungen aller Berufe" und geordnet nach Mitgliederstärke 126 Bergarbeiter Ortsvereine, 80 Ortsvereine der Metallarbeiter, 43 aus den Bauberufen, 12 der Verkehrsarbeiter, 2 Lederarbeiter Ortsvereine und jeweils einen Ortsverein der Glaser, Töpfer und Kopfarbeiter. Diese Verteilung wird wohl konstant gewesen sein, besonders die hohe Anzahl an Berg- und Metallarbeiter Ortsvereinen erscheint aufgrund der damaligen Zeit klar. Ein lokaler Verein hatte völliges Selbstbestimmungsrecht und es gab in jedem Ort eigene Satzungen, die den gegebenen Verhältnissen angepasst waren. Diese Satzungen konnten frei bestimmt werden und durften lediglich den Grundsätzen der FAUD nicht widersprechen. Von unten nach oben sollten sich diese Vereine als Industrieföderationen auf Reichsebene organisieren.

Obwohl eigentlich 12 Industrieföderationen vorgesehen waren kamen nur 5 zustande:
  1. Föderation der Bergarbeiter
  2. Föderation der Bauarbeiter
  3. Föderation der Metall-Industriearbeiter
  4. Föderation der Holzarbeiter
  5. Föderation des Bekleidungs- und Verkehrsgewerbes.

Mindestens alle 2 Jahre musste der Kongress einberufen werden, der die oberste Vertretung der FAUD war und an dem Mitglieder der einzelnen Ortsvereine teilnahmen, die unabhängig von der Größe der Ortsvereine das gleiche Stimmrecht hatten. Dies beruhte, wie viele Elemente der Organisation, auf dem französischen Vorbild der CGT, der größten syndikalistischen Gewerkschaft in Frankreich. Dieser Kongress war neben der Geschäftskommission und der Zeitung "Der Syndikalist" die wichtigste überregionale Einrichtung der Freien Arbeiter Union. Er entschied über Anträge und war für die Überwachung der Tätigkeit der Geschäftskommission zuständig, die auch vom Kongress gewählt wurde. Sie war das oberste Exekutivorgan der FAUD und hatte ihren ständigen Sitz in Berlin. Die FAU finanzierte sich durch die Mitgliedsbeiträge, die von den Ortsvereinen eingezogen wurden. Jedes Mitglied sollte mindestens 1% des Wochenlohns als Wochenbeitrag abgeben, das liegt unter dem Beitrag des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) zu dieser Zeit. Alle Funktionen galten allgemein als ehrenamtlich, allerdings wurde ca. 5 Leute für ihre Agitationsarbeit entschädigt. Das wichtigste Organ war die bereits erwähnte Zeitung "Der Syndikalist", die 1920 mit etwas 120.000 Exemplaren die höchste Auflage erreichte.

Zwischen 1921 und 1924 erschien auch noch die Zeitung "Die Schöpfung". Wie bereits erwähnt unterscheiden sich die beiden Organisationsformen fundamental, wobei die Strukturen der FAUD aufgrund ihrer Ablehnung hierarchischer Strukturen weitaus komplizierter waren als die der zentralistisch organisierten KPD. Die KPD kritisierte deshalb die Syndikalisten und warf ihnen vor nicht entschlossen genug den politischen Kampf zu führen. Die Syndikalisten hingegen sahen in der autoritären Struktur der KPD einen Widerspruch zu ihrer libertären Gesinnung und lehnten diese ebenfalls entschieden ab.


Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Gewerkschaften und Parteien

Gerade deshalb ist es interessant, dass Anfang der 1920er Jahre trotz der Differenzen dieser beiden großen Organisationen viele Arbeiter Mitglieder in beiden Organisationen waren. Dies änderte sich über die Jahre, sicherlich auch durch die Aufforderung beider Seiten sich von den Gegnern zu entfernen. Die Syndikalisten begannen spätestens Mitte 1921 sich von den politischen Parteien abzugrenzen. Dies wurde offiziell deutlich gemacht als auf dem 13. Kongress der FAUD (S) im Oktober 1921 folgende Resolution verabschiedet wurde: "Der Föderalismus verlangt Selbstverantwortung und Entscheidungsfreiheit. Demzufolge können die Mitglieder syndikalistischer Organisationen einer politischen Partei nicht angehören."

Wie schon in der Einleitung erwähnt hatte die KPD bereits 1919 begonnen die Syndikalisten in der KPD an den Rand zu drängen und ihnen klar zu machen, dass die Partei es nicht dulde, wenn syndikalistische Propaganda, die der Parteihaltung widerspricht, innerhalb der Partei durch Mitglieder syndikalistischer Gewerkschaften verbreitet würde. So gab es schon 1919 einen Aufruf der KPD-Zentrale mit dem Titel "An die Syndikalisten in der KPD!", der den Standpunkt der Partei zu diesem Thema verdeutlichte. Das Verhältnis der FAUD zu den reformistischen bzw. sozialdemokratischen Gewerkschaften war weitgehend von Konkurrenz geprägt. So wirkten sich rückläufige Mitgliederzahlen bei den einen meist positiv bei den anderen aus. Die KPD versuchte wie bereits erwähnt die sozialdemokratischen Gewerkschaften zu unterwandern und in ihrem Sinne zu radikalisieren. Das Verhältnis der FAUD und der zu den anderen kleineren Gewerkschaften war von Ort zu Ort unterschiedlich und widersprach teilweise den Publikationen und Ansichten der reichsweiten Organe der FAUD. Durch die Autonomie der Ortsgruppen konnte jedoch eine punktuelle Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Organisationen, z.T. sogar mit der KPD, stattfinden auch wenn dies nicht im Sinne der reichsweiten Organisation war.


Entwicklung der Mitgliederzahlen der FAUD und KPD

Die Hochzeit der FAUD war zwischen 1920 und 1923. In diesen Jahren stiegen ihre Mitgliederzahlen an und die FAUD gewann an Stärke und Handlungsfähigkeit. Dies zeigt z.B. die Entwicklung der Metallarbeiter-Föderation: 1920 zählte sie 39 Ortsvereine, 1921 83 und 1922 107. Die Mitgliederzahlen der FAUD von 1922 und 1925 machen den Rückgang an Mitgliedern deutlich: 1922 fasste die FAUD ca. 70.000 Mitglieder, 1925 nur noch 25.000. Ein wesentlicher Faktor für den Rückgang war die Inflation, die auch dem ADGB zu schaffen machte. Ein weiterer Grund für den Austritt vieler Mitglieder war die Einstellung der Erwerbslosenunterstützung durch die Gewerkschaften und die Enttäuschung vieler Arbeiter, dass es den Gewerkschaften nicht gelungen war die Abschaffung des 8-Stunden-Tages zu verhindern. So ist auch zu vermuten, dass ein Großteil der ausgetretenen Arbeiter sich nicht in anderen Gewerkschaften organisierte, sondern resignierte und in keine anderen Verbände eintrat.

Als die KAPD sich 1920 von der KPD abspaltete waren in beiden Parteien ca. 50.000 Mitglieder organisiert. Als sich dann die USPD und die KPD zur VKPD zusammenschlossen war mit 350.000 Mitgliedern der höchste Mitgliederstand bis 1933 zu verzeichnen. (19) Wahrscheinlich aufgrund der missglückten Aufstandsversuche zwischen 1920 und 1923 gingen die Mitgliederzahlen in den Folgejahren stark zurück und die Partei konnte sich erst gegen Ende der Weimarer Republik wieder erholen. Hier einige Mitgliedszahlen aus verschiedenen Jahren:
1924: 150.000
1927: 140.000
1930: 200.000

Die seit Mitte der 1920er Jahre bestehende Taktik der KPD Mitglieder der SPD in die eigenen Reihen zu holen ging insgesamt betrachtet nicht auf. Allerdings ist wohl die zumindest zeitweise Schwächung der sozialistischen Bewegungen im Allgemeinen auch darauf zurückzuführen, dass viele Erwartungen der Arbeiter in den linken Organisationen nicht erfüllt wurden. Die ansteigenden Mitgliederzahlen der KPD gegen Ende der Weimarer Republik hängen sicherlich zum einen mit der wirtschaftlichen Krise und der Opposition zu den Nationalsozialisten zusammen.


Die Auseinandersetzung durch die Propaganda

Inhaltlich hatten sich die Kommunisten und die Anarchosyndikalisten weit voneinander entfernt und der Konflikt war zwischen diesen beiden unterschiedlichen Richtungen deutlich spürbar. Wichtig war dabei für beide Seiten die große Masse der Arbeiter von der Richtigkeit der eigenen Ideale zu überzeugen. Das wichtigste Mittel hierfür war zweifellos die Propaganda, die von beiden Seite genutzt wurde um zum einen die Vorteile der eigenen Überzeugung zu vermitteln und zum anderen um die andere Seite zu kritisieren und Stimmung gegen sie zu machen. Von der FAUD wurde ihr Organ "Der Syndikalist" genutzt um Propaganda für die eigene Sache zu machen und die Arbeiter über die autoritären und machtpolitischen Absichten der Kommunisten aufzuklären. Zum anderen gab es Broschüren oder Flugblätter die sich mit dem Thema auseinandersetzten. So erschien 1920 im Verlag Fritz Kater (Fritz Kater war zeitweise Vorsitzender des Kongresses der FAUD) die Broschüre "Die Irrlehre und Wissenschaftslosigkeit des Marxismus", die eine volkstümliche Bearbeitung "nach dem Buch gleichen Namens unseres Geistesfreundes Pierre Ramus, Wien" war. Marx wird hier als Reaktionär betitelt und seine Lehren werden kritisch untersucht. So steht in der Broschüre: "Die folgenden Ausführungen werden den Beweis dafür erbringen, daß alle Lehren von Marx nicht bloß unwissenschaftlich sondern sogar falsch sind."

Auch die Kommunisten hielten nicht zurück mit der öffentlichen Kritik an der Vorgehensweise der Syndikalisten. Am 10.6.1922 erschien z.B. ein Artikel mit der Überschrift "Die Partei der Utopisten" in der kommunistisch beherrschten Westfälischen Arbeiter Zeitung (WAZ), der eine einzige Hetze gegen die syndikalistischen Überzeugungen darstellt. Die Syndikalisten werden mit Reformisten und Sozialdemokraten auf eine Stufe gestellt und übel verleumdet. Ihr Wille zur Gewaltlosigkeit, ihre Art der Organisierung und ihre Ablehnung gegenüber Regierungen, sei sie auch kommunistisch, wird massiv attackiert. Dies sind nur einzelne Beispiele, die Auseinandersetzungen zogen sich durch die ganze Zeit der Weimarer Republik hindurch, die gerade genannten propagandistischen Werke sollen nur als Beispiel dienen um sich der Schärfe der Auseinandersetzung bewusst zu werden.

Kommunisten und Anarchosyndikalisten im Kampf gegen den Faschismus
Selbst im Kampf gegen die Machtergreifung der Faschisten konnten sich die Syndikalisten und die Kommunisten nicht einigen. Die Syndikalisten strebten einen "gemeinsamen Kampf aller Arbeiter" gegen den Faschismus allerdings nicht in Form einer Organisationseinheit. Ihre Aufrufe richteten sich nicht an Organisationen, sondern an "die kommunistische oder sozialdemokratische Arbeiterschaft". Die KPD kam daher als Bündnispartner nicht in Frage. Viele Syndikalisten befürchteten, dass die Kommunisten den Widerstand gegen den Faschismus nur für einen eigenen politischen Putsch nutzen wollten. So sahen viele in der von der KPD propagierten "Antifaschistischen Aktionseinheit" einen Versuch der kommunistischen Führer in anderen Arbeiterorganisation den eigenen Einfluss zu erhöhen. Aber auch von der KPD war ein Zusammenarbeiten mit den Anarchosyndikalisten nicht erwünscht. Per Rundschreiben warnte die KPD-Führung vor der Zusammenarbeit mit den "Trotzkisten und Anarchisten".

Nichtmal im Kampf gegen den drohenden Faschismus waren die Kommunisten und die KPD bereit ihre Parteiinteressen in den Hintergrund zu stellen. Die Machtergreifung Hitlers beendete die Konflikte durch das Verbot der KPD und aller anderen linken Organisationen. Auch die FAUD wurde verboten und in die Illegalität gedrängt. Sie war zu dieser Zeit auf sich alleine gestellt und konnte sich nur Unterstützung von ausländischen anarchosyndikalistischen Organisationen erhoffen. Mit dem Ende der Weimarer Republik endeten auch die Auseinandersetzungen anarchistischer Strömungen mit der kommunistischen Bewegung.


Abschließende Zusammenfassung und Bewertung der Ereignisse

Der Anarchismus und der Kommunismus sind Wesens verwandt. Beide sind an der Errichtung einer freien und gerechten Gesellschaft interessiert. Die Kommunisten, ausgenommen libertäre- und Rätekommunisten, sind anscheinend aber auch zu einem nicht geringen Teil an der eigenen Macht interessiert. Sie wollen das Volk befreien indem sie es regieren und sprechen dem Volk damit die Fähigkeit ab, sich selber zu befreien und wer glaubt, dass derjenige, der die Macht einmal hat, sie einfach so wieder abgibt, der muss als Utopist bezeichnet werden. In diesem Punkt, der sehr grundlegend ist, zweifeln die Anarchisten an der Richtigkeit kommunistischer Vorstellungen und glauben vielmehr an die von den Menschen initiierte soziale Revolution.

Die Anarchisten werden immer willens sein mit jeder Regierung zu brechen und das aus gutem Grund. Die Kommunisten selber sagen, dass der Staat ein Instrument sei, das von der ausbeutenden Klasse genutzt wird um die ausgebeutete Klasse zu unterdrücken. So würde und so ist der Staat auch schon, wie wir heute durch das Beispiel Russland wissen, im Falle einer erfolgreichen kommunistischen Revolution, diesmal das Instrument der herrschenden Partei sein um die ausgebeutete Klasse zu unterdrücken. Das kann nicht das Ziel der sozialistischen Bestrebungen sein und das ist der Grund warum sich Anarchisten immer wieder gegen die machtpolitischen Machenschaften der Kommunisten einsetzen werden.
Genauso werden nie die Kommunisten damit aufhören die Anarchisten als Feind zu sehen, da sie in ihnen eine Bedrohung ihrer Macht sehen und erbost sind über den Unwillen der Anarchisten sich dem kommunistischen Kurs anzupassen. Nach dem Ende des 3. Reichs wurde der Antibolschewismus der Anarchisten/Anarchosyndikalisten durch den Stalinismus noch verstärkt. "Nach 1945 hauptsächlich durch die Ausweitung des bolschewistischen Herrschaftsbereichs auf Osteuropa."

Bis heute haben sich die Konflikte zwischen Anarchisten und Kommunisten aufrechterhalten. Der Kommunismus kann durch seine autoritäre Haltung schwer zusammenarbeiten mit Menschen, die kritisch die Dinge hinterfragen und sich nicht auf einen Kurs bringen lassen wollen. Der Anarchismus wird durch seine einzigartige Radikalität in der Forderung nach Freiheit und Sozialismus immer im Konflikt stehen, mit denen, denen ihre eigene Macht wichtiger ist als die Befreiung der Menschen und die Schaffung einer selbstbestimmten und herrschaftsfreien Gesellschaft.

Literaturverzeichnis:
Barwieh, Franz: Die Irrlehre und Wissenschaftslosigkeit des Marxismus. Volkstümlich bearbeitet nach dem Buch gleichen Namens unseres Geistesfreundes Pierre Ramus, Wien. Ursprünglich im Verlag Fritz Kater, Berlin 1920 erschienen. Reprint: Hamburg-Altona 1990
Bock, Hans Manfred; Haug, Wolfgang; Regin, Cornelia: IWK Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - 25. Jahrgang, September 1989, Heft 3. Berlin 1989
Bock, Hans Manfred: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923. Darmstadt 1993
Brandt, F.: Syndikalismus und Kommunismus. Gedruckter Vortrag herausgegeben von der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund) August 1919
Degen, Hans Jürgen: Anarchismus in Deutschland 1945-1960 - Die Föderation Freiheitlicher Sozialisten. Ulm 2002
Guerin, Daniel: Anarchismus und Marxismus. Frankfurt 1975
Klan, Ulrich; Nelles, Dieter: "Es lebt noch eine Flamme" - Rheinische Anarcho-Syndikalisten/-innen in der Weimarer Republik und im Faschismus. Grafenau-Döffingen 1986
Krämer, Alfred: Die Partei der Utopisten. In: Westfälische Arbeiter Zeitung (WAZ) Nr. 108/10.6.1922
Theissen, R.; Walter, P.; Wilhelms, J.: Anarcho-Syndikalistischer Widerstand an Rhein und Ruhr - Zwölf Jahre hinter Stacheldraht und Gitter. Meppen 1980
Weberskirch, Klaus: Anarcho-Syndikalisten an der Wurm - ein fast vergessenes Kapitel der Geschichte des Aachener Raumes nach dem Ersten Weltkrieg. Aachen 1999
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