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Autor Beitrag
soyfer

Beiträge: 205

New PostErstellt: 25.01.06, 23:20     Betreff: Re: Anarchisten sind Demokraten!

    Zitat: Isquierda
    Hi Soyfer,

    was du über den politischen Anarchismus sagst, sehe ich auch so. Bis auf die winzige Anmerkung, das Kommunismus mE. weder klassenlos noch hierarchielos ist. Hier adaptieren Kommunisten Vorstellungen, die so nicht haltbar sind und auch utopisch: Anzunehmen, Kommunisten strebten die libertäre, basisdemokratische und antiautoritäre Strukturen an, kann nur eine Fehlannahme sein.
Zunächst einmal gleich mein Veto gegen das Wort "basisdemokratisch" als Beschreibung von Anarchie.
Zum Verhältnis zum Kommunismus: Man darf zwei Sachen nicht verwechseln: Kommunismus und Kommunisten. Wenn ich sage, dass Kommunismus und Anarchie nicht weit auseinanderliegen, so heißt das mit Nichten, dass nicht trotzdem Kommunisten und Anarchisten geradezu konträre Standpunkte vertreten. Es geht hier rein um die Theorie und rein von diesem Ansatz liegt Kommunismus von den anarchistischen Vorstellungen gar nicht so weit entfernt. Da aber Anarchisten nicht einfach nur des Scherzes wegen Anarchisten sind und eben nicht Kommunisten, so zeigt schon das, dass es angesehen vom Kommunismus ganz gravierende und fundamentale Differenzen gibt; wie du ja im Verlaufe meines Textes gesehen hast, sind mir diesen Differenzen durchaus bewusst. Aber der Kommunismus ist alleine für sich betrachtet schon durch seine Definition klassenlos und dass heißt hierarchielos. Was keinesfalls hierarchie- und klassenlos ist, ist die sozialistische Übergangsphase, die Diktatur des Proletariats und die widerspricht daher jedem anarchistischen Ansatz. Zudem ist meine These, dass die Kommunisten auf ihrem Weg niemals das kommunistische Ziel erreichen können, sondern allerspätestens in ihrem sozialistischen Umerziehungslager steckenbleiben.

    Zitat: Isquierda
    Das ist so der leibhaftige Individualanarchismus nach Stirner, wah? Den haste übrigens in deiner anfänglichen Auflistung vergessen und der ist eben doch wichtig, weil so weit verbreitet. Es geht einfach nicht ohne Gemeinschaft und das, was du zum "Ich" vs. "Über-ich" schreibst, liefe dann auf den "Almöhianarchismus" hinaus, nur dass es dafür eben keine einsamer bergspitze bedarf. Ich denke, so geht das nicht und es gitb auch keinen Widerspruch zwischen "Indiviuum" und "Gemeinschaft. Wenn ein Individuum es schafft, sich in die Gemeinschaft einzufügen, dieser dienlich zu sein und dennoch die individuellen Interessen zu erreichen, die der Gemeinschaft üblicherweise nicht entgegenstehen, so verfügt es über die größtmögliche Freiheit. Ich glaube auch nicht, dass die Demokratie als "Herrschaft über sich selbst" bezeichnet werden kann. Wo hast du denn das her? Und ja, es ist Unsinn - aber es trifft realpolitisch auch nicht zu.
Ich bin sowenig ein Stirnerianer, wie ich ein Kommunist bin. Oft verbirgt sich hinter ähnlichen Formulierungen eine gänzlich unterschiedliche Bedeutung. Aber zugegeben, ich sehe den Egoismus als etwas an, das in jedem Menschen gefördert und nicht unterdrückt werden muss. Denn ein Egoismus, der nicht in einer Konkurrenzgesellschaft ausgelebt wird, hat mit dem, was wir heute darunter verstehen, herzlich wenig gemeinsam. Heute verstehen wir darunter Rücksichtslosigkeit, über Leichen gehen. Was darunter vielmehr zu verstehen ist, zu sich selbst, zu seinen Wünschen und Hoffnungen stehen statt die das eigene selbst durch Erziehung sich abtrainieren lassen. Erst wird man in seinem Ich den gesellschaftlichen Zwängen und einer Leistungsgesellschaft unterworfen und dann wundert man sich, dass so viele Leute unter einem fehlenden „Selbstwertgefühl“ leiden. Dafür dürfen sich dann Heere von Psychologen mit Magersucht und Fressucht, mit sexuellen Verklemmungen und anderen Folgeerscheinungen des ständigen Leistungsdrucks beschäftigen.
In der ständigen Verleugnung des Ichs, dem geforderten Kniefall des Ich vor den Forderungen der Gemeinschaft sehe ich (nicht die einzige aber doch) eine wesentliche Ursache für den unmenschlichen Zustand der bisherigen Gesellschaften.

Aber: die unbedingte und uneingeschränkte Bejahung des Individuums bedeutet keinesfalls Kontaktlosigkeit und bedeutet keineswegs sozusagen "Gesellschaftslosigkeit". Es ist aber ein Unterschied, ob ohne oder nur mit meiner ganz eigenen Zustimmung ich zu gewissen Handlungen gebracht werden kann. Ich sehe z.B. keinerlei Schwierigkeiten unter freien, nichts als ihrem eigenen Willen unterworfenen Menschen eine funktionierende weltweite Verwaltung ohne Befehlsgewalten funktionstüchtig zu erhalten. Voraussetzung dazu ist selbstverständlich, dass die Menschen das in ihrer großen Masse wollen. Denn ohne die freiwillige Zustimmung jedes einzelnen läuft hier gar nichts.
Zum Begriff Almöhianarchismus - um es jetzt genauer auszuführen -. darunter verstehe ich die Idee, dass man schon im jetzt und hier Anarchismus leben kann, indem man sich aus der bestehenden hierarchischen Welt zurückzieht, um irgendwo, abgeschieden von anderen Menschen so autark wie möglich zu leben. Diese These halte ich für absurd, denn auch dort ist man den Zwängen der Gesellschaft unterworfen, weil ich irgendwas kaufen oder verkaufen muss. Zum zweiten kann es nicht mein Weg sein, dazu bin ich nicht Autist genug.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      Das Verfahren ist meist die sogenannte Mehrheitsentscheidung. Die Mehrheit beschließt und die Minderheit muss sich dem beugen.
    Dagegen ist an sich ja auch nichts ausszusetzen, oder? Wenn eben bestimmte Maßgaben und Kontrollmechanismen installiert sind: imperative Mandate, Minderheitenschutz und aktive Beteiligung, persönliche Haftung etc.
Diese Kontrollmechanismen sind Versuche, die Herrschaft erträglicher zu machen, sozusagen Herrschaft mit menschlichem Antlitz. Ich halte diesen Weg für nicht gangbar. Diese Darstellung kann nur stichpunktartig sein, denn es ist schon alleine ein unendlich langes Thema. Also ganz kurz: Worauf basiert unsere Kritik an den bestehenden Verhältnissen? Dass die menschlichen Gesellschaften so derart unmenschlich sind. Warum sind sie so unmenschlich? Weil Menschen oben in der Gesellschaft die Menschen unten in der Gesellschaft zu ihrem Vorteil ausnutzen können. Welches Prinzip steht dahinter? Dass der, der die Macht hat, sagt, wo es lang geht. Welches Prinzip kritisiert folglich der Anarchist an den bestehenden Gesellschaften? Die Macht. Was ist Macht? Der Zwang, den einer auf einen anderen ausübt. Dieser Macht muss man sich bei deinem Entwurf weiterhin bedienen, es bricht nicht radikal mit dem bisherigen System, es versucht lediglich Macht „kontrollierbar“ zu machen. Macht ist aber nicht kontrollierbar, denn die Macht kontrolliert. Der Mächtigste gewinnt und was auf der Strecke bleibt und bleiben muss ist wiederum der Mensch als Individuum. In dem Fall hätte man mit deinen Gesellschaftsentwurf vielleicht am Symptom Macht herumgedoktert, nicht die Macht als Wurzel des Übels ganz entfernt und sich so diesem Übel genauso überantwortet, wie es bisher immer der Fall war. Das wie gesagt, nur ganz kurz, als leise Gedankengangsahnung meiner Kritik.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      Das widerspricht der Anarchie vollkommen: die Anarchie ist die vollommene Bejahung und Respektierung des Individuums.
    Ist sie nicht! Und wie bitte willste unter solcher Voraussetzung eine funktionierende Gemeinschaft organisieren? Mal so ganz hypothetisch: Wie soll nach deinem Dafürhalten unter dieser Überhöhung des Individuellen eine Gesellschaft praktiziert werden? Wie trifft man Entscheidungen?
Bisher wird von oben (Staat und Wirtschaft) bestimmt was alles reglementiert wird (bis hin zu den Hobbyvereinen, mit komplizierten Satzungen und Vorständen etc.). Warum soll sich die Organisation nicht nach den Notwendigkeiten der Menschen richten? Also, was wahrscheinlich organisiert werden muss, ist die Produktion, Verkehr etc. nicht aber mehr jeder Pfurz. Und hier wird es wohl auf eine (vermutlich) dezentrale Planwirtschaft hinauslaufen. Jeder sagt, was er benötigt wo er hin muss und dann stellt man fest, wie man das benötigte herstellt oder wie transportiert wird. Zu diesen Arbeiten stehen einem aber in vielfältigster Weise Hilfsmittel, in Form von Maschinen usw., zur Verfügung, die zum Großteil menschliche Arbeitskraft ersetzen. Maschinen dienen nicht mehr wenigen, die davon profitieren, sondern allen Menschen in gleicher Weise, weil Arbeit nicht mehr dem Verdienen von Tauschmitteln dem Menschen aufgezwungen wird, sondern weil es ausschließlich der Herstellung von Waren um dieser Waren selbst geht. Das geht übrigens auch ohne „demokratische“ Strukturen in Fabriken und man kann sie auch ohne „Demokratie“ durch die ganze Welt transportieren, wenn das notwendig sein sollte. Man darf nicht vergessen, wir leben in einer Überfluss- und nicht einer Mangelwelt. Versorgung der Bevölkerung ist kein Problem der Produktion, sondern ausschließlich der Verteilung.
Und was für Entscheidungen müssen getroffen werden, die man nicht durch freiwillige Einigung auch zustandebrächte? Kurz und banal angewendet auf unsere heutige Gesellschaft: ist der Wille da, morgens Brötchen am Tisch zu haben, werden sich auch Leute finden, die diese in aller Frühe herstellen. Finden sich diese Leute nicht, so ist es ihnen auch nicht so wichtig. Die Menschen hätten sich in den Fall freiwillig entschieden, morgens keine Brötchen zu haben, da das Ausschlafen wichtiger ist. Braucht man keine Repressalien und keine Reglementierung.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      Es ist der Weg der vollkommenen Verwirklichung eines jeden Einzelnen, dessen Willen von keinem anderen und von keiner Gruppe von Anderen eingeschränkt werden kann, nur durch seinen eigenen Willen selbst.
    Das ist Poesie - keine Politik und schon überhaupt kein Gesellschaftsentwurf. Wenn also einer meint, er müsse jetzt mal flink, den Hund des Nachbarn essen, weil ihm danach ist und das Kind gerade irgendwo anders haust, dann darf er das: Weil es sein freier Wille ist und er Einschränkungen nicht zu läßt? Was ist überhaupt der "eigene" Wille? Wie grenzt du ihn gegen "fremde" ab?
Sehr abstruses Beispiel. Das Argument kenne ich aus anderer Ecke. Aber gehe ich mal genauer darauf ein. Zunächst: da es Erdteile gibt, in denen Hundefleische gegessen wird, akzeptiere ich das Beispiel „Hund essen“. Wenn ein Bedarf an Hundefleisch vorhanden ist (und durch den Wegfall der Reise- und Wohnbeschränkungen ist ja durchaus möglich, dass auch in Europa Chinatowns entstehen), dann wird es eine Hundehaltung für Schlachtung im größeren Stil geben (gibt es ja jetzt schon, nur spricht man nicht darüber). Warum sollte jemand aber ausgerechnet den Hund des Nachbarn essen wollen? Oder hast du schon mal den Wunsch verspürt, den Goldfisch eines Bekannten zu verschlingen?
Also: 1. Absurdität ist das Beispiel Hund. Entweder, weil es hierzulande eine eher unübliche Mahlzeit ist oder weil es - global gesehen - so selbstverständlich ist, wie das Schweinefleisch essen. 2. Absurdität ist ausgerechnet ein bestimmter Hund.
Bringst du den Hund des Nachbarn ins Spiel, so nicht des Essens wegen. Vielmehr ist von einem Hass auf den Nachbarn auszugehen. Aber damit führst du Beispiele anhand von Zwängen an, in denen wir heute in den unfreien Gesellschaften leben und fragst, wie man in einer Gesellschaft damit umgeht, in der es diesen angestauten Hass nicht so geben muss. Denn stehen sich zwei Nachbarn nicht aus, gehen sie sich aus dem Weg, notfalls durch Umzug. Heute ist das komplizierter, weil selber Arbeitsplatz, oder im Haus steckt viel Geld, das man nicht verschenken will, sich es teilweise auch nicht leisten kann oder in denen man durch ständiges Buckeln vor Chef und Staat im Nachbarn die Gelegenheit sieht, seinen ganzen Frust abzuladen. Familienkrach und Nachbarschaftskriege sind häufig nur Stellvertreterkriege für all das, was man eigentlich dem Vorarbeiter oder sonstigen hochgestellten Personen ins Gesicht schreien will, aber nicht darf, weil Abhängigkeiten bestehen. Und jetzt soll ich dir erklären, wie diese Menschen einer unfreien Gesellschaft ihre Konflikte gewaltfrei lösen sollen? Gewalt erzeugt Gewalt. Daher geht es mir darum, die Erzeugung von Gewalt zu stoppen, um keine Nachbarn zu haben, die meinen (nicht vorhandenen) Hund essen wollen.
Zur Abgrenzung des eigenen von anderen Willen, so will ich hier nur auf Rosa Luxemburg verweisen: die Freiheit des Einen hört da auf, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Und Freiheit ist immer die des Andersdenkenden.
Und komme mir jetzt nicht wieder mit den Wunschphantasien, die einem in der eigenen Unterdrücktheit entspringen. Wenn es eine sinnvolle Diskussion darüber geben kann, dann die, wie man den Teufelskreislauf der Gewaltausübung stoppt, ohne dadurch (Gegen-?)Gewalt zu erzeugen.

    Zitat: Isquierda
    Die Demokratie - so wie wir sie kennen - ist die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit. Aber eben nur, weil sie eben so gründlich mißverstanden und mißbraucht wird: Ansonsten ist an einer Volksherrschaft (und nichts anderes ist Basisdemokratie) nichts auszusetzen, wenn eben bestimmte Bedinungen erfüllt sind, die die "Herrschaft" (im Sinne von Entscheidungsbefugnis und Mitbestimmung) des Volkes garantieren.
Dazu habe ich schon was gesagt. Nur soviel. Selbstverständlich ist Basisdemokratie eine Form der Demokratie und daher mit einem libertären Ansatz unvereinbar. Das Wort wird aber – auch von mir – ab und zu als Krücke verwendet, bestimmte Aspekte davon auszudrücken.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      "...genauso wie die Idee des Absolutismus, so vollkommen der Idee der Anarchie. "
    Wie bitte? Die Idee des Absolutismus ist vollkommen? Sie ist lediglich nur unanfechtbar, wenn einmal installiert: Ansonsten ist sie wohl alles andere als vollkommen. Oder war das jetzt ein scherz?
Nun, da scheinst du was ganz mächtig missverstanden zu haben: Hier nochmals mein Satz in voller Länge:
Daher widerspricht die Idee der Demokratie, die allgemein die Idee der Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit ist, genauso wie die Idee des Absolutismus, so vollkommen der Idee der Anarchie.
Kurz der Inhalt war bezüglich Absolutismus: Daher widerspricht (…) die Idee des Absolutismus so vollkommen der Idee der Anarchie. Nicht der Absolutismus ist vollkommen, sondern der Widerspruch.

    Zitat: Isquierda
    "herrschen" benutzt du in welchem Sinne? Entscheiden, Macht ausüben, repression? Definiere bitte den begriff "Herrschen"!
Was immer du willst. Anderen Menschen gegen deren Willen deinen Willen aufzwingen.

    Zitat: Isquierda
    Soyfer, dann hätten wir definitiv schon eine Anarchie, denn die BRD ist bereits klassenlos und angeblich sind wir auch alle frei. "Klasse" ist so ein alter, völlig überholter Prollkampfbegriff, der überhaupt nicht mehr haltbar, geschweige denn nachvollziehbar ist: welche Klassen gibt es denn nach deinem Dafürhalten aktuell, die überwunden werden müssten?
1. Widerspreche ich dir vollkommen. Die Aufhebung der Klassen ist ein Propagandatrick der herrschenden Klasse, indem sie die Grenzen verwischt, damit der Knecht denkt, er sei Herr und der Herr sich unter den Knechten verstecken kann. Beispiel Mercedes (ich glaube zumindest): jeden Arbeiter wird angeboten, eine Aktie des Unternehmens billiger zu kaufen. Damit ist der Arbeiter Mitbesitzer von Mercedes. Hingegen ist der Vorstandschef nur ein Angestellter. Ist nun der Arbeiter Chef des Vorstandchefs? Einwand: auch der Vorstandschef besitzt Aktien. Stehen dann etwa beide zumindest auf einer Stufe, alle Chef und alle Knecht? Die nächste Kündigungswelle wird da wohl Klarheit schaffen.
Wir haben eine Klassengesellschaft, nur ist die Aufweichung der Begriffe als Teil des Klassenkampfes zu verstehen.
2. Ganz generell: das hängt davon ab, wie man klassenlose Gesellschaft bei Marx (denn um seine Begrifflichkeiten geht es) verstehen kann. Bei ihm gibt es eine Gesellschaftsabfolge: Naturgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Ständegesellschaft, Klassengesellschaft, Sozialismus, klassenlose Gesellschaft. Nach deiner Interpretation würde bei Marx nun eigentlich die ganze Zeit eine klassenlose Gesellschaft herrschen, außer in der kurzen Phase der Klassengesellschaft, weil eine Ständegesellschaft in Stände geteilt ist, ergo nicht in Klassen und ergo klassenlos ist (aber nicht ständelos). Oder die Sklavenhaltergesellschaft teilt sich in Sklaven und Freie, nicht aber Klassen, daher klassenlos. Ich denke mal, das kann man nicht einmal mit Zudrücken beider Augen als eine in irgendeiner Form gangbare Auslegung von Marx anerkennen. Was, nach dem Naturzustand, alle Gesellschaften bis hin zum Sozialismus verbindet, ist die Hierarchie, Frei oben, Sklave unten, Adel und Klerus oben, Bürger und Bauer untern, Besitzer der Produktionsmittel oben, Besitzloser an Produktionsmitteln unten. Und klassenlos kann daher nur heißen: kein oben und kein unten, also schlicht hierarchielos.
Zur Frage, welche Klassen überwunden werden müssen, frage ich zurück, wenn nicht das, was muss denn überwunden werden, oder warum bist du mit dem Bestehenden nicht zufrieden, was ist Harz IV anderes als Klassenkampf? Doch nicht eine Aktion, „stürm den Computer des noch Geld verdienenden Freundes“.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      "Ich kann als Individuum letztlich nur festlegen, wie ich mir das vorstelle, dass ich mit meinen Wünschen und Vorstellungen darin Platz habe.
    Worin?


In der Gesellschaft in der ich leben möchte und wofür ich politisch aktiv bin.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      "Dies kann ich mit anderen Anarchisten diskutieren und wir können uns in unseren Vorstellungen koordinieren.
    Warum sollte man das tun? Ich glaube ganz ernsthaft, das deine konsequente Negation der "Gemeinschaft", in der ein solches Individuum leben wird und soll (auch begrifflich), aus der Annahme herrührt, die Gemeinschaft würde was anderes wollen als du, im Sinne vom Individuum. Davon gehe ich aber nicht aus.
Ich negiere keinesfalls die Gemeinschaft, aber die Gemeinschaft der gesellschaftserzeugten Zwänge. Wenn ich mit anderen rede und mich koordiniere (oder Däumchen drehe), dann IST das eine Gemeinschaft, in der aber jedes Individuum selbst bestimmt, wie sehr es sich einbringt. Diese Gemeinschaft ist daher kein Über-Ich, weil sie nicht über dem ich steht. Mein nein ist in einer Frage unumstößlich, erstreckt sich aber andererseits auch nur auf mich.
Jede andere Gemeinschaft, wo ich qua Mehrheitsbeschluss zu etwas gezwungen werden kann, bildet ein Über-Ich und das entwickelt eigene Interessen. Denn die Gemeinschaftsinteressen sind weder die Summe noch der Durchschnitt aller Individualinteressen. Es ist eine eigene Größe.


    Zitat: Isquierda
    Uneingeschränkte Zustimmung. Allerdings halte ich die Idee des Individualanrarchismus für wenig zielführend. Vor Vereinzelung haben die Menschen jetzt schon Ansgt. Kannst du dir vorstellen, wie furchteinflößend, die Idee sein muß: Seinen eigenen Willen ohne und gegen andere durchsetzen zu müssen? Damit gewinnt man derzeit ganz sicher keine Freunde.
Wie schon gesagt, das hat mit Vereinzelung und Individualanarchismus nichts zu tun. Wer will, klar, der darf, aber keiner muss das wollen. Und Durchsetzen muss man immer etwas gegen einen Widerstand. Dieser Widerstand ist in der Anarchie der Wille eines anderen oder es ist der eigene Wille. Dieser Widerstand ist aber keinesfalls eine gesellschaftliche Norm.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      "Dabei ist das entscheidende, dass diese Wünsche usw., die von der jetzigen Not- und Elendsgesellschaft, von Arbeitszwang und Werbegehirnwäschen (und wievielen anerzogenen und selbstgeglaubten Barrieren) übertüncht sind, wieder zu Vorschein kommen.
    Sehr schön! Nur, wie soll das gehen? hast du da eine konkrete Idee?
    (Ein Werbefeldzug für Anarchie, statt Jacobs Krönung...*gg*?)
Tja, wenn ich eine Universallösung hätte, wären wir wohl schon in der Anarchie. Aber im Ernst, es geht nur über Überzeugung, über eine Politisierung der Gesellschat(en). Und ein Werbefeldzug wäre da was. Jede Woche Infotische usw. Natürlich, das ist eine ziemliche Plackerei und es fehlt Geld, es fehlen Leute und es herrscht der reinste Mangel an allem. Aber mehr oder weniger, das ist der Weg, Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen schaffen. Und da hat Schröder großartiges geleistet. Nur schade, dass dies Potenzial von dumm-kleingeistigen Politischeingrößen einfach wieder verspielt wird. Es geht auch letztlich nicht darum, wer jetzt eine linke politische Kraft anführt, es geht darum, dass das Potenzial der Unzufriedenheit, das Potenzial der Politisierung vertieft und ausgebaut wird, statt es versinken zu lassen.
Also, der Weg heißt schlicht und einfach Politisierung.

    Zitat: Isquierda
    Ich glaube hingegen, dass so einige das hiesige System richtig gut finden. Denn zumindest, sie daran partizipieren können und noch die Hoffnung haben, sich in irgendeiner Weise an den beträchtlichen Vorteilen beteiligen zu können, werden auch eher die Gegner masakriert, als sich selbst auf eine ungünstige Postiion des gesellschaftlichen und politischen Außenseiters zu hieven - Anarchisten sidn Außenseiter. Üblich und erfolgreich ist der stinknormale Kleinbürger - so ein klein wenig faschistoid, etwas reaktionär, sexistisch und lenkbar, angeblich hochmoralisch und nebenbei noch reichlich widersprüchlich und der findet es gut, einen Job zu haben, sich kaputt zu arbeiten, nicht gefragt zu werden und sein recht auf Selbstbestimmung mündet in der Wahl der angesagtesten Fitneß-Margarine. Machen wir uns nichts vor: die meisten wollen das so. Nur wie (und wir sind nicht viele) nehmen zumindest gedanklich in Kauf, uns verändern zu wollen. Die Frage ist nur: warum denken Anarchisten so?
Die Beschreibung stimmt. Nun fehlt zunehmend die Arbeit. Und diese gab ihm das Geld, mit dem er seinem Kleinbürgergehabe nachhängen konnte. Und damit setzt die Unzufriedenheit ein. Und diese gilt es zu nutzen.
Warum der Weg der Überzeugung? Weil es keinen anderen gibt.

    Zitat: Isquierda
    "Das Sein bestimmt das Bewußtsein" ist einer der am häufigsten Fehlgedeuteten Sätze: Er ist überhaupt nicht individuell zu benutzen, sondern stellt lediglich die Entstehung des Klassenbewußtsein dar. Für eine indivudelle Anwendung ist er denkbar undgeeignet, weil zutiefst esoterisch und überhaupt nicht haltbar: es ist absoluter Nonsens.
Verallgemeinerungen sind nie individuell zu nutzen. Aber zur Erklärung gesellschaftlicher Phänomene sind Verallgemeinerungen durchaus brauchbar und auch notwendig. Und dass dieser Satz von Anarchisten verwendet wird, habe ich nicht gesagt. Ich habe zwar irrtümlich von der Verwendung „durch den Kommunismus“ und nicht, wie es treffender gewesen wäre, „durch Kommunisten“ gesprochen. Aber aus meiner Erklärung müsste deutlich geworden sein, dass das daraus resultierende Misstrauen der Idee des Kommunismus am Menschen der Beginn des Endes ihrer eigenen Idee ist.

    Zitat: Isquierda
    Definiere mal bitte den Begriff "Freiheit"!
Des Denken: Wenn das Denken keinen dogmatischen sich selbst behindernden Schranken unterworfen ist.
Des Körpers: Wenn die Verwirklichung des Denkens (im Sinne des Wollens) im Rahmen der physischen Möglichkeiten nicht durch etwas anderes gehindert wird, als durch den eigenen Willen oder die Freiheit des anderen.
Wenn man jetzt noch versucht, diese Schnellschussdefinition nicht nach Punkt und Komma zu lesen, sondern entsprechend ihrem Sinn, so denke ich, ist verständlich, was ich meine.

    Zitat: Isquierda
    Der alte Fritz war aber ganz sicher kein Anarchist und auch das mit der Facon funktioniert so nicht: Warum sollte man seelig werden wollen?
Nun, ein Zitatchen in Ehren (auch ein sinnentstelltes) kann niemand verwehren.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      "Wenn also einige Menschen partout den Sozialismus wollen, so gibt es aus anarchistischer Sicht damit kein Problem, wenn - und das ist eine conditio sine qua non - allen, die schon jetzt frei leben wollen, dies ohne jede Einschränkung, weder räumlicher, ideologischer oder zeitlicher Natur, ermöglicht wird.
    Mit dem winzigen und liebgemeinten Hinweis, dass die Sozialisen die Anarchos nicht in Ruhe lassen werden: Anarchie ist einfach besser und der machthungrige Parteisoldat mit der roten nelke im Knopfloch wir wenig Toleranz zeigen, wenn ihm seine Schäfchen abhanden kommen, um plötzliche schwarze Fähnlein zu schwenken.
Ganz genauso wollte ich es verstanden wissen. Die Probleme mit den Befürwortern anderer Gesellschaftsideen gehen nicht von Anarchisten aus.

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      "Was also Kommunisten und Anarchisten unterscheidet ist nicht das Ziel, der Kommunismus, es ist die Übergangsphase, der Sozialismus."
    Nö, machen wir eben ganz anders: Kapitalismus, Sozialismus, kommunismus, Anarchismus....Was? Wollen wir nur hoffen, dass die Minderheiten dann kampfbereit sind und sich auch gegen die Mächtigen durchsetzen können: egal, welcher ideologie sie gerade angehören.
    *gg*
Nun, wenn du irgendwas durchsetzen willst, dann wird es um lauter politisierte Menschen nicht umhin können, die genau, aber allergenaustens wissen werden, was das alles bedeutet. Denn sonst haben wir wieder unsere „Anführer“, sozusagen den „großen Anarchen“, der führt und erklärt. Und was davon zu halten ist, das hat bjk schon angedeutet.

    Zitat: Isquierda
    Klassenlos - wie nett: Wie gesagt, es gibt keine Klassen mehr. Wir können uns die ideologischen zwischenstopps und Hemmnisse also sparen.
Und wie auch schon gesagt, da fällst du auf den Schmäh des Klassenkampfes von oben herein. Denn der liebste Gegner ist einem immer der, der nicht merkt, dass gekämpft wird.


[editiert: 25.01.06, 23:46 von soyfer]
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