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Isquierda

Beiträge: 279

New PostErstellt: 27.01.06, 10:54     Betreff: Re: Anarchisten sind Demokraten!

Hi soyfer,

hm, kurz angerissen: ich sehe keinen großen unterschied zwischen Kindererziehung und Erwachsenenreglementierung. Beides betrifft den Umgang der Menschen untereinander. Nur die Körperhöhe der Delinquenten variiert. Ideal ist es wohl in beiden Fällen, moralisch, ethisch und legitim zu handeln. Nur praktisch wird eben so nicht verfahren. Und das, was wir über praktische Kindererziehung in diesem Land wissen, ist ebenso wenig sinnvoll, wie die erlebte Erwachsenenrepression. Dennoch ist heutzutage und innerhalb dieses Systems weitgehend anerkannt (Blättere mal einschlägige Erziehungsratgeber durch), dass Kinder zBsp. nicht eingesperrt werden dürfen, nicht verhungern sollen und auch nicht bestraft, gefoltert und versklavt werden dürfen. Man schickt sie auch in keinen krieg. – nur mit Erwachsenen ist das hier anders. Da gelten wohl andere Maßstäbe. Es wäre doch nicht schlecht, wenn das, was hier zur Kindererziehung propagiert würde (egal, ob weitgehend so praktiziert oder nicht) auch für die Großen gilte, oder? Stubenarrest ist Tabu! Prügeln auch! Es wäre zumindest eine Verbesserung der Situation. Ich weiß, dass ich dabei von einem Ideal ausgehe: Antiautoriäter, libertärer, gleichberechtigter und pädagogisch wertvoller legitimer Umgang miteinander, so etwas dann bitte für alle– aber ich bin eben Idealist.
Aber das führt hier in der Tat zu weit. Sicher werden Kinder darauf gedrillt, zu funktionieren: sie stehen in Schlangen an, um ihre Schulspeisung zu bekommen, die sich nicht alle leisten können. Arbeitslosenkinder dürfen nicht ganztags in der Kindergarten und und und...aber weißte, für meine (ich hab zwei: 10 und 3 Jahre alt) kann ich sagen, dass zumindest die Große Tag für Tag den selben Spagat übt wie ich: Im Wissen, dass es nicht gut ist, trotzdem mitzumachen. Wenn ich sie so groß bekomme wie ich es für richtig halte, dann halten wir alle eine Menge Kopfschütteln und Kritik der Umgebung aus, aber wir sind zufrieden. So gern ich das Thema abstrahieren würde, ich kann es so schlecht: Immerhin bin ich eine Frau und ich finde, es ziemlich doof, über Kinder zu reden, aber ich stecke eben drin und es ist auch als Beispiel relevant (manchmal zu sehr): Das ganze Bildungssystem ist in der tat darauf ausgerichtet, aus Kindern Arbeitnehmer zu machen, die sich dann wirklich zahm und geduldig verdreschen lassen. Aber es gelingt eben nicht immer. Wie man ja an uns sieht. Ich weiß auch, woran das liegt: wenn Freiheit zu Hause erlaubt ist, dann wird die Unfreiheit in der gesellschaft als Schmach empfunden und mutmaßlich zumindest kritisiert. Meine beiden Mäuse sind jedenfalls auf dem besten Wege, sich offiziell großartig als wenig auffällig einzuordnen (wie ich) - auch eine Art inszenierter Autismus - aber im privaten Rahmen sehr wohl die Kritikpunkte zur Sprache zu bringen, auch danach zu handeln, soweit möglich: Märtyrer sind wir aber bisweilen nicht. Wir zum Beispiel haben doch auch all das „genießen“ dürfen, wie man so mit den kleinen Bürgern umgeht, um aus ihnen Kleinbürger zu machen – aber es nützte nichts. Siehste!

Ja, den Kommunismus lassen wir mal weg: Da sind wir uns in der tat absolut einig. Zumindest wir beide sind ganz sicher keine Kommunisten und wollen auch keine sein.

Zur Hierarchie: ich bleibe dabei, es ist nur eine Organisationsstruktur, die ein „oben“ und „unten“ nur als Strukturmerkmal aufzeigt, nicht zwingend als Machtfluß. Am Beispiel eines Verzeichnisbaums der festplatte, ließe sich das erklären: Oben steht Laufwerk C, dann folgen die untergeordneten Dateien. Nun übt Laufwerk C aber keinesfalls Macht über die Dateien aus, sondern gilt lediglich als Ordnungsmerkmal. Ich hab aber mal gewikipediat, um eine gut formulierte Definition zu finden, die dir vielleicht deutlich macht, was ich meine:

„Hierarchie
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Als Hierarchie ([hirarˈçiː] oder [hi̯erarˈçiː]) (griechisch ιεραρχία, ein Kompositum aus ιερή, hieré - "heilige" und αρχή, "arché" - Herrschaft, Ordnung, Prinzip) bezeichnet ein System von Elementen, die einander über- bzw. untergeordnet sind. Im engeren Sinne (Monohierarchie oder Baumstruktur) ist dabei jedem Element höchstens ein anderes Element unmittelbar übergeordnet, während bei einer Polyhierarchie auch mehrere übergerordnete Elemente möglich sind. Mathematisch betrachtet bedarf eine Hierarchie einer Ordnungsrelation, die einen Baum (Monohierarchie) oder gerichteten azyklischen Graphen (Polyhierarchie) definiert.
Die Einteilung (Klassifizierung) oder Einordnung (Klassierung) von Objekten in eine Hierarchie impliziert häufig eine Wertigkeit, die sich bereits in der Rangordnung, nach der die Objekte geordnet werden, enthalten ist. Deshalb werden Hierarchien häufig als Mittel zur Ausübung von Herrschaft kritisiert. Grundsätzlich sind sie allerdings einfacher zu erfassen als komplexe Netzwerkstrukturen.

Eine Hierarchie, im Sinne von netzwerkstruktur, ist für mich also erst mal nichts schlimmes, sondern lediglich ein Strukturprinzip, dass so rein überhaupt nichts über Machtverhältnisse und Zwänge aussagt. Eine Familie ist eine Mini-Hierarchie, was aber wiederum nicht heißt, dass es dort autoritär oder repressiv zu gehen muß.
Darum verstehe ich auch nicht, warum „hierarchielosigkeit“ irgendeinen anarchistischen Fortschritt bringen soll: Anarchie braucht Ordnung, Netzwerk – sie braucht eben nur keine Macht und Ohnmacht, keinen Zwang und keine Repression. Dies zu verhindern gelingt aber nur in einer gewissen Ordnung, in einer Struktur. Diese muss dann eben nur so gestaltet sein, dass es zu keiner MACHTkonzentration oder zum Machtmissbrauch kommt. Fehlen die Möglichkeiten, sich über andere zu setzen und macht auszuüben, dann ist es auch egal, ob jemand das will oder nicht: Er kann es eben einfach nicht. So ganz nebenbei braucht so auch keiner umerzogen zu werden. Hierarchie bedeutet also „oben“ und „unten“, wenn man diese Darstellungsform wählt, aber sie bedeutet nicht zwangsläufig, dass „oben“ macht gegen „unten“ ausübt. Es ginge genau so, wenn „unten“ das „oben“ beauftragt, dies und das zu erledigen oder im Sinne von „unten“ zu handeln, Theoretisch ist es ja heute auch so, wie „unten“ entscheiden, wer „oben“ reagiert. Nur, dass wir heute eben nur entscheiden, WER „oben“ reagiert und nicht wie. Wenn jetzt sichergestellt würde, dass die „oben“ nur das tun, was die „unten“ sagen (imperative Mandate, persönliche Haftung), dann gäbe es auch kein Machtgefälle, und es wird auch sichergestellt, dass die „unten“ mit den getroffenen Entscheidung zufrieden sind, denn es sind ja ihre. Was wiederum Repression überflüssig macht: In der Regel braucht man nicht gezwungen werden, seine eigenen Entscheidungen zu akzeptieren. Es braucht auch keine Repression, seine eigenen Überlegungen hinzunehmen.
(ich wohne übrigens im 5. Stock und das befähigt mich keineswegs, Macht gegen meine Untermieter auszuüben!)

Kurzum: Ob die Macht (im Sinne von partieller Entscheidungshoheit) Besitz ergreift oder nicht, ist völlig egal, man kann sie einfach nicht ausleben.

„Mit „Recht“ kann man Macht nicht bändigen, weil das Recht nur so lange existent ist, wie es die Macht hat, sich zu halten.“

Recht ist Macht: Bisher wollten alle regierenden ihre Machtvorstellungen von Ceasar bis Merkel auch legitimieren, sie schufen sich Gesetze oder griffen auf machterhaltende Rechtsformen zurück. Diese sorgten dafür, dass die macht auch gegen Widerstand verteidigt werden konnte. Das liegt aber einzig daran, dass Widerstand zu erwarten war – da eben Gewalt solchen zwangsläufig hervorruft. Wird jetzt aber das 2Recht“ installiert, niemand darf Macht ausüben, haben, schützen oder sie verteidigen, dann ist das nur konsequent: es ist die letztendliche und logische Schlussfolgerung aus der Akzeptanz des freien Willens: „Och NÖ, heute will ich nicht unterdrückt werden. „ Der „Mächtige“ aus deinem Beispiel (eigentlich nur der physisch Stärkere), jener, der mir was auf die Nase hauen will, um mir was wegzunehmen (ich meine, er kann ja auch lieb bitten, mir erklären, warum und ich überleg mir dann, ob ich was abgeben kann oder nicht), der wird dies nur einmal tun, weil ich dann meine Leute hole und die erklären ihm ganz locker flockig, dass das so nicht geht und er das augenblicklich zurückzugeben hat. Also, wenn er viel größer ist und ich mich absolut nicht durchsetzen kann, was schon nur für 2,10 m große und 180 kilo schwere Lulatsche zutreffen wird. Es gibt immer jemanden der noch größer als der ist – und den strahle ich dann an und jammere...*g*. nein, im Ernst, mit solchen Horrorszenieren argumentiere ich nicht gern: warum soll jemand kommen, mir auf die Nase hauen und mir was wegnehmen. Ich bin doch nett und meine Nase ist sehr niedlich. Außerdem kann er ja fragen und bei gerechter Güterverteilung wird Gewalt zum Erwerb eher zweitrangig werden. Unsere aktuellen Horrorvorstellungen: Gewalt, Machtmißbrauch und Repression gilt auch nur für aktuelle verhältnisse und unter akluellem druck: Normalerweiwese leben Menschen nicht so miteinander, sondern sie koexistieren. Nur, wenn es um Macht gegen andere geht, ticken von zeit zu zeit welche aus – aber das tun sie eben auch nur, weil sie die Möglichkeit haben, Macht effektiv auszuüben. Das gilt es zu verhindern: Macht gegen andere einzusetzen, ist ein ahndenswertes Vergehen. Kein moralisches Gütesiegel, wie es heutzutage gern gehandhabt wird. Wer heute macht missbraucht, macht Karriere – nach meinem Denkgebäude wäre sie somit beendet und der delinquent müsste sich ernsthaft Sorgen um seine Reputation machen.

Was das Problem der bisherigen historischen und logischen Machtkonstellation ist (die du übrigens wunderbar beschrieben hast: so ist es!): Dass die Strukturen immer von denen erdacht und ausgeführt wurden, die Macht auch missbrauchen und ausführen wollten. Also würden sie wohl den Teufel, sich selbst das Machtgefälle zu nehmen: es ging um die Entscheidungshoheit und darum, diese auch gegen Widerstand zu sichern. Anarchisten sind nicht so, sie entsagen der Macht – so denke ich.

Zum Klassenkampf: Stimmt, die Produktionsmittelbesitzer haben ein Klassenbewusstsein. Und die NichtPMB adaptieren genau jenes gern für sich, ohne wirklich dazu zugehören. „Klassendreschen“: genau!

Nun, die Linkspartei verfügt auch nicht über sonderlichen Rückhalt in der Bevölkerung. Sicher bei ihren Wählern ja, aber im großen und Ganzen wirft man der Linkspartei Sektierertum und verklärten Reader-Digest-Marxismus vor. Ich sehe die Gefahr, dass gerade durch Änderung des Vokabulars, der Bürgerkontakt verloren gehen könnte. Dabei ist mir völlig klar, dass es ungeheuer schwer ist, seine politische Bildung auf Edeka-niveau zurückzustufen, um sich verständlich zu machen, aber ich glaube auch, nur so geht es. Bestimmte Schlagwörter sollten da einfach verschwinden und dazu gehört Klassenkampf. Der Mitarbeiter oder Arbeitslose, der mit gutem grund, stocksauer auf seinen Chef und Vorgesetzten ist, der wird sich dabei keineswegs als Klassenkämpfer fühlen und auch so aufgefordert, eher mit den Achselzucken, aber vielleicht wird er seine Wut kanalisieren, wenn man ihm erklärt, er sei berechtigt, frustriert zu sein. Andere sind es auch. Und was man tun kann...etc.: Die direkte Aktion, kein theoretisches und politintellektuelles Sektierertum.

Das mit dem Ego überfordert mich jetzt. Ich hätte da wieder einen hochinteressanten Link:

http://www.kritische-psychologie.de/texte/tg2000a.html
Thomas Gerlach (2000):
Denkgifte. Psychologischer Gehalt neoliberaler Wirtschaftstheorie und gesellschaftspolitischer Diskurse

Auszug als Leseanreiz:
„Auf der Seite der gesellschaftlichen Subjekte steht dem eine verunsicherte, aber passive Öffentlichkeit gegenüber. Trotz Krise und Perspektivlosigkeit regt sich kaum Widerstand gegen die Brutalität zeitgenössischer Politikprojekte. Deren Durchsetzung ging ein schleichender, wenngleich keineswegs zufälliger Bewusstseinswandel voraus, ein "die Gesellschaft durchziehender Resignationsprozess (...). Es mutet schon gespenstisch an, wie es der radikale Neoliberalismus fertigbringt, seine Prinzipien in den Seelen zu verankern, so dass viele seiner Opfer selbst dann noch für ein Wirtschaftswachstum mitfiebern, wenn dessen Gewinne zu ihren Lasten nur einer Wohlstandsschicht zufließen. (...) Die Benachteiligten fühlen sich mitverantwortlich, das von oben bewirkte Auseinanderbrechen der Gesellschaft zu verschleiern, indem sie die steigenden Unternehmensgewinne und die explodierenden Dividenden, von denen für sie nichts abfällt, in einer selbstentfremdenden Identifizierung mit den Mächtigen hinnehmen"

Fast ist es mir peinlich, mit Links hausieren zu gehen, aber es ist viel einfacher, auf fremde Arbeiten zurückzugreifen, als diese zusammenfassen und interpretieren zu müssen: schlimmstenfalls noch falsch. Darum hoffe ich einfach, dass du aus dem material das erkennst, was ich erkannt habe: seitdem dem „Solidarität ein Schimpfwort und Karrierehemmnis ist, mangelt es auch an Empatie. Man weiß einfach nicht mehr, mit wem man solidarisch zu sein hat und erkennt die eigene Position nicht. Wenn erklärt wird, ich sei deutschland und ergo auch wie Günter jauch, dann bin ich ein Arsch und habe keinen Grund zu meckern. „Selbstentfremdung“ ist das Stichwort. Es ist ja mittlerweile schon so, dass Begriffe wie „Armutsgrenze“ bestritten werden und durch entzückende Euphemismen ersetzt: „Wohlstandsgefälle“ und sei natürlich relativ. Etc., nur um weiterhin verleugnen zu können, dass es Armut gibt, in einem Land, das lt. Statistik 104.000,- Euro Pro Kopf gespart haben soll. Du wirst auf wirklich arme Menschen treffen, die unter Armutsgrenze leben, die dir im vollen Bewußtsein erklären, sie dürfen aber nicht jammern, da es denen in Afrika noch viel schlechter gehe und eigentlich hätten sie ja noch genug.....Sowas macht mich einfach nur fertig.

Es findet so ´ne Art Antiaufklärung statt, Rekonstruktion der intellektuellen Entwicklung auf vorlogische Zeiten oder so was. Wenn ich zum beispiel lese, die Lohnnebenkosten müssen sinken, damit es arbeitsplätze gibt, dann frage ich Lohn“neben“kosten? und was hat das mit den Arbeitsplätzen zu tun. Welche Folgen hat so eine Senkung denn noch, außer den angenommenen Arbeitsplätzen und sind diese vertretbar? Die Erklärungen sind dann nicht nachvollziehbar und die Fakten weisen was anderes aus – darum halte ich es für ein Märchen, aber ich habe eben auch gelernt, methodisch zu denken. Nur stelle ich fest, dass eben doch so viele an solche Märchen glauben, ohne sie überprüft zu haben und auch Erklärungen werden da nicht angenommen. Das folgerichtige Denken geht wohl einigen einfach ab. Es nimmt schon fast religiöse Ausmaße an, mit denen meist sogar Betroffene, die Erfolgsmärchen der Nutznießer für sich adaptieren und sie gegen ihren eigenen Nachteil verteidigen. Das macht mir dann schon ein wenig Angst.
Sicher bin ich kein hochbegabter Überflieger, der die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, aber ich trau mich, nach dem WARUM zu fragen und auf eine Antwort zu warten und ich suche ständig nach Antworten.


Liebe Grüße

Ines

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