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Autor Beitrag
soyfer

Beiträge: 205

New PostErstellt: 30.01.06, 22:17     Betreff: Re: Anarchie - Was ist das?

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      Wenn der Wille einer Person nicht die Meinung der Mehrheit oder des kurzfristig oben Stehenden repräsentiert, er aber auf diese andere Meinung verpflichtet werden soll, so spielen die juristischen Spritzfindigkeiten, warum einem da was gegen seinen Willen aufgezwungen werden soll, für ihn keine Rolle.
    Richtig, wenn die Meinung des Einzelnen nicht im Einklang mit der endgültigen Entscheidung steht. Darum gibt es Konsensentscheidungen, die sicher stellen, dass jede Meinung berücksichtigt wird. Das sich dies kompliziert und utopisch anhört, ist mir klar, aber es ist eben machbar - ausschlaggebend hierfür ist die Kompromißbereitschaft. Am beispiel erklärt: Weil wir (meint einen bestimmten Kreis) alle gleich stimmberechtigt sind, kam es zum T-Shirt-kompromiß. Es wurde ein Logo entworfen und samt sinnigem Text sollten Soli-Shirts bedruckt werden. Der Satz aber rief Unstimmigkeiten hervor ("ja, kommt das Komma da nun hin oder nicht?") Manche fanden es albern, auf so bürgerliche Attribute wie Grammatik Wert zu legen, andere (ich!) wiederum nicht. Kurzum wurde ein Kompromiß gefunden, mit dem alle einverstanden waren. Das Komma wurde durch einen Stern ersetzt - so dass es optisch zur Einhaltung der grammatik kam, ohne dabei spießbürgerlich zu wirken (was argumente der kommagegner war) Die kriterien für die Zustimmung standen fest und niemand hatte mehr einen Grund, nicht mit der gefundenen Lösung einverstanden zu sein: Alle waren glücklich. An solchen Situationen scheiden sich die geister. Hätte es nicht diesen Kompromiß gegeben, wäre ich ausgetreten, hätte Veto eingelegt, hätte Druck ausgeübt werden müssen...aber wir sind nett.

    :-))
Ist das nicht eine Art Schleuderstitzdefinition? Wenn wir einen Kompromiss finden, super, wenn nicht, trete ich halt aus, lege Veto ein oder es muss Druck ausgeübt werden8auf dich oder die anderen?)! Und, wenn du an deine Gesellschaftsstruktur denkst, wie sieht das da aus? Kein Kompromiss möglich, dann trete ich aus der Gesellschaft aus? Ja, geht das denn? Und wenn ja, mit welchen Konsequenzen? Sozusagen Platzverweis? Oder können verschiedene politische Gesellschaften sozusagen räumlich ineinander wohnen?
Oder das Veto, da gab es das alte polnische "liberum veto", d.h. eine Stimme reicht hin, etwas zu verhindern. Faktisch heißt das dann, dass sich (höchstwahrscheinlich) immer das Nein durchsetzt, weil einen finden man sicher, der nicht will (und schreit das Publikum hurra, das nutzt euch nichts, denn ich bin da: Zitat von Georg Kreisler). Und bitte, was verstehst du unter Druck und zwar in Bezug auf eine Gesellschaft und nicht euren Kommastreit.
Und sage nicht, dass bei gutem Willen immer ein Kompromiss gefunden werden wird. Denn ICH in eurer Gruppe hätte euch die ganze T-Shirtdiskussion versalzen. Wozu T-Shirts zu bedrucken? Weil es hipp ist mit einem Logo rumzulaufen? Dann sage ich, ich halte nichts von Uniformen (und gemeinsame T-Shirts in der Gruppe wären das) und Gruppen, die das propagieren. Ich brauche doch den bei mir nicht vorhandenen Staatspatriotismus nicht durch einen Gruppotismus zu ersetzen. Und wenn es um den Verkauf gehen sollte, dann sage ich, dass es wichtig wäre, politische Texte zu schreiben, was man an dieser Welt kritisiert und diese zu verteilen oder verkaufen, als - trotz Logo und sinnigem Spruch - inhaltsleere T-Shirts. Also, wenn diese Gruppe meine Zustimmung wegen Konsensbasis für die T-Shirtaktion benötigt hätte, keine Chance. Kein Ja inhaltliches von mir, kein Ja zu irgendeinem Kompromiss (wir machen halt nur Letzchen). Und dann? Da stelle ich die Frage nochmals. Hier, als Gruppe in einer großen anderen Welt, da gehe ich dann im Notfall. Aber wie in "eurer" Anarchie? Wohin kann ich gehen? Oder bekommen immer die Nein-Sager recht, weil das Ja von fast allen durch das Nein eines einzelnen aufgehoben wird? Oder muss ich (als Minderheit) mich beugen? Und was sind die von dir des öffteren genannten, aber nicht ausgeführten, Minderheitenrechte? Dass die Minderheit sich gar nicht beteiligen muss, oder nur halb? Wer soll die Rechte der Minderheit festlegen, die Mehrheit?

    Zitat: Isquierda
      Zitat: soyfer
      Er soll tun, was er für bestenfalls sinnlos ansieht. Und wenn er sich weigert, so wird auch jede Basisdemokratie Mittel bereitstellen müssen, die Ausführung der eigenen Anweisungen auch durchzusetzen. Und aus dieser Sicht ist Art der Struktur unwichtig, das Faktum beherrscht zu sein ist das einzige was zählt.
    Das passiert nur, wenn keine Kompromisse gefunden werden. Die Kompromißbereitschaft ist hier ausschlaggebend: a) Sollen alle Bedürfnisse berücksichtigt werden oder b) sollen Entscheidungen zur Not auch gegen den Willen einer minderheit - und zu deren Nachteil - durchgesetzt werden. Wählt man variante a) ist Zwang, Druck, repression unnötig, wählt man b) muss repression installiert werden.
Das ist letztlich keine klare Aussage. Da sagst, wir wollen den Konsens (wer will den denn nicht?), ist der aber nicht machbar, dann bietest du zwei Varianten an. 1. Variante sagt, es muss Kompromissbereitschaft vorhanden sein, dann gibt es einen Kompromiss. Ja, aber wenn keine Kompromissbereitschaft da ist? Führt das dann automatisch zu Variante B: Entscheidung zur Not gegen die unbeugsame Minderheit im Notfall mit Repression? Und wo sind da Minderheitenrechte? Oder heißt das, ihr wisst das alles noch nicht, noch nicht ausdiskutiert?

Und dann noch eine Frage zum Kompromiss. Beispiel Strassefegen oder sowas: ein Teil sagt ja notwendig, anderer sagt nein, Zeitverschwendung. Wie kann nun ein Kompromiss aussehen. Indem die Gegner des Strassekehrens zustimmen, dass die Strassen gekehrt werden, dafür die Befürworter des Strassekehrens das nur aus ihrer eigenen Gruppe organisieren? Wenn das möglich ist, wozu denn dann einen Konsens suchen? Das geht einfacher, indem man nur fragt, wer will oder sieht die Notwendigkeit ein? Der macht mit. Wer nicht, den geht das nichts an. Wenn in einer Frage, wer macht mit? alle "Ich" rufen, dann ist halt zufällig ein Konsens, supertoll. Also wenn das Konsensmöglichkeiten sind, dann ist diese Konsensfindstrategie überflüssig. Das braucht man nicht, weil eh nur mitmacht, wer will. Alle anderen stimmen ja unter der Voraussetzung zu, dass es sie nichts angeht.

    Zitat: Isquierda
    Dein Beispiel aus der Römischen Republik kann ich auch nicht so hinnehmen. Du sagst selbst, dass die machtbefugnisse in form der ämter (senatoren, konsul etc) fest und dauerhaft installiert waren, ein personeller wechsel also nichts an der sache ändert, sondern die machtbefugnisse bestehen bleiben. somit auch die herrschaft. da sehe ich keinen Widerspruch zu meiner These: Unstete Macht-Verhältnisse erschweren Herrschaft (um mich vorsichtig auszudrücken) - siehe auch Rotationsprinzip, das wohl aus jenem grunde eingeführt wurde - in diesem beispiel sind die Machtverhältnisse abe rnicht unstetig, sondern nur die Positionsinhaber. Der Definition zur "Herrschaft" widerspricht das nicht.
Nun, wenn ich mir die Erklärung von Wikipedia anschaue (Anarchie ist das Fehlen von persönlichem Führertum), dann ist Rom von den Zeiten eines Diktators abgesehen, eine Anarchie gewesen. Denn die schnell routierenden Konsuln stellten die Person in den Hintergrund und nur die Struktur voran, daher Fehlen von persönlichem Führertum. Und so ist es in allen Systemen, die die Macht nicht in Einzelmenschen konzentrieren (wie dies z.B. in Präsidialdemokratien der Fall ist).
Du akzeptierst dann zwar das Wort "Herrschaftslosigkeit, statt "Führerlosigkeit", aber im Sinne Max Webers eingeschränkt:

    Zitat: Isquierda
    Anarchie bedeutet also nach meinem Denkgebäude nicht Herrschaftslosgikeit, sondern lediglich Verzicht auf Anführer und Repräsentanten, die in gewissem maß dauerhaft installiert sein müssen, um Herrschaft ausüben zu können. Herrschaft ist zu vermeiden, in dem die Dauerhaftigkeit vermieden wird.
    Anarchie ist auch nicht strukturlos, sondern verzichtet auf Repression - die ohnehin nicht ausführbar und nötig ist, wenn auf Anführer, Gewalt und Herrschaft verzichtet wird.
Und da haben wir genaugenommen die römische Republik: nicht Herrschaftslos, sondern Verzicht auf Anführer, die im gewissen Maß nicht dauerhaft instaliert sein müssen.
Da ich keineswegs auf alten Formulierungen rumreiten will, nehme ich nun deine "Machtverhältnisse", statt "Verzicht auf Anführer". Machtverhältnisse bedeutet nun, Konzentration des Interesses ganz weg von den Personen, ganz hin zur Machtstruktur. Das Problem des Stetigkeit ist nun, dass damit die Machtstruktur ständig wechseln muss, um nicht in die Herrschaftsdefinition zu fallen. Gehen wir von einem Rätesystem aus, so wird das zur Herrschaft, wenn dies System dauerhaft wäre, auch wenn täglich die Räte wechseln würden.
Und schließlich erinnert mich diese Stetigkeitsdefinition an Maos Kulturkampf: die alten Strukturen und Führungspersonen sind verkrustet, sie müssen aufgebrochen werden, kurz die These von der permanent in Bewegung bleibenden Revolution. Was hat diese Unstetigkeit an Menschenblut gekostet? Niemand sagt, dass du sowas vor hast, aber da stecken wirklich viele Messer im Rücken der Anarchie (das Bild ist gut, Pejder).

Und was den letzten Satz anbelangt: "Verzicht auf Repression", das hat sich in deinem Beispiel oben mit dem T-Shirt nicht so eindeutig angehört.

    Zitat: Isquierda
    Durch die Füherlosigkeit und die Sicherstellung des Mitspracherechts aller an Entscheidungen widerspricht die Basisdemokratie der Anarchie nicht, sondern stellt eben das sicher, was Anarchie eigentlich heißt: Führerlose Gesellschaftsstruktur, unter Verzicht auf Machtgefälle, Repression, Zwang und illegitimer Gewalt durch direkte Beteiligung aller am Entscheidungsprozeß unter garantiertem Minderheitenschutz.
Da ist es wieder, das Wort, was mir solche Kopfschmerzen bereitet: "illegitime Gewalt". Also doch "legitime Gewalt"? Was ist das, wie weit geht die, was kann die Minderheit dagegen tun, als hoffen und beten, dass sich die "legitime Gewalt" an die Minderheitenrechte erinnert? Denn du selbst hast Chomsky (?) zitiert, dass man bei der Bewertung eines Systems von der schlimmst-denkbaren Situation ausgehen muss. Und das ist anscheinend bei dir, es gibt irgendeine "legitime" Gewalt, es kann eine Minderheit geben, die dadurch zustandekam, dass die Mehrheit versuchte, die Minderheit für sich zu gewinnen, doch die wollte par tout nicht. Darauf ist der Mehrheit der Kragen geplatzt und sie haben gegen die Minderheit etwas beschlossen. Diese Minderheit sagte nun, das gildet aber nicht, da spiele ich nicht mehr mit und verweigert sich. Hier setzt nun die legitime Gewalt unbestimmter Größe ein, vermutlich folgenden Inhalts, den Widerstand mit geringstmöglicher Gewalt brechen. Was heißt nun geringstmöglich? Wenn ein bitte reicht, sagt man nur bitte, aber wenn der Widerstand anhält, dann fahren Wasserwerfer auf? Oder was auch immer? Und dann, was sagen denn die Minderheitenrechte inhaltlich aus?
Und schließlich, wenn nun in Anwendung der legitimen Gewalt gegen den illegitimen Widerstand (der ja geradezu als illegitime Gewalt gedeutet werden könnte), einem legtimen Gewaltanwender (heute würden sie Polizei heißen) die eine oder andere geringstmögliche Gewaltanwendung auszuckt und das ein oder andere Minderheitenrecht vergessen wird, weil er nicht ganz bei der Sache war und eher an den Fernsehabend zu Hause gedacht hat, den er statt den ganzen Zores hätte haben wollen, WAS DANN? Kommt dann das große Minderheitenrechtstrafgericht über diesen "Kummiknüppel der Basisdemokratie".

Anmerkung: Ich nenne Polizisten "Gummiknüppel des Staates", weil wenn ein Gummiknüppel Nerven hätte, würde er unter dem Schlag genauso leiden, wie der, auf den er herniedersaust. So leiden Polizisten unter Demonstranten und Demonstranten unter Polizisten und der Verantwortliche ist der Staat/die Politik/die (pekunären) Nutznießer des Systems, der die Polizei auf die Demonstranten herniedersausen läßt, zu deren beiderseitigen Nachteil.

Anmerkung zur Anmerkung: Dies beinhaltet widerum keinerlei Rechtfertigung für die Polizisten in der Anwendung von Gewalt und schon gar nicht schmerzhafter und kompetenzüberschreitender. Diese obige Hinweis dient nur dazu, denen, die von den Leiden der Polizei durch die Bösen Demonstranten erzählen zu verdeutlichen, wo der wahre Verantwortliche dafür sitzt (und am Infotisch etc. trifft man viele Leute).

Also: Wie stehst du zum Problem der "legitimen Gewalt".

Anmerkung: damit, dass ich darüber diskutiere, akzeptiere ich nicht das Wort "legitim", denn das würde die Anerkennung von Recht, das die von Gesetz und das die von politischer oder Gesellschaftsstruktur bedeuten. Und das lehne ich gesamt ab, solange ich nicht eines besseren belehrt wurde.

    Zitat: Isquierda
    Deine 2. Nachfrage verstehe ich nicht.
    Du fragst, ob nach meiner Meinung die Familie in einer Basisdemokratie eine Herrschaft in der Anarchie wäre? Wie kommst du darauf? Um aber zu antworten: nein! Dann wäre etwas schiefgelaufen. In einer Anarchie gibt es keine Herrschaft, sondern nur Strukturen, Machtgefälle wird verhindert, in dem Gleichberechtigung vollzogen wird. Nach meinem Modell wäre die Familie in einer Anarchie eine Struktur innerhalb eines bestimmten lebenszusammenhangs, ein autonomer Zusammenschluß, mit Außenwirkung und anarchistischer Innen-Struktur, sprich libertär.
    Ich versteh die Frage nicht. Kannst du das näher erklären?
Wie will man ein Kind im Konsens großziehen oder mit Mehrheitsbeschluss (z.B. 2 Eltern, 3 Kinder/wenn man unter anarchistischen oder basisdemokratischen Zuständen nicht drangeht und besticht, spaltet etc., sind die Eltern in vielen Fragen schnell überstimmt, oder)? Und dann sind diese familiären Strukturen meinst als dauerhaft anzusehen, oder?
Um eine mögliche Gegenfrage vorwegzunehmen, für mich bedeutet in der Anarchie ein Kind großziehen, es aus der Abhängigkeit in die größtmögliche Freiheit begleiten. Dabei ist Größtmöglich an den physischen Grenzen der einzelnen Person zu verstehen (Beispiel: ein Blinder bleibt blind, ich kann ihm in seiner Blingheit nur die größtmögliche Freiheit ermöglichen). Alles was über das "aus der Abhängigkeit begleiten" in dem Sinne "Anpassen an die Gesellschaft" geht, das ist in meinen Augen in der Erziehung Herrschaft. Und ich kann mir keine Gesellschaftsstruktur vorstellen, in der solche Anpassungen nicht vorkommen (z.B. das Erlernen: was ist legitim?).

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