Sie sind nicht eingeloggt.
LoginLogin Kostenlos anmeldenKostenlos anmelden
BeiträgeBeiträge SucheSuche HilfeHilfe StatStatistik
VotesUmfragen FilesDateien CalendarKalender
Freies Politikforum für Demokraten und Anarchisten

PLATTFORM FÜR LINKE GEGENÖFFENTLICHKEITEN

Beiträge können nicht (mehr) eingestellt oder kommentiert werden!

 

Anfang   zurück   weiter   Ende
Autor Beitrag
bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 10.10.07, 12:23     Betreff:  Stammheim, der Staat und die RAF

kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2007/10-08/018.php


Stammheim, der Staat und die RAF (1)
Von Wolfgang Hänisch

In diesem Monat jährt sich zum 30. Mal die Nacht von Stammheim. Am Morgen des 18.10.1977 wurden die Gefangenen aus der RAF Andreas Baader und Gudrun Ensslin tot, Jan-Carl Raspe und Irmgard Möller schwer verletzt in ihren Zellen im Hochsicherheitsgefängnis von Stuttgart-Stammheim gefunden. Bis heute ist unklar, was damals genau geschah. Zum besseren Verständnis veröffentlichen wir in den kommenden Tagen das, was für die Vorgeschichte wichtig ist. (jW)


Die Geschichte der Nacht vom 17. zum 18. Oktober 1977 beginnt am 2. Juni 1967 in einem Berliner Hinterhof.

dpa-Meldung: »Am Rand des Schah-Besuchs in Berlin kam es zu schweren Ausschreitungen vor der Berliner Oper. Linksradikale Demonstranten lieferten sich mit der Polizei eine regelrechte Straßenschlacht. Dabei soll es ein Todesopfer gegeben haben.«

Krumme Straße, Berlin-Charlottenburg: Greiftrupps der Polizei verfolgen einzelne Demonstranten, die es geschafft haben, dem Polizeikessel zu entkommen. Hartmut R. wird von mehreren Zivilbeamten in einen Hinterhof gezerrt. Benno Ohnesorg beobachtet die Szene und trennt sich an der Kreuzung Krumme Straße/Schillerstraße von seiner Frau, um zusammen mit anderen Demonstranten Hartmut R. zu Hilfe zu kommen. Im Hinterhof beginnen die Polizisten auf die Demonstranten einzuprügeln. Benno Ohnesorg wird von drei Polizisten traktiert, er hebt schützend die Hände. Karl-Heinz Kurras, Kriminalbeamter der Abteilung I der Politischen Polizei und bester Schütze seiner Einheit, zieht seine Pistole.

Ohnesorg schreit und fleht: »Bitte, bitte nicht schießen!«

Kurras schießt aus eineinhalb Metern Entfernung Ohnesorg in den Hinterkopf.

»Kurras, gleich nach hinten! Los, schnell weg!« kommandiert der Einsatzleiter und drängt zusammen mit anderen Polizisten die Fotografen ab. Ohnesorg stirbt noch im Krankenwagen. Eine Spurensicherung am Tatort findet nicht statt.

Bei der Obduktion des Toten am 3. Juni 1967 registriert der Pathologe Dr. Krauland Prellungen und Hämatome am ganzen Körper. Todesursache ist ein Gehirnsteckschuß. Krauland stellt zu seinem Erstaunen außerdem fest, daß ein sechs mal vier Zentimeter großes Knochenstück der Schädeldecke mit der Einschußstelle herausgesägt und die Kopfhaut darüber zugenäht worden war. Eine sofort angeordnete polizeiliche Suche nach dem Knochenstück bleib ergebnislos und Kurras im Polizeidienst. Am 21. November 1967 wird er von der 14. großen Strafkammer des Landgerichts Moabit von der Anklage wegen »fahrlässiger Tötung« freigesprochen.

Aus der Urteilsbegründung: »Es hat sich sogar nicht ausschließen lassen, daß es sich bei dem Abdrücken der Pistole um ein ungesteuertes, nicht vom Willen des Angeklagten beherrschten Fehlverhalten gehandelt hat.« In einer Revisionsverhandlung des Bundesgerichtshofs wird Kurras erneut aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Gudrun Ensslin sagt auf einer SDS-ersammlung am Abend des 2. Juni 1967: »Das ist die Generation von Auschwitz, mit denen kann man nicht diskutieren.« Der Kommandeur der Berliner Schutzpolizei, der für den Einsatz am 2. Juni 1967 verantwortlich war, heißt Hans-Ulrich Werner. Er war 1936 zur Polizei gegangen und 1943 Hauptmann der Gendarmerie und Kompanieführer der Sondereinheit »Bürger«. Diese war maßgeblich an der Vertreibung und Massenvernichtung von Sowjetbürgern beteiligt. Ende 1944 bis Kriegsende war Werner 1. Stabsoffizier beim SS- und Polizeiführer Oberitalien-Mitte, verantwortlich für die Ausarbeitung der Operationen der Gendarmerie- und Polizeikommandos gegen die Zivilbevölkerung.

Am 4. April 1968 wird Martin Luther King, Führer der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, in Memphis, Tennessee, erschossen. Eine Woche später wird Rudi Dutschke, Leitfigur der Studentenbewegung, bei einem Attentat in Westberlin schwer verletzt. Er stirbt 1979 an den Spätfolgen der Verletzungen.

Am 15. Juli 1971 wird Petra Schelm im Zuge einer Großfahndung nach Mitgliedern der im Vorjahr entstandenen RAF von der Polizei erschossen. Insgesamt werden in Westdeutschland und Westberlin von 1971 bis 1980 zwölf Menschen von der Polizei erschossen, die wegen des Verdachts verfolgt wurden, Mitglieder oder Unterstützer »terroristischer Vereinigungen« zu sein.

Insgesamt werden in diesen Jahren 150 Menschen von Polizeikugeln tödlich getroffen. Eine Untersuchung von 59 Todesschüssen in den Jahren 1980–1984 und deren Behandlung durch die Justiz ergibt folgendes Bild: In 76 Prozent der Fälle wurde keine Anklage erhoben. Von den verbleibenden 24 Prozent, die gerichtlich überprüft wurden, endeten vier Fälle mit einem Freispruch, drei mit einer Geldstrafe und sieben mit einer Haftstrafe zur Bewährung – die längste ein Jahr. In keinem einzigen Fall mußte ein Polizist den Dienst quittieren.




Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
nach oben
Benutzerprofil anzeigen Private Nachricht an dieses Mitglied senden Website dieses Mitglieds aufrufen
Sortierung ändern:  
Anfang   zurück   weiter   Ende
Seite 334 von 377
Gehe zu:   
Search

powered by carookee.com - eigenes profi-forum kostenlos

Layout © subBlue design
. . . zum Politikmagazin auf diesen Button klicken >> bjk's Politikmagazin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .