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60 Jahre Israel

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 09.05.08, 09:23  Betreff:  60 Jahre Israel  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=4647&Itemid=214



Vor 60 Jahren: Die Staatsgründung Israels

von Lance Selfa , 08.05.2008


Zionismus - der falsche Erlöser


- Vor 60 Jahren verkündete der israelische Premierminister David Ben-Guri­on die Gründung des Staates Israel. Sofort be­gan­nen die jüdischen Kommandos in Pa­läs­ti­na mit dem Waffengang, den Israel als seinen ‚Unabhängigkeitskrieg‘ bezeich­nen sollte. Als der neue Staat 1949 eine Waffenruhe mit Ägypten, Transjordanien und Syrien schloss, waren mehr als 750.000 Palästinenser gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen, die nun von den jüdisch-zionistischen Armeen kontrolliert wurde. Die Gründung Israels markiert den Höhepunkt einer bis dahin 50 Jahre währenden Kampagne für die Errichtung eines jüdischen Staates, die politische Zionisten geführt haben.

Die Zionisten behaupteten, sie seien der Ausdruck der ersehnten ‚nationalen Befreiung‘ der Juden weltweit. Aber wenn der Zionismus eine Bewegung für die nationale Befreiung war, dann unterschied er sich von allen anderen nationalen Befreiungsbewegungen. Anstatt mit dem Imperialismus zu brechen, suchte er aktiv nach dem Schutz durch die imperialistischen Mächte. Anstatt für die Selbstbestimmung der Menschen in Palästina zu kämpfen - von denen die meisten Araber waren - vertrieb er sie. Und anstatt eine breite Bewegung gegen nationale Unterdrückung zu bilden, war der Zionismus die längste Zeit seiner Existenz vor dem Zweiten Weltkrieg kaum mehr als eine Sekte.

Zweifellos werden verfälschte Geschichtsdarstellungen und ideologisches Geschwätz die Feierlichkeiten zu Israels 60. Jahrestag begleiten. Das ist nur verständlich, weil die wirkliche Geschichte des Zionismus und von Is­rael eine schmutzige Bilanz aufweist.

Was ist Zionismus?

Der politische Zionismus, eine Lehre, die die Unvereinbarkeit von Juden und Nichtjuden behauptet, trat für die groß angelegte Auswanderung in ein unterentwickeltes Land ein, um dort einen jüdischen Staat zu errichten, und stellte die Reaktion auf den Aufschwung antijüdischen Rassismus (An­ti­se­mi­tis­mus) in Europa gegen Ende des 19. Jahrhunderts dar. In Westeuropa untergrub die Bildung offen antisemitischer Parteien die Hoffnung vieler mittelständischer Juden, sie könnten in der nichtjüdischen Gesellschaft aufgehen. Im russischen Reich, wo die Mehrzahl der weltweiten Juden lebte, fielen die Juden dem Wechsel von der Feudalordnung zur kapitalistischen Wirtschaft zum Opfer. Als das alte System zusammenbrach, verloren die Juden ihre klassische Rolle, die sie als Geldverleiher und Handelsorganisatoren in der feudalistischen Wirtschaft gespielt hatten. Nun waren die jüdischen Handwerker und Geschäftsinhaber der Konkurrenz mit Nichtjuden (Gois) ausgesetzt. Währenddessen zerstörte der Kapitalismus das Handwerk und verwandelte die Gewerbetreibenden und Handwerker in Lohnarbeiter. Diese beiden Prozesse - die Zerstörung der Feudalwirtschaft und die Unterhöhlung des Handwerks - mündeten in weniger als 50 Jahren in der Bildung einer gewaltigen jüdischen Arbeiterklasse in Osteuropa.

Dieser tiefgreifende Wandel in der Ge­sell­schafts­position der Juden trieb Millionen von ihnen zur Aus­wanderung aus Osteuro­pa. Die Zurückgebliebenen sa­hen sich oft mit Pogromen kon­fron­tiert, antisemiti­schen Ausschrei­tun­gen. An­ge­zettelt wur­­den diese Po­­gro­me gegen Ju­den von der za­ris­tischen Polizei, die den auf­steigenden Antise­mi­tis­mus in­nerhalb der mit­tel­stän­di­­schen Gois aus­­nutz­te, um die jüdische Ar­­­bei­ter­klas­se von ihren nicht­­­jüdischen Kolle­gen zu spal­ten.

Die Athmosphäre aus Ver­­­zweif­­lung und Unter­drü­­­­ckung provozierte ver­schie­de­­ne Reaktionen in­ner­halb der jü­di­schen Be­völ­ke­rung, da­run­ter einen zu­neh­men­den Na­tio­na­lis­mus. Nathan Wein­stock be­tont: „Der jüdi­sche Na­tio­na­lis­mus, insbe­son­de­re seine zio­nistische Spiel­art, stellte ein völlig neues Konzept dar, das vom so­ziopoliti­schen Hintergrund Ost­euro­pas im 19. Jahrhun­dert hervor­ge­bracht wur­de." Seit Jahr­hun­der­ten nahm die Vorstellung ei­ner Rück­kehr nach ‚Zion‘ (ins ‚Hei­lige Land‘ in Pa­läs­tina) einen wichtigen Platz im Judaismus ein, aber dieser Glaube besaß keine politische Bedeutung. Der rituelle Tischspruch zum Pessahfest ‚Nächstes Jahr in Jerusalem‘ beinhaltete keineswegs die Sehnsucht nach der Gründung eines jüdischen Staates mit der dortigen ‚ewigen Hauptstadt‘. Ende des 18. Jahrhunderts wanderten jüdische Wallfahrer nach Palästina aus, um religiöse Gemeinden zu bilden, und nicht, um einen Staat zu errichten. Aber genau dieses Ziel setzte sich der politische Zionismus.

Seinen kraftvollsten Ausdruck erhielt der politische Zionismus 1896 mit dem Judenstaat, einer Abhandlung des jüdisch-österreichischen Journalisten The­o­­dor Herzl, der als ‚Vater‘ des politischen Zionismus gilt. Herzl, ein weitgereister Mann, behandelte den Prozess gegen Alfred Dreyfus in Paris 1894, einen Artilleriehauptmann, den die französischen Militärbehörden als Spion darstellten. Die Dreyfus-Affaire förderte die erschre­ckenden antisemitischen Stereotype des französischen Establishments zutage. Andererseits be­flügelte sie auch eine internationale antirassistische Kampagne, die der nichtjüdische Journalist und Schriftsteller Emile Zola anführte. Der Druck der Massen - den die sozialistische Bewegung zu organisieren half - zwang die französische Regierung, Dreyfus zu rehabilitieren. Die Gerichte fanden später „mildernde Umstände", die seine Strafe reduzierten. Der Aufschrei gegen den Dreyfus-Prozess setzte der französischen Rechten und den Institutionen wie der Armee und der katholischen Kirche ernsthaft zu, die den Antisemitismus schürten. Man kann den Fall Dreyfus durchaus als Beispiel für die Möglichkeit für die Vereinigung von Juden und Nichtjuden im Kampf gegen den Antisemitismus sehen. Herzl tat das nicht. Rückblickend schrieb er in sein Tagebuch: „In Paris [...] gelangte ich zu einer entspannteren Haltung gegenüber dem Antisemitismus, den ich nun historisch zu begreifen und zu entschuldigen begann. Vor allem erkannte ich die Sinnlosigkeit des Versuches, den Antisemitismus zu bekämpfen."

Herzls ‚Entschuldigung‘ des Antisemitismus spiegelte eine Grundannahme des Zionismus wider - den Glauben, alle Nichtjuden seien Antisemiten. Der Antisemitismus sei „wie ein psychisches Gebrechen, er ist erblich und als Krankheit seit 2.000 Jahren unheilbar", schrieb Leo Pinsker, ein zionistischer Zeitgenosse Herzls. Wenn die Juden, die versuchten, sich überwiegend nichtjüdischen Gesellschaften zu assimilieren, Verfolgung oder der Tod erwartete, wäre die einzige Lösung des ‚Judenproblems‘ die physische Trennung von Juden und Gois. Daraus folgte der Schluss, nur ein jüdischer Staat könne einen Schutzhafen vor Verfolgung bieten. In diesem Punkt stimmten die Zionisten und die Antisemiten ü­ber­ein. Beide glaubten, die Juden bildeten ein ‚frem­des‘ Element in Goi-Ge­sell­schaf­ten. Und beide glaub­ten, die Goi-Ge­sell­schaf­ten stünden ohne die Ju­den besser da.

1897 berief Herzl im schwei­ze­ri­schen Basel den ers­ten Zionistischen Kon­gress ein. 200 Delegierte aus 17 Ländern bewillig­ten den Aufbau einer Zio­nisti­schen Weltorganisation zur Kampagne eines „öffentlich aner­kann­ten, rechtlich abgesi­cher­ten Heimatlandes in Palästina". Später behauptete Herzl in aller Bescheidenheit: „Wenn ich den Baseler Kongress in einem Satz zusammenfassen soll, würde ich sagen: In Basel habe ich den Judenstaat erschaffen." Nun stand Herzl aber beim Aufbau eines jüdischen Staates in Palästina vor einem Problem. Äußerst wenig Juden interessierten sich dafür. Zwischen 1880 und 1929 emigrierten fast 4 Millionen Juden aus Russland, Österreich-Ungarn, Polen, Rumänien und anderen Ländern. Nur 120.000 von ihnen gingen nach Palästina. Mehr als 3 Millionen von ihnen immigrierten in die Vereinigten Staaten und nach Kanada. 1914 gab es nur etwa 12.000 Mitglieder zionistischer Organisationen in den gesamten USA. Gleichzeitig waren genauso viele Juden Mitglieder in der Sozialistischen Partei - allerdings nur auf der Lower East Side im New Yorker Stadtteil Manhattan.

Sozialismus und der Kampf gegen den Antisemitismus

Anders als Herzl verteidigten die Sozialisten Juden, die verfolgt wurden. Sozialisten bekämpften auch den antijüdischen Rassismus als Gift für die Arbeiterbewegung. In dieser Zeit verurteilte der Führer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, August Bebel, den Antisemitismus als „Sozialismus für Dummköpfe", weil er die Arbeiter von ihrem Hauptfeind, den Kapitalisten, auf Sündenböcke, die Juden, ablenkte. Ein weiterer führender Sozialdemokrat, Karl Kautsky, argumentierte, die Differenzierung der jüdischen Bevölkerung in Klassen bedeute die unauflösliche Verbindung der Lage der Juden mit der gesamten Arbeiterbewegung. Die Verknüpfung des Kampfes gegen den Antisemitismus mit dem Kampf für Arbeitermacht wurde zum marxistischen Zugang zum Antirassismus. Weil die Sozialisten die Notwendigkeit hervorhoben, den Antisemitismus vor allem in jenen Ländern zu bekämpfen, in denen die meisten Juden lebten, gewann die sozialistische Bewegung Juden in großer Zahl.

Viele Juden spielten eine Rolle als Gründer, Führer und Aktivisten in den sozialistischen Parteien Europas. Graf Witte, der Finanzminister des Zaren, beklagte sich einmal bei Herzl darüber, dass „Juden 50 Prozent der Mitgliedschaft der revolutionären Parteien ausmachen", während sie im russischen Reich nur einen Bevölkerungsanteil von fünf Prozent bildeten. Eine dieser Parteien, die Wittes Hass auf sich zogen, war der Allgemeine Jüdische Arbeiterbund. Der 1897 - also im selben Jahr wie Herzls Zionistenkongress - gegründete Bund wurde die erste sozialistische Massenorganisation Russlands. Erbittert trat sie den zionistischen Aufrufen für einen jüdischen Staat entgegen. Im Verlauf des folgenden Jahrzehnts wuchs der Bund innerhalb der jüdischen Arbeiter und schwoll während der russischen Revolution von 1905 auf 40.000 Mitglieder an. In der revolutionären Periode übernahmen jüdische Sozialisten - sowohl aus dem Bund als auch den anderen sozialistischen Parteien - die Führung der Arbeiterklasse und die kommunale Organisation in den jüdischen Gemeinden.

Der Bund war zwar Gegner des politischen Zionismus, neigte allerdings zum jüdischen Nationalismus. Deswegen engagierten sich Lenin und andere russische Revolutionäre in wilden Polemiken mit Bundführern. Auf der Gründungskonferenz der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) 1903 forderten die Bundführer das offizielle Recht, die jüdischen Arbeiter innerhalb der breiteren russischen sozialistischen Bewegung zu vertreten und für sie zu sprechen. Lenin und bekannte jüdische Sozialisten wie Martow und Trotzki widersetzten sich dem Bund. Lenin argumentierte, der Bund handele falsch, wenn er „die jüdische Isolation rechtfertigt und die Idee einer jüdischen Nation propagiert". Aufgabe der Sozialisten sei nicht „die Absonderung in Nationalitäten, sondern die Vereinigung der Arbeiter aller Nationen", schrieb Lenin später. „Unser Banner trägt nicht die Parole ‚nationale Kultur‘, sondern ‚internationale Kultur‘." Der Bund verlor die Abstimmung zur Repräsentation jüdischer Arbeiter und verließ daraufhin die SDAPR.

- 1917 zeigte die Oktoberrevolution, wie die sozialistische Strategie zur Judenemanzipation in der Praxis aussah. In dem Land, in dem der Zar und seine Handlanger den Antisemitismus zur Spaltung der Arbeiter eingesetzt hatten, wählten die russischen Arbeiter jüdische Bolschewiki wie Trotzki, Sinowjew, Kamenew und Swerdlow in führende Positionen. Die Revolution rief die Religionsfreiheit aus und schaffte alle zaristischen Einschränkungen der Ausbildung und Niederlassung für Juden ab. Während des Bürgerkrieges 1918-1922 gegen die konterrevolutionären Armeen, die Juden zu Tausenden massakrierten, verhängte die Rote Armee schwere Strafen - einschließlich der Exekution - für Pogromisten in ihren Reihen. Innerhalb der Arbeiterregierung besaß Jiddisch denselben Status wie andere Sprachen. Ein Kommissariat für jüdische Angelegenheiten und eine Kommission innerhalb der bolschewistischen Partei arbeiteten beide auf die Mitwirkung der Juden an den Aufgaben des Arbeiterstaates und die Gewinnung der jüdischen Massen für den Sozialismus hin. Die Anfangsjahre der Revolution erlebten ein nie dagewesenes Aufblühen des Jiddischen und des jüdischen Kulturlebens mit. 1926-1927 besuchte die Hälfte der jüdischen Schüler jiddische Schulen, und zehn Staatstheater führten jüdische Stücke auf. Ende der 20er Jahre arbeiteten fast 40 Prozent der jüdischen arbeitenden Bevölkerung für die Regierung.

So waren die Zionisten in den 20er Jahren von allen Seiten marginalisiert. Die Mehrheit der Juden auf der Welt äußerte klar den Wunsch, in ein westeuropäisches Land auszuwandern. Und Tausende in Osteuropa verbliebene Juden kämpften für ein besseres Leben, wobei sie die Solidarität ihrer nichtjüdischen Kolleginnen und Kollegen erwarben. 1927 ver­lie­ßen ebenso vie­le Menschen Palästi­na wie einwanderten. Das ganze zionisti­sche Unternehmen stand auf der Kippe.

Appelle an den Imperialismus

Als sie ihre Kampa­gne für eine jüdische Heimat begannen, lie­ßen die Zionisten eine ideologische Bindung an Palästina gar nicht erst zu einem Hindernis werden. Tat­säch­lich erörterten sie bereits in den ersten Jah­ren nach Herzls Grün­dung der Zio­nis­ti­schen Weltorga­ni­sa­tion alternative Ko­lo­nisationsziele: U­ganda, Angola, Nord­afri­ka. 1903 akzeptierte Herzl einen Vor­schlag der britischen Regierung, Juden in Uganda anzusiedeln - eine Entscheidung, die in den zionistischen Reihen für Kontroversen sorgte. Herzls Tod 1904 setzte allen Siedlungsplänen außerhalb Palästinas ein Ende. Trotzdem stellte die Debatte um Alternativstätten für einen jüdischen Staat das zionistische Unternehmen in zweierlei Hinsicht bloß. Ersten zeigte sie, dass der politische Zionismus das Kolonisationsprojekt über jede 2000 Jahre währende Sehnsucht des jüdischen Volkes nach einer ‚Rückkehr‘ nach Palästina stellte. Zweitens enthüllte sie die von Anfang an bestehende Abhängigkeit des Zionismus von der Förderung seiner Siedlungspläne durch die europäischen Mächte.

Die frühen Zionisten machten kein Geheimnis aus ihrer Hoffnung, der jüdische Staat werde in Herzls Worten „Teil eines Bollwerks von Europa gegen Asien werden, ein Außenposten der Zivilisation gegen die Barbarei". Herzls Schriften quellen über vor Lob für die führenden imperialistischen Mächte Europas. Er bewunderte die Diktatur des deutschen Kaisers: „Das Leben unter dem Schutz eines starken, großen, moralischen, hervorragend regierten und durchgreifend orgenaisierten Deutschland hat gewiss die heilsamste Wirkung auf den Nationalcharakter der Juden." 1902 schrieb er an Lord Rothschild, einen britischen Zionisten mit Verbindungen in die höchsten Kreise des britischen Staates: „Soweit habt ihr [das British Empire] immer noch Ellbogenfreiheit. Ja, Sie stehen bei ihrer Regierung sogar hoch im Kurs, wenn Sie den britischen Einfluss im Nahen Osten durch eine dauerhafte Ansiedlung unseres Volkes am strategischen Punkt stärken, an dem ä­gyp­tische und indo-persische In­te­ res­sen zusammenlaufen." Die zio­nis­tischen Gründerväter schwitz­ten förmlich einen proim­peria­lis­ti­schen Rassismus gegen die Men­schen Asiens und Afrikas aus, die sie für ‚rückständig‘ hielten.

Wladimir (Zeev) Jabotinsky

Als es an die Suche nach impe­ria­lis­ti­schen Förderern ging, hatten die Zionisten keine Skrupel mit je­dem Regime zu verhandeln, wie nie­der­träch­tig oder antisemitisch es auch war. Herzl selbst verhan­del­te um eine verstärkte jüdische Aus­wande­rung nach Palästina mit Vy­tscheslaw von Plehwe, dem In­nen­minister des russischen Zaren und Architekten eines der schlimm­s­ten Pogrome in der Geschichte, das 1903 in Kishinew im russischen Reich verübt wurde. Während des Ersten Weltkrieges schmeichelten sich die Zionisten beim britischen Imperialismus ein. Sie hofften, dass Britannien sie nach seinem Sieg über das osmanische Reich, das Palästina kontrollierte, belohnen würde. Ihr Ziel erreichten sie 1917 mit der Erklärung des Tory-Politikers Lord Balfour. Die Balfour-Erklärung sicherte die britische Unterstützung für „die Errichtung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk" unter britischer Protektion zu. Dass Balfour Gesetze unterstützte, die jüdischen Einwanderern 1905 die Einreise nach Britannien verbot, störte die Zionisten nicht.

Die Balfour-Erklärung erwuchs aus den Gesprächen zwischen Britannien und Frankreich über die Aufteilung des osmanischen Reiches, die dem Ersten Weltkrieg folgten. 1915 schug der britische Kabinettsminister Herbert Samuel vor, Britannien solle ein jüdisches Protektorat in Palästina einrichten. Die Kabinettsmehrheit war gegen den Plan. „Nur merkwürdig, dass der einzig andere Verfechter dieses Planes Lloyd George ist, der sich, was ich eigentlich nicht erwähnen muss, einen feuchten Kehricht um die Juden, ihre Vergangenheit oder ihre Zukunft schert, aber denkt, eine Welle der Empörung könne sich erheben, wenn die Heiligen Stätten in den Besitz oder unter das Protektorat des ‚agnostischen und atheistischen Frankreichs‘ fallen", schrieb Samuel. Dennoch erließ Britannien zwei Jahre später die Balfour-Erklärung. Was hatte sich im britischen Kalkül verändert? Ein Anhaltspunkt findet sich in der Tatsache, dass Britannien die Erklärung nur Tage vor der russischen Oktoberrevolution herausgab. Sowohl Britannien als auch die Zionisten sahen einen jüdischen Staat als imperialistisches Bollwerk gegen die Ausbreitung des Bolschewismus. Winston Churchill, damals ein Kabinettsminister der Tories erläuterte später die britischen Motive für das Nachgeben gegenüber den zionistischen Erwartungen: „Ein jüdischer Staat unter dem Schutz der britischen Krone [...] wäre unter jedem Gesichtspunkt von Vorteil und stünde im Einklang mit den wahrhaftigsten Interessen des British Empire." Das ausschlaggebende Interesse war es, die Pläne des russischen Revolutionärs Leo Trotzki für das „Projekt eines weltweiten kommunistischen Staates unter jüdischer Herrschaft" zu stoppen. Somit zeigte Churchill sich sowohl als eifriger Zionist als auch als fanatischer Antisemit.

Rechter und linker Zionismus

In der Balfour-Erklärung versprach Britannien den Zionisten sowohl Palästina als auch Transjordanien (das heutige Jordanien). Der Druck aus den arabischen Ländern zwang Britannien, das Versprechen im Fall Jordaniens 1922 zu brechen. Die etablierte zionistische Bewegung unter Führung David Ben-Gurions und Chaim Weizmans akzeptierte die britische Entscheidung. Später stimmten sie auch dem britischen Entschuss zu, die jüdische Einwanderung nach Palästina zu begrenzen. Dieser Umstand verursachte eine Spaltung in der zionistischen Bewegung, als der polnische Schrifsteller Wladimir Jabotinsky ge­gen Ben-Gurions und Weiz­mans Realpolitik protestierte. Ja­bo­tins­ky meinte, die Zionisten soll­ten an der Übernahme „beider Jor­dan­seiten" festhalten und den Einschränkun­gen Britanniens die Stirn bieten. Zur Beschwichtigung der arabischen Meinung bezeich­ne­te die Zionistische Weltorgani­sa­tion ihre Kolonie in Palästina als „Heim­stät­te". Aber Jabotinsky ver­lang­te, die Zionisten sollten ihr Ziel, die Errichtung eines jüdi­schen Staates in Palästina, offen aus­spre­chen. Jabotinskys Programm lief auf eine Revision der Stra­te­gie der Zionistischen Welt­or­gani­sa­tion hinaus, womit er seinen An­hän­gern innerhalb der zionistischen Bewegung die Bezeichnung ‚Revisionisten‘ einhandete.

In seinem Aufsatz Die eiserne Mau­er von 1923 schrieb er unverblümt:

„Für Palästina können wir keine Abfindung entrichten, weder an die Palästinenser noch an die Araber. Deshalb können wir keine freiwillige Ver­ein­ba­rung erzielen. Selbst die ein­ge­schränk­tes­te Kolonisierung muss dem Willen der Einheimischen zum Trotz fortgesetzt werden. Daher kann sie nur unter dem Schild der Gewalt fort­ge­setzt und entwickelt werden, der aus einer eisernen Mauer besteht, die die lokale Bevölkerung niemals durch­brechen kann. Das ist unsere Araberpolitik. Jede andere Formulierung wäre Heuchelei."

Jabotinsky stellte die erste große Bedrohung für die Vorherrschaft der Ideologie des ‚Arbeiterzionismus‘ in der zionistischen Hauptströmung dar. Der Arbeiterzionismus, der seine Wur­zeln auf die Poale Zion-Bewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts zurückführte, dominierte alle wesentlichen Einrichtungen des Zionismus und die Yishuv, die jüdische Siedlergemeinde in Palästina. Wenn der Bund die Sozialisten vertrat, die dem Nationalismus nachgaben, dann repräsentierte der Arbeiterzionismus die Nationalisten, die sozialistisch klingende Rhethorik benutzten, um Anhänger aus den wirklich sozialistischen Parteien zu rekrutieren.

Die für den Arbeiterzionismus bezeichnenden Institutionen im vorstaatlichen Palästina waren die ‚Gewerkschaft‘ Histadrut (der Allgemeine Arbeiterverband im Land Israel) und die Kibbuzim, ein Netzwerk kommunaler Siedlungen, die schon öfter mit utopisch-sozialistischen Gemeinden verglichen wurden. Beide Einrichtungen wurden im Staat Israe beibehalten. Viele Israelanhänger benutzen sie als Zeugnis für die Existenz eines ‚Sozialismus‘ im zionistischen Unternehmen. Aber sie bilden nur einen weiteren Teil der zionistischen Geschichte, in dem die Mythen mit der Realität kollidieren.

Bei ihrer Gründung beschränkte die Histadrut ihre Mitgliedschaft strikt auf jüdische Arbeiter. Erst 1960 gestattete sie palästinensischen und arabischen Bürgern Israels offiziell den Beitritt. Ein Jahr nach ihrer Gründung besaß sie Unternehmensbeteiligungen und eine Bank. Das Kapital für diese Unternehmen stammte nicht von den ursprünglich 5.000 Mitgliedern, sondern von der jüdischen Behörde der internationalen zionistischen Bewegung. Mit anderen Worten, die Hista­drut lebte (und lebt auch weiterhin) von ihrer Rolle als Investitionskanal für den Weltzionismus. Die Hista­drut bildete das Rückgrat für den jüdischen „Staat in der Warteposition, kontrollierte den Hauptstrom der zionistischen Siedlungsprojekte, die wirtschaftliche Produktion und den Handel, die Beschäftigung von Arbeitern und mit der Haganah auch die Verteidigung." Einer ihrer ersten Führer (der spätere israelische Verteidigungsminister) Pinhas Lavon beschrieb sie auf folgende Weise: „Unsere Histadrut ist durch und durch eine allgemeine Organisation. Sie ist keine Gewerkschaft, obwohl sie sich perfekt mit den Bedürfnissen der Arbeiter deckt."

Auch die Kibbuzim beschränkte ihre Mitgliedschaft ausschließlich auf Ju­den. Kibbuzland verstand sich als Eigentum ‚der Nation‘, das im vorstaatlichen und israelischen Recht als Besitz des ‚jüdischen Volkes‘ definiert wurde. Deshalb kann kein Araber darauf hoffen, einmal einem Kibbuz beizutreten. Mehr noch, in der vorstaatlichen Periode diente die Kibbuzim als militärische Angriffsbasis im zionistischen Be­sied­lungsplan. Die „strategischen Über­legungen, die dem zionistischen Sied­lungsprojekt zugrunde lagen, entschie­den weitestgehend über das Schick­­­sal vieler Regionen des Landes", weil die Milizabteilungen der Haganah die Palästinenser von Kibbuzlagern aus angriffen.

Bis 1977, als der nach eigener Bezeichnung Terrorist Menachem Begin Israels erster revisionistischer Premierminister wurde, repräsentierten die Arbeiterzionisten in der Sicht der meisten Menschen den ‚Zionismus‘. Aber die Arbeiterzionisten - die zionistische ‚Linke‘ - und die Revisionisten - die zionistische ‚Rechte‘ - unterschieden sich eher in ihren Mitteln als in ihren Zielen. Beide kämpften für einen ausschließlich jüdischen Staat. Wie die südafrikanischen Herrscher unter der Apartheid waren die Revisionisten willens, die einheimische Bevölkerung einzusetzen. Die Arbeiterzionisten versuchten, die palästinensischen Arbeiter durch jüdische zu ersetzen. Beide suchten die Unterstützung des Imperialismus. Die Arbeiterzionisten wandten sich an den britischen Imperialismus, die Revisionisten machten Italien und dem deutschen Faschismus Avancen.

Die Kolonisierung Palästinas

Die Zionisten versuchten, sich einzureden, Palästina sei ein unbewohntes Land. Nun wohnte in der osmanischen Pro­vinz aber seit 1.300 Jahren eine mos­le­misch-arabi­sche Mehrheit - Seite an Seite mit Juden und Christen. 1882 beheimatete Palästina eine Bevölkerung von 24.000 Juden und 500.000 Ara­bern. 1922, nach mehr als zwei Jahr­zehnten zionistisch geförderter Besiedlung, hatte das Land eine Bevölkerung von fast 760.000 Menschen, 89 Prozent von ihnen palästinensische Araber.

Die Zionisten erwarben in den 20er Jahren Land - und einen Brückenkopf in Palästina - von abwesenden arabischen Landbesitzern. In den 30er Jahren verkauften reiche Palästinenser ihre Grundstücke an die Zionisten. Es waren keine einzelnen jüdischen ‚Pioniere‘, die das Land kauften. Zionistische Organisationen wie der Jüdische Nationalfonds erwarben Boden, um eine Basis für die jüdische Besiedlung des Landes zu schaffen. Die Zionisten vertrieben die palästinensischen Bauern von ihrem Land und zwangen sie so in die Armut. Die britischen Behörden gewährten den Zionisten privilegierten Zugang zu Wasser und anderen wichtigen Ressourcen.

Nach ihrer Niederlassung in Palästina begaben die Zionisten sich unter den Augen der britischen Mandatsbehörden an den Aufbau einer separaten jüdischen Wirtschaft und Regierung. Ihre Wirtschaftspolitik nannten sie die ‚Eroberung von Land und Arbeit‘, eine blumige Umschreibung für den Ausschluss der Palästinenser vom Wirtschaftsleben des Landes. Unter der Parole ‚jüdisches Land, jüdische Arbeit, jüdische Waren‘ vertrieben die Histadrut, die Kibbuzim und die Moshavim (land­wirt­schaftliche Genossenschaften) die Palästinenser aus ihrer Arbeit und von ihrer Lebensgrundlage. Histadrut-Mitglieder betätigten sich als Schlägertrupps gegen Palästinenser:

„Histadrut-Mitglieder bezogen Posten vor jüdischen Plantagen, um zu verhindern, dass arabische Arbeiter eine Stelle bekamen. Aktivistentrupps stürmten die Marktplätze und gossen Kerosin über Tomaten aus arabischen Gärten oder warfen Eier kaputt, die Jüdinnen von ihren arabischen Händlern gekauft hatten."

Die Palästinenser kämpften gegen ihre Zwangsenteignung an. 1936 lancierten palästinensische Organisationen einen Generalstreik gegen ihre zunehmende Armut, die Zionisten und die britischen För­derer des Zionismus. Der Streik und wieder­hol­te bewaffnete Auf­stän­de sollten noch drei Jah­re andauern, ehe sie un­ter dem Gewicht der zio­­nis­­ti­schen und briti­schen Unterdrückung zu­­sam­­men­­bra­­chen. Die Rol­­le der Zionisten in der palästinensischen Re­vol­­te zeigte deutlich, dass der Arbeiterzionis­mus nichts mit echter Arbeitersolidarität ge­meinsam hatte. Die His­­tadrut organisierte Streik­bre­cher gegen die Ar­beits­niederle­gung. Sie kollaborierte mit den Briten, um ara­bi­sche Streikende im Ha­fen von Hai­fa und bei der palästinensi­schen Ei­­sen­­bahn durch jüdi­sche Arbeiter zu er­­set­zen. Für die Zer­schlagung des palästi­nen­si­schen Aufstandes bewaffneten die Briten sogar die zionistischen Milizen. „Mit zwei Di­vi­sio­nen, Luftgeschwa­dern, der Polizeigewalt, den transjordanischen Grenztruppen und 6.000 jüdischen Hilfs­soldaten, waren die britischen Kräf­te den palästinensischen zehn zu eins überlegen." Trotzdem waren drei Jahre zur Zerschlagung der Revolte notwendig.

Die Intensität des Aufstandes erklärt sich aus der Deutlichkeit, mit der sich die zionistische Bedrohung für Palästina in den 30er Jahren abzeichnete. Tausende Juden auf der Flucht vor ihrer Verfolgung in Zentral- und Osteuropa - denen Britannien, die USA und andere westliche Länder die Einreise verweigerten - machten sich auf den Weg nach Palästina. Zwischen 1931 und 1945 schwoll die jüdische Bevölkerung Palästinas von 174.000 auf 608.000 Menschen an. Während Juden vor der israelischen Staatsgründung 1948 nur ein Drittel der Bevölkerung ausmachten, bildeten sie dennoch eine gut bewaffnete und mächtige Minderheit. Und mit der Zunahme der jüdischen Bevölkerung nahmen auch die zionistischen Provokationen gegen die Palästinenser zu.

Der Weg nach al-Nakbah

Ohne den Holocaust wäre der Staat Israel wohl nie gegründet wor­den. Die Zionisten rekrutier­ten Einwanderer für den israeli­schen Staat aus den Tausenden Ho­lo­caust­überlebenden, deren eu­ro­pä­i­sche Gemeinden ver­nich­tet waren. Wohl noch wich­ti­ger, der Holocaust bot eine über­zeu­gen­de Rechtfertigung für einen jüdischen Staat. Er be­wies, dass Gois von Natur aus antisemitisch seien, so die Argu­men­ta­tion der Zionisten. Juden, die in Goi-Gesellschaften lebten, dro­he daher ständig die Gefahr der Vernichtung. Gegen Ende des Krieges stimmten die meis­ten Juden den Zionisten zu. Mehr noch, die physische Auslö­schung alternativer jüdischer Strömungen innerhalb der jüdischen Gesellschaft durch die Nazis erhöhte die Unterstützung des Zionismus. Während die Nazis wäh­rend der 30er und 40er Jahre bereitwillig mit den Zionistenführern verhandelten, sorgten sie für die Ermordung jedes Kommunisten, Sozialisten oder jüdischen Widerstandskämpfers, den sie in die Hände bekamen.

Der Krieg zwang die Briten, einen Großteil ihres Empires einschließlich Palästina zu evakuieren. Britannien überließ den Vereinten Nationen (UN) die Aufgabe, das Schicksal Palästinas zu entscheiden. Im November 1947 stimmten die UN einem Teilungsplan zu. Dieser Plan garantierte den Zionisten die Kontrolle über 55 Prozent des Landes (obwohl sie nur ein Drittel der Landesbevölkerung repräsentierten). Der palästinensischen Mehrheit überließ man 45 Prozent ihres eigenen Landes. Jerusalem sollte eine ‚internationale Stadt‘ werden, die Juden, Christen und Moslems freien Zutritt gewährte.

In der Öffentlichkeit akzeptierten die Zionistenführer den UN-Teilungs­plan. Unter sich bereiteten sie einen Militärschlag zur Eroberung von soviel Land wie nur möglich vor. Judah L. Magnus, Präsident der Hebräischen Universität Jerusalem und Vertreter einer binationalen arabisch-jüdischen Staatenlösung, erklärte die zionistische Logik von 1947:

„Wenn überhaupt, kann man einen jüdischen Staat nur durch Krieg erzielen [...] Mit einem Araber kann man über alles reden, aber nicht über einen jüdischen Staat. Das liegt in der Natur der Sache, den ein jüdischer Staat läuft darauf hinaus, dass Juden andere Menschen regieren werden, die in diesem Staat leben. Jabotinsky wusste das schon vor geraumer Zeit. Er war der Prophet des jüdischen Staates. Jabotinsky wurde geächtet, verflucht und verbannt. Aber nun müssen wir einsehen, dass die gesamte zionistische Bewegung seine Ansichten übernommen hat".

Wie Magnus vorausgesehen hat, vereinigten sich zionistische ‚Rechte‘ und ‚Linke‘, um das Land an sich zu reißen. Sie setzten Terror, psychologische Kriegsführung und Massaker ein, um den Palästinensern Angst einzuflößen. Im bekanntesten Gemetzel haben die revisionistische Irgun und die Milizen der Kämpfer für die Freieheit Israels - deren Führer die späteren israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin und Jitzhak Shamir waren - das gesamte palästinensische Dorf Dir Yassin ermordet. Die Kommandos „stellten Männer, Frauen und Kinder in einer Reihe an eine Wand und erschossen sie" laut einem Bericht des Roten Kreuzes über das Blutbad. Nach Dir Yassin setzten die Zionisten die Androhung weiterer Massaker ein, um die Menschen zur Flucht aus ihren Häusern zu treiben - einschließlich der Bewohner von Städten wie Haifa und Jaffa.

Der israelische Militärkommandant Jitzhak Rabin überwachte die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung von Lydda. Er beschrieb das Ereignis:



„Jigal Allon fragte Ben-Gurion, was mit der Zivilbevölkerung geschehen solle. Ben-Gurion schwang seine Hand in einer Geste des ‚Jagt sie raus‘. Der Begriff ‚Rausjagen‘ klingt brutal. Psychologisch war das eine unserer schwierigsten Aktionen. Die Bevölkerung Lyddas ging nicht freiwillig. Es gab keine Möglichkeit, den Einsatz von Gewalt und Warnschüssen zu vermeiden, um die Einwohner die 15 oder 25 Kilometer zu jenem Punkt in Gang zu setzen, an dem sie auf die arabische Legion treffen würden."

Jahrelang machte die zionistische Geschichtsschreibung bestimmte ‚Fakten‘ für den Krieg von 1948 geltend: das kleine Israel habe einer überwältigenden arabischen Feuerkraft gegenübergestanden, die Palästinenserführer hät­ten die Palästinenser zum Verlassen des Landes aufgefordert, es habe kei­nen zionistischen Plan zur Vertreibung der Palästinenser gegeben, die Pa­lästinenser hätten eine Teilung abgelehnt und den Krieg begonnen. Nun hat die neuere Geschichtsforschung - die sich auf streng geheime Akten des israelischen Verteidigungsministeriums stützen konnte - all diese Behauptungen allerdings als Lügen entlarvt. Als der Krieg beendet war, hielten die Zionisten 77 Prozent von Palästina besetzt, einschließlich 95 Prozent der für Landwirtschaftschaft bestens geeigneten Grundstücke. Der israelische Staat hatte 80 Prozent von privatem Palästinenserland gestohlen. Über 750.000 Palästinenser waren aus ihren Häusern vertrieben, in die nun Juden einzogen. Die palästinensische Gesellschaft war vernichtet. Aus diesem Grund nennen die Palästinenser das Geschehen von 1948 al-Nakbah (‚die Katastrophe‘).

1949 begrüßte ein Kibbuz Mitglieder der ‚sozialistischen‘ Hashomer Ha­zair aus den USA und Kanada zur Besiedlung eines 1948 eroberten palästinen­si­schen Dorfes. Die erste Aktion des Kibbuz war die Zerstörung der Dorf­mo­schee. Ein Hashomer-Mitglied schrieb in sein Tagebuch: „Das musste ge­tan werden. Das Bewahren des Sym­bols eines Volkes, das sich bei nüchter­ner und unsentimentaler Betrachtung als unser erbittertster Feind erwiesen hat und dem wir die Rückkehr niemals ge­stat­ten würden, wäre sinnlos gewesen. Nun ist es eine Ruine, und dennoch sind sich die meisten von uns einig, dass es so besser ist. Die armseligen Hütten, der Dreck, die mittelalterli­che Athmosphäre - sie sind größtenteils verschwunden. Bringt die Bulldozer und lasst uns Bäume pflanzen."

Auf dem Fundament von Krieg und Mord wurde der israelische Staat errichtet. Der Zionismus hatte sein lang ersehntes Ziel erreicht - einen jüdischen Staat. Aber wie die hundertjährige Geschichte des politischen Zionismus und die sechzigjährige Geschichte des Staates Israel zeigen, gibt es zum Feiern keinen Grund. Mitglieder der Sozialistischen Organisation Israels, einer revolutionär-sozialisti­schen Organisation, drückten das 1972 am besten aus:

„Der Zionismus hat das nationale Erwachen und brüderliche Solidarität versprochen; erzeugt hat er eine Gesellschaft zunehmender Ungleichheit, rassistischer Diskriminierung und kultureller Unterdrückung. Der Zionismus hat Unabhängigkeit versprochen; zustande gebracht hat er eine Gesellschaft, in der der Ministerpräsident dem Volk gegenüber regelmäßig betonen muss, dass die Existenz der Nation von der Lieferung der nächsten 50 oder 100 Phantom-Jets aus den USA abhängt [...] Der Zionismus versprach den Juden physische Sicherheit; heute ist Israel für Juden der gefährlichste Ort auf der Welt, und das wird er solange bleiben, wie die israelisch-jüdische Gesellschaft ihren Kolonialcharakter und ihre Funktion als imperialistisches Werkzeug beibehält."

Lance Selfa ist Mitglied der amerikanischen ISO. Aus Klassenkampf Nr. 35

Zur Gründung des Staates Israel siehe auch

Israel, das Öl und der 3. Weltkrieg in der Linken Zeitung.



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New PostErstellt: 09.05.08, 10:06  Betreff: Re: 60 Jahre Israel  drucken  weiterempfehlen

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Zum Nahost-Besuch von James Carter

Yossi Sarid schrieb in der israelischen Tageszeitung Haaretz zum Nahost-Besuch von Ex-US-Präsident James Carter und der Kritik daran:



Die Moderatorin war sichtbar schockiert: Ich habe keine Zeit, um auf das, was Sie gesagt haben, zu reagieren, antwortete sie dem ehemaligen US-Präsidenten – und erlaubte Jimmy Carter, im letzten Moment ihren Klauen zu entkommen. Dann fügte sie hinzu, daß sie sich nicht gern vorstellt, was passieren würde, wenn er in einer dunklen Gasse auf ihre für Sicherheitspolitik zuständigen Kollege vom Sender 2 stoßen würde... Der Bastard soll sich glücklich schätzen, daß wir ihn nicht in Stücke gerissen haben.

So ist das hier: Die Herrschenden geben den Ton an und der wird in den Medien umgesetzt: Carters Mission hat nicht nur nicht geholfen, sie hat Schaden angerichtet. (…) So was passiert, wenn ein Feind der Menschheit, der Zwilling von Bin Laden, (…) seine Nase in Dinge steckt, die ihn nichts angehen.

Vergessen wir den alten Carter, (…) den Inhalt seiner Worte sollten wir jedoch nicht ignorieren. »Apartheid«, sagte er. »Apartheid« – ein dunkles, beängstigendes Wort, das von weißen Südafrikanern geprägt wurde und das Segregation und Rassentrennung bedeutet.
Was will er von uns, dieser böse Mensch: Was haben wir mit Apartheid zu tun? Bedeutet eine Trennmauer bereits Trennung? Bedeuten getrennte Wege für jüdische Siedler und Palästinenser bereits Segregation? Sind palästinensische Enklaven zwischen jüdischen Siedlungen kleine Bantustans?

Es gibt keinen Hauch von Ähnlichkeit zwischen Südafrika und Israel, und nur ein kranker Geist könnte derartige Vergleiche anstellen. Straßensperren und Kontrollen auf Schritt und Tritt; Lizenzen und Genehmigungen für jede Kleinigkeit, willkürliche Enteignung von Grundstücken; besondere Privilegien bei der Wasserverteilung; schwere und billige Arbeit, Familienschicksale auf der Basis bürokratischer Launenhaftigkeit – nichts von alldem ist Apartheid. Das sind unumstößliche Notwendigkeiten für die Sicherheit, Basta.

Auch die weißen Afrikaner hatten Gründe für ihre Segregationspolitik; auch sie fühlten sich bedroht – das große Böse lauerte vor ihrer Tür, und sie hatten Angst, sie mußten sich verteidigen. Aber unglücklicherweise sind alle guten Gründe für die Apartheid schlechte Gründe; Apartheid hat immer einen Grund, aber niemals eine Rechtfertigung. Und was aussieht wie Apartheid, handelt wie Apartheid und schikaniert wie Apartheid, das ist Apartheid. Und außerdem löst sie nicht einmal das Problem der Angst: Heute weiß jeder, daß jegliche Apartheid zwangsläufig ihr elendiges Ende findet.

Dennoch bleibt zwischen Südafrika und Israel ein wesentlicher Unterschied: Dort beherrschte eine kleine Minderheit eine große Mehrheit, und wir sind fast gleich groß. Aber schon verdunkelt sich der Horizont. Denn das zionistische Projekt wird zu Ende gehen, wenn wir uns nicht entscheiden, das Haus des Sklaven zu verlassen, bevor wir uns dort die tödliche demographische Pest holten.

Es ist völlig klar, warum das Wort Apartheid uns so erschreckt. Aber was uns erschrecken sollte, ist nicht die Beschreibung der Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit selbst. Sogar Ehud Olmert hat endlich verstanden, daß das Fortdauern der gegenwärtigen Situa­tion das Ende des jüdischen, demokratischen Staates bedeutet, wie er vor kurzem gesagt hat.

Die Palästinenser sind unglücklich, denn sie haben keinen Nelson Mandela hervorgebracht und die Israelis sind unglücklich, weil sie keinen F. W. de Klerk haben.

Übersetzung: Rainer Rupp





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New PostErstellt: 10.05.08, 08:01  Betreff: Re: 60 Jahre Israel  drucken  weiterempfehlen

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Im Zweifel für Israel

Mit seinem Bekenntnis zum Zionismus hat Gregor Gysi die Koordinaten linker Außenpolitik umgeworfen

Von Werner Pirker



Der Redakteur der tageszeitung hatte »die strategische Bedeutung« der Gysi-Rede zum 60. Jahrestag der Gründung Israels *(1), die in einer Solidaritätserklärung an den zionistischen Staat und einer schroffen Absage an den Antizionismus gipfelte, sogleich erfaßt. »Wenn die Linkspartei«, schrieb Stefan Reinecke in der taz vom 18. April, »Israel als Teil der deutschen Staatsräson anerkennt, demonstriert sie, daß sie endgültig im westlichen Wertesystem angekommen ist«. Bedenkt man, daß westliches Wertesystem und imperialistische Kriegsallianz Synonyme sind, kann das nur heißen: Weit ist sie gekommen.

Gleichzeitig stellt sich die Frage: Ist die von Gysi geäußerte Zuneigung zu Israel dem Kalkül einer schrittweisen Annäherung an die imperialistische Staatsräson geschuldet, wie es der taz-Autor – »Gysis Rede ist ein Schritt, um die außenpolitische Selbstisolierung der Partei aufzubrechen« – vermutet? Oder ist es die von einem deformierten Antifaschismus inspirierte prozionistische Position des linken Mainstreams, welche dessen Anpassung an die imperialistische »deutsche Staatsräson« beschleunigte?

Dr. Gregor Gysi hat sich für eine sehr umständliche Begründung seiner Haltung zum Nahost-Konflikt entschieden. Solidarität mit dem Aggressor, das sagt sich schließlich nicht so leicht. Das geht nicht ohne Geschwafel, pardon: Vermittlungsschritte. Vom Allgemeinen zum Besonderen vordringend, leitete der Linkspartei-Fraktionschef seinen Vortrag über »Die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel« mit kriegstheoretischen Anleihen bei Clausewitz ein: »Anstatt eine Konfliktpartei als einsamen Akteur mit eindeutig festgelegten Präferenzen aufzufassen, muß ein realistisches Bild des Krieges den hohen Grad an Komplexität eines gewaltsamen Konflikts erfassen.« Dieser »Philosophie des Krieges« stellte der Redner eine in der Linken vorherrschende »Tendenz zur einseitigen Parteinahme« gegenüber: »Gerade bei dem israelisch-arabischen Konflikt habe ich den Eindruck, daß unsere Konfliktbeschreibungen in einem Gut-Böse-Schema implodieren.«

Damit meint er im wesentlichen jenen Teil der Linken im allgemeinen, bzw. der LINKEN im besonderen, die sich für die palästinensische Tragödie empfänglich zeigen. Und nur ganz nebenbei auch jene übertriebene Israel-Apologie, wie sie in den Rasereien der »Antideutschen« zum Ausdruck kommt. Denn Gysi, der die Solidarität mit Israel aus deutschem Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Geschichte einfordert, ist gewiß kein »Antideutscher«. Doch auch die antideutsche Attitüde ist in ihrem Wesen nicht antideutsch, sondern antiarabisch. Die sehr deutsche Absicht der Nationalnihilisten besteht darin, deutsche Schuldkomplexe auf die arabisch-islamische Welt abzuwälzen, die »Kameltreiber« für Auschwitz büßen zu lassen.

Konfliktursachen ausgeblendet

Vom hohen Roß der Abstraktion auf das linke Fußvolk herabblickend, liefert Gysi eine Konfliktbeschreibung, in der die Ursache des nahöstlichen Konflikts, die in der Logik des zionistischen Staatsprojekts liegende Vertreibung und Entrechtung der angestammten arabischen Bevölkerung Palästinas ausgeklammert bleibt. Seine mit großem Aufwand hergestellten Begründungszusammenhänge, seine der Abstraktionsleistung eines Clausewitz abgeschauten Verallgemeinerungen dienen freilich einzig der schlichten Absicht, die kriegerische Existenzform Israels zu objektivieren. Diese Vorgangsweise folgt sehr wohl einer »eindeutig festgelegten Präferenz«. Wäre er als Rechtsanwalt gefordert, würde Gysi auf »Im Zweifel immer für Israel« plädieren.

»Im Rahmen einer Rede«, merkte Gysi an, »kann kaum etwas anderes geleistet werden, als Dinge zu unterschlagen, die andere für absolut relevant halten, und wahrscheinlich tun sie das auch zu Recht«. Die vorauseilende Demut hatte freilich die Nachsicht, die sie erhoffte, nicht verdient. Denn was der Redner unterschlug, war nicht mehr und nicht weniger als die palästinensische Sicht auf den Nahostkonflikt. Die »Nakba«, die palästinensische Katastrophe, kam in seiner Rede, wenn überhaupt, nur indirekt vor: als die nahöstliche Gewaltmechanik in Schwung haltende Reaktion der Eingeborenen auf die jüdische Besiedlung. Das ist kein tragisches Rednergeschick. Hier wurde vielmehr eine Grundhaltung deutlich, die sich darin äußert, daß das Recht des jüdischen Nahoststaates auf Existenz ein absolutes sei, das alle palästinensischen Ansprüche relativiere. So soll die – aus palästinensischer Sicht – Katastrophe der israelischen Staatsgründung, die Unterordnung der autochthonen Bevölkerung unter das Siedlerdiktat für alle Zeiten fortgeschrieben werden.

Selbst auf der Ebene der Sichtweisen hat die palästinensische der israelischen untergeordnet zu sein. Die Sicherung des zionistischen Projekts hat als höheres Rechtsgut als das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes zu gelten. Erst nach Anerkennung des Landraubes durch die Geschädigten kann über deren Schadenersatzansprüche geredet werden. Da läßt sich dann auch ein Herr Gysi dazu herab, den Palästinensern für das ihnen von den Israelis zugefügte Leid sein Bedauern auszusprechen.

Die palästinensische Gegenposition zum Zionismus erscheint dem Linkspartei-Politiker als nicht diskursfähig. Denn schon die Nichtanerkennung Israels in seiner zionistischen Verfaßtheit wird von der politisch korrekten Linken als ideologische Voraussetzung des Terrorismus denunziert. Gysis Position zur israelischen Staatsgründung entspricht im Grunde dem Geschichtsbild der Gründergeneration des Zionismus: »Gebt das Land ohne Volk dem Volk ohne Land«. Zwar läßt sich das damals übersehene Volk inzwischen nicht mehr wegreden, doch als politisches Subjekt hat es nach dem Willen Israels und seiner Freunde so klein wie möglich gehalten zu werden, wenn es schon nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Zwar würde es ein Gysi so nie sagen. Wohl aber, daß die Legitimität der nationalen Rechte der Palästinenser an deren Anerkennung der Legitimität des Zionismus und damit ihrer Vertreibung geknüpft sei. Das ist noch keiner anderen Nationalität zugemutet worden: Daß ihre Existenzberechtigung der Bedingung unterliegt, die Existenz eines Staates zu akzeptieren, der auf der Negation ihrer Existenz aufgebaut ist.

Ende der Debatte

Die Legitimität des Zionismus leitet Gysi aus der jüdischen Leidensgeschichte ab. »Nach tausend Jahren Ausgrenzung, Pogromen und dann der nationalsozialistischen Barbarei, das heißt der Ermordung von Millionen Jüdinnen und Juden, den Überlebenden des Holocausts zu empfehlen, nun doch auf die Emanzipation in anderen Nationalstaaten zu setzen, wäre wohl deutlich zu viel verlangt gewesen. Und so stellte sich das jüdische Nationalstaatsprojekt als alternativlos dar.« Ende der Debatte. Den Palästinenserinnen und Palästinensern zu empfehlen, ihren Boden den Überlebenden des Holocausts zu überlassen, war hingegen nicht zu viel verlangt. Für den deutschen Linkspolitiker ist einzig der jüdische Emanzipationsdiskurs maßgeblich. Über das Schicksal des Landes der drei Religionen hatte nicht dessen angestammte Bevölkerung zu entscheiden. Es war entschieden, als Opfer und Täter zur Ansicht gelangten, daß den Jüdinnen und Juden der Verbleib in anderen Nationalstaaten nicht mehr zuzumuten sei.

Es ist schon eigenartig, daß der »zivilisierte Westen«, der sich heutzutage in düsteren Prophezeiungen über die Gefahr eines islamisch inspirierten Holocausts ergeht, bei seiner Entscheidung für das jüdische Nationalstaatsprojekt von der Annahme eines Fortbestehens des Antisemitismus im eigenen Machtbereich ausging und deshalb das Schicksal der Juden im Nahen Osten besser aufgehoben sehen wollte als im christlichen Abendland. Wie dem auch sei: Das Schuld-und-Sühne-Drama ist mit der Überlassung der Sühne für abendländische Schuld an die Morgenländer erfolgreich über die Bühne gebracht worden.

Die Zionisten wußten es dem Abendland mit einer strikten Westorientierung zu danken. Die Opfer okzidentalen Rassenwahns, der im Begriff »Antisemitismus«, der ursprünglich in einem Bedeutungszusammenhang mit Anti-Orientalismus stand, seinen Ausdruck fand, stellten sich als Wacht am Jordan in den Dienst des westlichen Hegemonialkartells, das in letzter Instanz auf die Sicherung der »white supremacy«, der weißen Vorherrschaft, gerichtet ist. Da erstaunt es dann auch nicht weiter, wenn das imperialistische Deutschland die Sicherung der Existenz Israels als Teil seiner Staatsräson wahrnimmt. Das ergibt sich weniger aus dem Bemühen um Wiedergutmachung als aus der Kontinuität imperialistischer Politik in Deutschland. Diese wird heute nicht mehr in einem mörderischen Alleingang auf dem »deutschen Sonderweg« verfolgt, sondern im Rahmen des atlantischen Kriegsbündnisses. Israel bildet in nahöstlicher Aktionseinheit mit der alleinigen Supermacht USA das Gravitationszentrum des imperialistischen Krieges.

Linken Konsens aufgebrochen

Mit seiner Forderung nach Solidarität mit Israel begibt sich Gysi in die feine Gesellschaft der Kriegstreiber. Sollte seine Position in der Linkspartei mehrheitsfähig werden, würde das auch einen dramatischen Bruch mit der bisher eingenommen Haltung der Äquidistanz zu den nahöstlichen Konfliktparteien bedeuten. Die hatte immerhin noch zur Folge, daß israelische Völkerrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen beim Namen genannt wurden. Dieser Konsens – Eintreten für eine gerechte Friedenslösung, bei stärkerer Betonung der legitimen Anliegen der unterlegenen palästinensischen Seite – ist nun vom Fraktionsvorsitzenden aufgebrochen worden. Denn Solidarität mit Israel zu bekunden, bedeutet eindeutig Partei für jene Seite zu ergreifen, die sich der seit Jahrzehnten andauernden Unterdrückung des palästinensischen Volkes schuldig gemacht hat. Natürlich will Gysi seine Solidarität kritisch verstanden wissen, tritt er für die Räumung der 1967 von Israel widerrechtlich besetzen Gebiete und die Auflösung der jüdischen Siedlungen auf der Westbank ein. Doch ein Bekenntnis zur Solidarität mit dem Volk von Palästina war in seiner Rede nicht enthalten – und das lag wohl eher nicht daran, daß in jeder Ansprache zwangsläufig Dinge unterschlagen werden, die andere, in diesem Fall die Palästinenser, als absolut relevant betrachten.

Gysi macht ohnedies kein Geheimnis daraus, daß er eine neutrale Position im Nahostkonflikt grundsätzlich mißbilligt. Das verdeutlicht er ausgerechnet am Beispiel seiner Ablehnung der Entsendung deutscher Truppen für die UN-Mission im Libanon. Eben weil Deutschland in Nahost nicht neutral sein könne, wolle es seiner Verpflichtung gegenüber der Vergangenheit gerecht werden, sollte es auf Neutralität voraussetzende »Friedenseinsätze« verzichten. Daß es zwischen einer solchen Position und einer offenen Unterstützung israelischer Aggressionshandlungen unter der Begründung, daß Deutschland im Nahen Osten nicht neutral sein dürfe, nur noch ein Katzensprung ist, versteht sich fast von selbst. Was man beim nächsten Angriffskrieg Israels aus der Linkspartei wohl zu hören bekommen wird? Daß es die deutsche Staatsräson verbiete, israelische Kriegsverbrechen zu verurteilen?

Die Forderung von Solidarität mit Israel geht auch weit über das bisherige Insistieren auf das Existenzrecht des jüdischen Staates hinaus, das von der Mainstream-Linken schon immer als ihre heilige Pflicht empfunden wurde. Dabei stellte sich stets die Frage, welches Israel anerkannt werden sollte. Und in welchen Grenzen? Ein als Staat seiner Bürger oder ein als Staat des jüdischen Volkes definiertes Israel? Ein Israel in den Grenzen vor dem Krieg 1967 oder ein Israel, das seine genaue Grenzziehung noch bekanntgeben will? Für den Zionismus stellt der exklusiv jüdische Charakter der israelischen Staatlichkeit die Überlebensfrage schlechthin dar. Der Grund, weshalb die israelischen Eliten eine Zweistaaten-Lösung überhaupt ins Auge faßten, ist in der Angst vor einer »demographischen Katastrophe«, womit eine arabische Bevölkerungsmehrheit auf dem Boden Israels gemeint ist, begründet. Auch Gregor Gysi bewegt die Sorge um die jüdische Reinheit des israelischen Staatswesens. Sich gegen eine Einstaatenlösung aussprechend, sagte er: »Wer nur einen Staat für Jüdinnen und Juden, Palästinenserinnen und Palästinenser mit demokratischer Struktur will, akzeptiert damit heute, daß die Palästinenserinnen und Palästinenser die Mehrheit stellten, alles besetzten und die Verfolgungen, Unterdrückungen und Pogrome gegen Jüdinnen und Juden wie seit Tausenden von Jahren wieder begännen, nicht zu verhindern wären«.

Der Judenhaß erscheint ihm offenbar als ehernes Naturgesetz. Ungeachtet der Tatsache, daß es einen solchen in der arabisch-islamischen Welt vor der Säuberung Palästinas von seiner arabischen Bevölkerung nicht gab. An die These vom ewigen Antisemiten knüpft Gysi die Behauptung, daß allein der Staat Israel eine wirksame Garantie für den Schutz der Juden vor antisemitischen Pogromen sei: »Die Grundannahme des Zionismus, wenn die Jüdinnen und Juden eine Staatsmacht haben wollen, die sie auch wirklich schützen soll, dann nur in ihrem eigenen Staat, ist nach dieser historischen Erfahrung kaum noch ernsthaft bestreitbar«. Es mag auch eine Grundannahme des Zionismus gewesen sein, daß sich die arabische Bevölkerung Palästinas nach der Ankunft jüdischer Siedler in Luft auflösen würde. Als dies nicht geschah, wurde sie mit Gewalt aus dem Land vertrieben. Inzwischen ist es eine Grundannahme des Zionismus, daß Israels »Selbstverteidigung« gegen seine arabischen Feinde der Verhinderung eines »zweiten Holocaust« diene. Was also als Schutzmacht vorgesehen war, ist selbst zum Schutzobjekt geworden. Es war jedenfalls eine äußerst seltsame Annahme, zu meinen, sich vor Anfeindungen schützen zu können, indem man sich der Heimat eines anderen Volkes bemächtigt. Der begreifliche Haß, den die Kolonisten auf sich gezogen haben, wurde dann umgehend als Antisemitismus denunziert. Wenn Antisemitismus tatsächlich nur auf Projektionen beruhen würde, wie es psychoanalytische Deutungen nahelegen, er also nicht eine Reaktion auf das reale Verhalten von Juden ist, dann können die Opfer der zionistischen Landnahme ganz bestimmt keine Antisemiten sein. Sie hassen ihre Unterdrücker, weil sie Unterdrücker und nicht weil sie Juden sind.

Exklusive Demokratie

Für Gregor Gysi ergibt sich aus der Perspektive eines säkularen demokratischen Staates für Juden und Araber auf dem Boden des historischen Palästinas das Horrorszenario einer von Judenverfolgung geprägten Gesellschaft. Das ist eine seltsame Vorstellung von Demokratie. Sie steht in einem inneren Zusammenhang mit der Behauptung, daß Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten sei. Denn die israelische Demokratie ist eine Apartheid-Demokratie, was bedeutet, daß die Demokratie der einen die Unterdrückung der anderen zur Voraussetzung hat. Die Begründer des zionistischen Projekts diskutierten sehr wohl die Frage, ob Israel ein jüdischer oder ein demokratischer Staat sein solle. Weil sie wußten, daß die jüdische Exklusivität durch den Gleichheitsgrundsatz gefährdet wäre, entschieden sie sich für den jüdischen Staat.

Gysi aber bewundert die israelische Demokratie – nicht trotz, sondern wegen ihrer Exklusivität. Vor allem angesichts der »Bedrohungslage«, in der sich das Land befände, sagte er, »anerkenne ich die Bewahrung demokratischer Verhältnisse – einschließlich einer demokratischen Öffentlichkeit – während der vergangenen 60 Jahre seit der Gründung Israels dort als eine wirklich große Leistung, die Bewunderung und Anerkennung verdient«. Die staatliche Sanktionierung von Folter, die kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung, die gezielte Tötung von Aktivisten, die Verweigerung von Baugenehmigungen an Palästinenser, die Zerstörung ihrer Häuser, die offenkundige Benachteiligung der arabischen Bürger Israels – das alles fällt unter »Bewahrung demokratischer Verhältnisse«. Gregor Gysi hat sich voll die Logik der zionistischen Doktrin zu eigen gemacht: Je ausgegrenzter der arabische Faktor, desto stabiler die israelische Demokratie. Das ergibt sich logisch aus einem Staatswesen, das sich nicht auf die Gesamtheit seiner Bürger, sondern auf das gesamte jüdische Volk, wo immer sich das auch befinden mag, bezieht.

Die entschiedene Absage, die Gysi dem Antizionismus erteilte, war eigentlich überflüssig. Denn antizionistisch im Sinne einer grundsätzlichen Ablehnung der Idee einer exklusiv jüdischen Staatlichkeit waren die Linkspartei und ihre Vorgänger ohnedies nie. Die Parteirechte ist nunmehr um die Herstellung einer prozionistischen Hegemonie bemüht. Dabei geht es nicht nur um Israel. Die Verurteilung des Antizionismus zielt auf die Entsorgung der gesamten antiimperialistischen Altlast. »Zusammenfassend«, so Gysi, »würde ich also behaupten wollen, daß der einstige Antiimperialismus in linken Diskursen, falls er es je konnte, nicht mehr sinnvoll plaziert werden kann«. Seiner »politökonomischen Ursprungskomponente« sei schon mit dem Eintritt des Kapitalismus in die fordistische Phase, die zu einem Bedeutungsverlust der Kolonien als Absatzmarkt geführt habe, die »sachliche Substanz« entzogen worden und nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus sei dem Antiimperialismus auch die machtpolitische Komponente verlorengegangen.

Das klingt ja ganz so, als wären Imperialismus und Antiimperialismus Entäußerungen der Ost-West-Konfrontation gewesen und nicht umgekehrt. Und als wäre mit dem Ende der Sowjetunion auch der Imperialismus bedeutungslos geworden. Denn nur das Ende des Imperialismus würde den Antiimperialismus gegenstandslos machen. Es scheint aber eher so, daß in »linken Diskursen« der Imperialismus seinen Schrecken eingebüßt hat, weil entweder westliches Vormachtstreben nicht mehr als Imperialismus oder dieser als Motor des zivilisatorischen Fortschritts wahrgenommen wird.

Die Gysi-Sozialisten sind tatsächlich in der westlichen Wertegemeinschaft angekommen. In der aufgeklärten, liberalen, demokratischen, pluralistischen, säkularen, kurz: besten aller Gesellschaften, deren Feinde sich unter der grünen Fahne des Propheten sammeln. In dieser Deutung der globalen Situation steht Israel sinnbildhaft für die bedrohte westliche Zivilisation. Sein Recht auf Existenz wird zu einer Gewissensentscheidung der Menschheit erhoben. Der jüdische Staat nutzt das zu einer besonders exzessiven Auslegung dieses Rechtes – im Namen einer aggressiven westlichen Zivilisation. Mit seiner Geburtstagsrede für Israel hat Gregor Gysi seine außenpolitische Reifeprüfung abgelegt.



*(1) Der Vortrag »Die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel« von Gregor Gysi, gehalten am 14.April auf der Veranstaltung »60 Jahre Israel« der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist dokumentiert im Internet: 60 Jahre Israel.



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New PostErstellt: 11.05.08, 19:32  Betreff: Re: 60 Jahre Israel  drucken  weiterempfehlen

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Folge des UN-Plans

Einen Tag nach der Ausrufung Israels beginnt der erste arabisch-israelische Krieg

Von Knut Mellenthin



Vor dem Hintergrund des Holocaust und angesichts von Hunderttausenden jüdischen Flüchtlingen in Europa schloß sich die UN-Vollversammlung am 29. November 1947 der Empfehlung einer Kommission an, Palästina in zwei Staaten zu teilen. Jerusalem mit Umgebung sollte als besondere Einheit zunächst von der UNO verwaltet werden.

Der jüdische Staat sollte fast 60 Prozent des Gebiets von Palästina einnehmen, obwohl zu diesem Zeitpunkt nur etwa ein Drittel der Einwohner Juden und kaum 15 Prozent des Landes in jüdischem Besitz waren. Dem UN-Plan zufolge wären auf den arabischen Staat 800000 Araber und 10000 Juden entfallen, auf den jüdischen Staat hingegen 500000 Juden und 325000 Araber. Die meisten von ihnen lebten in ausschließlich oder überwiegend arabischen Orten und Gebieten. Daß sie nicht freiwillig Bürger Israels werden wollten, stand fest. Ihre Einbeziehung in den jüdischen Staat konnte also nur mit militärischen Mitteln erzwungen werden.

Dem Teilungsplan zufolge sollten der jüdische und der arabische Staat jeweils aus drei separaten Gebieten bestehen, die so ineinander verkeilt waren, daß alle Verbindungswege zwischen ihnen durch das Gebiet des anderen Staates führten. Außerdem gab es noch eine kleine arabische Enklave um die Stadt Jaffa. Jerusalem lag mitten in einem arabischen Gebiet.

Krieg programmiert

Der Teilungsplan hätte ein Maximum an gutem Willen auf beiden Seiten vorausgesetzt, um zu funktionieren. In der sehr angespannten realen Situation stellte er eine Aufforderung zur schnellen Klärung der Verhältnisse durch Krieg dar. Großbritannien, das im November 1947 noch rund 100 000 Soldaten in Palästina stationiert hatte, zog seine Truppen in den folgenden Monaten zügig ab, ohne sich um die Eskalation der Gewalt zwischen den Bevölkerungsgruppen zu kümmern. Der Teilungsplan sah zwar vor, daß die Vereinten Nationen die Verantwortung für seine friedliche und geordnete Durchführung übernehmen sollten. Tatsächlich geschah von dieser Seite jedoch absolut nichts.

Die Teilungsresolution der UNO wurde, aus unterschiedlichen Gründen, von den Palästinensern und den arabischen Staaten abgelehnt. Verworfen wurde sie aber auch vom sogenannten revisionistischen, rechtsextremen Flügel der Zionisten, der über die bewaffneten Organisationen Irgun und Lehi verfügte. Die Revisionisten hatten stets Palästina »auf beiden Seiten des Jordan« für den jüdischen Staat reklamiert und das bedeutete: einschließlich des gesamten Jordaniens. Nach ihrer Ansicht war die Resolution illegal und unannehmbar. Sie kündigten an, sich ihr mit allen Mitteln zu widersetzen. Im Juni 1948 proklamierte die Irgun gar die Nichtanerkennung des im Mai gegründeten Staates Israel. Später haben es die damaligen Führer von Irgun und Lehi im Staat Israel zu Ministerpräsidenten gebracht. Ihre Namen: Menachem Begin und Yitzchak Schamir.

Auch aus Sicht der sozialdemokratischen Führung um Ben Gurion war die Teilungsresolution der UNO eine Zumutung und außerdem überhaupt nicht zu praktizieren. Ein winziger Staat, der aus drei miteinander nicht direkt verbundenen Miniterritorien bestehen sollte, war inmitten einer nicht gerade freundlich auf das zionistische Projekt reagierenden Umgebung nicht lebensfähig. Es kam hinzu, daß ein arabischer Bevölkerungsanteil von 40 Prozent die ganze Idee des Zionismus ad absurdum geführt hätte: Dieser Staat wäre binational gewesen oder hätte es jedenfalls sein müssen, falls man nicht sämtliche Regeln der Demokratie außer Kraft setzen wollte. Unerträglich war für alle Zionisten außerdem der Verlust Jerusalems.

Das Interesse, die Linien des Teilungsplans mit Gewalt zu verändern und dabei zugleich die Bevölkerungsverhältnisse zu »korrigieren«, bestand daher nicht nur bei den Rechtsextremen, sondern auch bei der sozialdemokratischen Führungsgruppe. Auf Drängen Ben Gurions wurde am 12. Mai 1948 beschlossen, bei der Proklamation Israels die Staatsgrenzen nicht festzulegen. Dabei ist es bis heute geblieben.

Der erste arabisch-israelische Krieg begann nicht erst am 15. Mai 1948 mit dem Eingreifen regulärer Armeen aus den Nachbarländern, sondern unmittelbar nach der Teilungsresolution vom November 1947. Auf der einen Seite kämpften palästinensische Guerillaverbände, teilweise mit Unterstützung aus arabischen Staaten. Sie konnten zwar kaum Territorium besetzen, gefährdeten oder blockierten aber die Verkehrswege, schnitten jüdische Siedlungen ab und griffen sie an. Auf der anderen Seite heizten seit Januar 1948 Irgun und Lehi den Konflikt durch Bombenanschläge auf arabische Bevölkerungszentren an. Zugleich versuchten die offiziellen Streitkräfte, die Haganah, die versprengt liegenden jüdischen Gebiete miteinander zu verbinden und auszuweiten.

Anfang April 1948 konnten die Zionisten zur militärischen Offensive übergehen, wobei mitunter, wie bei der Eroberung von Haifa, die Haganah und die Rechtsextremisten zusammenarbeiteten. Durch diese Operationen wurden noch vor der Proklamation des Staates Israel weitgehend die im Teilungsplan vorgesehenen Linien erreicht und zum Teil schon überschritten. Eine Massenflucht der arabischen Bevölkerung setzte ein, besonders nachdem sich die Nachricht vom Massaker in Deir Jasin verbreitete.

Einheiten der Irgun und der Lehi hatten am 9. April 1948 das nahe Jerusalem gelegene Dorf überfallen und – nach unterschiedlichen Angaben – zwischen 100 und 250 Menschen ermordet. Deir Jasin und die Massenflucht setzten die arabischen Regime – die zwar lautstark Kriegsparolen verbreiteten, aber vor Taten eher zurückschreckten, weil sie sich ihrer militärischen Schwäche bewußt waren – unter Zugzwang. Die Länder, die durchweg gute Beziehungen zu Großbritannien unterhielten und deren Armeen zum Teil eng mit dem britischen Militär kooperierten (Jordanien, Ägypten, Irak, Saudi-Arabien), warteten mit ihrer Intervention das offizielle Ende des britischen UN-Mandats am 14. Mai ab – vermutlich in Absprache mit London.

Israelische Überlegenheit

Der erste arabisch-israelische Krieg begründete, vor dem Hintergrund des Holocaust, den Mythos vom tapferen kleinen Volk, das sich gegen eine riesige Übermacht von vernichtungswilligen Feinden behauptet. Indem man einfach die Bevölkerung der Staaten zusammenzählte, die Israel den Krieg erklärt hatten, kam man zu der Version, 27 Millionen Araber hätten eine halbe Million Juden überfallen. Tatsächlich schickten die arabischen Staaten insgesamt maximal 60000 Mann an die Fronten. Zu Kriegsbeginn bestand zahlenmäßig ungefähr Parität –etwa 30000 Mann auf jeder Seite –, in der Endphase hatten die israelischen Streitkräfte eine doppelte Überlegenheit.

Das Ergebnis des Krieges war erstens, daß Israel sich weit über die Linien des UN-Teilungsbeschlusses hinaus ausdehnte. Zweitens, daß 750000 arabische Palästinenser geflüchtet oder vertrieben waren, so daß im Gebiet Israels nur noch etwa 100000 als tolerierbare Minorität lebten. Israel erlaubte die Rückkehr der Flüchtlinge nicht, wie es die am 11. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung verabschiedete Resolution 194 vorsah. Nicht zustande kam auch der von der UNO beschlossene arabisch-palästinensische Staat: Das jordanische Regime annektierte das Land westlich des Jordan, soweit es nicht von Israel erobert worden war. Ägypten unterstellte den Gazastreifen seiner Verwaltung.



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New PostErstellt: 11.05.08, 19:52  Betreff: Re: 60 Jahre Israel  drucken  weiterempfehlen

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„Wir feiern Israels Geburtstag nicht“

The Guardian  30. April 2008

In der Zeitung The Guardian (30. April 2008, Seite 33) erklärten über 100 prominente britische Juden „Wir feiern Israels Geburtstag nicht“:



Im Mai werden jüdische Organisationen den 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel feiern. Im Zusammenhang mit Jahrhunderten der Verfolgung, die im Holocaust gipfelte, ist dies gut zu verstehen. Aber wir sind Juden, die nicht feiern werden. Denn nun ist es an der Zeit, die Erzählung der anderen anzuerkennen, den Preis, den ein anderes Volk für den europäischen Antisemitismus und Hitlers völkermörderische Politik gezahlt hat. Wie Edward Said sagte, was der Holocaust für die Juden, ist die Nakba für die Palästinenser.

Im April 1948, dem Monat des schändlichen Massakers von Deir Yassin und des Granatwerfer-Angriffs auf palästinensische Zivilisten auf dem Marktplatz von Haifa, wurde der Plan Dalet umgesetzt. Er sorgte für die Zerstörung palästinensischer Dörfer und die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung außerhalb der Staatsgrenzen. Wir werden nicht feiern.

Im Juli 1948 wurden 70 000 Palästinenser bei Sommerhitze ohne Nahrung und Wasser aus ihren Häusern in Lydda und Ramleh vertrieben. Hunderte starben. Dies wurde als Todesmarsch bekannt. Wir werden nicht feiern.

Insgesamt wurden 750 000 Palästinenser zu Flüchtlingen. Etwa 400 Dörfer wurden von der Landkarte getilgt. Damit war die ethnische Säuberung noch nicht zu Ende. Tausende Palästinenser (israelische Staatsbürger) wurden 1956 aus Galiläa vertrieben. Und noch viele Tausende mehr, als Israel das Westjordanland und Gaza besetzte. Kriegsflüchtlinge haben nach internationalem Recht und kraft UN-Resolution 194 einen Anspruch auf Rückkehr oder Entschädigung. Israel hat dieses Recht nie anerkannt. Wir werden nicht feiern.

Wir können nicht den Geburtstag eines Staates feiern, der auf Terrorismus, Massakern und der Enteignung des Landes eines anderen Volkes gegründet ist. Wir können nicht den Geburtstag eines Staates feiern, der auch jetzt noch ethnische Säuberungen betreibt, der internationales Recht verletzt, der eine ungeheuerliche Kollektivstrafe über die Zivilbevölkerung von Gaza verhängt und der weiter die Menschenrechte und nationalen Bestrebungen der Palästinenser verneint.

Wir werden feiern, wenn Araber und Juden als Gleiche in einem friedlichen Mittleren Osten leben.

Vollständige Liste der Unterzeichner dieser Erklärung im Internet: guardian.co.uk/world/2008/apr/30/israelandthepalestinians 



Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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