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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 01.12.09, 16:24     Betreff: Re: Europas Schoß ist feucht noch - oder wieder.

kopiert aus: http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/12/man-diskutiert-nicht-mit-henkern_01.html


Man diskutiert nicht mit Henkern

Dienstag, 1. Dezember 2009


Zum Vorwurf, ich hätte mich der unsachlichen Polemik schuldig gemacht, weit unter der Gürtellinie, inhaltslos versteht sich. Die von mir Angegriffenen würden keinen Spielraum erhalten, ja würden sogar undemokratisch behandelt, würden kein Forum für ihre Positionen eingeräumt bekommen.

Polemik sicher. Als solche war der Text mehr oder weniger gedacht. Was Kritiker dieser Polemik immer wieder ansprechen: Demokraten sollten immer gesprächsbereit sein. Aber das ist ein fataler Irrtum. Es gibt eine Schwelle, die zu überschreiten man nicht bereit sein darf. Man kann mit den Thesen Sarrazins und Konsorten nicht pflichtschuldigst und in gebotener Ehre umgehen, weil sie beleidigend, ehrabschneidend, menschenverachtend und als erste Instanz quasi, ein erster Schritt hin zum Blutigen sind. Wer anfängt mit solchen Menschenschlächtern im demokratischen Hemdchen zu disputieren, der legitimiert bereits deren Positionen, auch wenn er es nur unbewusst tut. Man diskutiert dann plötzlich, wie wir es bei der deutschen Presse im Falle Sarrazins erleben durften, ob nur der Stil der Äußerung daneben war - das engstirnige Weltbild aber bleibt unangestastet, die hell- bis mittelbraune Einfärbung sowieso.

Indes bin ich sowieso nicht bereit, über Integration auf Augenhöhe mit dem Mainstream zu diskutieren. Mein Vater war das, was man als integriert bezeichnen könnte. Ausländer, "der Andere", "einer von denen" blieb er zeit seines Lebens. Das ist letztlich nur eine beliebte, weil liberal schimmernde Form in diesem Lande, Ausländer auszugrenzen: man unterstellt ihnen, sie seien nicht integriert, damit man auch ganz ungeniert und hinterm Feigenblatt demokratischer Diskussionskultur mit den Fingern auf sie zeigen darf. Diffamierung im demokratischen Korsett! Man kann, ich hatte einmal in einem früheren Text darauf hingewiesen und auch Pispers hat einst Ähnliches von sich gegeben, man kann auch friedlich nebeneinander leben, man muß nicht miteinander sein, integriert sein, damit eine Gesellschaft sich friedlich gestaltet. Das bedeutet aber auch, dass man moslemische Lebensentwürfe tolerieren muß, ohne auch nur im Ansatz daran Kritik zu üben. Und es bedeutet eben nicht, dass man damit Ehrenmorde oder Demokratiefeindlichkeit tolerieren müßte, ganz einfach darum nicht, weil nicht jeder Moslem Ehrenmörder oder Antidemokrat aus Leidenschaft ist. Verbrecher gibt es indes in jeder Nationalfarbe, was manche muslimische Jammergestalt als Ehrenmord schönzureden versucht, prangert in deutschen Farben gehalten als Familiendrama von den Aufmachern dieses Landes. Der Moslem Ehrenmörder, der Deutsche Familiendramatiker! Ehrenmord und Tyrannis, das ist das Abendlanduntergangsszenario das man malt, wenn man sich wieder einmal vor einer allzu offenen Gesellschaft ängstigt.

Sicher, ich habe schuppiges Schmierhaar und den Zottelbart thematisiert. Das ist es wahrscheinlich, was man mir als "unter die Gürtellinie" vorgeworfen hat. Freundlich war das nicht, das gebe ich zu, aber die von mir Angegriffenen waren weniger freundlich. Anders betrachtet aber, es sind genau diese Herrenmenschengestalten, die über die Ungepflegtheit der Minderwertigen spotten, die aber selbst ungepflegt durch die Lande stolpern, dabei in ihrer unnachahmlichen Arroganz nicht einmal wahrnehmen, dass sie nicht anders wie die von ihnen Gescholtenen stinken. Es ist doch ein Witz dieser Gesellschaft, das Menschen wie Kurt Beck Waschen und Rasieren empfehlen, während sie Sturzbäche Schweißes ausscheiden, sosehr, dass der einst weiße Hemdkragen gelblich und speckig leuchtet. Das muß man zum Thema machen dürfen, man muß die Doppelmoral dieser Riege selbstherrlicher Gestalten, knallhart und ohne Rücksicht auf vermeintliche Gürtellinien anprangern dürfen. Insofern ist die Polemik nicht einfach nur spaßiger Anreiz, sie transportiert Inhalte, weil sie das doppelmoralistische Gebaren lächerlich macht, damit auch den Doppelmoralisten, der sich besser vorkommt, als er letztlich ist, der sich als Pfau verkauft, während er derselbe Mistkäfer ist, wie die von ihm Drangsalierten.

Kurzum: Der öffentliche Diskurs läßt kaum Raum, sich "sachlich" mit den Hetzern auseinanderzusetzen. Aber auch deren Positionen lassen keinen Raum. Ich will nicht argumentieren, warum Türken oder Moslems generell doch nicht so schlecht sind - denn damit sind wir schon beim Punkt, ich müßte die Türken rechtfertigen, ihre Existenz in Deutschland gutreden, sie quasi entschuldigen. Und dazu kann man, gerade als Demokrat, nicht bereit sein. An oberster Stufe kommt die Erkenntnis, dass türkische Menschen Mitbürger und Nächste sind - Sarrazin und Partner rücken aber davon ab, spalten, tun so, als seien diese Menschen uns total entgegengesetzt. Auf dieser Ebene ist Diskussion letztlich eine undemokratische Sünde, denn sie führt immer auf Pfade, die man ethisch gar nicht betreten darf. Ob auch nur ein Körnchen Wahres an den Thesen Sarrazins ist, ist zunächst unerheblich. Zuerst kommt das Bekenntnis zum Nächsten. Wenn es ausbleibt, ist jede mögliche Wahrheit irrelevant und jede Diskussion ein Abdriften in Schamlosigkeit.

Und selbst wenn Körnchen am Ende wahr sind, wie beispielsweise der Vorwurf, manche Araber würden die deutsche Sprache nicht erlernen (wollen), muß damit noch nichts gesagt sein. Man kann auch mit einem Araber, der nur bruchstückhaft das vorherrschende Idiom spricht, wunderbar menschlich zurechtkommen, friedlich in harmonischen Zuständen leben. Sprache ist kein Allheilmittel. Ich verstehe meine deutschen Mitbürger sprachlich in den meisten Fällen problemlos, aber mir fällt es schwer mit ihnen in Frieden zu leben - das trifft zumindest bei vielen zu. Wenn jemand wie Sarrazin und seine Kollegen eindeutiges Deutsch sprechen, ich sie verstehend, dann resultiert daraus keine Harmonie, wenn das von mir Verstandene letztlich nur plumpe Hetze gegen schwächere Gesellschaftsgruppen ist. Sprache sprengt mindestens so sehr, wie sie gelegentlich zu verbinden vermag - eine Art linguistischer Hustensaft ist sie jedoch nicht.

Die Polemik ist doppelt inhaltsvoll, ich spreche zumindest von jener Polemik, die ich unlängst veröffentlichte. Sie macht die Doppelmoral zum Sujet und entblößt die irrwitzigen Gestalten in ihrer Abgehobenheit. Andererseits erklärt sie zwischen den Zeilen, dass eine thematische Auseinandersetzung mit fanatischen Geiferern und Aufwieglern nicht relevant ist. Man diskutiert mit seinem Henker auch nicht sachlich über die Hinrichtung, man unterhält sich nicht mit ihm, wo genau er den Axthieb platzieren möchte, welchen Halswirbel er bevorzugt zertrümmert. Es gibt eben Szenarien, in denen nicht mehr "sachlich" diskutiert werden kann, weil die Sache selbst einen Affront darstellt. Tut man es am Ende doch, läßt man sich herab in den Affront, macht man sich zum Laufburschen der Hetzer. Man diskutiert, wie gesagt, nicht mit seinem Henker - mit den Henker meiner Mitmenschen, diskutiere ich auch nicht über das Wie jenes Handwerks.

Letztlich gibt es eben viele Wege, mit dem Henker umzuspringen. Entweder man nutzt die Öffentlichkeit des Schafotts um dem Kerl ordentlich eines auf die Schnauze zu geben oder man steht am Galgen und spottet, bemächtigt sich jenes Humors, den gelegentlich Menschen aufbringen, wenn die Situation hoffnungslos erscheint. Die Polemik ist nicht selten Galgenhumor, letzte Bastion des Todgeweihten; der Polemiker selbst wähnt sich unter einer Schlinge...

Geschrieben von Roberto J. De Lapuente 




Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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