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"Für mich ist die BRD bis heute eine Art post­faschistischer Staat" (Kurt Goldstein)

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 26.09.07, 16:30  Betreff: Re: "Für mich ist die BRD bis heute eine Art post­faschistischer Staat" (Kurt Goldstein)  drucken  weiterempfehlen

Kurt Goldstein zu den historischen Hintergründen und zur Herstellung der grundgesetzlichen Ordnung


Verbieten und zugleich aufklären


Warum sind Sie, als über neunzigjähri­ger Antifaschist und Überlebender von Auschwitz, für ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD?

Nach meiner Meinung hätte es nach 1945 in Deutschland überhaupt keine faschistischen oder neofaschistischen Parteien mehr geben dürfen. Im Potsdamer Abkommen, aber auch in den Nürnberger Prozessen, wurde die Ver­breitung von Rassenhass, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die Vorbereitung und das Führen von Angriffskriegen völker­rechtlich geächtet. Entsprechende Passagen wurden auch in das Grundgesetz der Bundes­republik Deutschland übernommen. Die For­derung nach einem Verbot der NPD, die sich selbst eindeutig in die Tradition der NSDAP stellt, verlangt deshalb nicht mehr und nicht weniger, als die Herstellung der im Grund­gesetz verankerten demokratischen Ordnung. Die Existenz solcher Parteien ist an sich schon ein Bruch des Grundgesetzes.


Die NPD ist aber eine legale Partei und der erste Anlauf für ein Verbotsverfahren schei­terte an Formfehlern bevor überhaupt in der Sache verhandelt wurde. Worin liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen dafür?

Für mich ist die BRD bis heute eine Art post­faschistischer Staat; denn in der alten BRD gab es jahrzehntelang keine politische und weltanschauliche Aufarbeitung der NS-Zeit. Als ich 1946 aus der Sowjetischen Besat­zungszone in meine Heimat im Ruhrgebiet kam, hatten politische Parteien und Gewerk­schaften noch keine Möglichkeit, zonenüber­greifend zu arbeiten. Das war damals in den westlichen Besatzungszonen nur dem Un­ternehmerverband erlaubt. Die Besitzer der IG- Farben, von Flick, Mannesmann und Co, dieses ganze Gesindel von Wehrwirtschafts­führern, hat weiter die Wirtschaft beherrscht. Genauso wie die Blutrichter in der Justiz wei­ter ihre Ämter bekleideten und, was noch ver­heerender war, in den Universitäten die neuen Generationen von Juristen erzogen. Die sitzen heute in den höchsten Gerichten und schützen das Recht von Nazis, gegen den Wiederaufbau der Synagoge in Bochum zu demonstrieren. Sie haben ja sogar in einem Urteil entschie­den, dass die Losung »Ruhm und Ehre der Waffen-SS« nicht strafbar ist, weil sie kei­ne authentische Losung aus der NS-Zeit sei.

Und das, wo die Waffen-SS eine blutige Spur durch ganz Europa gezogen hat. Diese Art his­torische Kontinuität hat das Aufkommen und die Etablierung neuer Nazis begünstigt. Und mit der muss endlich gebrochen werden.


Das würde aber heißen, dass ein Verbot der NPD keinesfalls genügt, um die Demokratie vor neofaschistischen Angriffen zu schüt­zen.

Genau das ist meine Meinung. Ein Verbot muss von Aufklärung darüber, was Faschis­ten sind und welche Verbrechen sie begangen haben, begleitet sein. Und von einer Erzie­hung zu humanistischen Werten, damit kann man gar nicht früh genug beginnen. Also Aufklärung im weitesten Sinne ist notwenig, die nicht nur Geschichtswissen beinhaltet, sondern politische und weltanschauliche Positionen im Geist von Demokratie und Humanismus. In den Schulen, in den Uni­versitäten, überall müssen diese Grundlagen an junge Menschen vermittelt werden. Wenn die Bundesjustizministerin Brigitte Zypris jetzt die deutsche Ratspräsidentschaft in der EU nutzen will, europaweit die Leugnung des Holocaust unter Strafe zu stellen, ist das lobenswert. Solange deutsche Gerichte aber Nazischläger mit Milde behandeln und die zunehmenden rassistischen Gewalttaten oft nicht einmal aufgeklärt werden, gibt es auch bei uns noch viel zu tun.


Tatsache ist, dass gerade die NPD mit sozi­aler Demagogie auf Wählerfang geht. Glau­ben Sie, dass da Aufklärung allein genügt?

Die Erfolge neofaschistischer Kräfte in die­sem Land haben natürlich auch etwas mit der gesamten sozialen Situation zu tun. Durch die Umverteilung des gesellschaftlichen Reich­tums von unten nach oben, die bei uns hier stattfindet, werden immer mehr Menschen ausgegrenzt und in Armut gestürzt. Das heißt, ihre grundlegenden Menschenrechte werden eingeschränkt. Damit wird der Boden für Rechtextreme bereitet; denn einerseits müs­sen Schuldige gefunden werden, andererseits ist die Gewöhnung an Diskriminierung und Benachteiligung ganzer Teile der Gesellschaft ein Türöffner für Faschisten, die ja genau das propagieren und praktizieren. Bloß gegen an­dere, Ausländer, Juden, Linke. So hat es schon einmal angefangen.


Das klingt sorgenvoll. Glauben Sie, dass eine breite weltanschauliche und politische Auseinandersetzung die NPD heute noch stoppen kann?

Natürlich ist das möglich und so lange ich kann, werde ich auch weiter dafür kämpfen. Doch ich sehe die Situation tatsächlich heute kritischer als früher. Vor einigen Jahren fragte mich einmal der Vorsitzende einer jüdischen Gemeinde, deren Mitglieder vor allem aus der Sowjetunion stammen, ob man hier eigentlich bleiben kann. Damals habe ich die Frage be­jaht. Heute bin ich nicht mehr so sicher.


Das Gespräch führte Regina Girod



Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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bjk

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New PostErstellt: 26.09.07, 16:14  Betreff: Re: "Für mich ist die BRD bis heute eine Art post­faschistischer Staat" (Kurt Goldstein)  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.vvn-bda.de/bund/aktuelles.php3?id=12


Kurt Goldstein: "Ich bin so empört wie schon lange nicht mehr!"


In einem Interview mit der Tageszeitung "Junge Welt" vom 30. Juli 2005 nimmt Kurt Goldstein Stellung zum Urteil des Bundesgerichtshofes zur NS-Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS":

BGH-Spruch zur Waffen-SS mißachtet Urteil des Nürnberger Prozesses. In Karlsruhe agiert der juristische Nachwuchs der Nazirichter. Ein Gespräch mit Kurt Goldstein



"Ruhm und Ehre der Waffen-SS" ist als Neonaziparole nicht strafbar. Sie haben Auschwitz überlebt - was empfinden Sie, wenn der Bundesgerichtshof (BGH) ein solches Urteil spricht?

Ich bin darüber so empört wie lange nicht. Dieser Spruch folgt auf zwei Urteile, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) voriges Jahr gefällt hat. Das erste erlaubte es den Neonazis, zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess zu demonstrieren. Das alleine war schon schlimm. Bei dem zweiten Urteil ging es darum, daß in Bochum die 1938 abgefackelte Synagoge wieder aufgebaut werden sollte. Die Neonazis wollten dagegen protestieren, was die Gerichte in NRW allerdings verboten. Dann kam das BVerfG in Karlsruhe zum Zuge: Es bezeichnete die Demonstrationsfreiheit als ein so hohes Gut, daß gegen den Wiederaufbau demonstriert werden darf. Und jetzt haben wir das dritte Urteil - der BGH begründet seine Entscheidung damit, die Losung "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" sei Nazilosungen nicht so ähnlich, daß man sie verbieten müsse.

Unabhängig von der Ähnlichkeit - geht es hier nicht um die Beweihräucherung der SS, einer verbrecherischen Organisation, wie der Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß feststellte?

Ich habe 30 Monate meines Lebens u. a. in Auschwitz jeden Tag mit ansehen müssen, wie Angehörige der Waffen-SS jüdische Häftlinge umbrachten - immer dann, wenn es ihnen gerade mal in den Kram paßte. Z. B. mußte ich im Lager Jawischowitz mit ansehen, wie der Lagerälteste Paul Skrotzki aus Bochum einen jüdischen Häftling an den Lagerzaun prügelte. Als der arme Kerl in den elektrisch geladenen Draht fiel, bekam er von dem SS-Mann, der oben im Wachturm saß, den Fangschuß.

Einer solchen Mördertruppe "Ruhm und Ehre" zuzugestehen, ist einfach nur ungeheuerlich. In Nürnberg wurde die SS in der Tat für alle Zeiten als verbrecherische Organisation verboten. Dieses und das Verbot anderer Naziorganisationen sind ins Völkerrecht eingegangen und wurden auch ins Grundgesetz übernommen.

Diese BGH-Richter vermitteln von der Bundesrepublik ein Bild, das nicht stimmt. Wir sind kein faschistisches Land! Die Herren tun aber so, als ob Faschismus bei uns erlaubt sei.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hatte in der Vorinstanz diesen Spruch mit der Begründung verboten, es handele sich um die "Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". Der BGH hat dieses Urteil jetzt kassiert - ist die Vermutung richtig, daß die Gerichte um so rechter sind, je höher die Instanz ist?

Ich habe dafür nur eine Erklärung: In der Bundesrepublik wurde kein einziger Blutrichter der Nazizeit für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen. Jetzt sitzen die Schüler dieser Nazirichter im BVerfG und im BGH, und wir erleben wieder einmal, daß eine Krähe der anderen kein Auge aushackt.

Der Nachwuchs der faschistischen Richter hält also seine schützende Hand über Faschisten?

Genau. Ich kann mich nur dem anschließen, was der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse gesagt haben: Das ist ungeheuerlich! Das ist eine Schande für unsere Republik!

Generalbundesanwalt Kay Nehm forderte den Gesetzgeber auf zu prüfen, ob in diesem Fall eine "Strafbarkeitslücke" vorliegt ...

Meiner Meinung nach geht es hier nicht um Strafrechtsinterpretationen. Es geht vielmehr darum, daß die SS eine verbrecherische Organisation ist, genau so wie die Gestapo oder die NSDAP. Das gilt auch für alle Nachfolgeorganisationen.

So mancher Bundeswehroffizier differenziert gerne zwischen SS und Waffen-SS. Letztere, so heißt es, sei nur eine kämpfende Truppe gewesen, die man wegen ihrer Effektivität und ihres Korpsgeistes bewundern müsse. Was war der Unterschied zwischen beiden?

Für mich gibt es da keinen Unterschied. Die Waffen-SS wurde genauso wie die reguläre SS zur Bewachung der KZ eingesetzt - das sagt doch alles.


Interview: Peter Wolter

* Kurt Goldstein ist Ehrenpräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees. Er verbrachte 30 Monate in Konzentrationslagern und wurde kürzlich mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.



Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!


[editiert: 26.09.07, 16:15 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 26.09.07, 09:23  Betreff: "Für mich ist die BRD bis heute eine Art post­faschistischer Staat" (Kurt Goldstein)  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Kurt Goldstein verstorben


- In tiefer Trauer müssen wir bekannt geben, dass am 24. September 2007 nach kurzer Krankheit Kurt Julius Goldstein, Ehrenvorsitzender der VVN-BdA und Ehrenvorsitzender des Internationalen Auschwitz-Komitees, Spanienkämpfer, Auschwitz- und Buchenwaldhäftling im Alter von 93 Jahren in Berlin verstorben ist.

Mit ihm verlieren wir und die internationale antifaschistische Bewegung eine der namhaftesten Leitfiguren des Widerstandes gegen den deutschen Faschismus, der bis zuletzt alles in seiner Macht stehende getan hat, an die Verbrechen des Hitler-Regimes zu erinnern und vor einem Wiederaufleben des Faschismus zu warnen.

Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau Margot und allen Familieangehörigen.

Berlin, 25.09.07

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -

Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)

Bundesvereinigung



"die jüdische" 25.09.2007 12:32



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