Sie sind nicht eingeloggt.
LoginLogin Kostenlos anmeldenKostenlos anmelden
BeiträgeBeiträge SucheSuche HilfeHilfe StatStatistik
VotesUmfragen FilesDateien CalendarKalender
Freies Politikforum für Demokraten und Anarchisten

PLATTFORM FÜR LINKE GEGENÖFFENTLICHKEITEN

Beiträge können nicht (mehr) eingestellt oder kommentiert werden!

 
„Soldaten Protokolle vom Kämpfen Töten und Sterben“

Anfang   zurück   weiter   Ende
Autor Beitrag
bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 20.07.13, 12:29  Betreff: „Soldaten Protokolle vom Kämpfen Töten und Sterben“  drucken  weiterempfehlen

entnommen aus: http://www.scharf-links.de/45.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=37355&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=8df85cbba2 vom 19.07.2013



„Soldaten Protokolle vom Kämpfen Töten und Sterben“


von René Lindenau


Rezension


Der Krieg ist nach Meinung des preußischen Militärreformers, General von Clausewitz:
„die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“.
Worauf in diesem Satz nicht eingegangen wird, ist seine Grausamkeit.

Eigentlich eine Binsenweisheit, Clausewitz hat sie in den Kriegen seiner Zeit selbst er- lebt: Eben noch Parademarsch, dann Bein ab, oder Leben ganz verloren. Nun haben 2011 Sönke Neitzel und Harald Welzer bei S. Fischer ein Buch dass, wie es heißt, „ungeschminkte, erschütternde Berichte, Anklagen und Geständnisse“ von Wehrmachtssoldaten enthält, vorgelegt.

Grundlage ihrer Arbeit waren 150.000 Seiten Abhörprotokolle die (West)-Alliierte von deutschen Kriegsgefangenen gefertigt hatten. Daraus entstand schließlich ihr Buch mit dem bezeichnenden Titel: „Soldaten Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben“. Oberflächlich betrachtet könnte man sagen, ja so ist Krieg. Doch die Autoren zeigen, das die Soldaten nicht nur schlechthin ihrem Führer folgten. Seine verbrecherischen Kampfaufträge wurden rücksichtslos ausgeführt.

Das Entsetzliche war, zahllose Angehörige von Hitlers Wehrmacht, kämpften nicht nur, um selbst zu überleben, sie töteten, weil es ihnen ein Bedürfnis war. Ein Oberleutnant der Luftwaffe (17.7.1940) berichtete beispielsweise:
„Es ist mir ein Bedürfnis geworden, Bomben zu werfen. Das prickelt einem ordentlich, das ist so ein feines Gefühl. Das ist ebenso schön wie einen abzuschießen“.

Ein Unteroffizier Fischer (20.5.1942) bekannte u.a.:
„Ich sage dir, ich habe vielleicht schon Leute umgelegt in England. Ich hieß in unserer Staffel, der „Berufssadist“.

Anderswo ist davon die Rede, das uns der Kommodore (S.105) des öfteren als „Ausgleichssport“ einen Tagesangriff besorgt habe. Dennoch schienen angesichts des Grauens, das deutsch-faschistische Kriegshandwerker über die Welt brachten, und sie zu mutmaßliche Werkzeugen bei Kriegsverbrechen wurden, ganz andere Sorgen zu haben.

So beklagte sich im Juli 1940 (S.352) ein Feldwebel:
„Bei Rotterdam haben alle Fallschirmleute EK II und EK I gekriegt, trotzdem sie nur drei Tage gekämpft haben. Ich bin seit Anfang des Krieges Flieger und habe nichts. Ein Flieger, der nach dem Krieg kein EK hat, der wird Scheiße sein“. Auf dem Schlachtfeldern fährt der Tod eine blutige Ernte ein, doch Herr Feldwebel kümmern sich um Orden. In einem Kapitel geht es um den Faktor „Technik“, dessen Produkt doch „nur“ millionenfaches Sterben war. Während es bei den Infanteriewaffen aufgrund ihrer vergleichsweise ausgeglichenen Qualität bei den Kriegsparteien kaum Änderungen gab, gelangten bei der Panzerwaffe, insbesondere bei der Luftwaffe neue Typen, sowie kampfwertsteigernde neue Modifikationen (S. 229 ff.) ins Arsenal.

Das Schockierende dabei war, dass über neue Bomben, stärkere Motoren über bessere Bewaffnung so geredet wurde, als ginge es nur um ein schickes Auto oder um ein tolles Haus. Dabei ging es doch wieder nur um Tod und Zerstörung! Schauen wir uns dazu mal den Wortwechsel zweier junger Offiziere (S. 234) über die Focke-Wulf 190, geführt im Juni 1940 an. Einer meint, die Maschine soll wirklich gut sein, worauf der andere bestätigend erwiderte, sie soll phantastisch sein. Sie soll auch besser starten, trotzdem sie schwerer ist, und bedeutend schneller soll sie sein. Dann kam man auf den Motor; ein Sternmotor. Und zum Ende urteilte der Leutnant: „Das soll ein ganz fabelhaftes Ding sein“. Für viele das Todesurteil!

So richtig schlimm wird es für den Leser, wenn der Genozid in den von Nazi- Deutschland eroberten und besetzten Ländern zum Thema wird. Ob nun mit der menschenfeindlichen faschistischen Weltanschauung erklärbar, aber in seiner extrem brutalen Realität des Krieges so gar nicht fassbar, weil nie zuvor so systematisch getötet wurde: So geriet der Anteil ziviler Opfer; Frauen, Kinder, Greise, nicht zuletzt durch die Vernichtung europäischer Juden, besonders hoch. War man erstmal unter die Räder von Hitlers Vernichtungsmaschine gekommen war, drohte ein fabrikmäßig organisierter Tod.

An dieser Stelle der Auszug aus einem Brief des SS-Polizeisekretärs, Walter Mattner aus Mogilev, den er am 5. Oktober 1941 an seine Frau schrieb (S. 39).: „Ich war also tatsächlich auch dabei, bei dem großen Massensterben am vorgestrigen Tage. Bei den ersten Wagen hat mir etwas die Hand gezittert, als ich geschossen habe. Aber man gewöhnt sich an das. Beim zehnten Wagen zielte ich schon ruhig und schoss sicher auf die vielen Frauen, Kinder und Säuglinge (…)".

Noch empörender muss das Verhalten von Vera Wohlauf wirken, deren Mann als Kompaniechef beim Reservepolizeibataillon 101 an zahlreichen „Judenaktionen“ beteiligt war. Sie fand Gefallen an „Razzien, Sammlung von Juden zur Deportation und Erschießung“. Selbst als Schwangere (auch S.39) wollte sie das „aus nächster Nähe betrachten“.

Wie bringt man das zusammen? Jemand trägt werdendes Leben in sich und empfindet gleichzeitig Freude an seiner Vernichtung. Das Unfassbare war, man lud sich sogar zum „Judenschießen“ ein. Ein Fried, der am sogenannten „Mitschießen“ teilnahm (S.191), wurde so Täter bei der „rasanten Ermordung von 1.500 Juden in einer Stunde“. Wer den Wahnsinn erkannt hat und ihn beenden wollte, wurde aus dem Weg geräumt. Erinnert sei an die „Stauffenbergs“. Einer der nichts erkannt hatte und offensichtlich hätte weitermachen (S.144) wollen, war Generalleutnant Maximilian Siry.

Noch am 6. Mai 1945 verstieg er sich u.a. zu der Aussage: „Man darf es ja nicht laut sagen, aber wir waren viel zu weich. Wir sind ja jetzt in der Flasche mit all den Grausamkeiten. Hätten wir aber die Grausamkeiten hundertprozentig durchgeführt – die Leute restlos verschwinden lassen, dann würde kein Mensch was sagen. Nur diese halben Maßnahmen, das ist immer das Falsche...“

Kommen wir noch einmal zu Clausewitz und auf sein Werk „Vom Kriege“ zurück. Darin definiert er den Krieg.als „ein Akt der Gewalt, um dem Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen“. Fragen wir uns, was war der Wille der „überfallartig“ agierenden Hitler-Wehrmacht in sechs Jahren Vernichtungskrieg mit all seinen Raubzügen.

Und wohin hätte jener Zwang die Welt geführt, wäre er zur Durchsetzung gekommen? Kann man da nicht froh sein, das die militärische Antwort darauf, mit der Niederlage der Nazi-Armee gegeben wurde? Bestärkt wird man in dieser Antwort, wenn man dieses Buch gelesen hat.

Cottbus, den 19.7. 2013
René Lindenau



Soldaten
Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben

Sönke Neitzel, Harald Welzer
3.Auflage 2011, S. Fischer Verlag
ISBN 978-3-10-089434-2
www.fischerverlage.de/buch/Soldaten/9783100894342

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-3-060




... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson
nach oben
Benutzerprofil anzeigen Private Nachricht an dieses Mitglied senden Website dieses Mitglieds aufrufen
Sortierung ndern:  
Anfang   zurück   weiter   Ende
Seite 1 von 1
Gehe zu:   
Search

powered by carookee.com - eigenes profi-forum kostenlos

Layout © subBlue design
. . . zum Politikmagazin auf diesen Button klicken >> bjk's Politikmagazin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .