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Vor 10 Jahren: RotGrün unter Schröder/Fischer führten Angriffskrieg gegen Jugoslawien

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bjk

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Ort: Berlin


New PostErstellt: 26.03.09, 18:05  Betreff:  Re: Vor 10 Jahren: RotGrün unter Schröder/Fischer führten Angriffskrieg gegen Jugoslawien  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2009/03-26/011.php


Neue Kriegspartei



Der Weg der Grünen in die NATO


Von Jutta Ditfurth


Vor zehn Jahren beteiligte sich Deutschland an seinem ersten Krieg seit 1945. Niemand hatte sich vorstellen können, daß ausgerechnet eine vormals pazifistische und antimilitaristische Partei wie die Grünen diesem NATO-Krieg gegen Jugoslawien den Weg ebnen würde. Ab 24. März 1999 fielen die ersten Bomben. Menschen starben auf Wiesen, in Häusern, in Zügen, auf der Flucht, in Krankenhäusern, Fabriken, Studentenwohnheimen und Schulen. In Krankenhäusern fiel der Strom aus, Strahlenbehandlungen gegen Krebs wurden abgebrochen, Brutkästen abgestellt und Dialysegeräte abgeschaltet.

Die NATO flog in 78 Kriegstagen 38000 Lufteinsätze und warf 9160 Tonnen Bomben ab. Ihre Luftangriffe verwandelten Chemiefabriken und Petroleumraffinerien in Giftbomben. Phosgen schädigte die Atemwege, krebserregende Dioxine reicherten sich in menschlichen Körpern an. Quecksilber, Zink, Kadmium und Blei verseuchten die Trinkwasserreservoirs. Jugosla­wien hatte der NATO vor dem Krieg sogar einen Plan der chemischen Anlagen gegeben, um vor den Folgen eventueller Angriffe zu warnen, aber die NATO bombardierte auf Basis dieses Plans. In 100 Flügen mit A-10-Flugzeugen feuerte die NATO außerdem rund 31000 Geschosse mit insgesamt zehn Tonnen abgereichertem Uran auf Jugoslawien ab. Eine »strahlende« humanitäre Intervention, krebserregend und umweltverseuchend. Kein Wort der Kritik von den Grünen oder Greenpeace. Der Preis der »Realpolitik«

Keine Partei kommt in Deutschland an die sogenannte Macht, ohne mit grundlegenden linken Positionen zu brechen, sie muß den Antikapitalismus abwerfen und der NATO Treue schwören. Das haben wir seit 1945 bei der SPD beobachten können, dann bei den Grünen und aktuell bei der Linkspartei. Nur die Verlaufsformen sind unterschiedlich.

Die Grünen entsprangen den neuen sozialen Bewegungen und hatten ihre Wurzeln in der Anti­atom- und in der Friedensbewegung. Zwischen 1989 und 1991 traten wegen ihrer Rechtsentwicklung rund 10000 Mitglieder aus. Die meisten waren linke Aktivisten. Sie wurden durch neue Mitglieder ersetzt, die größtenteils auch in die FDP hätten eintreten können.

Dabei hatte alles ziemlich pazifistisch angefangen. In ihrem ersten Parteiprogramm (1980) wollten die Grünen die Militärbündnisse NATO und Warschauer Pakt sofort auflösen, »einseitig« abrüsten und die Bundeswehr abbauen. Im »Friedensmanifest« (1981) lehnten sie den Einsatz der Bundeswehr sogar für den Fall ab, daß die Bundesrepublik militärisch angegriffen werden würde. 1983 beschlossen sie »die Auflösung der beiden Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt. Wir müssen raus aus der NATO.« Das wiederholten die Grünen bei der Bundestagswahl 1987: »Wir müssen raus aus der NATO, weil es mit der NATO keinen Frieden geben kann und die Schwächung, Desintegration und schließliche Aufhebung dieses Bündnisses unabdingbar ist, um Frieden zu schaffen. Die NATO ist nicht reformierbar.« Die Grünen erhielten das bis dahin höchste Wahlergebnis von 8,3 Prozent.

Aber inzwischen hatte der rechte Parteiflügel, die »Realos«, begonnen, hinter dem Rücken der Partei mit der SPD zu kungeln. Petra Kelly mißtraute ihnen: »Die NATO ist für die Realos plötzlich fast ein Friedensbündnis. Das bedeutet die Preisgabe gewaltfreier Politik.« Aber die Realos gaben das noch nicht offen zu. 1988 behauptete Joseph Fischer in einem stern-Streitgespräch, daß er aus den Grünen »Reißaus nehmen würde«, wenn die Partei eines Tages in die NATO integriert sei und das staatliche Gewaltmonopol akzeptierte.

Daniel Cohn-Bendit war seit Beginn der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in Jugoslawien Anfang der 1990er Jahre für eine militärische Intervention gewesen. Als einer der ersten betrieb er die Relativierung, er verglich die Situation im belagerten Gorazde mit der der Juden im Warschauer Ghetto und forderte eine militärische Intervention (siehe FAZ v. 21.4.1994). Anfangs repräsentierte Cohn-Bendit noch eine kleine bellizistische Minderheit, eine mit rassistischer Schlagseite. Auf einer grünen Bundesversammlung im Oktober 1993 brüllte er, man müsse Truppen nach Bosnien schicken, denn die bosnischen Muslime seien Teil der europäischen Kultur: »Menschen von unserem Blut«.



Theatralischer Schaukampf

Bald inszenierten Cohn-Bendit und Fischer einen theatralischen Schaukampf, der auf die Parteibasis und auf die grünen Wähler wirken sollte. Fischer lehnte, im Gegensatz zu Cohn-Bendit, scheinbar immer noch jeden Einsatz bundesdeutschen Militärs auf dem Balkan ab: »Ich bin der festen Überzeugung, daß deutsche Soldaten dort, wo im Zweiten Weltkrieg die Hitler-Soldateska gewütet hat, den Konflikt anheizen und nicht deeskalieren würden.« Als beschriebe er seine künftige Vorgehensweise, sagte er aber auch: »Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, daß die Bundesregierung, Koalition (gemeint war die CDU/FDP-Koalition – J.D.) und Generalität nach den Gesetzen der Salamitaktik Anlässe suchen und Anlässe schaffen werden, um die Barrieren abzuräumen, die es gegenüber der Außenpolitik des vereinigten Deutschland noch gibt. Als Vehikel dienen dabei die Menschenrechts- und Humanitätsfragen.«

Cohn-Bendits und Fischers öffentliche Auseinandersetzungen über die Kriegsfrage hatten das Ziel, die Grünen rechtzeitig zu den Bundestagwahlen 1998 in eine regierungsfähige – das heißt in Deutschland immer auch: militaristische – Partei zu verwandeln und dabei vormals linksalternative Parteimitglieder und Wähler mitzunehmen. Cohn-Bendit spielte, was er ist: den gewaltverliebten Kriegshetzer. Fischer spielte, was er nicht ist: den von moralischen Zweifeln gequälten Antimilitaristen.

Immer schneller folgte die grüne Partei den Anforderungen des künftigen Koalitionspartners SPD, Beschluß für Beschluß, über Blauhelmeinsätze bis zum Krieg. 1995 schrieb ich: »Hat einer [bei den Grünen] noch Zweifel an der friedensstiftenden Wirkung von Krieg, wird er Schritt für Schritt in großdeutsche und nationale Logik eingebunden. Es gibt keine andere deutsche Partei, der es gegenwärtig vergleichbar erfolgreich gelingen könnte, einen skeptischen, ökologisch angehauchten und sozial noch nicht vollends skrupellosen Teil der Mittelschicht in die herrschende Politik einzubinden und mitzuziehen: heim ins Reich, notfalls in den Krieg.« Für die Unterstellung, die Grünen könnten eines Tages deutschen Militäreinsätzen zustimmen, wurde ich damals auch von Linken angegriffen und der Übertreibung beschuldigt.

Einen emotionalen Anlaß, den Fischer für den letzten Akt seines Theaters brauchte, lieferten ihm bosnische Serben, die im Juli 1995 die bosnischen UN-Schutzzonen Srebrenica und Zepa überrannten. Die damals nicht restlos geklärten Ereignisse – war es ein Massaker oder eine kriegerische Auseinandersetzung? – genügten Fischer, um pathetisch zu erklären: »Läuft die deutsche Linke jetzt nicht massiv Gefahr, ihre moralische Seele zu verlieren, wenn sie sich, egal mit welchen Ausflüchten, vor diesem neuen Faschismus und seiner Politik der Gewalt wegduckt?« Die grüne Klientel zeigte sich aber immer noch nicht kriegsbereit, also war auch Fischer noch nicht für den Einsatz von deutschen Truppen.


Endlich am Ziel

1998 durften die Grünen endlich mitregieren. An der Macht waren sie nicht. Schröder mochte Koch und Fischer Kellner sein und damit die interne Hierarchie zwischen den beiden geklärt, aber – um in Schröders törichtem Bild zu bleiben – die Kneipe gehörte anderen. Beide rüttelten weder an der Eigentumsfrage noch an der Mitgliedschaft in der NATO oder deren Interessen.

Dümmere Journalisten – oder solche, die ihr Publikum verarschen wollten – sorgten sich nach der Bundestagswahl 1998, ob Wa­shington einen Exrevoluzzer als Außenminister akzeptieren würde. US-Medien machten sich über die deutschen Zweifler lustig. Eine Sprecherin des State Department erklärte: »Aber die Grünen sind für uns keine unbekannte Größe, und Fischer (ist) keine Überraschung«. 1996 war Fischer in Wa­shington »bei einer Begegnung mit Abgeordneten des außenpolitischen Ausschusses sehr gut« angekommen (State Department). Der US-Kongreß hatte keine Bedenken gegen Joseph Fischer, vollständig domestizierte Exlinke sind manchmal sehr nützlich.

Zur Überraschung aller, die ihn kannten, behauptete Fischer, als er 1998 Außenminister geworden war: »Ich war weder gegen die USA noch gegen die NATO. Ich gehörte zu jener Handvoll, die 1985 auf dem Parteitag der Grünen gegen den ›Raus aus der NATO‹-Beschluß stimmte.« Niemand hat es gesehen, aber es ließen sich heute gewiß ein paar Fischer’s Friends finden, die ihm das, wie gewünscht, bestätigen.

Fischer wurde 1998 Außenminister und verkündete im Stile Kaiser Wilhelms II.: Ich kenne keine grüne, ich kenne nur noch deutsche Außenpolitik. »Die Außenpolitik Deutschlands« habe sich »durch die neue Bundesregierung (…) in ihrem Kern« nicht verändert, lobte denn auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung: »Bundeskanzler Schröder und sein Außenminister Fischer beherzigen – ihrem Kontinuitätsversprechen folgend – die Prinzipien außenpolitischen Handelns, wie sie Kohl in Erz gegossen hatte.«



»Nur eine Formalität«

Am 16. Oktober 1998, faßte der alte Bundestag mit Zustimmung der neu gewählten Abgeordneten einen Vorratsbeschluß, sich an eventuellen NATO-Luftangriffen gegen Jugoslawien zu beteiligen. Fischer empfahl den grünen Abgeordneten die Zustimmung. Nur neun von 48 Grünen stimmten noch gegen den Krieg. Ich kommentierte: »Von deutschem Boden kann wieder ein Krieg ausgehen. Die NATO hat eine rotgrüne Kriegsregierung auf Abruf.« (ND v. 14.11.1998) Wieder wurde ich der Übertreibung geziehen. Fünf Monate später begann der Krieg.

Fischer jammerte später: »Fünfzehn Minuten blieben uns [am 12. Oktober 1998], um eine Frage von Krieg und Frieden zu entscheiden«. Das ist natürlich auch nicht wahr. Entschieden war die Frage schon bei einem Besuch von Fischer und Kanzlerkandidat Schröder in Washington gleich nach der Bundestagswahl. Am 9. Oktober 1998, sie waren noch nicht vereidigt, besuchten Gerhard Schröder und Joseph Fischer Washington. Noch vor der Begegnung mit William Clinton erklärten Schröder und Fischer, daß sie bereit seien, die Politik der alten Regierung fortzusetzen – auch gegen Jugoslawien. Die deutsche Entscheidung zum NATO-Krieg wurde gleich nach dem Gespräch mit Clinton gefällt. Noch am selben Abend legitimierten die NATO-Botschafter in Brüssel den Krieg juristisch. Als am 12. Oktober der NATO-Rat zusammentrat, handelte es sich »nur noch um eine Formalität«.



Fischers Schleimspur

Fischer kam ohne Hausmacht ins Auswärtige Amt. Vom ersten Moment an hinterließ er eine breite Schleimspur und unterwarf sich dem Apparat der herrschenden Ministerialbürokratie. Er unterstützte Eliteschulen für Diplomatenkinder. »Selbst über die Steuervorteile der Diplomaten hielt Fischer seine schützende Hand, aus der ihm seine Leute seither fressen«, verriet Die Zeit. Auch das Lob der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war für einen angeblichen Linken vernichtend: »Den dicksten Stein hat Fischer aber bei den Diplomaten im Brett, weil er sich erfolgreich für die volle Beibehaltung der bisherigen Auslandszulage gegenüber dem Koalitionspartner einsetzte. Beim Geld fängt die Freundschaft an.« Fischer »ließ selbst enge Vertraute seines Vorgängers an ihrem Platz« und besetzte zentrale Botschafterstellen mit Vertrauten der Kohl-Regierung.

Der Druck der USA auf die deutsche Regierung wurde größer. Andere Methoden, Jugoslawien zu unterwerfen, waren erfolglos geblieben. Die NATO betrachtete Jugoslawien als »Riegel« vor ihren Interessen in Zentralasien. Es hatte Versuche gegeben, diesen Riegel »friedlich« zu sprengen, mit allen Mitteln zivilgesellschaftlicher Nötigung. Man destabilisierte – mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) – die jugoslawische Wirtschaft. Man bot Weltbank-Kredite,1
sofern Jugoslawien sich unterwerfe.


Greuelpropaganda

US-Außenministerin Madeleine Albright verlangte im Januar 1999, Milosevic endlich mit NATO-Aktionen zu drohen. Aber die Stimmung in der deutschen Bevölkerung war noch nicht so weit. Es bedurfte des angeblichen Massakers in Racak. Der Leiter der Kosovo-Beobachtermission der OSZE, William Walker, »fand« am 16.Januar 1999 beim Dorf Racak etwa 40 Leichen in einem Graben. Er attackierte sofort in allen internationalen Medien »das serbische Massaker« an unschuldigen kosovo-albanischen Zivilisten. Walker war früher Abteilungsleiter in der US-Botschaft in El Salvador, dann, von 1988 bis 1991, Botschafter. Ihm wird vorgeworfen, verantwortlich dafür gewesen zu sein, daß den Contras in El Salvador Waffen zum Angriff gegen Nicaragua geliefert wurden. Als im November 1989 ein von den USA ausgebildetes salvadorianisches Militärbataillon in der katholischen Universität von San Salvador sechs jesuitische Priester, die Köchin und deren 15jährige Tochter ermordet hatte – die Toten wurden der Sympathie für unterdrückte Bauern »verdächtigt« –, erklärte Walker: »Solche Situationen [können] immer außer Kontrolle geraten«.

Walker prahlte jetzt damit, daß die Weltöffentlichkeit ihm und nicht den Serben glauben werde. So war es. Die Nachricht von bestialisch verstümmelten Leichen lief um die Welt und funktionierte bestens als letzter Anstoß für den Krieg. Das Massaker von Racak flog später als Inszenierung auf. Journalisten aus den USA und aus Frankreich sowie finnische Pathologen recherchierten. Kurz gefaßt war es wohl so, daß nach einer bewaffneten Auseinandersetzung getötete kosovarische UCK-Kämpfer umgekleidet und als Zivilisten ausgegeben worden waren. Der Bericht der finnischen Pathologen wurde dem deutschen Außenminister Joseph Fischer überreicht, der zu jener Zeit die EU-Präsidentschaft innehatte. Er veröffentlichte ihn nicht. Die NATO entschied aber sicherheitshalber, noch eine Legitimationsrunde für die Öffentlichkeit einzulegen. Daraufhin wurden die Verhandlungen von Rambouillet eingeschoben, mit denen Jugoslawien Bedingungen auferlegt werden sollten, die kein souveräner Staat hätte unterschreiben können (siehe jW-Thema v. 6.2.2009). Jugoslawien konnte nur Nein sagen, anderenfalls hätte es sich selbst zur Kolonie erklärt und zugestimmt, daß NATO-Truppen ganz Jugoslawien besetzen dürfen.

Wo für Außenminister Fischer in der Vergangenheit Auschwitz die Begründung gewesen war, daß deutsche Truppen auf dem Balkan nichts verloren hatten, instrumentalisierte er jetzt den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden, um einen völkerrechtswidrigen Krieg zu rechtfertigen. Nur die Grünen als frühere Pazifisten und Antifaschisten konnten mit der makabren Rechtfertigung bei einem Teil des linksalternativen und pazifistisch angehauchten Bürgertums durchkommen, wegen Auschwitz müsse sich Deutschland am NATO-Krieg gegen Jugoslawien beteiligen. Helmut Kohl (CDU) oder Guido Westerwelle (FDP) wären in dieser Rolle lächerlich und undenkbar gewesen. – Hätte eine CDU/FDP-Regierung Bomben auf Belgrad werfen lassen, hätten Sternmärsche unterstützt von SPD, Grünen und Gewerkschaftspitze die Straßen der Städte verstopft.



MilosevicStalinHitler

Am 24. März 1999 begann der Krieg. Joseph »Wilhelm« Fischer behauptete, im Kosovo gebe es einen »barbarischen«, »rohen«, gar »primitiven« Faschismus. Fischer: »Es war ein wirklicher Schock, daß Milosevic bereit war zu handeln wie Stalin und Hitler: einen Krieg gegen die Existenz eines ganzen Volkes zu führen.« Und: »Die Bomben sind nötig, um die ›serbische SS‹ zu stoppen.« Heute setzt Fischer auf das schlechte Gedächtnis der Menschen, wenn er leugnet, daß er die Situation im Kosovo mit Auschwitz verglichen und dadurch relativiert hat. Aber es ist ja nachlesbar. Fischer rechtfertigte seine Zustimmung zum Krieg kurz nach dessen Beginn: »Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.« Dem US-Magazin Newsweek antwortete er auf die Frage: »You see a direct parallel to the Nazi era?« »I see a parallel to that primitive fascism. Obviously, the ’30s are back, and we cannot accept that.«

Natürlich war Fischer nicht allein, er hatte die übergroße Mehrheit der grünen Funktionäre und seit dem Kriegsparteitag vom 14. Mai 1999 in Bielefeld auch in Sachen Krieg die Mehrheit der Partei hinter sich.

Auch manche institutionalisierten Abteilungen der früheren Friedensbewegung, z. B. die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, entpuppten sich als Berater der NATO und gaben martialische Ratschläge für eine siegreiche Kriegführung. Die Zustimmung des rot-grünen Lagers auch in den Medien für den Krieg war so groß, daß sich die Frankfurter Rundschau weigerte, die Kritik am Auschwitz-Kosovo-Vergleich zu veröffentlichen. KZ-Überlebende mußten im April 1999 38000 D-Mark für eine Anzeige bezahlen, um überhaupt gehört zu werden. Es war ein offener Brief an Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping: »Gegen eine neue Art der Auschwitz-Lüge – Wir Überlebenden von Auschwitz und anderen Massenvernichtungslagern verurteilen den Mißbrauch, den Sie und andere Politiker mit den Toten von Auschwitz, mit dem von Hitlerfaschisten im Namen der deutschen Herrenmenschen vorbereiteten und begangenen Völkermord an Juden, Sinti und Roma und Slawen betreiben. Was Sie tun, ist eine aus Argumentationsnot für Ihre verhängnisvolle Politik geborene Verharmlosung des in der bisherigen Menschheitsgeschichte einmaligen Verbrechens.«



Mitschuld der Grünen


Die NATO machte aus einem grausamen, aber regionalen Konflikt im Kosovo einen Krieg gegen Jugoslawien. Daß Deutschland in Person seines früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP) 1991 die Konflikte angeheizt hatte, indem es die nationale Eigenständigkeit der jugoslawischen Republiken Slowenien und Kroatien verkündete, gehört zu den vielen Tabus der neueren deutsche Geschichte.

Der Kosovo wurde zum Übungsgelände für die zur Einübung von NATO-internen Kooperationen auf europäischem Boden, für die Gewöhnung (nicht nur) der bundesdeutschen Bevölkerung an Kriege und zum Showroom für die Rüstungsindustrie. Der Krieg sollte den Weg nach Zentralasien freiräumen, ein Hindernis für die geostrategischen Interessen in der Region beseitigen.

Mitten im Krieg feierte die NATO auf ihrem Jubiläumsgipfeltreffen im April 1999 in Wa­shington ihren 50. Geburtstag. Die NATO erklärte sich zu einem Welt-Kriegsbündnis. Ihre Truppen umfaßten da schon mehr als vier Millionen Soldaten. Gegen wen sollen sie eingesetzt werden? Das neue aggressive Strategische Konzept wurde von allen 19 Mitgliedstaaten unterzeichnet, auch vom damaligen Bundeskanzler Schröder (SPD). Und über die Lippen von »Menschenrechtsminister« Fischer kam kein kritisches Tönchen. Das ist zu bedenken, wenn jetzt anläßlich ihres 60.Geburtstages gegen das Kriegsbündnis ­NATO demonstriert wird und irgendwelche Grünen die Friedensfahne schwenken, während deutsche Truppen auch mit grüner Zustimmung in Aghanistan morden.

Etwa 5 000 Menschen starben 1999 in Jugoslawien, auch durch die Mitschuld der Grünen. Das ist nicht vergessen.



Fußnote:

1 1996 lancierte die USA z.B. die »Southeast European Cooperative Initiative« (SECI). Ziel: Die totale Integration aller Donauanrainer in den Kapitalismus, das volle Programm: Marktwirtschaft, Vertrauensbildung, Konfliktverhütung, Sicherheit und Stabilität

    * Der vorliegende Text basiert auf: Jutta Ditfurth: »Das waren die Grünen«, München: Econ Taschenbuch Verlag 2000 (3. Aufl. 2001). Vergriffen, aber antiquarisch erhältlich (www.zvab.com oder www.eurobuch.com)
    * Jutta Ditfurths neues Buch »Zeit des Zorns. Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft« erscheint am 2. Mai im Droemer Verlag, München



Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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New PostErstellt: 25.03.09, 17:58  Betreff:  Re: Vor 10 Jahren: RotGrün unter Schröder/Fischer führten Angriffskrieg gegen Jugoslawien  drucken  weiterempfehlen

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Vorreiterrolle der Bundesrepublik


Die NATO-Angriffe gegen Jugoslawien. Zehn Jahre nach der Schandtat (Teil II und Schluß)

Von Ralph Hartmann


Unzählige Male haben Kriegsgegner den Satz: »Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst« zitiert. Doch die Geschichte aller Kriege zeigt, daß sie bereits viel früher, schon in der Phase ihrer Vorbereitung, massakriert wird. Die Zerschlagung Jugoslawiens – von der Unterstützung der Separatisten in Slowenien und Kroatien über die Intervention in den bosnischen Bürgerkrieg bis zur Abtrennung Kosovos – ist dafür ein nahezu klassisches Beispiel. Von Anfang an war sie in Deutschland von einem Lügenfeldzug begleitet, der sich von Goebbelsschen Kampagnen darin unterschied, daß der Propaganda-Reichsminister nicht über die heutigen Mittel der Massenmanipulation verfügte, wie sie das Informationszeitalter bietet. Allein schon der NATO-Angriff auf Jugoslawien war von einer solchen Lügenflut begleitet, daß es schwer fällt, sich auf drei Beispiele zu beschränken:

Erstes Beispiel: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, machten deutsche Politiker und Medien die Rede des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic vom 28. Juni 1989 anläßlich des 600. Jahrestages der Schlacht auf dem Amselfeld zu einem immer aufs neue in die Propagandaschlacht geworfenen Schlüsseldokument, in dem der Redner, später zum »Schlächter des Balkan« ernannt, ein chauvinistisches Programm für ein »ethnisch reines Großserbien« verkündet habe. Kein einziger der Verleumder – auch nicht die FAZ, die den Text der Rede, allerdings grob verfälscht1, veröffentlichte – lieferte dazu einen überprüfbaren Beweis. Sie konnten es auch nicht, denn die Forderung nach einem »Großserbien«, zudem einem »ethnisch reinen«, ist darin nicht zu finden. Statt dessen trat Milosevic für die Überwindung der dramatischen nationalen Teilungen in Jugoslawien ein, für gleichberechtigte und harmonische Beziehungen zwischen den Völkern Jugoslawiens als unumgängliche Bedingungen für den wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand des Landes, für die Eintracht in Serbien als Voraussetzung für das Wohlergehen aller seiner Bürger, ungeachtet ihrer nationalen und religiösen Zugehörigkeit. Das zu melden lag nicht im Interesse derer, denen der sozialistische Vielvölkerstaat auf dem Balkan ein Dorn im Auge und ein Hindernis auf dem Weg zu den Ölquellen im Osten war.


Fischers Auschwitz-Lüge


Zweites Beispiel: In jedem halbwegs zivilisierten Land tragen die Minister für Äußeres und für Verteidigung eine besondere Verantwortung für die Bewahrung des Friedens. Doch in Deutschland stellten sich gerade der grüne Außenminister Joseph Fischer und der SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping an die Spitze derer, die die Kriegspropaganda zu seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannten Höhen führten. Der eine als Erfinder des »serbischen Faschismus« und der neuen Auschwitz-Lüge, der andere als unübertroffener Greuelmelder.

Joseph Fischer hatte sich schon lange auf den Weg begeben, um die deutsche Schuld an den Verbrechen der Vergangenheit auf Deponien auf dem Balkan zu entsorgen und mit ihr deutsche Untaten in der Gegenwart zu rechtfertigen. Bereits 1995, als in seiner Partei eine heftige Debatte um deutsche Bundeswehreinsätze in Bosnien geführt wurde, hatte er in seinem berühmt-berüchtigten zehnseitigen Brief an seine grünen Parteifreunde vom »Wiederauftauchen eines blutigen völkischen Faschismus« gesprochen und die Interventionsforderung für Bosnien verteidigt. Wörtlich hatte er erklärt: »Ich habe die Position der Interventionspflicht bei Völkermord – es ist für mich der unveräußerliche Kern des Antifaschismus und seines Vermächtnisses des ›Nie wieder Auschwitz‹ – schon immer vertreten.«2 Um diese den Holocaust banalisierende neue Auschwitz-Lüge zu untermauern, machte Fischer die »serbische Sonderpolizei« zur »SS von Herrn Milosevic« und die Albaner zu unter Schock stehenden Leuten, »weil sie denken, sie sind plötzlich im Film ›Schindlers Liste‹ aufgewacht«.3 Für ihn stand außer Zweifel: »Es war ein wirklicher Schock, daß Milosevic bereit war, zu handeln wie Stalin und Hitler.«4

Deshalb auch war der »Faschismus« des jugoslawischen Präsidenten für Fischer kein gewöhnlicher Faschismus: »Was Milosevic treibt, ist eine völkische Politik, es ist eine rohe, barbarische Form des Faschismus.«5 Hier wurde der Faschismusvorwurf zu einer Propagandalüge, die denen der Faschisten in nichts nachstand.

Drittes Beispiel: Im Unterschied zu seinem Kabinettskollegen Fischer ging SPD-Kriegsminister Rudolf Scharping ins Detail: Am 21. April 1999 berichtete der deutsche Verteidigungsminister vor der European Business School in Oestrich-Winkel folgendes: »Wenn ich leider sehr ernst zu nehmende Berichte höre, daß innerhalb einer Nacht ein Stadtteil Pristinas geräumt wurde, daß 3000 Menschen zusammengetrieben wurden, daß man am nächsten Tag nicht mehr feststellen konnte, wo diese Menschen waren, wohl aber Leichenberge auf dem Friedhof selbst, dann ist das ein solches Beispiel. Wenn ich höre, daß in einem kleinen Ort 28 Lehrer einer Schule aus den Klassenzimmern herausgetrieben und vor den Augen ihrer Schülerinnen und Schüler erhängt werden, dann ist das ein zweites Beispiel. Und wenn einem Flüchtlinge erzählen, und das nicht einmal, sondern mehrfach, daß man Frauen ihre Kinder aus den Armen reißt und ihre Köpfe abschneidet, um mit ihnen Fußball zu spielen, wenn ermordeten Schwangeren der Bauch aufgeschlitzt wird und der Fötus erst gegrillt und dann in den Bauch zurückgelegt wird (…). Wenn man dies alles weiß, hoffe ich, kommt jedem in Deutschland die eine oder andere Erinnerung hoch.«6

Zugegeben, die Horrorgeschichten Scharpings sind extrem, aber obwohl sie offenkundig einem kranken Hirn entstammten, wurden sie von Medien millionenfach verbreitet. Was kümmerte sie die Wahrheit, Hauptsache, das Feindbild stimmte. Worin unterscheidet sich die Entstellung der Wahrheit vor und während der NATO-Aggression gegen Jugoslawien von den Lügen der Bush-Administration vor dem Überfall auf den Irak? Wo ist der Wesensunterschied zwischen dem Erfinder des Fötengrillens im Kosovo und dem Leiter des Gruselkabinetts in Berlin-Hohenschönhausen? Alle eint das Ziel, den politischen Gegner zu entmenschlichen, zu dämonisieren. Lügen und Verleumdungen sind Bestandteil kapitalistischer Innen- und Außenpolitik.


Kriegstreiber BRD

Die Vorreiterrolle der deutschen Bundesrepublik bei der Zerschlagung der jugoslawischen Föderation offenbart wie auf keinem anderen internationalen Aktionsfeld die Doppelzüngigkeit und doppelte Moral der damals am Rhein und heute an der Spree Regierenden. Sie geben sich als Friedensengel aus, als Hüter von Völkerrecht und Menschenrechten, und sind doch, wenn es ihrer Interessenlage entspricht, eher Rechts- und Friedensbrecher.

Von wenigen bundesdeutschen Ausnahmen abgesehen, bestreitet heute kein ernst zu nehmender Politiker, Völkerrechtler oder Publizist, daß die Bundesrepublik Deutschland 1991 mit ihrer Politik der überstürzten, schnellstmöglichen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens den Zerfall Jugoslawiens beschleunigt und besiegelt hat. Zuvor schon hatte sie mit geheimdienstlichen Mitteln und mit offener Einmischung den schweren innerjugoslawischen Konflikt angeheizt. Bis zum heutigen Tag unterbelichtet geblieben ist, mit welcher Doppelzüngigkeit die deutsche Außenpolitik im Sommer 1991 Öl in das Feuer des in Kroatien aufgeflammten Bürgerkrieges goß und die hoffnungsvollen jugoslawischen und internationalen Bemühungen um eine friedliche Konfliktlösung hintertrieb. Höhepunkt dieser Politik war die Erklärung des sich als »ehrlicher Makler« gebärdenden Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP) vom 24. August 1991 gegenüber dem jugoslawischen Botschafter in Bonn: »Wenn das Blutvergießen weitergeht und wenn die Politik der gewaltsam vollendeten Tatsachen mit Unterstützung der jugoslawischen Armee nicht sofort eingestellt wird, muß die Bundesregierung die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens in den festgelegten Grenzen ernsthaft prüfen. Sie wird sich für eine entsprechende Prüfung auch innerhalb der EG einsetzen.«7 Die Ermunterung separatistischer, nach internationaler Anerkennung strebender Kräfte zum Bruch der zahlreichen Waffenstillstandsvereinbarungen war offensichtlich. Selbst der Rheinische Merkur vermutete später, daß der im Sommer von der deutschen Regierung ausgestellte »Blankoscheck«, bei Fortführung der Kämpfe die Anerkennung auszusprechen, den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman dazu verleitet habe, »die Lunte am Brennen zu halten« und alle Waffenstillstandsabkommen zu brechen8, was in der Folgezeit auch geschah.

Wurde Genscher dafür jemals zur Rechenschaft gezogen? Und welche Rolle spielte sein Nachfolger Klaus Kinkel (ebenfalls FDP) bei der Installation des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag, vor dem die Vertreter der Aggressoren über die Angegriffenen richten? 1993 brüstete er sich: »Bei der Londoner Friedenskonferenz im August 1992 bin ich mit dem Vorschlag, einen Strafgerichtshof einzurichten, erstmals auf breitere Gegenliebe gestoßen. Anschließend ist es mir gelungen, die Europäer auf diese Linie festzulegen.«9 Da einigen Kräften in der Bundesrepublik Justitia in Den Haag anfangs nicht effektiv genug arbeitete, nahmen sie deren Zepter in die eigenen Hände. Deutsche Behörden führten mehrere Dutzend Ermittlungsverfahren gegen mögliche Kriegsverbrecher aus dem ehemaligen Jugoslawien. Das erste Urteil mit einer Strafe von fünf Jahren Freiheitsentzug wurde am 23. Mai 1997 gesprochen: vom Bayerischen Obersten Landesgericht gegen einen Serben.

Woher nahm die deutsche Justiz das Recht, Bürger des ehemaligen Jugoslawien wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich zu verfolgen – angesichts der bleibenden historischen Schuld Deutschlands an den 1,7 Millionen jugoslawischen Opfern im Zweiten Weltkrieg und angesichts der Tatsache, daß die von Deutschen auf jugoslawischem Boden verübten Kriegsverbrechen in der Bundesrepublik niemals verfolgt wurden und ungesühnt blieben?

Und was tat der Nachfolger des Nachfolgers von Genscher, der Grünen-Politiker Fischer, der sich auf der Karriereleiter als Retter der Umwelt ausgab? Er förderte einen Krieg, dessen ökologische Folgen verheerend waren. Schon wenige Tage nach dem Überfall auf Jugoslawien überzogen kilometerhohe pechschwarze Rauchschwaden aus den 23 zerstörten Raffinerien und Chemieanlagen das Land. Die NATO bombardierte systematisch jene Produktionsstätten, deren Zerstörung zu den größten Umweltschäden führen mußte. Aus Petrochemie- und Chemiefabriken wurden Bomben. Die indirekte chemische Kriegsführung setzte riesige Mengen hochgiftiger Substanzen frei, allein im Industriegebiet von Pancevo, nahe der Millionenstadt Belgrad, neben Unmengen von Phosgen 1200 Tonnen Vinylchloridmonomer, 3000 Tonnen Natriumhydroxid, 800 Tonnen Salzsäure, 250 Tonnen Ammoniakflüssigkeit und acht Tonnen Quecksilber. Vergiftet wurden Flüsse, weite Ackerflächen, das Grundwasser und damit die Wasserreservoire für Hunderttausende von Menschen. Doch ungeachtet dessen dankte der Umweltspezialist und Außenminister Fischer von der Tribüne des Reichstages »alle(n) Soldaten für das, was sie geleistet haben«.10


Mit zweierlei Maß

Neun Jahre später wurde die von Schröder und Fischer militärisch vorbereitete Abspaltung Kosovos von der CDU-Kanzlerin Merkel und dem SPD-Außenminister Steinmeier vorangetrieben und politisch besiegelt. Obwohl die UN-Resolution 1244 von 1999 die Achtung der territorialen Integrität Jugoslawiens bzw. Serbiens bindend vorschrieb, erkannten sie die von ihnen maßgeblich geförderte Unabhängigkeit im Widerspruch zum Völkerrecht »völkerrechtlich« an. Als sich jedoch Südossetien und Abchasien von Georgien lösten und beide Gebiete von Rußland anerkannt wurden, beschwor die deutsche Kanzlerin das heilige Prinzip der Achtung der territorialen Integrität der Staaten, auf das sie im Falle Kosovos laut gepfiffen hatte.

Nach der Okkupation Kosovos ist die Bundeswehr bekanntlich in ihre Verteidigungsstellungen am Hindukusch gezogen. Als deutsche Soldaten dort eine Frau und zwei Kinder erschossen hatten, entschuldigte sich Bundesverteidigungsminister Jung beim afghanischen Präsidenten, und die Bundeswehr zahlte der betroffenen Familie eine Entschädigung. Wie anders war das doch im sogenannten Kosovo-Krieg. Bis heute gibt es kein Wort der Entschuldigung für die dabei begangenen Kriegsverbrechen, ganz zu schweigen von Reparationen. Weniger noch: Als die Hinterbliebenen der im serbischen Städtchen Varvarin von NATO-Raketen ermordeten Zivilisten und die zum Teil für immer schwer geschädigten Überlebenden die Bundesrepublik Deutschland verklagten und von der Bundesregierung Schmerzensgeld und Schadenersatz verlangten, wurde ihre Klage von deutschen Gerichten als unbegründet zurückgewiesen. Und damit nicht genug: Auf der Grundlage eines Kostenfeststellungsbeschlusses des Landgerichtes Bonn wurden die serbischen Kläger, die Ehepartner, Väter und Mütter der Getöteten und die Schwerstverletzten, unter Androhung einer Zwangsvollstreckung aufgefordert, rund 16 000 Euro Verfahrenskosten an die Bundesrepublik Deutschland zu zahlen.

Tatsächlich, wir Deutschen können stolz auf unsere Führungsfiguren sein.


Gedenken? Fehlanzeige

2009 ist ein Jahr vieler Jubiläen. Wegen des 20.Jahrestages der »friedlichen Revolution« in der DDR wurde es gar zum »Gedenkjahr« erklärt. Sucht der interessierte Zeitgenosse im Internet nach Gedenktagen in diesem Jahr, z. B. bei der Bundeszentrale für politische Bildung, beim Bundespresseamt oder beim brandenburgischen Landeshauptarchiv, beim Evangelischen Bildungswerk und vielen anderen Einrichtungen, so wird er fündig. Es fehlt nicht an vorausschauenden Hinweisen, natürlich auf den 20. Jahrestag der »friedlichen Revolution« und des »Mauerfalls«, aber u. a. auch auf den 20. Jahrestag »der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste auf dem ›Platz des Himmlischen Friedens‹ in Peking«, den 90. Jahrestag des »Erlasses der deutschen Kleingartenordnung«, des 75. Jahrestages des »Ersten Zeichentrickfilmes mit Donald Duck«, den 2000. Jahrestag der »Schlacht im Teutoburger Wald« usw. usf. Doch in der reichen Ausbeute ist der zehnte Jahrestag des NATO-Überfalls auf Jugoslawien am 24. März und der ersten Teilnahme der Bundeswehr an einem Krieg nicht zu finden.

Die Frage nach dem Grund des Fehlens eines Hinweises auf das Kriegsjubiläum erübrigt sich. Es ist keinesfalls die Scham über das Geschehene, über die Mitwirkung an diesem verbrecherischen Gewaltakt. Allein das wäre letztlich ein Zeichen der Besinnung, des Vorhandenseins eines Gewissens, wenn auch eines schlechten. Doch die Politik der Herrschenden, der Führungen der christlich-, sozial- und freiheitlich-demokratischen Parteien wie auch der Grünen ist, wenn es um eigene Schandtaten geht, gewissenlos. Weshalb sollen sie sich erinnern – an ihren Bruch des Völkerrechts, an ihre dreisten und törichten Lügen zur Rechtfertigung der Aggression, an ihre Menschenrechtsheuchelei bei der Begründung der deutschen Kriegsteilnahme, an ihre Doppelzüngigkeit und Politik der doppelten Moral? Vielleicht müssen sie über kurz oder lang auf all das zurückgreifen, wenn es gilt, die nach dem Anschluß der DDR »gewachsene internationale Verantwortung der Bundesrepublik« wahrzunehmen, Rohstoffe und Versorgungswege zu sichern und die Welt von der Geißel des Terrorismus zu befreien.


Fußnoten:

1 siehe Ralph Hartmann, Die glorreichen Sieger, Berlin 2001, S. 67 ff.

2 nach Judith Demba: »Von der Friedenstaube zum Tornado«, in: Frieden schaffen! Mit UNO-Waffen?, Hrsg. von Sylvia-Yvonne Kaufmann, Berlin 2000, S. 32

3 nach Stefanie Christmann: »Magier der Worte«, in: Freitag, 7.5.1999

4 , 13.4.1999

5 von Joseph Fischer in taz, 15.4.1999

6 nach Jürgen Elsässer. »Tödliche Lügen«, in: Konkret 5/2000

7 Bundestag, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/1097

8 Rheinischer Merkur, 27.12.1991, zitiert nach Klaus Thörner: »Jugoslawien: Geschichte eines antikolonialen und antifaschistischen Staates«, in R. Göbel, K. Khella, K. Thörner (Hrsg.) Der Fall Jugoslawien, Hamburg 1997, S.128

9 Interview mit Klaus Kinkel, Generalanzeiger, 27.2.1993.

10 Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 48. Sitzung am 11.6.1999, S. 3563 




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Mit Lügen in den Krieg

Die NATO-Angriffe gegen Jugoslawien. Zehn Jahre nach der Schandtat (Teil I)

Von Ralph Hartmann


Heute jährt sich zum zehnten Mal der Tag, an dem eine hochmoderne Luftarmada der NATO von ihren Flugbasen in den USA, in Deutschland, Italien, Bosnien, Mazedonien, Ungarn und von den im Mittelmeer kreuzenden Flugzeugträgern startete, um pünktlich um 20 Uhr MEZ ihre High-Tech-Raketen und Bomben in jugoslawische Ziele zu bringen. 54 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands wurde in Eu­ropa wieder Krieg geführt. Und die Bundeswehr war dabei. Deutsche ECR- und Recce-Tornados flogen in der ersten Staffel. Sie trugen am Rumpf das gleiche Balkenkreuz wie einst die Stukas, die im April 1941 auf Befehl Hitlers über Jugoslawien herfielen und Belgrad in Schutt und Asche legten. Dieses Mal währte der Krieg gegen das Balkanland nicht vier Jahre, sondern nur 78 Tage, an denen jedoch mehr Sprengstoff eingesetzt wurde als während des ganzen Zweiten Weltkrieges gegen das damalige, wesentlich größere jugoslawische Königreich.

Die deutschen Piloten, stationiert in Landsberg am Lech in Oberbayern und in Jagel/Schleswig Holstein, schossen den Weg für die Terrorangriffe frei und vollbrachten wahre Heldentaten: »Ein deutscher Tornado-Einsatz (...) startete beispielsweise in Piacenza (Italien) und dauerte dann zwischen fünf und sieben Stunden. An der Spitze eines Verbandes zu fliegen, gegnerische Luftabwehr auszumachen, zu unterdrücken und zu bekämpfen, war enorm gefährlich. Diese Flüge waren für die Piloten eine ganz erhebliche körperliche und seelische Belastung (...) Gespräche mit den Piloten zeigten (...), daß sie ihren Auftrag mit großem Selbstbewußtsein und höchster Professionalität erfüllten.«1 Natürlich, nicht immer verliefen die Einsätze gegen das feindliche Jugoslawien reibungslos, doch deutsche Militärflieger verlieren auch in größter Gefahr nicht die Übersicht: »Man darf sich (…) keine Illusionen darüber machen: Man kann keinen Krieg ohne Schäden für die Zivilbevölkerung führen. Mit welchen Belastungen die Piloten dabei zurechtkommen müssen, wurde mir bei einer anderen Besprechung im Führungszentrum auf der Hardthöhe wieder deutlich. Ich sah einen Videofilm, aufgenommen aus dem Cockpit eines eingesetzten ECR-Tornados, der bei seinem Einsatz vom gegnerischen Radar erfaßt und dann beschossen wurde. Man hört lautes Schreien, sieht ein blitzschnell eingeleitetes Ausweichmanöver, ein Absturz aus einer Flughöhe von über 22000 Fuß auf weniger als 8000 Fuß, eine Beschleunigung auf das 1,3fache der Schallgeschwindigkeit. Unter höchster nervlicher und körperlicher Anspannung rettet sich die Flugzeugbesatzung.«2

Wahrhafte deutsche Helden! Sie wurden hoch dekoriert, aber ihre Namen und jeweiligen Kriegsverdienste wurden – wie ungewöhnlich doch für die deutsche Kriegsgeschichte – der Öffentlichkeit verschwiegen. Warum wohl? Der Name des Kriegsberichterstatters dagegen ist bekannt. Es ist der damalige Kriegsminister und Ex-SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping höchstselbst. Er preist deutschen Heldenmut in einem Krieg, den Deutschland angeblich gar nicht geführt hat. Gut erinnerlich sind schließlich die Worte, die Bundeskanzler Gerhard Schröder am Abend des Überfalls über Funk und Fernsehen an die »lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern« richtete: »Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.«3


Zerstörtes Land

Die Folgen des »Nichtkrieges« sind bekannt: In Kosovo begann ein Massenexodus von nahezu biblischen Ausmaßen. Während zwischen dem März 1998 und dem März 1999 170000 Bewohner vor den Auseinandersetzungen zwischen der UCK und den jugoslawischen Sicherheitskräften aus dem Gebiet geflohen waren, flüchteten allein im ersten Kriegsmonat 600000 Menschen. Zum Kriegsende waren es 800000, darunter 70000 Serben und Roma, zum größten Teil aber albanische Bewohner des Gebietes. Sie verließen das Gebiet, flüchtend vor den NATO-Bomben, die Serben und Albaner töteten – allein Pristina wird 280mal von der NATO angegriffen –, vertrieben von serbischen Paramilitärs, den Aufrufen der kosovo-albanischen »Befreiungsarmee« UCK folgend und ihren Terror gegen »Kollaborateure« fürchtend, Schutz suchend vor den Kämpfen zwischen der UCK und dem jugoslawischen Militär.

Ganz Jugoslawien blutete aus unzähligen Wunden. Zertrümmert oder demoliert wurden 60 Brücken, 19 Bahnhöfe, 13 Flughäfen, 480 Schulobjekte, 365 Klöster, Kirchen, Kultur- und historische Gedenkstätten, darunter der Park des Gedenkens an die im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht erschossenen 7 000 jugoslawischen Bürger. Mit herkömmlichen und Graphitbomben wurden die Hauptelektrizitätswerke angegriffen und über längere Zeiträume bis zu 70 Prozent der Bevölkerung von der Stromversorgung abgeschnitten. Die Auswirkungen für die Grundversorgung der Zivilbevölkerung, für Krankenhäuser, Geburtskliniken, Inkubatoren, Wasserpumpen und viele andere Bereiche waren katastrophal, zeitweilig konnte die Bevölkerung durch den Ausfall der Alarmsirenen nicht einmal mehr vor den Angriffen der Terrorpiloten gewarnt werden. Zerschlagen wurden die Relaisstationen für Rundfunk und Fernsehen, darunter die in der unmittelbaren Nähe der nationalen Gedenkstätten auf dem Avala-Berg bei Belgrad und dem Lovcen in Montenegro.

Zerstört oder beschädigt wurden 110 Krankenhäuser, lebensnotwendige medizinische Geräte, Hilfs- und Arzneimittel. Infolge der Bombardierung von Straßen, Brücken und Bahngleisen sowie des Kraftstoffmangels nach der Zertrümmerung der Raffinerien mußte die Behandlung von Patienten mit chronischen Herz- und Nierenerkrankungen, von Diabetes- und Krebspatienten unterbrochen oder verspätet durchgeführt werden. Der wochenlange Aufenthalt in Schutzkellern führte bei vielen zum Ausbruch von schweren Darmerkrankungen.

In Schutt und Asche gelegt wurden 121 Industriebetriebe, in denen 600000 Jugoslawen in Arbeit standen. Rund 2,5 Millionen Menschen verloren damit ihre Existenzgrundlage. Über 2500 Menschen wurden getötet, mehr als 10 000 schwer oder leicht verletzt. Dreißig Prozent aller Getötete
n und vierzig Prozent der Verstümmelten und Verletzten waren Kinder.4


Raub des Kosovo

Nach diesem »glorreichen Sieg« wurde das südserbische Gebiet Kosovo von der NATO okkupiert. Unter den Augen der Besatzungstruppen wurden 250000 Serben, Roma und andere Nicht­albaner vertrieben, die Gebietshauptstadt Pristina wurde »judenfrei«. Die im Kerngebiet Kosovos verbliebenen wenigen Serben leben seither wie in Ghettos, ständig mörderischen Überfällen und anderen Gewalttaten ausgesetzt. Alles, was an die fast tausendjährige serbische Geschichte des Gebietes erinnert, wurde und wird systematisch ausgelöscht. Weit mehr als 100 Klöster und Kirchen sind inzwischen zerstört. Der seit sieben Jahrhunderten bestehende, seit Juni 1999 dreifach bewehrte Sitz des Patriarchen der Serbischen Orthodoxen Kirche in Pec wurde wiederholt angegriffen. In der Stadt Pec und Umgebung lebten vor dem Krieg 32000 Serben, heute ist ihre Zahl an den Fingern abzuzählen.

Kosovo ist ein armes, aber an Ressourcen reiches Gebiet. Es verfügt über beträchtliche Vorkommen an Blei, Zink, Chrom, Nickel, Silber, Gold und mit 17 Milliarden Tonnen über die zweitgrößten Braunkohlelagerstätten Europas. Begierig greift das deutsche und internationale Kapital nach diesen Reichtümern. Es begann mit dem Bergbaukombinat Trepca im Norden des Amselfeldes, das einst, in den Zeiten der sozialistischen Selbstverwaltung, 29000 Beschäftigte zählte und in der Blei- und Zinkproduktion an zweiter Stelle in Europa lag. Im August 2000, ein Jahr nach der Eroberung Kosovos durch die NATO, wurde es von schwerbewaffneten KFOR-Truppen gestürmt und gegen den erbitterten Widerstand der Arbeiter der UN-Verwaltung unterstellt. Der serbische Direktor wurde davongejagt und durch einen Vertreter der »internationalen Gemeinschaft« ersetzt. Die Übernahme war laut Kofi Annan, seinerzeit UN-Generalsekretär, ein erster Schritt in Richtung Privatisierung. Diese ist in Trepca aufgrund der Zerstörungen durch NATO-Raketen und ungeklärter Eigentumsverhältnisse noch nicht abgeschlossen, aber in anderen Teilen Kosovos kommt sie, wenn auch schwerfällig, voran. Zuständig dafür ist die Kosovo-Treuhandagentur (KTA), die im Mai 2003 mit der Privatisierung von 540 Unternehmen begann. Ungeachtet der Proteste Belgrads gegen die rechtswidrigen Enteignungen »des privaten und staatlichen Eigentums des serbischen Volkes«, wurde bisher ein beträchtlicher Teil für den üblichen Apfel und ein Ei verkauft. Höher liegt der Preis der Bodenschätze. Sie wurden für internationale Investoren ausgeschrieben und sollen mehr als zehn Milliarden Euro bringen. Laut EU-Gremien wurde die Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe in letzter Zeit erheblich beschleunigt, doch immer noch bestehe hier großer Handlungsbedarf. Unterstellt ist die Privatisierungsagentur dem 4. Büro der UN-Verwaltung in Pristina, und an dessen Spitze stand bis Juni 2008 ein Vertreter aus dem treuhanderfahrenen Deutschland: Joachim Rücker, ehemaliger Oberbürgermeister von Sindelfingen, der über enge Verbindungen zum Auswärtigen Amt verfügt und in Anerkennung seiner Leistungen nun zum Botschafter in Schweden ernannt wurde.



Die Zerschlagung Jugoslawiens


Unter der Leitung des bundesdeutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat dieses Amt entscheidend dazu beigetragen, Kosovo aus dem serbischen Staatsgebiet herauszureißen. Unter Mißachtung der nach der NATO-Aggression verabschiedeten UN-Resolution 1244, in der die territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien und die Zugehörigkeit Kosovos zu Serbien festgeschrieben ist, wurde das Gebiet nach absurden Scheinverhandlungen gegen den erbitterten Widerstand Belgrads zu einem unabhängigen Staat ausgerufen und von der Mehrheit der NATO-Staaten anerkannt. An der Spitze dieses Staatsgebildes stehen die ehemaligen Führer der UCK, die einst selbst von den USA als »terroristische Organisation« gekennzeichnet worden war. Noch einmal bestätigte sich die Einschätzung des damaligen serbischen Regierungschefs Vojislav Kostunica: »All das zeugt leider davon, daß die USA und die NATO Serbien grausam und rechtswidrig bombardiert und ihre Streitkräfte in das Gebiet geführt haben, um 15 Prozent des Territoriums unseres Landes zu rauben.« Seit Ende 2008 hat die Europäische Union unter der Oberaufsicht der UN-Verwaltung für Kosovo (UNMIK) die »Überwachung« des geraubten Territoriums übernommen. EULEX, eine sogenannte Rechtsstaatsmission, bestehend aus rund 2 000 Polizisten, Juristen, Verwaltungsexperten und anderen Fachleuten aus EU-Staaten, soll den Aufbau »rechtsstaatlicher« Verhältnisse voranbringen und die Abspaltung der südserbischen Provinz zementieren.

Mit der völkerrechtswidrigen Abtrennung Kosovos von Serbien fand der Prozeß der gewaltsamen Zerschlagung der einst vom slowenischen Alpengipfel Triglav bis zum mazedonischen Ufer des Ohridsees, von der Adria bis zum serbischen Kapaonikgebirge reichenden jugoslawischen Föderation seinen Abschluß. Die Bundesrepublik Deutschland hat maßgeblich dazu beigetragen, und Politiker vom Schlage eines Rupert Scholz (CDU) können sich die Hände reiben. Auf dem im September 1991 stattgefundenen »Fürstenfeldbrucker Symposium für Führungskräfte aus Bundeswehr und Wirtschaft« hatte der ehemalige bundesdeutsche Verteidigungsminister und Verfassungsrichter, der noch heute in erzkonservativen Kreisen als Demokrat von echtem Schrot und Korn gilt, festgestellt, »daß der Jugosla­wien-Konflikt unbestreitbar fundamentale gesamteuropäische Bedeutung hat«, um fortzufahren: »Wir glauben, daß wir die wichtigsten Folgen des Zweiten Weltkrieges überwunden und bewältigt hätten, aber in anderen Bereichen sind wir damit befaßt, noch die Folgen des Ersten Weltkrieges zu bewältigen (...). Jugoslawien ist als eine Folge des Ersten Weltkrieges eine sehr künstliche (...) Konstruktion.«5 Der NATO, allen voran der Bundesrepublik Deutschland, ist es gelungen, diese einst weltweit geachtete multinationale »Konstruktion« zu zerschlagen.



Rechtsnihilismus

Der Überfall der NATO auf Jugoslawien unter Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland liegen zehn Jahre zurück. Doch auch heute vermitteln sie Erkenntnisse, die weit über die jugoslawische Tragödie hinausgehen und nichts an Aktualität verloren haben. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, seien einige genannt:

Die im bürgerlichen Rechtsstaat Herrschenden werden nicht müde, die Bedeutung des internationalen Rechts zu unterstreichen und seine strikte Einhaltung zu fordern. Wenn dieses jedoch außenpolitischen Zielen und ihrer Machtgier im Wege steht, dann verhalten sie sich wie eingedrungene Wildschweine in einem Ziergarten und trampeln alles nieder. Die deutsche Jugoslawien-Politik bietet viele Beispiele:

Im »Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland«, eingegangen in die Geschichte als »Zwei-plus-Vier-Vertrag«, verpflichtete sich der zukünftige deutsche Einheitsstaat in völkerrechtlich verbindlicher Weise, daß vom deutschen Boden nur Frieden ausgehen wird und daß nach der Verfassung des vereinigten Deutschlands Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht unternommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, verfassungswidrig und strafbar sind.6

Ganz in diesem Sinne erklärte der bundesdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) bei der Unterzeichnung: »Unsere Botschaft an die Völker dieser Welt ist: Wir wollen nichts anderes, als in Freiheit und Demokratie und in Frieden mit allen anderen Völkern leben.«7 Wenige Wochen später, am 3. Oktober 1990, dem Tag, in dessen erster Minute vor dem Reichstagsgebäude in Berlin die überdimensional große schwarz-rot-goldene Einheitsflagge gehißt wurde, richtete Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) an alle Regierungen der Welt, mit denen das nun vereinigte Deutschland diplomatische Beziehungen unterhielt, eine Botschaft. Zu den Adressaten zählte auch Ante Markovic, Ministerpräsident der jugoslawischen Föderation. Auch versicherte der Kanzler: »Unser Land will mit seiner wiedergewonnenen nationalen Einheit dem Frieden in der Welt dienen (...). Von deutschem Boden wird in Zukunft nur Frieden ausgehen. sind uns bewußt, daß die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in Europa eine grundlegende Bedingung für den Frieden ist.«8

Eingefügt in seine Botschaft hatte der Kanzler einen Satz, der gerade für Jugoslawien von besonderem Gewicht war. Er pries den Friedensauftrag des Grundgesetzes und schrieb: »Zugleich stehen wir zu den moralischen und rechtlichen Verpflichtungen, die sich aus der deutschen Geschichte ergeben.«9

Worte, Worte, Worte – ein Jahr später waren sie nur noch Schall und Rauch. Ungeachtet aller feierlichen Erklärungen über Friedensverantwortung und Verzicht auf Machtstreben, mischte sich die Bundesrepublik massiv in die inneren Angelegenheiten Jugoslawiens, eines der Staaten der Antihitlerkoalition, der zugleich zu den Gründungsmitgliedern der Organisation der Vereinten Nationen und der Bewegung der Nichtpaktgebundenen Staaten gehörte, ein und betrieb erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder offen Großmachtpolitik. Sie begann mit der überstürzten Anerkennung Sloweniens und Kroatiens 1991, erreichte ihren Höhepunkt in der Teilnahme am verbrecherischen Krieg gegen Jugoslawien und fand ihren vorläufigen Schlußpunkt in der aktiven Mitwirkung an der völkerrechtswidrigen Abtrennung Kosovos von Serbien.

In ihrem aggressiven Vorgehen gegen Jugoslawien scherten sich die Bundesregierungen, die schwarz-gelbe, die rot-grüne und die schwarz-rote, weder um das sonst soviel beschworene Grundgesetz noch um die Charta der Vereinten Nationen.



Propagandaoffensive

Kriege, wie amoralisch sie auch sind, werden stets unter erhabenen moralischen Vorwänden geführt. Kaiser Wilhelm II. und seine Generäle befahlen Millionen deutschen Soldaten, »ins Feld zu ziehen« gegen die »drohenden feindlichen Invasionen« und für »Deutschlands Ehre«. Hitlers »Drittes Reich« überfiel die Sowjetunion, um das deutsche Volk vor den »Hunnen des 20. Jahrhunderts« und der »bolschewistischen Gefahr« zu schützen. Höchst moralisch auch die Motive, mit denen die Regierung der SPD und der Grünen, unterstützt von der CDU/CSU-FDP-Opposition, die Teilnahme der Bundesrepublik am Aggressionskrieg gegen Jugoslawien begründeten. Sie verfolgten das hehre Ziel, auf dem Balkan »eine humanitäre Katastrophe zu verhindern«. Und weil dieses Anliegen so selbstlos und edel, so überzeugend und einleuchtend war, wurde es der Öffentlichkeit immer aufs neue und nahezu immer in der gleichen Variante nahegebracht.

Vor dem Überfall, am 23. März, erklärte Scharping in den ARD-Tagesthemen, »das politische Ziel sei unverändert, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und eine humanitäre Katastrophe zu verhindern«. Unmittelbar nach dem ersten Angriff wandte sich Bundeskanzler Schröder persönlich an die Öffentlichkeit und erläuterte, daß die NATO mit den Luftschlägen »(…) eine humanitäre Katastrophe verhindern (will)«.10 Da ihm diese Zielbeschreibung des Krieges so gut gefiel, wiederholte er sie zwei Tage später vor den Abgeordneten des Deutschen Bundestages: »Das Bündnis war zu diesem Schritt gezwungen, um weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte in Kosovo zu unterbinden und um eine humanitäre Katastrophe dort zu verhindern.«11

Mit den Kanzleransprachen war der Anstoß gegeben; im ganzen Land erläuterten Regierungsmitglieder, Abgeordnete der Koalitions- und der CDU/CSU-FDP-Oppositionsparteien auf allen Ebenen, Kriegsbefürworter in den Ländern und Kommunen das humanitäre Kriegsziel.

An dieser Zielbeschreibung hielt die SPD-Grünen-Regierung eisern fest, auch dann, als für alle Welt längst sichtbar geworden war, daß eine schreckliche humanitäre Katastrophe nicht verhindert, sondern herbeigebombt worden war. Noch Monate nach dem Krieg behauptete sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der PDS-Fraktion im Bundestag: »79 Tage lang führte die NATO mit dem strategischen Ziel, eine humanitäre Katastrophezu verhindern (…), Luftschläge gegen die BRJ durch (…).«12

Heute beschränkt sich die Bundeswehr nicht auf Luftschläge, sie kämpft auch am Boden, am fernen Hindukusch. Wieder geht es um ein höchst moralisches Ziel, um den Schutz unseres Landes und der ganzen westlichen Welt vor dem Terrorismus. »Entweder bekämpfen wir den Terrorismus in Afghanistan oder der Terrorismus kommt zu uns«13, postulierte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bei der Beisetzung von zwei in diesem Kampf geopferten deutschen Soldaten. An solchen pharisäischen Bekundungen hat es deutschen Kriegskommandeuren noch nie gemangelt, und auch zukünftig werden sie sich nicht scheuen, amoralische Kriegsabenteuer in moralische und altruistische Missionen umzulügen.



Fußnoten:

1 Rudolf Scharping: Wir dürfen nicht wegsehen. Der Kosovo-Krieg und Europa, Berlin 1999, S.88

2 Ebd., S. 144/145

3 Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, dpa, 24.3.1999

4 Die Angaben über Kriegsopfer und -schäden basieren auf Beiträgen, die auf dem internationalen Hearing zum Europäischen Tribunal über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien am 30. Oktober 2000 in Berlin vorgetragen wurden. Siehe: Die Wahrheit über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, Hrsg. von Wolfgang Richter, Elmar Schmähling, Eckart Spoo, Schkeuditz 2000

5 zitiert nach Ulrich Sander: »Der dritte Feldzug gegen Serbien«, in: Ossietzky, Nr. 6/1999

6 Vgl. Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bonn, September 1990

7 Ebd., S. 56

8 Texte zur Deutschlandpolitik. Eine Information des Bundesministers für Innerdeutsche Beziehungen, Reihe III/Band 8b – 1990, Bonn 1990, S. 705

9 Ebd.

10 dpa, 24.3.1999

11 Gerhard Schröder, Regierungserklärung vom 27.3.1999, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 5/1999, S. 635

12 14. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/1788, S. 2

13 Die Welt, 24.10.2008 



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