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BND - perfides Herrschaftsinstrument der jeweils Mächtigen

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 12.03.07, 15:54  Betreff:  Wie Nazi-Mörder und -Mordgehilfen im BND, BfV und Justiz beruflich Karriere machten  drucken  weiterempfehlen




zitiert aus: http://www.jungewelt.de/2007/03-12/025.php


Unheilige Allianz

Nachrichtendienste der Allierten und Machtträger aus Geheimdienst und Polizei des ehemaligen Nazideutschland entfachten den Kalten Krieg

Von Klaus Eichner und Gotthold Schramm



»Angriff und Abwehr. Die deutschen Geheimdienste nach 1945«. So lautet der Titel eines 640 Seiten umfassenden Buches, das diese Woche im Verlag edition ost erscheint. Darin wird ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Dienste in West und in Ost und deren Gründergeneration geworfen. Die Untersuchung offenbart: 1945 gab es keine Stunde Null – die Antikommunisten auf der einen Seite machten weiter wie bisher und hatten dabei die Unterstützung der Westmächte. Und auf der anderen Seite: Ihre alten Gegner, nunmehr aus den faschistischen Lagern und Zuchthäusern befreit oder aus dem Exil zurückgekehrt, widersetzten sich wie gehabt dem antikommunistischen Staatsterror. »Wir haben ja nicht gegen Feindbilder operiert. Wir hatten wirkliche Feinde«, wird Markus Wolf auf dem Buchdeckel zitiert. Der Sammelband berichtet von ungebrochenen, bis heute fortdauernden Traditionen. Das machen die beiden Herausgeber Klaus Eichner und Gotthold Schramm – die ihr Buch auf der Messe in Leipzig am 22. März am jW-Stand signieren und ab 19 Uhr im Liebknechthaus in der Braustraße vorstellen werden – auch im nachfolgenden Beitrag deutlich.

Vor vier Wochen meldete sich die Staatsanwaltschaft Erfurt am Telefon des Verlags edition ost. In der Landeshauptstadt des Freistaates sitzt man seit geraumer Zeit über Helmut Roewer zu Gericht. Der war 1994 vom Bundesministerium des Innern in Bonn nach Thüringen abkommandiert worden, um das dortige Landesamt für Verfassungsschutz zu übernehmen. Nach sechs Jahren mußte er jedoch als Präsident seinen Hut nehmen. Aber nicht, weil er den aktuellen und den vergangenen Nazismus verharmloste – im ZDF-Politmagazin »Kennzeichen D« erklärte der Verfassungsschützer im Sommer 1999 beispielsweise: »Das Dritte Reich ist eine bestimmte Epoche in der deutschen Geschichte, und diese besteht nicht nur aus Verbrechen.« Und auch nicht, weil er aktive Neonazis wie Thomas Dienel und Tino Brandt aus Thüringen als V-Leute des Verfassungsschutzes bezahlte – ein Grund, weshalb seinerzeit das NPD-Verbot scheiterte. Sondern, wie die Begründung für die zunächst nur vorläufige Suspendierung im Juni 2000 durch den Innenminister lautete, weil es »Pannen, Indiskretionen und interne Auseinandersetzungen« im Amt gegeben habe.

Der im vorläufigen Ruhestand befindliche Expräsident Roewer und zwei weitere Verfassungsschützer wurden schließlich wegen Untreue und Betrugs in über 60 Fällen angeklagt. Mindestens 300000 DM aus dem Etat des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz seien zweckentfremdet worden.

(...)

Die Erkundigungen, die der Staatsanwalt jetzt einzog, bestätigten, daß die Hinweise damals begründet und die Entscheidungen richtig gewesen waren. Doch die juristische Verfolgung eines »Betrügers«, der Steuergelder vermeintlich »zweckentfremdet« verjuxte, ist das eine. Das andere: Ist da wirklich nur ein armer Sünder straffällig geworden, der zufällig Präsident eines Landesamtes für Verfassungsschutz war? (...) mit der der CIA-Mann Harry Rositzke – er baute Ende der 40er Jahre für die CIA ein erstes operatives Referat gegen die Sowjetunion auf – die Zusammenarbeit des US-amerikanischen Nachrichtendienstes mit deutschen Nazis in der Nachkriegszeit begründete: »Es war unbedingt notwendig, daß wir jeden Schweinehund verwendeten. Hauptsache, er war Antikommunist.«


Kalter Krieg nach Roosevelts Tod

Wie wir inzwischen wissen, gab es für die meisten deutschen Nachrichtendienstler 1945 kaum einen Bruch in der Biographie. Die Gründergeneration des gesamten bundesdeutschen Geheimdienstsystems wurde im wesentlichen von ehemaligen Mitarbeitern des faschistischen Geheimdienst- und Sicherheitsapparates geprägt. Das von uns jetzt herausgegebenen Buch stellt sie mit ihren bezeichnenden Biographien vor. Es war wie bei den Juristen. In der Sowjetischen Besatzungszone wurden rund 90 Prozent der bis 1945 amtierenden Richter und Staatsanwälte aus der Justiz entfernt. In den drei Westzonen waren nach einiger Zeit nahezu 90 Prozent der früheren Richter und Staatsanwälte wieder im Amt.

Jetzt zugängliche CIA-Akten aus den 40er und 50er Jahren zwingen uns auch, die bisherigen Schätzungen, wie viele ehemalige aktive Nazis für die Amerikaner arbeiteten, deutlich zu korrigieren. (...).

Die Organisation Gehlen – nachmals BND – war zu einem Auffangbecken für Mitglieder der Nazieliten geworden, die auf einen Neubeginn hinarbeiteten. Die Hoffnungen erfüllten sich. In den ersten Jahren der Bundesrepublik konnten sie unbehelligt und offiziell ihre Laufbahn fortsetzen: im Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz, im Militärischen Abschirmdienst (MAD), in der Sicherungsgruppe Bonn, im Bundesnachrichtendienst. Überzeugte Nazis und skrupellose Karrieristen, Kriegsverbrecher, Massenmörder und Schreibtischtäter kämpften weiter gegen »den Kommunismus«. Für sie hatte es 1945 keine Stunde Null gegeben.

Die Schutzbehauptung, die US-Amerikaner hätten darauf geachtet, daß für sie keine belasteten Nazis arbeiteten, ist eine Lüge. (...) Ihre Geheimdienste verhalfen schwer belasteten Nazis, in Kenntnis ihrer Verbrechen, in vielen Fällen zur Flucht. Mehr noch: Ohne Skrupel nutzte Washington solche Personen und deren Wissen im Kampf gegen den einstigen Verbündeten, die Sowjetunion.

(...) der amerikanische Journalist Drew Pearson: »Es ist seit langem kein Geheimnis mehr, daß eine Gruppe im ­State Department einen möglichst milden Frieden mit Deutschland befürwortet, und zwar im Hinblick darauf, daß Deutschland zu einem Bollwerk gegen den Kommunismus gemacht werden müsse. (...)«


Nazis für neuen Geheimdienst

(...) Von Mai 1945 bis 1948 erfolgte eine zentrale Registrierung von Kriegsverbrechern und Verdächtigen. (...) Das Register umfaßte am Ende 40 Bände, 85000 Steckbriefe bzw. Sucheinträge sowie 130000 Berichte zu Verhaftungen.

(...) Die Amerikaner fälschten nachweislich Unterlagen, um diese Personen für ihre künftige Verwendung in den eigenen Reihen oder als Informanten des Dienstes zu tarnen. Experten für psychologische Kriegführung wie etwa Hans Heinrich Herwarth von Bittenfeld oder Reinhard Gehlen sollten nicht im Verzeichnis auftauchen und wurden daher kurzerhand gestrichen oder die Eintragungen verfälscht. Tausende standen in den CROWCASS-Unterlagen als »vermißt« oder »flüchtig«, obgleich deren Aufenthaltsort durchaus bekannt war. Der spätere BND-Präsident Reinhard Gehlen erinnerte sich in seinen Memoiren amüsiert, daß auch er noch jahrelang in den amerikanischen Kriegsverbrecherlisten als »flüchtig« ausgewiesen worden war.

(...)


Organisation Gehlen

Eine zentrale Figur »jener unheiligen Allianzen« amerikanischer und (west-)deutscher Dienste war Reinhard Gehlen. Als Oberstleutnant der Naziwehrmacht übernahm er am 1. Mai 1942 die Führung der Abteilung Fremde Heere Ost; er sollte bis April 1945 diesen militärischen Nachrichtendienst leiten. Das Amt verdankte er dem Chef der Operationsabteilung des faschistischen Generalstabs, Adolf Heusinger. Gehlen, seit Oktober 1940 Leiter der Ostgruppe in seiner Operationsabteilung, sei ein militärisches Talent und hervorragender Organisator, hatte Heusinger seinen damaligen Personalvorschlag begründet. Er habe an der Planung bedeutender Operationen einschließlich »Barbarossa«, die Code-Bezeichnung für den Überfall auf die Sowjetunion 1941, mitgewirkt. (Gehlen revanchierte sich bei Heusinger einige Jahre später: Er »parkte« den Nazigeneral zwischen 1948 und 1950 in seiner Organisation, übertrug ihm die Auswertung und Analyse aller beschafften Spionageinformationen, ehe Bundeskanzler Konrad Adenauer 1950 Heusinger zu seinem militärischen Berater und Beauftragten für Wehrfragen machte.)

Eine große Zahl von Generalstabsoffizieren der faschistischen Wehrmacht war von Gehlen in seine Organisation eingebaut worden. Sie bildeten den Kern der Führungsmannschaft zur Remilitarisierung der Bundesrepublik und zum Aufbau ihres militärischen Nachrichtenwesens. Heusinger und andere Stabsoffiziere erstellten für die US-Behörden bereits kurz nach Kriegsende Analysen über die militärische Stärke der Sowjetunion, so berichteten sie beispielsweise von angeblich 145 angriffsbereiten Divisionen der Sowjetarmee. Mit bewußten Falschinformationen und aggressiven Spionageoperationen trug die Organisation Gehlen erheblich zur Entfachung und Verschärfung des Kalten Krieges bei.

Von der ersten Stunde der Organisation Gehlen an richteten sich die geheimdienstlichen Angriffe gegen die sowjetisch besetzte Zone und die dort stationierten Kontingente der Roten Armee. Gehlen spricht in seinen Memoiren von 600 Agenten in den Nachkriegsjahren, die vor allem unter »alten Kameraden« rekrutiert worden waren. Auf der anderen Seite: Bis etwa 1955 wurden vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) etwa 1100 westliche Spione enttarnt und nachfolgend verurteilt.

(...) löste ihn Hubert Schrübbers ab, der bis 1972 BfV-Präsident blieb. Schrübbers galt als überzeugter Nazi. Er war vor 1945 bei der Generalstaatsanwaltschaft am Reichsgerichtshof tätig und zeichnete sich durch hohe Strafanträge bei Gegnern des Naziregimes aus.

Die BfV-Vizepräsidenten, ebenfalls durch den Bundeskanzler bestätigt, hatten vergleichbare Biographien. Zum Beispiel Albert Radke, von 1951 bis 1964 Vize. Er war bis Kriegsende als Oberst im OKW-Amt Ausland/Abwehr tätig und an Judendeportationen beteiligt. Nach 1945 kam er in der Organisation Gehlen unter. 1951 wechselte er in das BfV. (...)


Mitarbeiter mit Nazivergangenheit

Wer schützte noch die Verfassung in der Zentrale? Zum Beispiel Richard Gercken, Leiter der Abteilung IV im BfV, vor 1945 SS-Hauptsturmführer, Mitarbeiter im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Abteilung IV Gestapo, beteiligt an der Verfolgung von Antifaschisten in den Niederlanden; Dr. Gustav Halswick, »Sonderbeauftragter des Präsidenten des BfV«, vor 1945 SS-Obersturmbannführer, Lehrer an der Reichsschule der Sicherheitspolizei, beteiligt an Kriegsverbrechen in Polen und der Sowjetunion; Dr. Wilhelm Ludwig, Leiter der Abteilung V im BfV, vor 1945 SS-Sturmbannführer, Offizier der 87. Standarte für Innsbruck; Erich Wenger, Leiter Beschaffung der Abteilung IV im BfV, vor 1945 SS-Hauptsturmführer, Mitarbeiter der Gestapo an der deutschen Botschaft in Paris; Werner Aretz, vor 1945 SS-Hauptsturmführer, RSHA, Abteilung IV Gestapo; Gustav Barschdorf, vor 1945 SS-Hauptscharführer, RSHA, Leiter einer Gestapo-Außenstelle, 1974 als Kriegsverbrecher verurteilt; Kurt Fischer, vor 1945 SS-Sturmbannführer, Major der Schutzpolizei, nach 1945 mit dem Namen Karschner untergetaucht, dann in der Abteilung VI des BfV; Kurt Lischka, vor 1945 SS-Obersturmbannführer, RSHA, nach dem 20.Juli 1944 beteiligt an der Verfolgung von Hitlergegnern, in Frankreich wegen Massenmordes in Abwesenheit zum Tode verurteilt; Paul Opitz, vor 1945 SS-Sturmbannführer, RSHA, Amt IV Gestapo; Karl-Heinz Siemens, vor 1945 SS-Obersturmführer, Leibstandarte Adolf Hitler, beteiligt an Verbrechen dieser Einheit. Nach 1945 als Dr. Kaiser in Westdeutschland untergetaucht; später Oberregierungsrat in der Abteilung III des BfV; Johannes Strübing, vor 1945 SS-Hauptsturmführer, RSHA, Amt IV Gestapo, beteiligt an der Ermordung von 56 Antifaschisten der Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack und an Mißhandlungen von Häftlingen; Alfred Wurbs, vor 1945 SS-Hauptsturmführer, RSHA, Amt IV Gestapo, Waffen-SS-Division »Prinz Eugen«, die auf dem Balkan schwere Kriegsverbrechen verübte, als Angehöriger eines Einsatzkommandos in Norwegen stellte er »Judentransporte« in KZ zusammen. Mit Wissen der Bundesregierung unter Decknamen im BfV tätig, ab 1956 mit Klarangaben Gruppenleiter in der Zentralabteilung V.

Das Bundeskriminalamt, die Sicherungsgruppe Bonn und die Polizeiverwaltungen der Länder rekrutierten ihre Leitungskader ebenfalls vorwiegend aus dem Personal der Gestapo, der Geheimen Feldpolizei und aus Angehörigen der SS- und SD-Einsatzgruppen, die in den von der Wehrmacht eroberten Gebieten Vernichtungsaktionen in unvorstellbarem Ausmaß durchgeführt hatten.

Zum personellen Fundament des bundesdeutschen Sicherheitsapparates gehörten Faschisten, die aktiv an der sogenannten »Endlösung der Judenfrage« beteiligt waren und sich damit grausamer Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten. Insbesondere bei den »Ostexperten« rekrutierten die amerikanischen Geheimdienste ihre Agenten. Ein Beispiel ist Otto von Bolschwing, ehemaliger Adjutant von Adolf Eichmann, vom US-Geheimdienstexperten Christopher Simpson so charakterisiert: »Otto von Bolschwing wurde einer der hochrangigsten CIA-Agenten im Europa der Nachkriegszeit. Zu seinen Verantwortungsbereichen gehörten die Suche und Werbung von Agenten, und er war spezialisiert auf Grenzschleusungsoperationen zur Infiltration von Spionen nach Ungarn und Rumänien.«


In Dutzenden von Beispielen wird im Buch »Angriff und Abwehr« die aktive Beteiligung von nachmaligen Mitarbeitern des westdeutschen Sicherheitsapparates an Kriegsverbrechen nachgewiesen, ohne daß nach 1945 deren Bestrafung erfolgte.

(...)

Der letzte Präsident des Obersten Gerichts der DDR meinte dazu: »Heute zu behaupten, daß die SS-Verbrecher der Gehlen-Organisation Träger der Demokratie und die MfS-Gründer Träger einer Diktatur waren, ist geradezu grotesk.«



* Klaus Eichner war als langjähriger leitender Analytiker in der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR zuständig für das Gebiet der US-amerikanischen Geheimdienste
* Gotthold Schramm war von 1952 bis 1990 als Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit in der Spionageabwehr tätig
* Klaus Eichner und Gotthold Schramm (Hg.): Angriff und Abwehr. Die deutschen Geheimdienste nach 1945; edition ost, Hardcover, 640 Seiten, 24,90 Euro






[editiert: 09.08.11, 14:01 von bjk]



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zystein


New PostErstellt: 29.10.06, 16:10  Betreff: Re: BND - perfides Herrschaftsinstrument der jeweils Mächtigen  drucken  weiterempfehlen

    Zitat:
    Nach Gehlens Tod, behaupten die Autoren des ARD-Filmes, hätte sich der BND geändert, von einem – wie sie formulieren – »patriarchalisch geführten zu einem demokratisch kontrollierten« Nachrichtendienst.
Der BND ist (nach wie vor) institutionalisierter Antikommunismus. Wenn man bezüglich "Kalter Krieger" nach einer Verortung, nach einer "Heimstätte" sucht, wo, wenn nicht beim BND?
Das wissen wir doch beispielsweise spätestens und nicht zuletzt seit der Hexenjagd auf die "Hacker für Moskau", oder etwa nicht? Schon vergessen, Herrschaften von der ARD?
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matrix555

Beiträge: 356


New PostErstellt: 27.10.06, 23:51  Betreff: Re: BND - perfides Herrschaftsinstrument der jeweils Mächtigen  drucken  weiterempfehlen

Memoiren mit Gedächtnislücken.

http://www.freace.de/artikel/200610/271006a.html

Gedächtnislücken
Gerhard Schröder, die CIA und die Folter
27.10.2006


Wie beispielsweise Reuters am Donnerstag berichtete, hat der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Veröffentlichung seiner Memoiren in Berlin jegliche Kenntnis der "Praktiken" der CIA bestritten.

Diese "kenne ich nicht oder kannte ich nicht", so Schröder - eine zumindest bemerkenswerte Abweichung von der üblichen Formulierung "kenne ich nicht und kannte ich nicht". Er erklärte, sich auch in Zukunft nicht weiter zu diesem Thema äußern zu wollen.

Will man Schröder keine bewußte Lüge unterstellen, so gibt es nur zwei Möglichkeiten für die von ihm aufgestellte Behauptung. Entweder, er leidet unter zunehmenden Gedächtnislücken - immerhin ist er in diesem Jahr 62 Jahre alt geworden - oder er muß sich vorwerfen lassen, selbst in derart wichtigen Fragen keine Ahnung von den Umtrieben seines Kabinetts gehabt zu haben.

Bereits im März dieses Jahres hatte der Spiegel berichtet, daß das FBI im November 2001 die Flugdaten von Mohammed Zaydar Hammar von dem deutschen Bundeskriminalamt erhalten hat, woraufhin ihn die USA an seinem Reiseziel Marokko verhaften ließen. Anschließend wurde er durch die CIA nach Syrien in das berüchtigte Far-Filastin-Gefängnis "überstellt", wo er seitdem gefangengehalten wird. Wie bei den zahllosen anderen derart von der CIA in "befreundete" Länder verschleppten Menschen wurde auch gegen ihn bisher weder Anklage erhoben, noch ihm die Möglichkeit gegeben, mit Rechtsmitteln gegen seine Folterhaft vorzugehen.

Zu Schröders Entlastung ließe sich hier sicherlich einwerfen, daß er zum damaligen Zeitpunkt mit seiner "Haar-Affäre" - dem Medienspektakel, ob er seine Haare färbe oder nicht, was von ihm letztlich mittels einer Klage verneint wurde - sicherlich voll ausgelastet war, so daß ihm die vergleichsweise unwichtige Information, daß ein deutscher Staatsbürger von CIA-Beamten mit Unterstützung des BKA nach Syrien verschleppt wurde, möglicherweise entgangen sein könnte.

Im vergangenen Dezember war bereits bekanntgeworden, daß Zammar in Syrien auch von Beamten des BKA verhört wurde - auch hiervon will Schröder also nichts gewußt haben. Kurz darauf machte der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble öffentlich klar, wie er über durch Folter erlangte Informationen denkt. "Wenn wir sagen würden, Informationen, bei denen wir nicht sicher sein können, daß sie unter vollkommen rechtsstaatlichen Bedingungen zu erlangen waren, nutzen wir unter keinen Umständen - das wäre völlig unverantwortlich. Wir müssen solche Informationen nutzen", sagte er.

Am Donnerstag nun veröffentlichte der britische Guardian einen Artikel, der die tiefe Verwicklung der deutschen Bundesregierung unter Gerhard Schröder in die Folterpraxis der CIA belegt.

Der Geheimhaltung unterliegende Dokumente für den Deutschen Bundestag besagen demnach, daß CIA-Beamte Deutschland Zugang zu einen deutschen Staatsbürger, der in Marokko festgehalten wurde - ganz offensichtlich Zammar - angeboten hatten. Als Gegenleistung hierfür sollte Deutschland dem Druck der Europäischen Union auf Marokko wegen Menschenrechtsverletzungen - zu denen zweifelsohne auch die für die CIA erledigte Auftragsfolter gehört - entgegenwirken. Marokko sei ein „wertvoller Partner im Kampf gegen den Terrorismus“, so eines der Dokumente. Inwieweit von deutscher Seite auf diesen Handel eingegangen wurde ist letztlich nicht klar, die EU begann aber anschließend allgemein, Menschenrechtsverletzungen in Ländern, in denen die CIA Menschen gefangenhielt, herunterzuspielen.

Syrien seinerseits hatte für den Zugang zu Zammar das Fallenlassen der Anklage gegen mehrere syrische Geheimagenten, denen die Bedrohung syrischer Dissidenten in Deutschland vorgeworfen wurde, gefordert. Dies geschah denn auch, nach Darstellung der Behörden aber keinesfalls im Zusammenhang mit dem syrischen "Angebot". Trotzdem erhielten dann deutsche BKA-Beamte Zugang zu Zammar.

Von all dem hat Schröder eigener Aussage zufolge nichts gewußt.


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Faschistische Regime spielen immer mit einer bestimmten Art von Propaganda. Weil sie die Dummen als Kanonenfutter für ihre Ziele brauchen, müssen sie ihre Botschaften in der Form einfacher Worte und emotionalisierender Muster kleiden, damit die unteren Anteile des Gehirns direkt adressiert werden.
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matrix555

Beiträge: 356


New PostErstellt: 26.10.06, 13:24  Betreff: Re: BND - perfides Herrschaftsinstrument der jeweils Mächtigen  drucken  weiterempfehlen

Die deutsche Regierung wußte entgegen der eigenen Aussage 2 Wochen nach dem 11.9 von Folterungen der CIA in geheimen Gefängnissen in Europa. Damit wurde die deutsche Regierung einer klaren Lüge überführt.
Die jetzigen Bestrebungen den Verteidigungsausschuss zu einem Untersuchungsausschuss umzuformieren, ist der Versuch den Mörder zum Richter zu machen.

German ministers 'knew about CIA torture cells'

Tony Paterson / London Independent | October 25 2006

The German government is alleged to have received first-hand evidence that the CIA began torturing terrorist suspects at secret prisons in Europe shortly after the September 11 attacks, despite claiming it only knew about such sites through the media.

Stern magazine quoted a leaked German intelligence report yesterday which said that only weeks after September 11 2001, two agents and a translator visited a US military prison at the American "Eagle Base" in the Bosnian town of Tuzla, where they saw a torture victim.


weiter:

http://www.prisonplanet.com/articles/October2006/251006torture.htm


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[editiert: 26.10.06, 13:24 von matrix555]
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bjk

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New PostErstellt: 14.03.06, 11:10  Betreff:  BND - perfides Herrschaftsinstrument der jeweils Mächtigen  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2006/03-11/025.php



Alarm in Gehlens Klo

Wie der BND aus Wehrmacht und SS erstand, und was die ARD für uns daraus macht

Von Otto Köhler



Da es sich nun aber tatsächlich begeben soll, daß der Bundestag doch noch einen BND-Untersuchungsausschuß einsetzt, wie erfreulich war dieser Einfall der ARD: Sie begann am Montag damit, in zwei NDR-Dokumentationen den Bundesnachrichtendienst und seinen Gründer Reinhard Gehlen zu »beleuchten«. Bis in den allerletzten Winkel, NDR-Ankündigung: »Zum ersten Mal sind jetzt im Fernsehen Bild- und Tonmaterial aus dem Privatarchiv Gehlens zu sehen.« Das ist genau das, was wir in der gegenwärtigen Situation brauchen, um den Bundesnachrichtendienst und seine Aktivitäten gerecht zu beurteilen.


BND-Gründer Reinhard Gehlen 1945 als Leiter der Generalstabsabteilung Fremde Heere Ost
Foto: jW-Archiv


Der Film sagte es auch: »Zum ersten Mal sprechen Christoph und Dorothee Gehlen über ihr Leben an der Seite ihres legendären Vaters. Die Familie Gehlen hat exklusiv ihr Privatarchiv geöffnet, die vom Geheimdienstgeneral selbst gedrehten Superachtfilme zeigen sein bisher unbekanntes Privat- und Familienleben.«

Doch Gehlen war immer im Dienst. Sohn Christoph zeigt das häusliche Telefon, das auch am Sonntag läutete. Und da gibt es für die ARD noch so vieles aufzuklären. Das Erste macht nun endlich – erstmals – dem Zustand ein Ende, den Gehlens Tochter im Film beklagt: »Auch jetzt ist das so, daß viele Leute überhaupt nicht wissen, daß ich mit Reinhard Gehlen zu tun habe.«

Angesichts solch einmaliger Quellenlage konnte man getrost über die umfangreiche Literatur hinweggehen, die es von und zu Gehlen und seiner Organisation gibt. Über die Judenvernichtung im Osten, sagt Tochter Dorothee der ARD, also da hat er »relativ kaum etwas gewußt«. Aber: »Er hatte den Weitblick, Deutschland an das westliche Bündnis anzuschließen, und ich denke, er hat, in der Zeit, wo es auch wirklich so war, die Gefahr der kommunistischen Ideologie gesehen«, sagt die Tochter erstmals im Ersten, und das mag genügen.

Ja, doch der Handel den Hitlers Spionagegeneral, der Chef von Fremde Heere Ost, im Mai 1945 den USA vorschlug, er wurde nur knapp angetippt. Was er bedeutete, blieb ausgeblendet.


Ein Chef mit Augenmaß

Oberst Reinhard Gehlen war im April 1942 im Alter von vierzig Jahren zum Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost ernannt worden, die er schnell zu einem bedeutenden deutschen Spionagezentrum gegen die Sowjetunion ausbaute. Hitler beförderte Gehlen noch im Dezember 1944 zum Generalmajor. Gehlen wiederum lobte in seinem Memoirenband »Der Dienst« von 1971 das außenpolitische wie psychologische Gespür Hitlers in den ersten Jahren seiner Regierung und bezeichnete es als »treffsicher«, tadelte aber dessen fehlendes Augenmaß auf militärischem Gebiet dafür, ob »das Wünschenswerte auch zu verwirklichen war«. Gehlen zeigte Augenmaß. Als sich die deutsche Niederlage abzeichnete, wollte er weiterarbeiten. Er beschloß, »so aussichtslos und widersinnig dies im Frühjahr 1945 auch erschien, daß der Versuch gemacht werden müsse – wenn möglich ohne wesentliche Unterbrechung –, den Kern für einen neuen deutschen Nachrichtendienst zu schaffen.«

Und da er Wert legte auf »einen gewissen legalen Hintergrund für unsere Zukunftspläne«, holte er gleich nach Kriegsende, im Mai 1945, die Genehmigung des Hitlernachfolgers Karl Dönitz ein. Dönitz und sein Vorgänger Hitler allerdings wußten mutmaßlich nichts davon, daß Gehlen schon seit März 1945 das gesamte Geheimdienstmaterial über die Sowjetunion auf Mikrofilm kopieren, und auf einsamen Almwiesen in den Alpen vergraben ließ.

Zwei Tage vor Hitlers Tod, am 28. April 1945, erstieg General Gehlen selbst die Berge – nicht ohne Bedenken: »Der nüchterne und zweifelnde Verstand sagte mir, während ich mühsam meinen Weg suchte, daß unser Unterfangen eigentlich recht utopisch sei.«

Doch er war auf dem richtigen Weg: »Ich war schließlich wie erlöst, als der Wald aufhörte. Eine sanft ansteigende Schneelandschaft tat sich auf, in deren Mitte eine Hütte lag: die Elendsalm.«

Während Deutschland, während Europa – nicht ohne seine Mitwirkung – in Trümmern lag, frohlockte der deutsche General auf der Elendsalm, die nur so hieß: »Hier fand ich die Kameraden und Mitarbeiter ... versammelt, die mich freudig begrüßten: sechs Offiziere und drei Stabshelferinnen.«

Sie erlebten alle zusammen eine »Idylle« – wie der General später schriftlich bestätigte: »Diese Tage des Lebens in der freien Natur waren wirklich bezaubernd. Wir hatten uns daran gewöhnt, uns sehr ruhig zu verhalten; so schärften sich die Sinne für die Geräusche in der Natur«. Gehlen weiter: »Wenn nicht die Ungewißheit der Zukunft auf uns gelastet hätte, so wäre dieser Gebirgsaufenthalt ein schöner, vielfach anregender Urlaub gewesen, nicht zuletzt durch die Gespräche, die wir – in der Sonne sitzend – miteinander führten.«

Es war das Kräftesammeln vor neuen Taten:

»Wir genossen diese letzten Tage in der Freiheit ... intensiv; unsere besondere Freude waren Gemsen, die wir in diesem Gebiet auf Schritt und Tritt trafen und die alle Scheu vor uns verloren hatten.«

Doch dann stieg man hinab ins Tal. Der dreiwöchige Almurlaub zwischen dem Heißen alten und dem neuen Kalten Krieg, den der deutsche General kunstgerecht anzuheizen gedachte, war zu Ende.

Beinahe noch hätten unterwegs französische Soldaten den General und die Seinen gefaßt, die Utopie wäre gescheitert, es hätte nie eine Organisation Gehlen und damit auch keinen Bundesnachrichtendienst gegeben, der unser Land in den Stand einer Aufklärung versetzte – nachrichtendienstlich, doch da erreichten sie doch noch sicher die Linien der US-Army. Gewiß, auch dort war der Empfang zunächst kühl, die GIs kannten den bedeutenden General Reinhard Gehlen noch nicht. »Auf der einen Seite empfand ich eine Art von Galgenhumor, daß ich – immerhin Generalmajor in einer wesentlichen Stellung während des Krieges – mich nunmehr einem jungen amerikanischen Oberleutnant ausliefern mußte. Andererseits gab es kein Zurück.«


Neue Allianzen

Der Ortskommandant sprach kein Deutsch und Gehlen und seine Leute kein Englisch. Ein General und vier Generalstabsoffiziere – »welchen ›Fang‹ er gemacht hatte, konnten wir ihm nicht auseinandersetzen.«

Doch dann endlich stieß der Deutsche auf Captain John Boker, zwar nur Hauptmann, aber er, so Gehlen, »entsprach in seiner Haltung und in seinem Auftreten unseren deutschen Vorstellungen über den Offizier schlechthin«.

Und tatsächlich floß auch, wie der General später erfuhr, deutsches Blut in Bokers amerikanischen Adern.* Damit war die Nachkriegsordnung erreicht. Boker schleuste Gehlen weiter an die richtigen Stellen, der General wurde mit seinen Almgenossen in die USA geflogen. Und die Amerikaner rekrutierten den Spionagechef ihres Feindes zu Aufträgen gegen den eigenen Verbündeten, die UdSSR. Zu verlockend schien, was er zu bieten hatte: ein ganzes Netz von Spionen hinter den sowjetischen Grenzen und Zehntausende von Vernehmungsprotokollen sowjetischer Kriegsgefangener. Daß an Gehlens Papieren Blut klebte, daß die Kriegsgefangenen, die er hatte verhören lassen, gefoltert, ermordet oder dem Hungertod in den Lagern ausgeliefert worden waren, störte nicht.

In den USA einigte man sich in monatelangen Verhandlungen, und am 1. Juli 1946 kam Reinhard Gehlen zurück nach Deutschland. Die Organisation Gehlen – wie sie genannt wurde – nahm ihren Dienst auf, untergebracht in Pullach bei München in einem ehemaligen Ausbildungszentrum der SS.

Was dies für uns, für die USA, für die ganze Welt bedeutete, blieb im ARD-Film ungesagt; wo man – exklusiv – die schönen Amateurfilme aus dem Familienleben des Spionagegenerals vorzeigen konnte, läßt sich auf historische Hintergründe gut verzichten.

»Gehlen mußte sein Geld verdienen, indem er eine Bedrohung schuf, vor der wir Angst hatten, so daß wir ihm weiteres Geld gaben, damit er uns mehr darüber erzählte«. Das erklärte der ehemalige CIA-Chefauswerter Victor Marchetti 1984, und er fuhr fort: »Meiner Ansicht nach lieferte die Organisation Gehlen nichts, das zum Verständnis oder zur richtigen Einschätzung des politischen und militärischen Potentials in Osteuropa oder sonstwo beitrug. Statt dessen wurde jetzt behauptet, daß die Sowjets in der Lage wären, in Europa, im Nahen und im Fernen Osten gleichzeitig große Offensiven zu starten.«

Mit Gehlen zogen die USA in den Kalten Krieg. Arthur Macy Cox, Auswerter bei der CIA und im US-Außenministerium: »Die Organisation Gehlen war die einzige Gruppierung, die über Netze in Osteuropa verfügte, und deshalb haben wir sie angeheuert. Doch daß wir Gehlen angeworben haben, war der größte Fehler, den die USA je begangen haben. Unsere Verbündeten warfen uns vor: Ihr stellt Nazis auf der obersten Ebene eures Geheimdienstes ein, und sie hatten damit recht. Dadurch wurden die Vereinigten Staaten unglaubwürdig.«

Das störte nicht. »Er steht auf unserer Seite, und nur darauf kommt es an.« So stellte sich CIA-Chef Allen Dulles hinter Gehlen.

Und Park Armstrong, der Geheimdienstchef im Außenministerium, erkannte: »Die Beiträge unseres deutschen Verbündeten zu unserem Wissen über das sowjetische Militär waren zeitweise der Maßstab für unsere Anstrengungen.«

Der Selbsterhaltungseinfall hatte funktioniert. Und Gehlen mußte sogar den Betrieb ausweiten, seine alten Kameraden von Fremde Heere Ost, die ja alle hocherfahren im Umgang mit dem Kommunismus waren, reichten nicht mehr aus. Er brauchte noch mehr Fachleute.

Und diese neuen Mitarbeiter kamen aus dem Reichssicherheitshauptamt. Emil Augsburg, zuvor SS-Standartenführer und SS-Oberführer Franz Alfred Six, beide Leiter von mobilen Mordkommandos im Osten, widmeten sich jetzt bei Gehlen den Ostemigranten. Und sie brachten ihre alten Leute mit. Andere frühere SS-Größen waren auch dabei: Obersturmführer Hans Sommer, der sieben Pariser Synagogen hatte in Brand stecken lassen, Standartenführer Willy Krichbaum, oberster Gestapochef in Südosteuropa, Sturmbannführer Fritz Schmidt, Gestapochef von Kiel, sie alle fanden sich – natürlich im Gesamtinteresse des Westens – auf verantwortlichen Posten in der Organisation Gehlen wieder.

Und von da agierte er dann auch in aller Welt. In Südafrika unterstützte er das Regime der Apartheid, in Moçambique die Terroristen von Renamo. Und Saddam Hussein hatte seine Folterknechte beim BND ausbilden lassen, lange bevor der BND die Koordinaten des Bagdader Geheimdienstquartiers der US-Army übermittelte zwecks gefälliger Bombardierung. Für die Ausbildung sorgte ausgerechnet der spätere Bundesaußenminister Klaus Kinkel als zeitweiliger Präsident des BND.



Einfahrt zur BND-Zentrale in Pullach (50er Jahre)
Foto: jW-Archiv


Aus dem Privatleben

Der Anteil von erfahrenen Massenmördern an der Organisation Gehlen wäre übrigens im Verborgenen geblieben, wenn nicht Historiker in den USA Zugang zu den einschlägigen Akten gefunden hätten aufgrund des »Freedom of Information Act« – für uns ein Fremdwort. Während die Stasi-Akten im Osten frei zugänglich sind, haben wir im Westen nicht einmal die Möglichkeit, BND-Akten einzusehen, die die sonst übliche Sperrfrist von dreißig Jahren überschreiten.

Einmal schrammt der ARD-Film hart an die Wahrheit heran, als er dem kanadischen Historiker Timothy Naftali ein – allzu knappes – Statement erlaubte. Naftali konnte bisher als geheim eingestuftes CIA-Aktenmaterial einsehen. Die Akten zeigen, sagte er, daß »viele ehemalige Nazis für die von der CIA finanzierte Organisation arbeiteten.« Mindestens 100 Mitglieder der SS seien für Gehlen tätig gewesen.

Wer? Einfache Mitglieder? Höchstrangige Massenmörder? Der ARD-Film gibt keine Antwort, er hat an dieser Stelle Wichtigeres zu beschreiben, er fährt unmittelbar nach Naftali fort: »Obwohl einige US-Geheimdienstler davon wissen, lassen sie Gehlen gewähren. 1949 kauft er für sich und seine Familie am Starnberger See ein Haus und läßt eine Alarmanlage einbauen.« Der sachkundige Sohn klärt die ARD-Zuschauer auf: »Also hier diese Fenster außenrundherum waren alle mit Öffnungskontakten an die Alarmanlage angeschlossen. Probleme ergaben sich hier bei diesen kleinen Fenstern, weil hier eine Speisekammer war, die immer kalt sein sollte. Und hier war eine Toilette, wo nachts Blumen drin stehen, auch unbedingt kalt, und dafür wurden die Türen innen gesichert. Die Tür von der Speisekammer war natürlich ein besonderer Problem, wenn jemand nachts noch mal etwas aus dem Kühlschrank holte, ging natürlich die Alarmanlage los, alle schossen aus dem Bett, und es war wieder einmal Fehlalarm gewesen.«

Sagt Christoph Gehlen erstmals im Deutschen Fernsehen. Und dazu exklusiv für die ARD-Zuschauer im Deutschen Fernsehen: Vater Gehlen im gestreiften Morgenmantel durch den Garten hüpfend.

Der kurz zitierte kanadische Historiker Naftali hätte Namen nennen können von SS- und SD-Leuten, die in aller Welt im Dienst der Organisation Gehlen und dann des BND standen. Aber darauf verzichtete der ARD-Film zugunsten der von Gehlens Kindern bereitwillig zur Verfügung gestellten Amateurfilme aus dem Privatleben des BND-Gründers, aus Vaters Klo und Speisekammer.

Vor einiger Zeit standen Esther Schapira und Georg M. Hafner von der ARD in Frankfurt vor sorgfältig abgedichteten Archiven in Pullach. Sie waren Alois Brunner auf der Spur, dem ehemaligen SS-Sturmbannführer und Stellvertreter von Adolf Eichmann.

Gehlen hatte den bewährten Massenmörder, der auch ungezählte Kinder in den Tod schickte, unter dem Decknamen Georg Fischer als Residenten in Damaskus in seinen Dienst genommen. Wie so viele Tötungsspezialisten aus der SS, deren klarer Antisemitismus der Organisation Gehlen im Nahen Osten Tür und Tor öffnete. Brunner hat in Syrien auch Folterspezialisten ausgebildet zum Nutzen Deutschlands und des BND. Jetzt konnte unser demokratisch kontrollierter Bundesnachrichtendienst die Früchte aus Brunners Saat ernten. Der syrische Geheimdienst stellte Folteropfer bereit, damit sie von eigens eingeflogenen BND-Beamten verhört werden konnten. Aber Brunners Akten beim BND sind nicht aus Rosenholz, sie blieben der ARD fest verschlossen. Denn die SS war die Vorschule der Organisation Gehlen. Und die wurde die Vorschule des BND.


Nützliche Scharfmacher

Am 5. März 1948 telegrafierte der Militärgouverneur Lucius D. Clay nach Washington: »In den letzten Wochen habe ich eine unmerkliche Veränderung der sowjetischen Haltung gespürt, die mir jetzt das Gefühl gibt, daß der Krieg mit dramatischer Plötzlichkeit ausbrechen könnte.« Das Gefühl stammte von Hitlers General. Gehlen behauptete, daß 175 voll ausgerüstete Divisionen der Roten Armee in der Sowjetzone ungeduldig darauf warteten, bis zum Atlantik vorzustoßen.

Geheimdienstforscher Christopher Simpson, dessen grundlegende Studie aus US-Aktenmaterial »Der amerikanische Bumerang – NS-Kriegsverbrecher im Sold der USA« 1988 gleich nach ihrem Erscheinen in den USA nicht in der westdeutschen Bundesrepublik, wohl aber im österreichischen Ueberreuter Verlag erschien, vermerkt in seinem umfangreichen Gehlen-Kapitel: »Die früheren Einschätzungen der US Army bezüglich der Transport- und Nachschubprobleme der Roten Armee verschwanden aus den geheimen Beurteilungen des sowjetischen Potentials. Statt dessen wurde jetzt behauptet, daß die Sowjets in der Lage wären, in Europa, im Nahen und im fernen Osten gleichzeitig große Offensiven zu starten.«

Gehlens Zahlen waren falsch, aber sie waren nützlich. Nützlich für die Kräfte in den USA, die auf Kalten Krieg und eine Veränderung der Fronten setzten. Und nützlich für Gehlen selbst: er machte sich und seine Organisation unentbehrlich. Die Berichte des eigenen Geheimdienstes der US-Army waren plötzlich bedeutungslos. Keiner fragte mehr, warum die Sowjets ein Drittel des ostdeutschen Schienennetzes, darunter strategisch wichtige Strecken, demontiert hatten, wenn sie doch einen Blitzkrieg gegen den Westen planten.


Kaffeeplausch mit Frey

Jetzt machte der von Gehlen gegründete Bundesnachrichtendienst aus Deutschland, dessen Regierung sich im Wahlkampf 2002 eindeutig zum Frieden bekannte, einen heimlichen Kombattanten der USA im Krieg gegen Irak. Damals trieb Gehlen mit seiner frisch von den Nazis übergewechselten Organisation durch seine Erfindung von 175 Sowjet-Divisionen, die zum Angriff bereitstünden, die USA tief in den Kalten Krieg. Das muß heute wissen, wer ergründen will, woher der Bundesnachrichtendienst kommt und wohin er uns mit seiner anscheinend geduldeten, wenn nicht geförderten Sabotage der offiziellen Friedenspolitik treiben kann.

Doch der ARD-Film vom Montag wußte Wichtigeres.

»Am Ende seines Lebens hat er einen zufriedenen Eindruck gemacht«, sagt die Tochter des Hitler-Generals – zum ersten Mal exklusiv in der ARD.

»Er hat uns viele Werte einfach vorgelebt, vorgelebt das ist besonders wichtig, weil sagen kann man viel, aber vorleben, daran kann man sich orientieren«, sagt der Sohn – zum ersten Mal exklusiv in der ARD.

Als Gehlen 1979 gestorben war, veröffentlichte die rechtsextremistische Deutsche Nationalzeitung nun ihrerseits exklusiv und zum ersten Mal einen Briefwechsel unter Freunden: Reinhard Gehlen schrieb Gerhard Frey, dem Führer der neonazistischen DVU, der Deutschen Volksunion:

»Ihr Artikel über die gegen mich laufenden Angriffe hat gut getan.« Gehlen versprach: »Ich werde mich, sobald es geht, wieder melden.« Gehlen berichtete: »Wir haben diesen Geburtstag ... gemütlich im kleinen Familienkreis gefeiert, im Beisein von sieben unserer neun Enkel.« Und endete: »Mit herzlichen Grüßen und Empfehlungen an Ihre Frau, auch von der meinigen, Ihr Reinhard Gehlen.«

Das allerdings fehlt dem Exklusivfilm der ARD, der so vieles zum ersten Mal anzubieten vermag. Gab es keine Privataufnahmen vom gemütlichen Kaffeeplausch zwischen dem Neonaziführer und dem Chef des Bundesnachrichtendienstes samt Familien?

Nach Gehlens Tod, behaupten die Autoren des ARD-Filmes, hätte sich der BND geändert, von einem – wie sie formulieren – »patriarchalisch geführten zu einem demokratisch kontrollierten« Nachrichtendienst.

Doch der BND hat, wie schon sein pensionierter Patriarch 1975 in einem Rundfunkinterview verriet, zu viele Journalisten und Redaktionsleiter in der Tasche, Gehlen: »Es sind viele Journalisten interessiert worden für den BND, um public relations zu machen und falsche Vorstellungen zu beseitigen…«

* The Gehlen Memoirs. London 1972 (erweiterte Übersetzung von Gehlen 71) S. 20



Mensch bleiben muß der Mensch ...
von Tegtmeier


[editiert: 08.08.11, 12:22 von bjk]
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