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Hartz-Kommission, Rürup-Kommission, Agenda 2010 - und nun?

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 22.06.03, 16:30  Betreff: Eismann ist wohl vielen ein Begriff für ... ... ...  drucken  weiterempfehlen

>> "... für gelebte tatsächliche Scheinselbstständigkeit." <<


Nun, Eismann hat in 2000 das Problem "elegant" gelöst, indem das Unternehmen nach einem verlorenen Prozeß alle Franchiseverträge in Handelsvertreterverträge zwangsumgewandelt hat. Wer das nicht wollte, konnte auch als fest angestellter Arbeitnehmer, so die damals offizielle Sprachregelung, übernommen werden,
- - - konnte - wie gesagt aber ... ... ...

Die Bedingungen der Eismänner und Eisfrauen vorher und nachher waren, sagen wir mal, ziemlich hart, so hart jedenfalls, daß nicht nur wegen angeblicher Expansion händeringend "ausliefernde Handelsvertreter" mit extrem hohen Kopfprämien zugunsten des Werbers für jeden abgeschlossenen und erfüllten Vertrag gelockt wurde. Der Administrator hat selber davon profitiert!

Übrigens auch in Sachen Bofrost ist bzw. war der Administrator lange Jahre vollintegrierter Insider!

Und wenn mir mal danach ist, werde ich zum Thema Heimdienste einen Spezialthread eröffnen. Denn die Geschäftsgebaren dort stinken zum Teil gen Himmel, nur ist dieser Gestank so ventiliert, daß die Außenwelt davon kaum etwas mitbekommt.

Gruß
bjk
der vielleicht doch mal seine Memoiren veröffentlichen sollte
denn Stinkefinger zeigen, kann ich auch, ha ha ha

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[editiert: 22.06.03, 16:46 von bjk]
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Jessi Ka

Ort: Augsburg

New PostErstellt: 22.06.03, 16:07  Betreff: Re: Hartz-Kommission, Rürup-Kommission, Agenda 2010 - und nun?  drucken  weiterempfehlen

Die Frage der Scheinselbstständigkeit wurde ja Mitte der 90er Jahre akut, als die Rentenbeiträge drückend wurden, viele Betriebe outsorcten auf Teufel komm raus und Nobby die Kohle in der Rentenkasse fehlte.

Gegen die Selbstständigkeit an sich spricht ja auch nichts, wenn die Bedingungen stimmen und faire Konditionen dahinter stehen. So gibt es auch viele positive Beispiele von outsorcing und Management buy out. Krass waren viele Fälle besonders im Speditionsgewerbe, und im Außendienst. Eismann ist wohl vielen ein Begriff für gelebte tatsächliche Scheinselbstständigkeit.

Wie toll der Effekt der Ich-AG tatsächlich ist, wird wohl vorerst im Dunklen bleiben. Bei vielen Neuselbstständigen dürfte auch der Mitnahmeeffekt eine große Rolle gespielt haben.

Das Beispiel von Kalle hatten wir woanders schon diskutiert, können wir ja nochmal nachlesen, wenn das Demoforum wieder offen ist.

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 22.06.03, 15:04  Betreff: Re: Hartz-Kommission, Rürup-Kommission, Agenda 2010 - und nun?  drucken  weiterempfehlen

Hallo Nörgler,

da sind wir mal wieder auf einer Linie! Ich wollte auch beileibe nicht die jetzige Bundesregierung alleinverantwortlich machen, es waren auch in "grauer Vorzeit" oft Politiker am unseligen Werk, die aus selbstsüchtigen Gründen und um vor allem um gewählt zu werden, die paritätische Sozialidee verwässert und die Sozialkassen zweckentfremdend ausgeplündert haben! Man denke nur an die Wiedervereinigungskosten, die fast nur aus dem Sozialtopf bezahlt wurden!!!

Fast alle der damaligen Politiker haben das mittlerweile wenigstens insgeheim auch eingesehen und manche sogar öffentlich eingestanden

Gruß
bjk

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Nörgler

Ort: Saarland

New PostErstellt: 22.06.03, 14:50  Betreff: Re: Hartz-Kommission, Rürup-Kommission, Agenda 2010 - und nun?  drucken  weiterempfehlen

Genau diese Art der Selbständigkeit war doch der Grund für die Gesetzesänderungen zu Beginn der rot-grünen Koalition. Man wollte diese Art der "Selbständigkeit" unterbinden.

Aber typisch deutsch, unsere unfähigen Politiker haben 1988 das Kind mit dem Bad ausgeschüttet, so dass auch wirklich Selbständige betroffen waren, und das werden sie auch wohl jetzt wieder schaffen.

Es werden eben keine vernünftigen Gesetze mehr gemacht sondern es werden Gesetze zusammengeschustert und im Bundesrat dann noch verschlimmbessert und am Ende wundern sich die Politiker, was für blödsinnige Gesetze sie verabschiedet haben.

Dies begann übrigens schon in der Zeit von Kohl, wenn ich mich an das STASI-Unterlagengesetz erinnere und sein Erstaunen, dass er auch davon betroffen war.

Nörgler

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 21.06.03, 17:01  Betreff: Die Geschichte von Kalle, dem Lastwagenfahrer  drucken  weiterempfehlen

durfte mit ausdrücklicher Genehmigung des Betreibers des

www.forum-schuldnerberatung.de

Herrn Thomas Seethaler, hier veröffentlicht werden.

Es bedankt sich sehr herzlich

bjk

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 21.06.03, 07:59  Betreff: Bevor es die Ich-AG gab  drucken  weiterempfehlen

Die angeblich neue Erfindung der Ich-AG wird schon in abgewandelter Form im Grunde seit Jahren propagiert. Mitarbeiter, vorwiegend über 50jährige, wurden entlassen, bekamen aber eine vermeintliche Chance, ihre Arbeitskraft und Berufserfahrung in eine neue "Herausforderung" einzubringen. Mangels Alternativen nahmen sehr viele dieser Betroffenen vor allem in den neuen Bundesländern diese erpreßte Herausforderung an und die meisten landeten schon nach kurzer Zeit in der aussichtslosen Schuldenfalle. Über 22.000 Insolvenzen allein in den neuen Bundesländern sprechen eine traurige Sprache. Fleißig, strebsam, mutig und unternehmungslustig und mobil waren sicher die allermeisten. Alles Eigenschaften, die ja stets als Tugenden im Berufsleben gepriesen werden. Und leichtfertig ist auch sicher niemand in die fast zwangsläufig nachfolgende soziale Armut abgeglitten, höchstens blauäugig gegenüber den staatlichen Zureden und "Förderungen" und unerfahren denen gegenüber, von denen sie in aller Regel über den Tisch gezogen wurden.

Folgende nachdenklich machende Geschichte, die sich so oder ähnlich überall zugetragen haben kann, habe ich entnommen aus:

www.forum-schuldnerberatung.de

...........................................................................................................

Existenzvernichtung durch "Existenzgründung"
Oder Kalle macht sich selbstständig

Die Firma Tran-S-Port GmbH & Co KG* hat ihre soziale Ader entdeckt. In einer Pressemeldung teilt die Firmenleitung mit, sie wolle mehreren hundert Menschen die Existenzgründung ermöglichen. Man habe deshalb ein millionenschweres Förderprogramm aufgelegt. Davon sollen Existenzgründern zinsgünstige Darlehen gewährt werden, um ihnen den Start in die Selbstständigkeit zu erleichtern. Die Firma wird gefeiert. Erhält Lob von allen Seiten. Prima!

Existenzgründung? Hatten diese Menschen bisher nicht existiert? Hatten sie keine Existenz? Nun Ja. Sie arbeiteten bei der Firma Tran-S-Port. Als Arbeiter.

Nehmen wir z.B. Kalle. Kalle arbeitete knapp 40 Stunden die Woche und hatte ein Brutto-Einkommen von rund DM 5000,--. Seine Familie, Ehefrau und zwei kleine Kinder, konnten davon zwar keine großen Sprünge machen aber sie konnten leben. Einmal im Jahr fuhr die Familie in Urlaub, wenn Kalle krank wurde, bekam er Lohnfortzahlung oder Krankengeld, musste eines der Kinder zum Arzt, bezahlte die Krankenkasse die Kosten. Wenn er 65 würde, hätte er Anspruch auf eine Rente, würde er arbeitslos, bekäme er Arbeitslosengeld. So weit so schön.

Vor kurzem wurde ihm, wie vielen anderen seiner Kollegen, gekündigt. Aber, wie gesagt, die Firma hat ja eine soziale Ader. Sie macht Kalle – wie auch einigen anderen der Gekündigten (freilich nicht allen) – ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann. Er soll aus dem Millionenfonds der Firma zur Existenzgründungsförderung ein zinsgünstiges Darlehen von DM 50.000,-- bekommen, um sich selbstständig machen zu können. Als Transportunternehmer.

Kalle macht sich selbstständig

Kalle freut sich. Er findet das prima. Er wird Selbstständiger. Davon hat er immer geträumt. Denn selbstständig sein ist in unserer Gesellschaft ein Wert an sich. Kalle unterschreibt. Er bekommt von seinem früheren Arbeitgeber ein Darlehen von DM 50.000,-- zu 7.5% Zinsen. Das erste Jahr ist tilgungsfrei. Nun hat Kalle also ein tolles Startkapital. Davon kann er sich einen LKW kaufen. Den und weitere Geräte, die er dringend braucht, kann er bei Tran-S-Port kaufen. Die haben jetzt eine Menge LKW ungenutzt rumstehen. Die Fahrer wurden ja entlassen. Diese Betriebsausstattung kostet rund DM 50000,--. Tran-S-Port gibt ihm ein Gebiet, das er künftig zu bedienen hat. Das ist etwas größer als das, was er bisher als angestellter Fahrer zu bedienen hatte. Naja in 40 Stunden wird er das wohl nicht schaffen, 50 wird er dafür schon brauchen. Aber was soll‘s, dafür ist er ja selbstständig. Und welcher Selbstständige hat schon eine 40-Stunden-Woche. Er muss jetzt unternehmerisch denken, hat sein Chef – Pardon: Auftraggeber – gesagt. Er versucht es. Er ist jetzt sein eigener Chef, arbeitet für sich selbst. Was er bekommt, gehört ihm. Und er bekommt jetzt mehr als früher. Immerhin DM 6000,-- bis DM 8000,-- kann er im Monat "verdienen". Und das bekommt er wirklich auf die Kralle, denkt Kalle.

Naja, den Kredit muss er halt abzahlen, aber dafür gehört der LKW dann allein ihm, und den Sprit und die Steuer und die Versicherung, und eine private Krankenversicherung für die Familie, und die Altersversorgung, und abends noch Buchhaltung machen? Das ist zuviel, das kann Kalle auch gar nicht. Als Selbstständiger braucht man einen Steuerberater, ist ja klar. Naja der macht das auch nicht umsonst. DM 500,-- will der monatlich, dazu nochmal DM 3000,-- pro Jahr für den Jahresabschluss.

Kalle freut sich. Er ist am Ziel seiner Wünsche, denkt Kalle. Er hat es geschafft und legt los.

Sein Chef – Pardon: sein Auftraggeber – freut sich auch. Er hat bisher DM 5000,-- an Kalle bezahlt, auch wenn der in Urlaub oder krank war, dazu Weihnachts- und Urlaubsgeld, Lohnfortzahlung und rund DM 1000,-- Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherung. Außerdem spart er jetzt die Kosten für den LKW. An Kalle zahlt er jetzt DM 6000,-- bis DM 8000,--. Dafür leistet Kalle jetzt rund 25% mehr als früher, macht kein Urlaub mehr, meldet sich nicht mehr krank und die Kosten für den LKW trägt Kalle auch selber.

Im ersten Jahr läuft alles ganz gut. Kalle hat eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Die kostet rund DM 800,--. Wegen der Kinder. Tagegeld ist da nicht drin. Das geht jetzt noch nicht. Der Abschluss einer Rentenversicherung muss auch noch warten. Kalle ist ja erst 30, da hat er ja noch Zeit für die Alterversorgung, denkt Kalle.

Kalle denkt unternehmerisch

Arbeitslosenversicherung braucht er ja auch nicht. Als Selbstständiger kann man nicht arbeitslos werden. Er ist sein eigener Chef, da kann ihm niemand kündigen, denkt Kalle. Naja Urlaub war dieses Jahr auch nicht drin. Er hätte ja dann nichts verdient in dieser Zeit. Außerdem hat ihm sein Chef – Pardon: Auftraggeber – gesagt, dass er dann selbst einen Vertreter besorgen müsse. Den hätte Kalle ja dann auch selbst bezahlen müssen. Die Kosten wären freilich weiter angefallen. Steuer und Versicherung für den Laster, Krankenkasse, Steuerberater usw. Aber die Familie hatte ihre Existenz. Naja, das Konto war überzogen, aber Kalle war selbstständig.

Ab dem zweiten Jahr wurde es etwas schwieriger. Jetzt musste Kalle ja rund DM 1000,-- für den Kredit abzahlen. Zins und Tilgung. Naja da muss man durch, denkt Kalle, dafür gehört der Laster dann aber mir und ich bin selbstständig, denkt Kalle.

Die Ehefrau geht jetzt stundenweise putzen. Mehr geht nicht, wegen der Kinder. Das Girokonto ist noch mehr überzogen. Bei der Bank hat Kalle noch einmal DM 50.000,-- aufgenommen. Als Überbrückung. Auch im zweiten Jahr ist kein Urlaub drin. Er würde seine Tour verlieren, wenn er nicht selbst einen Vertreter einstellt. Ist ja klar, sein Chef – Pardon: Auftraggeber – muss ja die Kunden weiter bedienen. Die Pakete können ja nicht drei Wochen lang im Lager rumstehen. Also Augen zu und durch, denkt Kalle.

Kalle hat Schulden

Am Anfang des dritten Jahres meldet sich das Finanzamt. Kalle hat die Umsatzsteuer noch nicht bezahlt. Der Steuerberater will auch Geld sehen. Sonst macht er den Jahresabschluss nicht und rückt auch die Belege nicht raus, die ihm Kalle zum Verbuchen gegeben hat. Das darf er, wenn die Rechnung nicht bezahlt wird. Kalle kann nicht bezahlen. Die Steuererklärung wird nicht gemacht, das Finanzamt macht eine Schätzung. Rund DM 50.000,-- wollen die haben für die ersten zwei Jahre seiner Selbstständigkeit. Kalle hat kein Geld. Er muss die Familie ernähren, Miete bezahlen, den Sprit, Versicherung und Steuer für den LKW, das ist wichtig, sonst kann er nicht mehr fahren.

Kalle wird krank.

Er muss für zwei Wochen ins Krankenhaus. Kein Problem, er hat ja eine private Krankenversicherung. Die übernimmt die Kosten für die Krankenhausbehandlung. Aber Tagegeld hat er nicht. Die Familie ist ohne Einkommen.

Er müsste jetzt eigentlich eine Vertretung einstellen, die Kosten für den Laster, Miete, Strom usw. bezahlen. Ohne ausreichendes Tagegeld ist das nicht möglich. Sein Chef – Pardon: Auftraggeber – muss einen anderen Transportunternehmer beauftragen. Als Kalle aus dem Krankenhaus kommt, bekommt er eine kleinere Tour. Die schafft er in 30 Stunden in der Woche. Seine Tour hat nun ein anderer. Er bekommt jetzt nur noch rund DM 4000,-- im Monat. Die Kosten sind freilich die gleichen. Seine Schulden steigen. Jeden Monat. Es wird immer offensichtlicher, dass das Geld nicht reicht.

Mahnbescheide, Vollstreckungsbescheide kommen. Der Vermieter droht mit Kündigung, weil die Miete nicht bezahlt wurde. Ein Gläubiger lädt ihn zur eidesstattlichen Versicherung. Dort muss er seinen Auftraggeber angeben. Der Gläubiger macht eine Forderungspfändung.

"Das geht nicht", sagt ihm sein Chef – Pardon Auftraggeber – "Pfändungen können wir hier nicht brauchen. Ich kann Ihnen keine Aufträge mehr geben."

Jetzt sitzt Kalle da. In der Schuldnerberatung. Nach drei Jahren Selbstständigkeit hat er rund DM 250.000,-- Schulden. Er bekommt jetzt Sozialhilfe. Der LKW war sicherungsübereignet an seinen Chef – Pardon: Auftraggeber. Dort hat er nach der Verwertung des LKW noch rund DM 20000,-- zu zahlen.

Scheinselbstständigkeiten bekämpfen!

Diese Geschichte ist nicht erfunden. In den letzten Jahren haben immer mehr Unternehmen so gearbeitet, wie hier beschrieben. Eine große Zahl der "Existenzgründungen" der letzten Jahre waren in Wirklichkeit Scheinselbstständigkeiten. Kein Wunder, dass die Wirtschaftsverbände Sturm laufen gegen das am 1.1.99 in Kraft getretene "Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit". Der Wunsch vieler Menschen, sich selbstständig zu machen, wird skrupellos ausgenutzt um Kosten zu sparen und den "Share-Holder-Value" (früher sagte man Profit) zu steigern. Diese Menschen werden jetzt von den Wirtschaftsverbänden instrumentalisiert um gegen das neue Gesetz zu polemisieren. Es ist richtig, der Weg in die "Selbstständigkeit" die "Existenzgründung" wird für viele schwerer. Doch das liegt durchaus im öffentlichen Interesse. Denn der volkswirtschaftliche Schaden der durch diese Art der Existenzvernichtung angerichtet wird, ist überhaupt nicht zu beziffern. Allein der Ausfall, den die Sozialversicherungsträger haben, geht in die Milliarden. Was wäre gewesen, wenn Kalle bis zum Rentenalter durchgehalten hätte? Er hatte keine Rentenversicherung. Die Stadt, das Sozialamt, hätte ihn dann unterhalten müssen. Privatisierung der Gewinne, Vergesellschaftung der Kosten. StaMoKap lässt grüßen.

* Alle Namen sind frei erfunden. Die Geschichte dagegen beruht auf wahren Begebenheiten. Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Firmen, Personen und Ereignissen sind weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.

Ein kleines Rechenbeispiel:

Vor seiner "Existenzgründung" hatte Kalle ein Nettoeinkommen von knapp DM 40.000,-- pro Jahr (inkl. Weihnachts- und Urlaubsgeld). Dafür musste er knapp 11 Monate arbeiten (nach Abzug des Urlaubs), rund 40 Stunden pro Woche.

Als "Selbstständiger" hatte er Einnahmen von rund DM 84000,-- pro Jahr

Kosten:

Krankenversicherung (ohne Tagegeld) 9600,--
LKW (mit Zins und Tilgung) 30000,--
Steuerberater 9000,--
Sonstige Kosten 5000,--
Steuern 2000,-

Summe: 55600,--

Somit verbleiben ihm als Jahreseinkommen nach seiner "Existenzgründung" noch knapp DM 18000,--. Also monatlich weniger als DM 1500,--, wenn er 12 Monate rund 50 Stunden pro Woche voll arbeitet. Jeder Tag Urlaub und jeder Tag Krankheit verringert dieses Einkommen weiter. Von diesem Einkommen wäre eigentlich auch noch eine Tagegeldversicherung zu zahlen, die so hoch ist, dass er bei Krankheit den eigenen Unterhalt, die Kosten der Firma bestreiten und zusätzlich eine Aushilfskraft bezahlen kann, die seine Vertretung übernimmt. Außerdem müsste er davon auch noch eine Altersversorgung finanzieren.

...........................................................................................................


Die Ich-AG von heute hat etwas bessere Voraussetzungen, als sie Kalle stellvertretend für viele hatte. Eine davon ist die deutlich vereinfachte Buchführung - allerdings nur bis zu einer Höchstumsatzgrenze. Und Kalle würde auch heute ohne Steuerberater nicht auskommen.

Euer bjk


Nachtrag: die vorgesehene vereinfachte Buchführung ist vom Bundesrat abgeschmettert worden, jetzt wird die Gesetzesvorlage im Vermittlungsausschuß behandelt. - Übrigens sollte Kalles Geschichte nicht nur hier und im www.forum-schuldnerberatung.de zu lesen sein sondern auch in allen Arbeitsämtern, IHK-Stellen und sonstigen Ämtern, welche potentielle Existenzgründer zwecks Gewerbeerlaubnis etc. aufsuchen müssen. Nicht zur Abschreckung aber zur Vorsicht!




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[editiert: 21.06.03, 09:14 von bjk]
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Jessi Ka

Ort: Augsburg

New PostErstellt: 20.06.03, 19:25  Betreff: Re: Hartz-Kommission, Rürup-Kommission, Agenda 2010 - und nun?  drucken  weiterempfehlen

    Zitat:
    Welche und wieviele Arbeitsplätze haben denn all die bisherigen sozialen Einschnitte gebracht und wo und in welcher Größenordnung sollen diese denn noch entstehen?
Genau das frage ich mich auch schon seit einiger Zeit. Sosehr mir auch der Reformdrang bewußt ist, zuviel Verkrustung hat sich im Laufe der Jahre und Regierungen gebildet und der beste Zeitpunkt, ALLES kritisch zu hinterfragen und notfalls auch zu ändern, die Wende und Einheit nämlich, wurde leichtfertig verpasst.

Für die Wirtschaft mag es gut sein, wenn die Arbeitszeit verlängert wird, Arbeitsplätze werden damit ganz gewiß nicht geschaffen. Wer davon, und zwar sehr einseitig, profitiert ist auch klar.

Tarifauseinandersetzungen der letzten Jahre waren immer geprägt von Lohnzurückhaltung zugunsten von Arbeitsplätzen. Diese wurden nicht geschaffen, aber der Ruf nach Lohnzurückhaltung ist lauter denn je.

Wenn ich den Weg zur Lösung wüsste, ich hätte eine goldene Nase. Ärgerlich ist jedoch, dass andere goldene Nasen bekommen, den Weg aber genausowenig kennen, wie ich.

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 20.06.03, 15:33  Betreff: Hartz-Kommission, Rürup-Kommission, Agenda 2010 - und nun?  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Die Bundesrepublik Deutschland, eine der reichsten Nationen der Welt, muß den Gürtel enger schnallen - - - sagen uns unsere Politiker aller Couleur.

Sie wollen/müssen reformieren und meinen in Wahrheit nur kürzen! Ob punktuell, ob mit dem Rasenmäher, in jedem Fall ist die bisher praktizierte Methode ein Armutszeugnis der jetzigen Politikergeneration! Vor allem von RotGrün, die eine Kommission nach der anderen als Feigenblatt vorschieben, bloß um dem Souverän, nämlich uns, Sand in die Augen zu streuen und die eigene Konzeptions- und Prinzipienlosigkeit möglichst verbergen zu können. Politiker, die gewählt wurden, Probleme zu lösen, sind hierzu möglicherweise unfähig, in jedem Fall aber zu bequem oder gar zu lobbyistisch verbandelt, und lassen teure, meist realitätsferne Eggheads noch teurere "Gutachten" erstellen, anstatt den eigenen hochqualifizierten und spitzenmäßig bezahlten Staatsapparat diese Arbeit, für die sie eigentlich da sind, tun zu lassen!

Heraus kommen in der Regel typische Egghead-Gutachten, die vor allem der eigenen Lobby bzw. ihrem elitären Dunstkreis oft sogar ziemlich unverblümt ein politisches oder wenigstens volkswirtschaftliches Muß der weitestgehenden Besitzstandswahrung attestieren. - Zu Lasten der großen Masse der weniger Elitären, vor allem bis hin zu den Ärmsten der Gesellschaft. Richtig losgetreten hat dies der Bundeskanzler, Gerhard Schröder, mit seiner unsäglich polemisch Plattitüde: "niemand habe ein Recht auf Faulheit"! Damit hat er die Arbeitsplatzbesitzer gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger aufgehetzt und verantwortungslos eine schlimme Neidkampagne ausgerechnet zwischen denen, die eh nichts oder nicht viel haben, in Gang gebracht.

Das hochgejubelte Hartz-Konzept ist ein Flop, niemand redet mehr darüber, Rürup und die anschließende Agenda 2010 verschärft in noch nicht absehbaren Maße die soziale Schieflage einseitig zu Lasten der Opfer der Wirtschaftskrise. Die anstehende Gesundheitsreform wird zum Marterkatalog der eh schon gebeutelten, der vielen Millionen sozial Schwachen. Den Rentnern stehen nach einem arbeitsreichen Leben noch schlimme Zeiten bevor. Und die Vermögen der jetzt schon Vermögenden wachsen und wachsen!

Alle diese "Reformen" sollen ja letztendlich angeblich das Ziel haben, Arbeitsplätze zu schaffen und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Die Volkswirtschaft, das Volksvermögen soll dadurch wieder in Ordnung kommen, - fragt sich nur, auf welcher Seite und auf wessen Kosten. Sogar Seehofer von der CSU, der gewiß sozialismusunverdächtig ist, räsoniert schon gegen die "Privatisierungsorgie" zu Lasten der sozial Schwachen.

Hat nicht Sommer vom DGB recht, wenn er sagt, daß nur die Opfer der Krise bestraft werden und nicht die Verursacher? - Welche und wieviele Arbeitsplätze haben denn all die bisherigen sozialen Einschnitte, gebracht und wo und in welcher Größenordnung sollen diese denn noch entstehen?

Ich denke, Seehofer und Sommer, so unterschiedlicher Couleur sie auch sind, haben's auf den Punkt gebracht, - es wird einfach die falsche Politik gemacht!

Was denkt ihr,
fragt bjk



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[editiert: 20.06.03, 15:42 von bjk]
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