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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 04.02.05, 13:29     Betreff: Re: Nächste Bedrohung für den Arbeitsmarkt: Bolkesteinrichtlinie




Mit der Abrissbirne durch Europa

Quelle: Auszug aus dem Dokument: Auf dem Weg zur Sonderwirtschaftszone BLUE 21 Arbeitspapier
http://www.blue21.de/Fritz-vs-Bolkestein.pdf

Mit dem im Januar 2004 veröffentlichten Entwurf für eine Dienstleistungsrichtlinie unternimmt die Europäische Kommission den bisher radikalsten und umfassendsten Angriff auf die Sozialsysteme der EU-Staaten. 1 Der Vorschlag stammt aus dem Haus des Binnenmarkt-Kommissars Frits Bolkestein und gilt grundsätzlich für sämtliche Dienstleistungen. Ausgenommen sind nur jene Leistungen, die der „Staat direkt und unentgeltlich aufgrund seiner sozialen, kulturellen, bildungspolitischen oder rechtlichen Verpflichtungen“ erbringt.2 Da jedoch für zahlreiche öffentliche Aufgaben Gebühren oder Entgelte erhoben werden, betrifft die Richtlinie nicht nur alle kommerziellen Dienste, sondern auch weite Bereiche der Daseinsvorsorge. Ihren Deregulierungszweck verfolgt die Richtlinie mit einem Mix aus schrittweiser Beseitigung staatlicher Auflagen sowie dem systematischen Unterlaufen nationalen Rechts durch das sogenannte „Herkunftslandprinzip“. Danach unterliegen Dienstleistungsunternehmen in der EU nur noch den Anforderungen ihres Herkunftslands. Auflagen und Kontrollen des Tätigkeitslands würden gänzlich untersagt. Selbst die obligatorische Registrierung einer Geschäftsaufnahme will die Kommission verbieten. Damit setzt das Herkunftslandprinzip eine effektive Wirtschaftsaufsicht in der Europäischen Union faktisch außer Kraft. Künftig könnte sich jedes Unternehmen durch Sitzverlagerung oder die simple Gründung einer Briefkasten-Firma im EU-Ausland lästiger inländischer Auflagen entledigen. Örtliche Tarifverträge, Qualifikationsanforderungen, Standards beim Arbeits-, Umwelt- oder Verbraucherschutz könnten auf einfache und billige Weise unterlaufen werden.

Als Krönung ihres Richtlinienentwurfs stellt die EU-Kommission die Mitgliedstaaten unter Zwangsverwaltung. Diese müssen nicht nur zahlreiche Anforderungen beseitigen, sondern dürfen neue Vorschriften nur noch mit Zustimmung der Eurokraten erlassen. Schon im Entwurfsstadium sind geplante Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Brüssel vorzulegen: „Binnen drei Monaten nach der Mitteilung prüft die Kommission die Vereinbarkeit dieser neuen Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht und entscheidet gegebenenfalls, den betroffenen Mitgliedstaat aufzufordern, diese nicht zu erlassen oder zu beseitigen“ (Europäische Kommission 2004: 60). Die in der Richtlinie vorgesehenen Verbote erstrecken sich auf sämtliche Verwaltungsebenen und verstoßen damit gegen das im EG-Vertrag verankerte Subsidiaritätsprinzip. Bolkestein vollendet insofern nicht nur den Binnenmarkt, sondern auch den Demokratieabbau. Allerdings richtet auch die Kommission nichts ohne den Segen der Hauptstädte aus. Treibende Kräfte hinter der Bolkestein- und anderen Richtlinien sind die Regierungen in Berlin, London oder Paris. Sie stützen einen EU-Apparat, der ihre neoliberale Politik in europäisches Recht zu gießen hat. Sie etablieren den nationalen Sozialkahlschlag als EUweite Norm. Sie verwandeln ihre Privatisierungspolitik in Brüsseler Direktiven. In der nun zur Ratifizierung anstehenden EU-Verfassung sorgten sie gar für die konstitutionelle Verankerung ihres neoliberalen Kurses. Die Verfassung offenbart, wohin die bei der Daseinsvorsorge abgeknappsten Steuergelder künftig fließen: in die verpflichtende militärische Aufrüstung, überwacht durch eine europäische Rüstungsagentur. Noch aber ist die Bolkestein-Richtlinie nicht durch. Belgische Gewerkschaften sind Vorreiter des Protests. Sie veröffentlichten kritische Stellungnahmen und gingen auf die Straße. Auch in anderen Ländern wächst die Entrüstung über dieses gigantische Deregulierungsprojekt.

Selbst manche RegierungsvertreterInnen bekommen kalte Füße, möchten einzelne Sektoren ausklammern. Jedoch die Richtlinie als solche stellen sie nicht in Frage. Stattdessen beten auch sie die Losung des Lissaboner EU-Gipfels nach: Bis zum Jahr 2010 müsse die Europäische Union „der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt“ werden. Über den Preis aber redet niemand – die totale Deregulierung. Die Bolkestein-Richtlinie muss weg. Und das ist möglich. Die folgenden Seiten bieten eine Übersicht zentraler Elemente und möglicher Folgen dieses zutiefst antidemokratischen Projekts.

1 Der Richtlinienvorschlag findet sich auf der Webseite der Europäischen Kommission:
http://www.europa.eu.int/comm/internal_market/de/services/services/index.htm

2 Pressemitteilung vom 13.1.2004. IP/04/37

Thomas Fritz: Vorstandsmitglied von BLUE 21 / Attac AG „Welthandel und WTO“
Kontakt:





[editiert: 04.02.05, 13:35 von bjk]
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