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Nein zu Hartz! Nein zur Verarmung von Arbeitslosen!

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 16.10.03, 16:48  Betreff:  Aktuell aus: http://de.indymedia.org/2003/10/63462.shtml  drucken  weiterempfehlen

Schröder fürchtet nicht die Gewerkschaften
von Wal Buchenberg - 16.10.2003 10:36

Auf dem IGM-Gewerkschaftstag in Hannover kanzelte SPD-Schröder die IGM-Genossen ab.


SPD-Schröder fürchtet keinen Gewerkschafts-Widerstand
Zum Auftritt von SPD-Schröderkanzler auf dem gestrigen IGM-Gewerkschaftstag in Hannover meinte die Financial Times Deutschland:
"Bei den geplanten Sozialreformen bittet Schröder nicht um die Unterstützung der Gewerkschaft. (...)
"Ich weiß, dass ihr mir die nicht geben wollt", sagte Schröder, der mit Pfiffen und Buhrufen empfangen wurde. (...)
Er warb allerdings kaum um Sympathien bei der Gewerkschaftsmitgliedern, sondern kanzelte mehrfach Zwischenrufer ab. (...)
Mit seiner Rede hat der Kanzler klar signalisiert, dass er die Sozialreformen auch gegen den Willen der IG Metall durchsetzen will.
Seine klaren Worte bedeuten, dass er nicht damit rechnet, dass die rund 2,6 Millionen Mitglieder der Gewerkschaft ernsthaften Widerstand mobilisieren können." (ftd, 16.10.03)

In der TV-Berichterstattung von Phönix war ein einzelnes handgemaltes Protestschild zu sehen: "Am 1. November in Berlin!".
Längst ist klar: die Gewerkschaften unterstützen den Regierungskurs direkt und indirekt. Direkt wird der Sozialsparkurs von den Gewerkschaften unterstützt, weil 80 Prozent der SPD-Bundestagsabgeordnete (z.T. führende) Gewerkschaftsmitglieder sind. Die Parteimaschine der SPD saugt einen Großteil ihrer Mitglieder und ihres politischen Kredits aus den Gewerkschaften. Die politische Ausbeutung und Funktionalisierung der Gewerkschaften für die SPD-Partei- und Regierungspolitik ist der wesentliche Grund für den unaufhaltsamen Niedergang der Gewerkschaften in Deutschland.
Indirekt unterstützt die IGM den Kurs der Regierung, indem sie statt zu Kampfmaßnahmen gegen den sozialen Kahlschlag zu Aktionen für die "Tarifautonomie" aufruft.

Dazu hieß es:
"Die Kernfrage ist, ob das Freiheitsrecht der Gestaltung von Tarifverträgen auf Basis der Koalitionsfreiheit im politischen Geschäft geopfert wird", sagte der zweite Vorsitzende Berthold Huber." (...) Vorstandsmitglied Jürgen Stamm sagte: Vermisst habe er allenfalls ein stärkeres Bekenntnis zur Tarifautonomie, ein "klares Bekenntnis zur Verfassung der Bundesrepublik".

Einen amtierenden Bundeskanzler zu kritisieren, weil er auf einem Gewerkschaftstag kein "Bekenntnis zur Verfassung der Bundesrepublik" abgegeben habe, über solche Scheinkritik und gespielte Opposition kann man nur noch lachen.

Nicht minder verlogen ist das Gerede von der Verteidigung der Tarifautonomie. Eine amtliche Analyse auf Betriebsebene zeigte, dass 1997 nur : „rund 49 Prozent der westdeutschen, aber nur 26 Prozent der ostdeutschen Betriebe im privaten Sektor durch einen Flächentarifvertrag gebunden waren." (Lit.dok zur Arbeitsmarkt und Berufsforschung 99/2000-1, a-289).
Die Mehrzahl der Betriebe in Deutschland sind längst nicht mehr durch einen Flächentarifvertrag gebunden. Betrachtet man nicht die Zahl der Betriebe, sondern die Zahl der Lohnarbeiter sieht es nur wenig besser aus: "Auch der Anteil der Beschäftigten, die einem Flächentarifvertrag unterlagen, war 1997 in Westdeutschland mit rund 65 % deutlich höher als in Ostdeutschland mit rund 44%.“ (Lit.dok zur Arbeitsmarkt und Berufsforschung 99/2000-1, a-289) Die ostdeutsche Situation wurde in den 90er Jahren neu geschaffen und zeigt die Zukunft für Deutschland und die EU insgesamt. Was soll also das Gewerkschaftsgeschwätz von der "Verteidigung der Tarifautonomie"?


"Die Tarifautonomie in Form des Flächentarifvertrages will die IG Metall mit allen Mitteln verteidigen". So lobte der Vorsitzende Peters die Protestaktionen ausdrücklich und rief zu mehr auf. Porsche-Betriebsrat Uwe Hück kündigte weitere Proteste an, sollte die Tarifautonomie "gekippt werden"." (ftd, 16.10.03)

Was gibt es da noch zu kippen? Die Gewerkschaftsführung organisiert Scheinproteste gegen eine Scheingefahr, um den tiefsitzenden und weit verbreiteten Unmut gegen die Regierungspolitik zu kanalisieren. Das ist politisches Kasperletheater mit bösen Folgen. Es wird die Gewerkschaften weiter ruinieren, nur um eine schlimme Regierungspolitik zu retten.
Wal Buchenberg, 16.10.03.


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Da ist was dran, was Wal Buchenberg prophezeit.

meint auch
bjk


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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 18.10.03, 11:25  Betreff:  Re: Nein zu Hartz! Nein zur Verarmung von Arbeitslosen!  drucken  weiterempfehlen

zitiert aus:
http://politbuero.info/forum/phpBB2/viewtopic.php?p=6854&sid=8ba11e67d625b5c216fc15f30f3cec22#6854


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PDS gegen Hartz III & IV

Bundestag, 17. Oktober 2003, Entwurf eines Dritten und Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz III & IV)
Rede von Petra Pau

Abschied von Bebel und Brandt

1.
Die PDS im Bundestag wird gegen die Gesetze stimmen. Denn mit Hartz III & IV wird es nicht weniger Arbeitslose geben, sondern mehr arme Arbeitslose.

2.
Der ganze Ansatz, die Philosophie der Gesetze stimmt nicht. Sie wollen das Versagen der Politik privatisieren und die davon Betroffenen zur Kasse zwingen. Das ist falsch und das lehnen wir ab.

3.
Ich höre dasselbe auch von den sogenannten Abweichlern bei Rot-Grün. „Abweichler“ war als Schimpfwort gemeint. „Dissident“ hätte wohl zu positiv geklungen. Über den vermeintlichen Unterschied können wir ja gelegentlich diskutieren.

4.
Nun verweisen SPD- und Grünen-Sprecher darauf, es habe ja inzwischen Verbesserungen gegeben. Was wiederum die Opposition zur Rechten beklagt. Die Substanz aber bleibt: Der Sozialstaat wird nicht um-, sondern abgebaut - und dagegen sind wir.

5.
Dafür gibt es allerdings eine übergroße Abbruch-Koalition. Sie reicht von der SPD bis zur CSU, von den Grünen bis zu den Unternehmerverbänden. Aus den Gewerkschaften kamen Widerworte, aber kein Widerstand. Auch das gehört zur Vor-Bilanz der anstehenden Entscheidung.

6.
Am 1. November wird es in Berlin eine bundesweite Demo gegen den unsozialen Kurs der Agenda 20-10 geben. Sie kommt spät, aber ich werbe dennoch für sie. Denn das, was hier sozial-kalt durchgestimmt wird, führt in wärmeren Ländern zu belebendem General-Widerstand.

7.
Nun komme ich zu zwei Besonderheiten: Sie, Herr Bundeskanzler, haben ihr politisches Schicksal daran geknüpft, ob Sie heute eine rot-grüne Mehrheit erzwingen können. Das ist Macho-Gehabe, allemal, wenn es wiederholt wird. Aber es gibt einen zweiten Punkt, der schwerer wiegt.

8.
Sie wissen, dass die Gesetze, die heute abgestimmt werden, für den Osten untauglich, ja Gift sind. Das unterscheidet Sie übrigens von ihrem Vorgänger. Ex-Kanzler Kohl hat die Menschen im Osten belogen. Sie schreiben sie ab und das ist schlimmer.

9.
Der Schriftsteller und Soziologe Wolfgang Engler hat analysiert: „Mit der Hoffnung auf Arbeit ging die Arbeit an der Hoffnung verloren.“ Er beschrieb den Osten - zehn Jahre nach der Vereinigung. Seither ist Rot-Grün am Werk und verfolgt ein Programm zur weiteren Enthoffnung - für ganz Deutschland.

10.
Ich habe Ihnen mehrfach vorgerechnet, dass man 50 Arbeitssuchende nicht auf eine freie Stelle vermitteln kann. Ich habe ihnen auch vorgerechnet, dass allein die Senkung der Arbeitslosenhilfe Millionen in die Armut stürzt, zusätzliche Konkurse bringt und damit die Arbeitslosigkeit forciert.

11.
Man muss dazu nicht in der PDS sein, man muss nur rechnen können. Allein in den Neuen Bundesländern werden die Beschlüsse von heute einen zusätzlichen Kaufkraft-Verlust von 1,8 Milliarden € bewirken. Ähnlich wird es in großen Regionen der alten Bundesländer aussehen, im Saarland, in Franken und anderswo.

12.
Anders gesagt: Sie bürden die Lasten den Armen auf und sie begünstigen jene, denen es ohnehin besser geht. Das ist bei den Steuern so. Und das trifft die Länder. Sie nennen das „mutige Reformen“. Ich nenne das „politische Kapitulation“. Noch gibt es eine Sozialpflicht der Unternehmer und noch gibt es ein Gebot nach gleichen Lebens-Chancen für alle. Sie deuten das um: ohne Recht und Vernunft!

13.
Konkret: In Berlin-Reinickendorf gibt es ein namhaftes Unternehmen. Es entließ Spezialisten, weil es an Aufträgen mangelte. Nun werden dieselben wieder unter Vertrag genommen. Nicht als Mitarbeiter, sondern als Ich-AGs zum halben Lohn. Die rot-grüne Wundertüte entpuppt sich als Abbaukröte - zur Freude der FDP, zum Schaden für die Betroffenen.

14.
Die Medien werden heute zählen, ob es eine Kanzler-Mehrheit gibt oder nicht. Das ist spannend. Weitreichender ist allerdings die geistig-moralische Wende, die Rot-Grün forciert und in Gesetze fasst: „Wer arm dran ist, ist selbst schuld und gehört bestraft“ - das ist der Kern.
Die PDS wirbt dagegen für ihre „Agenda sozial“. Sie liegt vor, als moderne Alternative. Wir wollen Reformen - zum Besseren.

15.
Ich erspare Ihnen meinen Schluss-Satz nicht, werte Genossinnen und Genossen von der SPD. Sie beschließen heute nicht mehr und nicht weniger als ihre Absage an Bebel und Brandt. Auch deshalb stimmen wir mit Nein.

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Petra Pau und Gesine Lötzsch protestieren vor dem Reichstag




Übrigens kam von Petra Pau nicht nur die einige Beiträge hier zuvor veröffentlichte eMail als Feedback auf meine Rundmail an verschiedene Bundestagsabgeordnete zurück sondern gestern erhielt ich auch noch zusätzliche persönliche Briefpost von ihr - - - !!!

Außer vorgestern von ihrer Parteikollegin, Gesine Lötzsch, und von der schließlich doch umgefallenen SPD-Abweichlerin, Sigrid Skarpelis-Merk, hat noch niemand der anderen angeschriebenen BuTa-Abgeordneten es nötig gehabt, überhaupt Stellung zu beziehen - - - bis auf die Grüne, Kerstin Müller, die sich über die bundesweite Aktion mit über 50.000 Protestmails beschwert haben soll.

Typisch und bezeichnend für diese skrupel- und gewissenlose Bagage! - - - Denn sitzt man in den Fleischtöpfen, kann man nicht mehr über den Tellerrand und schon gar nicht über den Topfrand hinausgucken!

empört sich
bjk


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[editiert: 19.10.03, 19:40 von bjk]
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Ralf.


New PostErstellt: 18.10.03, 12:18  Betreff: Re: Nein zu Hartz! Nein zur Verarmung von Arbeitslosen!  drucken  weiterempfehlen

Rückmeldung vom Büro Frau Dr. Gesine Lötsch (PDS) am 13.10. an mich

Sehr geehrter Herr Ralf Helbart,

ich kann Ihnen versichern, dass Frau Dr. Gesine Lötzsch (PDS) am 17.10.
gegen die Harz-Gesetze stimmen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Klaus Singer
Referent

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Ralf.


New PostErstellt: 18.10.03, 12:19  Betreff: Re: Aktuell aus: http://de.indymedia.org/2003/10/63462.shtml  drucken  weiterempfehlen

Briefliche Antwort von Petra Pau (MdB - PDS)

Sehr geehrter Herr Hellbart,

vielen Dank für Ihr o.a. Schreiben. Natürlich werde ich gegen die Hartz-Gesetze 3 und 4 stimmen und zwar weil ich Ihre inhaltliche Kritik gegen diese Gesetzentwürfe voll und ganz teile. Ich habe schon im Bundestag gegen die Hartz-Gesetze 1 und 2 und 2,5 gestimmt. Die Kritik der PDS zu den Vorhaben der Bundesregierung unter dem Titel "agenda 2010" können Sie unter www.sozialisten.de genauer nachlesen. Hier können Sie sich auch über unsere Alternativen informieren. Über meine parlamentarischen Aktivitäten gegen die Hartz-Gesetze im Bundestag können Sie sich unter www.petra-pau.de ständig informieren.

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bjk

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New PostErstellt: 20.10.03, 09:59  Betreff:  Campagne der Schröder-Administration. - Richtig gestellt!  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.demo-gegen-sozialabbau.de/

S = Sozial
P = Plünderer
D = Deutschlands

Schröder und Konsorten sind die Totengräber der SPD und leiten die hemmungslose Ausplünderung der Arbeitnehmer, der Arbeitslosen, der Rentner, der Behinderten und der Sozialhilfeempfänger ein!

meint
bjk


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Die Dateianlage unten zeigt eine Sequenz mehrerer nachdenklicher Bilder


[editiert: 20.10.03, 10:01 von bjk]



Dateianlagen:

campagne.gif (374 kByte, 416 x 298 Pixel)
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bjk

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New PostErstellt: 21.10.03, 08:50  Betreff:  Eine lesenswerte Kolumne in der "taz" von heute  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.taz.de/pt/2003/10/21/a0101.nf/text



Ja zum Status quo
Die Gewerkschaften sind die Einzigen mit nennenswerter Macht, die sich gegen den
Kult des privaten Erfolgs wehren. Doch fehlt ihnen ein überzeugendes Gegenkonzept



Zwischentöne sind selten geworden und die seltenen leise. Über Gewerkschaften gibt es zwischen Rhein und Spree nur noch eine öffentliche Meinung: eine schlechte. Hohn-, Spott- und Abgesänge, anschwellend wie Bocksgesang, dröhnen durch die Republik anlässlich der Kongresse der IG Metall und der Ver.di.

Summiert man alle Einwohner Berlins, Hamburgs, Münchens, Leipzigs und Dresdens, hat man noch nicht die Zahl der Menschen zusammen, die jeden Monat einen beachtlichen Beitrag bezahlen, um gewerkschaftlich organisiert zu sein. Es werden weniger, aber es sind viele. Diese vielen sind - wenn die herrschende Meinung Recht hat - ausgesprochene Idioten: borniert, dem Fortschritt im Weg, auf ihren Besitzstand fixiert, fern jeder Einsicht in die sonst allseits anerkannten Notwendigkeiten. Könnte es sein, dass nicht nur die Gewerkschaft Defizite, sondern dass auch die herrschende Meinung blinde Flecken hat? Kann es sein, dass das Nein der Gewerkschaften zu der Reformpolitik der großen Berliner Koalition deshalb so lautstarke Empörung auslöst, weil es einen wahren Kern hat? Weil es das schlechte Gewissen all derer weckt, die diese Politik der raffenden Hand auch für ein Übel halten, sich aber damit beruhigen, dass es das kleinere ist?

Seit Kirche und Adel entmachtet sind, seit die moderne Arbeitsgesellschaft sich etabliert hat, hängen die Chancen eines guten Lebens an Vermögen und Arbeit. Alle, die kein Vermögen und keine Arbeit haben, die noch zu jung, schon zu alt oder zu krank sind, können ihre soziale Existenz nicht aus eigener Kraft sichern. Und alle, die das nicht können, werden in diesem unserem Land nicht für voll genommen.

Das ist die Sozialmoral der modernen Konkurrenz- und Erfolgsgesellschaft: Wer, wenn er schon nichts hat, auch noch nichts verdient, verdient auch keine Achtung. Die sozialstaatlich nur widerwillig kaschierte Missachtung, die Kindern, (Haus-)Frauen, Arbeitslosen, Alten und chronisch Kranken entgegenschlägt, hat hier ihre Wurzel. Armut ist keine Schande, aber verschämt und bescheiden sollen alle sein, die nicht von privaten, sondern von sozialen Einkommen leben.

Blicken wir nicht hinter 1945 zurück und nicht hinüber auf andere Erdteile, blicken wir nur auf das Beste, auf unsere wirtschaftswunderverwöhnte, hochmoderne, zivilisierte Bundesrepublik. In gerade mal zwölf Jahren ihres Bestehens hat sie es geschafft, alle (Männer), die Erwerbsarbeit suchten, einen Arbeitsplatz finden zu lassen. In all den anderen Jahren herrschte millionenfache Erwerbslosigkeit, die auch das laufende Jahrzehnt über andauern dürfte. Gewiss, die Einzelnen können etwas dazu beziehungsweise dagegen tun, Arbeit zu finden oder zu verlieren. Aber Arbeit für alle gibt es eben nicht - die Tatsache, dass Millionen keine Arbeit finden, hat vorweg der Markt schon entschieden. Es ist ein Wettlauf, bei dem feststeht, dass es Millionen Verlierer gibt. Sie werden zu Versagern gestempelt, damit nicht darüber geredet werden muss, dass unsere Arbeitsordnung hinten und vorne nicht mehr stimmt.

Und unsere Vermögensordnung? In Deutschland verfügt die zweite Hälfte der Bevölkerung über etwa 6 Prozent des Volksvermögens. Reden wir über die erste Hälfte. Die Sozialstatistiken müssten Trauerränder tragen. Die Kurven der Millionäre und der Sozialhilfeempfänger gehen synchron nach oben. Großzügige Pensionszusagen, dicke Zuschüsse zum Krankengeld, noble Abfindungen, Luxusdienstwagen, zusätzliche Urlaubstage, kostenloser Gesundheitscheck, Gratissteuerberatung, günstigere Wohnungsbaudarlehen: solche Nebenleistungen finden sich mit einiger Regelmäßigkeit in Managerverträgen - zusätzlich zu den zweistelligen Gehaltssteigerungen ihrer siebenstelligen Jahreseinkommen.

Oder nehmen wir die Millionäre in kurzen Hosen, die von ihren Vereinen gepampert, in Watte gepackt werden wie Königskinder. Bundesligastars versorgen sich nach dem Motto "Meine Villa, meine Limousine, meine Werbeverträge" - Vater Verein kennt die Verkäufer, nennt die Makler, hier wirst du geholfen. In Sachen Geldanlage, Versicherungen, Altersvorsorge beraten Experten provisionsfrei. Ein Bundesligamanager bezeichnet die Summe von all dem und manchem mehr als das "Gesamtpaket Rundumversorgung".

Unsere Gesellschaftsordnung fördert die Gewinner und fordert die Verlierer. Sie produziert Sozialfälle zwingender und häufiger als unser Verkehrssystem Unfälle. Aber solange die öffentliche Meinung nicht die Ordnung zum Problem erklärt, sondern die Menschen, die in ihr nicht zurechtkommen, werden auch "linke" Regierungen weich gespülte liberale bis rechte Politik machen. Die Berliner Reformpolitik ist Realpolitik in dem klassischen Sinn, dass sie die herrschenden Strukturen nicht hinterfragt. Deshalb sucht sie nach Wegen, Arbeitslose und Rentner billiger zu machen, Kranke mehr zahlen und Alte länger arbeiten zu lassen. Der Zustand der Regierungspolitik verrät vor allem etwas über den Zustand der Gesellschaft. Der moderne Staat ist kein beliebig dirigierbares Machtinstrument, sein Handeln muss im Erwartungshorizont der Gesellschaft liegen. In der Ausübung seiner Funktionen kommt er an den dominanten Strukturen, auch an der herrschenden Sozialmoral nicht vorbei. Ohne ein ökologisches Bewusstsein etwa hätte es keine ökologische Regierungspolitik gegeben.

Machen wir uns deshalb nichts vor: Das Problem linker Politik wohnt nicht in Hannover und heißt nicht Gerhard Schröder. Das Problem linker Politik ist ihre mangelhafte gesellschaftliche Verankerung, ihre Unfähigkeit, Anschluss zu finden an das Bewusstsein von Mehrheiten, nicht akzeptiert, kaum verstanden, ja nicht einmal hinreichend beachtet zu werden.

Die Gewerkschaft ist die einzige Organisation mit nennenswerter Macht, die sich gegen den Kult des privaten Erfolgs wehrt, die sich für soziale Verantwortung stark macht. Deshalb wird sie von den Realpolitikern dieser Republik zum Sündenbock gemacht. Doch einen Sündenbock zu benennen ist ein Opferritual, keine Aufklärung.

Die verbalen Prügel, die Metaller, Ver.dianer und Co. beziehen, sollen von den unsozialen Hieben ablenken, die an die Schwachen ausgeteilt werden. Das engagierte Nein der Gewerkschaften zum Abbau der Sozialsysteme hat mehr Freunde, als die etablierte Politik wahrhaben will. Das Problem ist das perspektivlose gewerkschaftliche Ja zum Status quo, das dahinter steckt. Ihr Nein speist sich aus versiegenden Quellen. Für die postindustrielle Zukunft der Arbeit und für die Zukunft des Sozialen über Bismarck hinaus machen sie keine wegweisenden Angebote. Wo die Orientierungskraft fehlt, schwindet auch die Mobilisierungsfähigkeit. Sich an diesem gemeinsamen Defizit im streitbaren Dialog abzuarbeiten, das wäre die Aufgabe, der sich kritische, linke Politik zu stellen hätte. "

(HANS-JÜRGEN ARLT)

taz Nr. 7187 vom 21.10.2003, Seite 12, 241 Kommentar HANS-JÜRGEN ARLT, taz-Debatte

taz muss sein: Was ist Ihnen die Internetausgabe der taz wert? Sie helfen uns, wenn Sie diesen Betrag überweisen auf: taz-Verlag Berlin, Postbank Berlin (BLZ 100 100 10), Konto-Nr. 39316-106


[editiert: 21.10.03, 08:50 von bjk]
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Gast
New PostErstellt: 29.10.03, 13:14  Betreff: Re:  drucken  weiterempfehlen

Der Mensch ist nicht frei, wenn er einen leeren Geldbeutel hat.

(Lech Walesa (*1943), polnischer Gewerkschaftsführer u. Politiker, 1990-95 Staatspräsident, 1983 Friedensnobelpreis)



Die Menschen helfen lieber dem, der ihrer Hilfe nicht bedarf, als dem, welchem sie nötig ist.

(Friedrich Hebbel (1813-63), dt. Dichter)
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bjk

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New PostErstellt: 08.11.03, 11:12  Betreff:  Flugi von der Groß-Demo am 1. November in Berlin  drucken  weiterempfehlen

So lustig ist das gar nicht
sondern eher was zum Nachdenken!


Besonders für alle diejenigen, die da vermeintliches Herrschaftswissen nachplappern,
Soziales könne angeblich heute und in Zukunft schon gar nicht mehr bezahlt werden.



bjk
www.bjk.ag.vu
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[editiert: 08.11.03, 11:56 von bjk]



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bjk

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New PostErstellt: 16.11.03, 00:29  Betreff:  Eine von Schröder's Sprechblasen  drucken  weiterempfehlen




mehr darüber in: http://www.arbeitsloseninitiativewerkschlag.de/


bjk

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Ralf.


New PostErstellt: 16.11.03, 10:11  Betreff: Re: Aktuell aus: http://de.indymedia.org/2003/10/63462.shtml  drucken  weiterempfehlen

Was man nicht alles findet - z.B. im Alten Testament (Ezechiel 22:27):

"Seine Vornehmen in seiner Mitte waren wie reissende Wölfe, nur darauf aus, Blut zu vergiessen, Leben zu vernichten, um Gewinn zu machen."

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