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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 15.07.06, 17:28     Betreff:  Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?




kopiert aus: http://www.watzal.com/inamo0541.txt



Zionismus, Apartheid

und das palästinensische Flüchtlingsproblem



Die zentrale These des spannenden Buches von John Rose ist, daß der Zionismus durch eine
Vielzahl von Mythen zusammengehalten werde. Allein dies zu konstatieren ist bereits mutig.
Geradezu bescheiden formuliert er, daß es lediglich sein Anliegen sei, die mythische Geschichte
des Zionismus zu zerstören. Es gehört zum Wesen der Wissenschaft, Mythen zu entzaubern, aber
was wissenschaftlich geboten erscheint, kann verheerende persönliche Konsequenzen für den
betreffenden Autor haben. Nachdem Rose fast alles in Frage stellt, was der israelischen
politischen Elite als «heilig» gilt, zieht er folgendes Resümee: «Zionismus ist das Problem;
seine Beseitigung ist eine Voraussetzung für Frieden im Nahen Osten und für eine
arabisch-jüdische Aussöhnung in Palästina.» Diese Schlußfolgerung können die Palästinenser
bestimmt nachvollziehen, aber nur wenige in Deutschland oder den USA. John Rose lehrt
Soziologie am Southwark College und an der London Metropolitan University.

Der Autor dekonstruiert die Mythen des Zionismus. Was in den USA und Deutschland einem
politischen Selbstmord gleichkommt und in Israel als staatsfeindlich angesehen wird, ist in
Großbritannien offensichtlich noch möglich. Rose trennt fein säuberlich die Fakten von den
Fiktionen und den Mythen, welche die Zionisten vor und die israelischen Politiker nach der
Staatsgründung Israels verbreitet haben. David Ben-Gurion, der erste Ministerpräsident Israels,
sei, so Rose, der beste «myth-maker» gewesen. «Ben-Gurion ersetzte den Messias als Person
durch den Zionismus als messianische Bewegung. Dadurch muß der Erlösung der Menschheit die
Erlösung der Juden vorausgehen, die in der Wiedererlangung ihres Landes besteht.» (S.11)

Martin Buber und Yeshajahu Leibowitz, die sich selbst als Zionisten verstanden, seien von
Ben-Gurions Instrumentalisierung des Judentums für politische Zwecke entsetzt gewesen, so Rose.
Buber habe Ben-Gurion vorgeworfen, daß er die spirituellen Grundlagen Zions vereinnahmt hätte.
Ben-Gurion schreibe, daß das Land seit 2000 Jahren unbewohnt gewesen sei. Dieser Mythos bilde
eine der zentralen Legenden des Zionismus seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, so der Autor.

Rose analysiert die jüdische Geschichte und die daraus abgeleitete Forderung auf Palästina. Er
hält diese nicht für überzeugend historisch begründet. Ebenso verhält es sich mit dem Anspruch
auf das «Land Israel», denn dies sei selbst ein «religiöser Mythos». Der Autor beschreibt den
Widerstand der Bauern gegen die Enteignung ihres Landes. Über die palästinensischen Elite
konstatiert er, daß es ihr von Beginn an klar gewesen sei, daß die Kolonisierung Palästinas zu
ihren eigenen Lasten gehen würde. Der Widerstandswille sei bis heute ungebrochen, weil es um
Gerechtigkeit und Wahrheit gehe. Der historischen Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen, ist ein
zentrales Anliegen von John Rose.

Seit Jahrzehnten setzt sich Uri Davis für die Menschenrechte und die Achtung des Völkerrechts
im israelisch-palästinensischen Konflikt ein. Er zögert nicht, den Finger in die offenen Wunden
israelischer Politik zu legen, den Zionismus, die Umstände der Staatsgründung, die Gesetzgebung
des Landes, die politische Repression gegenüber den Palästinensern sowie die Möglichkeiten eines
Widerstandes gegen Unrecht von innen heraus. Er wirft seinem Land vor, ein Apartheid-Regime
errichtet zu haben, vergleichbar dem des ehemaligen südafrikanischen. Der Unterschied zum
Apartheid-Regime Südafrikas bestehe darin, daß das israelische durch Gesetze der Knesset – dem
israelischen Parlament - institutionalisiert worden sei.

Der Autor kritisiert die Politik seines Landes ausgehend vom Begriff der Menschenrechte. Zu
welchen Ergebnissen er dabei in Bezug auf den politischen Zionismus und das Rechtssystem kommt,
ist für Israel alles andere als schmeichelhaft. Davis befürwortet das Konzept eines
demokratischen, binationalen Staates. Es verwundert nicht, daß er damit in Israel auf Ablehnung
stößt. Ist doch der politische Zionismus mit dem Anspruch angetreten, einen jüdischen Staat zu
schaffen. Für einen binationalen Staat tritt in Israel – abgesehen von einem großen Teil der
israelischen Palästinensern - nur eine winzige Minderheit ein.

Davis hat eine Fülle von Fakten zusammengetragen, die eine Voraussetzung dafür wären, daß
Frieden in Israel und Palästina einkehren könnte, wenn sich die israelische Regierung die
Achtung der Menschenrechte auf die Fahnen schreiben würde. Sein Mut, seine moralischen
Prinzipien und seine Detailkenntnis sind beeindruckend.

Die Gründung Israels wird vom jüdischen Volk zu Recht als ein Akt der Befreiung gesehen; für die
palästinensische Bevölkerung hat sie sich als «Katastrophe» (al-Nakba) ins kollektive Bewußtsein
eingeprägt. Wie die Shoa die jüdische Identität nachhaltig geprägt hat, so bestimmen die
Umstände von Flucht und Vertreibung den palästinensischen Narrativ. Das Flüchtlingsproblem
bildet bis heute ein unüberwindliches Hindernis für ein friedliches Zusammenleben beider Völker.

Die Ereignisse von 1948 machten Hunderttausende von Palästinensern zu Flüchtlingen; im
Augenblick sind es ungefähr vier Millionen. Sie leben bis heute in Flüchtlingslagern in den
umliegenden arabischen Nachbarstaaten, der Diaspora und in den von Israel besetzten Gebieten.
Alle israelischen Regierungen verweigern ihnen die Rückkehr in ihre Heimat mit dem Argument,
ihre Rückkehr würde den nationalen Charakter des Staates Israel auslöschen und die jüdische
Mehrheit in eine Minderheit verwandeln, wie Shimon Peres es genannt hat. Mit diesem Argument
werden alle völkerrechtlichen Ansprüche der Palästinenser zurückgewiesen, auch die materiellen
Entschädigungsforderungen. Nur Masalha vermutet, daß die Israelis die Rückkehr der Palästinenser
nicht wollten, weil sie ihr Land für jüdische Siedlungen und Immigranten brauchten (S. 1 ).

Nur Masalhas Buch trägt den bezeichnenden Titel «Politics of Denial» und versucht, die
Entstehung der Politik Israels gegenüber den Flüchtlingen von 1948 zu analysieren. Diese Politik
zielte von Beginn an auf eine Ablehnung des Rückkehrrechts, so der Autor. In sieben Kapiteln
gibt Masalha einen umfassenden Überblick über die Entstehung des Flüchtlingsproblems von 1948
bis zu den Lösungsvorschlägen, die seit der Friedenskonferenz von Madrid 1991 bis zu den
Gesprächen in Taba 2001 gemacht worden sind. Bei genauerer Betrachtung zeige sich, daß die
palästinensische Seite weitgehende Zugeständnisse sowohl in Camp David als auch in Taba gemacht
hatte, Israel aber nicht bereit gewesen war, diese zu akzeptieren. Arafat wäre sehr flexibel
gewesen. Dennoch sei ihm die Schuld für das Scheitern in Camp David von Barak und Clinton
zugeschoben worden.

Der Autor verweist besonders auf die Rolle, die Yossi Beilin in der Flüchtlingsfrage gespielt
habe. «Der Flüchtlingsansatz von Israel (und Beilins) stellt die Geschichte auf den Kopf.»
Beilins Verhandlungsgeschick zeigte sich nicht nur bei den Osloer Verträgen, sondern auch bei
der so genannten Genfer Initiative. In diesem Dokument konnte Beilin die palästinensische
Delegation davon überzeugen, daß das Rückkehrrecht nicht zu ihren elementaren Rechten gehöre;
eine Ansicht, die auch immer von Abu Mazen vertreten wurde.

Wer sich über die Hintergründe der Vertreibung, die Verweigerung des Rückkehrrechts für
palästinensische Flüchtlinge und die Argumentation der israelischen Regierungen umfassend
informieren will, ist mit diesem Buch bestens bedient. Es gibt einen guten Überblick über die
Debatte, die von den so genannten Neuen Historikern ausgelöst worden ist. Sie haben Ende der
achtziger Jahre die moralische Verantwortung der israelischen Regierung für Flucht und
Vertreibung der Palästinenser offen gelegt.

Ludwig Watzal



John Rose, The Myths of Zionism, Pluto Press, London 2004, 232 Seiten, £ 14.99.
Uri Davis, Apartheid Israel. Possibilities for the struggle within, Zed Books, London 2003,
242 Seiten, £ 14.95.
Nur Masalha, The Politics of Denial. Israel and the Palestinian Refugee Problem, Pluto Press,
London 2003, 298 Seiten, £ 16.99.

In: inamo, 11 (2005) 41, Seiten 56 f.



Mensch bleiben muß der Mensch ...
von Tegtmeier


[editiert: 08.08.11, 12:50 von bjk]
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