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Autor Beitrag
Lensman
New PostErstellt: 26.01.04, 20:00     Betreff: Nicht nur schwarz und weiß

An Baba Yaga:

Wenn man zur Grundlage jeglichen Denkens macht, daß alles auf der Welt nur schwarz oder weiß ist, fallen solche Beiträge leicht. Wäre es wirklich so einfach, ginge es uns allen besser - doch leider ist es nicht so. Es gibt dazwischen etliche Schattierungen von einem leichten, kaum sichtbaren Schatten über dunkelgrau bis hin zu vesuvgraumetallic.

Schlimmer noch: vermeintlich weißes entpuppt sich bei genauerer Betrachtung plötzlich als schwarz und umgekehrt. Ich habe deshalb den Versuch gemacht und das Fernglas mal umgedreht. Die Sicht wird plötzlich eine vollkommen andere.

Was ich dabei allerdings gesehen habe, will ich hier nicht zum Gegenstand meines Beitrages machen, denn es dürfte von der Wahrheit in etwa genau so weit entfernt sein wie Ihre Überlegungen. Vielmehr will ich die Leser durch einige Fragen und Anregungen dazu bringen, die Sachlage mal aus einem anderen Blickpunkt zu betrachten.

Weiterhin will ich auf einige argumentative Schwächen hinweisen, die es jedem Kontrahenten leicht machen, Ihren Beitrag in Teilen zu zerpflücken, was ihn in die Lage versetzt, die vielleicht zutreffenden Teile zu ignorieren.

Die erste dieser Schwächen findet sich gleich in der Überschrift, in der es heißt:

„Polizisten erschießen bei Hannover einen Geistesgestörten!“

Später heißt es im Text:

„Warum der Mann plötzlich ausrastete, ist bisher nicht klar. Möglicherweise war er geistig verwirrt.“

Mit anderen Worten: hier wird (bewußt?) versucht, von vornherein Stimmung zu machen, um den Leser dazu zu verleiten, den Beitrag nicht mehr ergebnisoffen und unvoreingenommen zu lesen. Vielmehr soll dieser in eine bestimmte, vom Verfasser scheinbar gewollte Richtung gelenkt werden: „Die bösen Bullen sind Schuld!“

Daß dem vielleicht ganz und gar nicht so ist will ich durch Beantwortung der von Ihnen aufgeworfenen Fragen zu beantworten suchen.

„Weshalb werden zwei oder mehr Polizeibeamte nicht ohne Waffeneinsatz mit einem einzigen Randalierer fertig, noch dazu, wenn dieser nicht mehr "der Jüngste" ist?“

Zunächst ist festzuhalten, daß Sie als Verfasser nicht mal wußten, wie viele Beamte zum Zeitpunkt des Fallens der Schüsse vor Ort waren. Gleichzeitig wußten Sie jedoch, daß der Randalierer mit einer Stablampe auf Partygäste und später auf die Polizeibeamten eindrosch. Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrem Leben jemals eine Mag-Light in der Hand hatten? Diese Stablampe ist durchaus geeignet, damit einen Menschen totzuschlagen, weshalb der Polizei zum Beispiel deren Einsatz als Schlagwerkzeug streng untersagt ist.

Wie dem auch sei: an anderer Stelle habe ich bereits mehrfach geschrieben, daß ich eine höhere Frauenquote bei der Polizei im Gegensatz zu den meisten meiner männlichen Kollegen positiv sehe. Das deshalb, weil Frauen im Schnitt über wesentlich bessere deeskalatorische Fähigkeiten verfügen. Es kommt also, so meine Erwartung, mit steigenden Zahlen weiblicher Polizeibeamter zu weniger körperlichen Auseinandersetzungen mit dem polizeilichen Gegenüber. Dieser Vorteil wird allerdings mit einem Nachteil an anderer Stelle erkauft: denn in dem Augenblick, wo eine verbale Kommunikation mit dem polizeilichen Gegenüber nicht mehr möglich ist, weil dieses nicht daran interessiert ist, wird, was eben noch ein Vorteil war, plötzlich zum Nachteil. Denn daß weibliche Polizeibeamten körperlich deutlich unterlegen sind, ist wohl unstrittig.

Ich will den beschriebenen Vorfall nicht abschließend bewerten. Angesichts mehrerer Verletzter Partygäste und eines verletzten Polizeibeamten von einem Täter zu sprechen, der nicht mehr „der Jüngste“ ist, finde ich allerdings zynisch. Wäre er ein solch altersschwaches Würstchen gewesen, wie Sie zu suggerieren suchen, wäre er von den erwähntewn Partygästen vermutlich bereits zum handlichen Paket verschnürt worden, bevor die Polizei überhaupt eintraf.

„Weshalb mußte der Geistesgestörte in die Brust geschossen werden, zumal er schon am Bein getroffen war?“

Der Zufall will es, daß es erst kürzlich in meiner Heimatbehörde ebenfalls einen Schußwaffengebrauch gab. In Wattenscheid Günnigfeld wurde ein Kollege von einem Täter mit dem Messer attackiert. Um ihn zu stoppen, schoß er dem Täter ins Bein. Dieser jedoch tat ihm angesichts der Schußverletzung keineswegs den Gefallen von seinem Vorhaben abzusehen, sondern stürzte unbeeindruckt weiter auf den Kollegen zu und verletzte ihn schwer. Erst ein erneuter Schuß, diesmal in den Bauch des Täters, rettete ihm vermutlich das Leben.

Daß dieser Fall nicht so hohe Wellen schlug ist lediglich dem Umstand zu verdanken, daß der Täter die Schußverletzungen überlebte. Er zeigt jedoch deutlich, daß ein zu allem entschlossener Täter auch mit schweren Verletzungen noch in der Lage ist, andere Menschen in Lebensgefahr zu bringen.

Hinzu kommt, daß es sich auch bei Polizeibeamten um Menschen handelt. Versuchen Sie sich mal in die Lage der angegriffenen Beamten zu versetzen. Ein einziger schwerer Kopftreffer mit der Mag-Light kann ausreichen, Sie zu töten. Aufgrund körperlicher Unterlegenheit sind Sie nicht in der Lage, die Angriffe abzuwehren. Was tun Sie. Wie fühlen Sie sich? Können Sie sich vorstellen, unter diesen Umständen Todesangst zu haben?

An dieser Stelle will ich einen Satz aufgreifen, den Sie an den Schluß Ihres zweiten Beitrages gesetzt haben:

„Die Menschenrechtsbildung bei der Polizei muss verstärkt werden. Sie muss in jeglicher Aus- und Fortbildung fester integrativer Bestandteil sein.“

So weit das nicht sowieso Standard ist, stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Noch wichtiger aber ist in meinen Augen eine vernünftige Ausbildung in Eingriffstechniken. Nur absolute Handlungssicherheit bei tätlichen Angriffen kann Situationen wie die von Ihnen geschilderte vermeiden, weil sie die eingesetzten Beamten in die Lage versetzen würde, sich auch ohne Schußwaffen der Haut zu erwehren. Solange aber irgendwelche Sesselpupser meinen, die Ausbilder benötigten nichts weiter als einen dreiwöchigen Kurs und 6 Wiederholungsstunden im Jahr, um andere in noch kürzerer Zeit hinreichend ausbilden zu können, wird es auch in Zukunft immer wieder zu solchen schlimmen Situationen kommen. Der Beamte, der den Schuß dann abgibt, ist in meinen Augen aber lediglich der Dumme – weil er nicht ausreichend vorbereitet wurde.

„Gab´s da vielleicht zwei Durchgedrehte, die aufeinanderstießen, einer in Zivil, der andere in Uniform?“

Dies halte ich für eine suggestive, beifallheischende und angesichts des Informationsdefizites, daß Sie offensichtlich haben, vor allem nicht zulässige Frage. Das „Kopfschütteln!!!!!!“ ist da ganz auf meiner Seite.

So viel zu dem Schußwaffengebrauch. Ich weise nochmals ausdrücklich darauf hin, daß ich die Kollegen nicht von vornherein freizusprechen beabsichtige. Sie bereits ohne nähere Detailkenntnisse zu verurteilen halte ich jedoch für noch schlechter. Denn was Sie für den Täter ganz selbstverständlich beanspruchen, sollte auch für die eingesetzten Beamten gelten – im Zweifel für den Angeklagten.

Abschließend noch ein paar Worte zu Ihrem zweiten Beitrag. Zunächst möchte ich betonen, daß ich die Idee von ai für immens wichtig halte. Allerdings kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß deren Mitarbeiter, übrigens ähnlich wie Sie, nicht die selbst geforderte Neutralität an den Tag legen.

Sicher sind nicht alle Polizeibeamte Engel. Ich halte es nicht nur nicht für abwegig, daß es Mißhandlungen von in Gewahrsam genommenen Personen gibt, sondern für durchaus wahrscheinlich. Im Gegensatz zu Ihnen halte ich das jedoch für absolute Ausnahmefälle.

Wenn Sie jedoch schreiben:

„Fast immer reagieren die beschuldigten Polizisten auf Beschwerden Misshandelter mit Gegenanzeigen wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt", die das mutmaßliche Opfer unversehens zum Beschuldigten machen – mit der entsprechenden abschreckenden Wirkung.“

so muß ich Ihnen erneut Einseitigkeit vorwerfen: denn aus der Sicht des jeweils betroffenen Beamten stellt es sich so dar: Fast immer reagieren die beschuldigten Widerständler auf Anzeigen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt mit Gegenanzeigen wegen „Mißhandlung“, die das mutmaßliche Opfer unversehens zum Beschuldigten machen. Das mag für Sie jetzt zynisch klingen. Aus Erfahrung weiß ich es jedoch besser.

Wie dem auch sei: einige der Forderungen von ai sind sicher berechtigt, und ich unterstütze sie schon aus dem Grunde, damit die ungerechtgfertigten Pauschalvorwürfe endlich aus den Medien verschwinden. Wenn am Ende unserer Diskussion trotz aller Meinungsverschiedenheiten folgender Satz als Grundkonsens übrig bleibt, wäre ich zufrieden:

„Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden, die Staatsanwaltschaften, sollen die Ermittlungen selbst umfassend und unparteiisch durchführen und bei ausreichendem Verdacht die Fälle zügig den Gerichten zuleiten.“


Mit freudlichen Grüßen
Lensman
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