Freies Politikforum für Demokraten und Anarchisten

bjk · Beiträge: 7353

Bericht vom ID-flashmob auf dem Potsdamer Platz

Dem am 27. Januar in http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/4/25724824.0.30115.html angekündigten ID-flashmob war gestern anzumerken, daß die InitiatorInnen vermutlich keine Demo-Profis waren - und gerade das macht sie so sympathisch!

"Um was geht da es überhaupt?" werden sich gestern wohl die meisten PassantInnen am Potsdamer Platz in Berlin erstaunt gefragt haben. Zwar war auf den Demo-Plakaten unschwer der "typische Franzose" als Gourmet mit Rotwein und Baguette zu erkennen und der flashmob somit Frankreich zuzuordnen, jedenfalls wohl für die meisten Flanierenden, aber weitere erklärende Infos gab es keine. Hoffentlich haben nicht zuviele PassantInnen geglaubt, der actionmob gehöre zur neben der Großen Uhr aufgestellten einstöckigen Werbe-Aktionsbox des französischen Kosmetikherstellers L’Oréal.

Das französische Ministerium für Einwanderung, Integration, nationale Identität und solidarische Entwicklung hatte am 25. Oktober 2009 mit einer Debatte zur sogenannten "nationalen Identität" (deshalb auch ID-flashmob) gewollte Unruhe innerhalb der französischen Bevölkerung verursacht. Als Minister federführend war der aus der PS (Sozialistische Partei) kommende Eric Besson, dem nachgesagt wird, er habe das Ministeramt unter Nicolas Sarkozy auch angetreten, um seinen ehemaligen ParteifreundInnen zu schaden. Die Kampagne "nationalen Identität" entspricht der in der BRD von Friedrich Merz und Norbert Lammert (beide CDU) angestoßenen "Leitkultur"-Hetzdebatte. Das Ziel beider Kampagnen ist vordergründig die "bessere" Integration von ZuwanderInnen, in Wahrheit aber ein immer offener werdendes Praktizieren von rechtskonservativnationalem Gedankengut, das ohnehin bei konservativ-"demokratischen" Parteien nicht nur in der BRD und da beileibe nicht nur in der ach so "christlichen" Union und FDP schlimme Urständ feiert.

Hier in Berlin haben nun engagierte junge Leute und hier lebende FranzösInnen mit ihrem flashmob gestern ein Zeichen gegen die direkte und indirekte Diskriminierung von ZuwanderInnen in Frankreich gesetzt. Es war eine sehr schöne und sympathische Aktion, die pünktlich um 14 Uhr startete und cirka 5 Minuten dauerte und das nächste Mal sicher noch außenwirksam informativer gestaltet wird.

Bereits um 13:40 Uhr war ich auf dem quirligen Touristentreff Potsdamer Platz, der mir Berliner allerdings viel zu gesichtslos, weil geschichtslos und überhaupt nicht berlinspezifisch ist. Anderen mag die Allerwelts-Glas- und Betonwüste ja gefallen, mir nicht. Einzig der Großen Uhr kann ich Positives abgewinnen. Sie soll, 1924 errichtet, die als erste in Europa installierte Ampelanlage symbolisieren, deshalb auch die Ampelsymbole ganz oben im Kopf der Großen Uhr. Offenkundig werden ihre Elektronik-Uhren aber schlecht gewartet, denn sie zeigen die Zeit nicht synchron an, wie Foto Nr. 20 zeigt. Vielleicht sind sie aber ja bloß nicht winterfest.

Das gestern herrschende Tauwetter mit viel Sonnenschein ließ den kommenden Frühling ahnen. Der splittgraue Schneematsch und die vielen Pfützen, durch die mensch oft latschen mußte, trübte die Freude am Sonnenschein ein wenig. Direkt an der Uhr sah ich noch niemanden warten aber bald fiel mir eine Gruppe junger Leute etwas abseits auf, die ich wegen ihrer "szenetypischen" Kleidung und ihrem Verhalten sofort dem flashmob zurechnete. So war's dann auch. Einen jungen Mann mit Kamera sprach ich nämlich daraufhin an, als er wohl als Einleitung seines Videos die Große Uhr abfilmte (Foto Nr.1). Er sei gebeten worden, den flashmob auf Video zu dokumentieren und freute sich, zu hören, daß ich ebenfalls Ähnliches mit meiner Knipse vorhatte. Auch ein Fernsehteam war schon einige Minuten auf dem Platz und wartete offenkundig auf den Start des flashmob.

Punkt 14 Uhr ging's wie angekündigt los. Wie aus dem Nichts stießen zu der vorher kleinen Gruppe noch weitere junge Leute hinzu und begannen ihre fröhliche, die Fotos zeigen's überdeutlich, mehrere Minuten dauernde Spontan-Aktion. Die PassantInnen freuten sich aber bestimmt die wenigstens konnten sich denken, um was es sich hierbei handelte. Der nächste flashmob wird diesbezüglich bestimmt noch passantenfreundlicher gestaltet werden.

Sozusagen als zum Schmunzeln und hoffentlich auch zum Nachdenken anregender tag "flashmob was here" verschönerten die vielen "typischen Franzosen" nach Beendigung des actionmobs die so öde Beton- und Matsch-Wüste Potsdamer Platz. - Dieser flashmob auf geschichtsträchtigem Boden aber gesichtsloser Beton-Glas-Architektur war eine schöne, gelungene, sympathische Aktion!

Sämtliche Demo-Fotos dürfen bei namentlicher Nennung des Knipsers und Angabe der Quelle für nichtkommerzielle Zwecke gerne heruntergeladen, gespeichert und weiterverbreitet werden.

Bernd Kudanek alias bjk

20 Foto-Impressionen

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der flashmob-Fotograf vor mir wartet wie ich, daß es endlich 14 Uhr wird

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gerade ist es 14 Uhr geworden und blitzschnell hat sich der flashmob wie aus dem Nichts gebildet

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um 14:06 Uhr hat sich der flashmob wieder aufgelöst. Die vordere Uhr geht nach, die rechte stimmt

es war eine gelungene Aktion!

... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson