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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 20.12.11, 11:12     Betreff:  Wulff als Watschenmann auf dem Rummelplatz der Medien

"Im Übrigen ist völlig klar: Ein Politiker fällt nur, wenn er von den eigenen Leuten fallen gelassen wird." Wolfgang Lieb in NachDenkSeiten



gelesen in: http://www.nachdenkseiten.de/?p=11660#more-11660


Wulff als Watschenmann auf dem Rummelplatz der Medien


Die Medienkampagne gegen Christian Wulff wäre glaubwürdiger, wenn auch nur ansatzweise ein vergleichbarer Rechercheaufwand bei für die Menschen viel existenzielleren Fragen betrieben würde. Auch bei vielen politischen Entscheidungen des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten hätte man kritisch fragen können, welche Rolle dabei seine Unternehmer-Freundschaften spielten. Der Medienwirbel um ein relativ kleinförmiges Fehlverhalten ist eher ein Ablenkungsmanöver vom Versagen der Medien vor den viel komplexeren Problemen der derzeitigen dramatischen politischen Herausforderungen. Die Medienkampagne um Wulff ist ein Beispiel für die Personalisierung von Politik. Sie fördert die passive Zuschauerrolle der Bürgerinnen und Bürger, die sich auf das Herumnörgeln an Politikern beschränkt. Statt Teilhabe an der politischen Willensbildung sollen Köpfe rollen. Interessant ist auch die Frage, warum gerade die Bild-Zeitung und der Spiegel das Feuer auf Wulff eröffneten. Von Wolfgang Lieb.


Wir von den NachDenkSeiten haben uns bei der Medienkampagne, die derzeit gegen Christian Wulff läuft, zurückgehalten. Nicht weil wir die Vorwürfe gegenüber dem derzeitigen Bundespräsidenten für harmlos oder gar für unberechtigt halten und weil wir nicht dessen nachträglichen Umgang mit seinem Fehlverhalten als beschämend empfinden, sondern weil wir die wirtschaftliche und soziale Situation, in der wir stecken, und die politischen Entscheidungen, wie mit den aktuellen Krisen umgegangen wird, für jeden einzelnen von uns für wesentlich existenzieller halten, als die Fehltritte von Christian Wulff.

Die Medienkritik ist berechtigt

Die Tatsache, dass die Bild-Zeitung und den Spiegel plötzlich ein Jagdfieber auf Wulff gepackt hat, ist nicht zu kritisieren. Es ist nur demokratisch und entspricht ihrer Wächterrolle gegenüber Politikern, wenn die Medien kritisch und weniger ehrerbieterisch mit Politikern umgehen und auch persönliche Verfehlungen dem kontrollierenden Blick der Öffentlichkeit ausgesetzt werden. Denn politische Korruption ist ein deutliches Anzeichen für eine faulende Demokratie und ein Alarmsignal dafür, wie zynisch und amoralisch die politische Klasse geworden ist. Ein Beispiel dafür, wie die Eliten selbst Wein trinken und Wasser für die breite Masse predigen. Deshalb wird auch die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten – wenn er sie denn noch halten darf – diesmal besonders spannend.

Ach wären doch die Medien bei viel wichtigeren Problemen genauso kritisch

Bevor man jetzt aber gerade der Bild-Zeitung einen Ehrenkranz für investigativen Journalismus flicht, sollte man sich fragen, wo findet sich eigentlich eine solche Wolllust zur Recherche auf viel dramatischeren und wichtigeren politischen Feldern?

Wird etwa von den Journalisten genauso penetrant recherchiert, wenn es um die Vergabe von Milliardenkrediten an angeblich notleidende Banken durch geheim tagende kleine Kontrollgremien geht? Wurde auch nur annähernd so genau in die Bücher geschaut, als es um die Aufklärung ging, welches „systemische Risiko“ eigentlich hinter der Rettung dieser oder jener Bank stand? Wird ein vergleichbarer Rechercheaufwand betrieben, wenn es um die tatsächliche Beteiligung der Banken bei einem Schuldenschnitt für Griechenland geht? Die kritische Medienöffentlichkeit verhielt sich bei der Ausgrabung von Details aus dem Privatleben von Wulff im Vergleich zu vielen Fällen der jüngsten Zeit, wo der Steuerzahler mit Milliardensummen haftet, in etwa so, wie das bei Haushaltsverhandlungen im Parlament symptomatisch ist; zugespitzt gesagt: Da wird endlos darüber gestritten, ob die Anschaffung eines Dienstfahrrads zu einem Preis von 700 Euro gerechtfertigt ist, wo es doch im Supermarkt schon Räder für 400 Euro gibt, ein komplexes Vorhaben mit Milliardenkosten jedoch, wird hingegen anstandslos durchgewinkt, weil die komplexen Einzelposten niemand mehr durchschaut.

Was will ich mit diesem Vergleich sagen?

Es ist relativ einfach herauszufinden, dass Wulff schon in seiner Jugend eine teure Uhr gekauft hat oder in welchen Villen seiner Unternehmerfreunde er seine Urlaube verbracht hat, um dessen kleinbürgerlichen Hang zu Glamour zu belegen. (So etwa der Spiegel.) Viel interessanter für das allgemeine Interesse wäre es jedoch, herauszufinden, was seine Freundschaft mit dem in schwere Wasser geratenen Finanzhai Maschmeyer mit dem politischen Einsatz Wulffs für die Privatisierung der gesetzlichen Rente zu tun hatte. Oder ob Wulff z.B. von den Drückermethoden seines Freundes wusste, bevor er auf dessen Protz-Villa auf Mallorca urlaubte. Spannend wäre auch zu erfahren, was das Upgrade bei einem Urlaubsflug persönlich durch den damaligen Chef von Air-Berlin, Joachim Hunold, mit der Steuerprivilegierung von Flugbenzin oder damit zu tun hat, dass dem autokratischen Manager politisch nachgesehen wurde, dass in seinem Unternehmen die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer mit Füßen getreten werden konnten. Wichtiger wäre auch, einmal nachzuforschen, welche Rolle die „Skatbrüderschaft“ Wulffs mit dem bulligen RWE-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Großmann für die damalige Durchsetzung der Verlängerung der Laufzeit für AKWs gespielt hat. Bei allen politischen Entscheidungen die Wulff als Ministerpräsident getroffen hat oder auch bei der Frage, welche Netzwerke ihn in das Amt des Bundespräsidenten gehievt haben, hätten Journalisten fragen können, welchen Einfluss dabei seine Unternehmerfreunde genommen haben – nicht nur durch offensichtliche Vergünstigungen, sondern schon allein dadurch, dass man privaten Umgang pflegte. Wären solche „Freundschaften“ überhaupt entstanden, wenn sich die Geschäftsleute damit nicht wenigstens einen direkten Zugang zur Politik hätten verschaffen können – im Falle Wulffs bis in den Vorstand und ins Präsidium der CDU und über dessen frühere Zugehörigkeit zum sog. Andenpakt (einer einflussreichen konservativen Männerriege innerhalb der Christdemokraten) bis hin zur Kanzlerin?
Gerade in diesen Kreisen gilt doch das Prinzip, eine Hand wäscht die andere.

Kurz: Die Medienkampagne, die jetzt veranstaltet wird, wäre glaubwürdiger, wenn die gleiche kritische Haltung, mit der jetzt das persönliche Verhalten Wulffs durchleuchtet wird, auch gegenüber den politischen Inhalten eingenommen worden wäre oder würde, für die der jetzige Bundespräsident in seinen früheren politischen Ämtern eingetreten ist und bis heute eintritt. Welches gesellschaftliche Interessenumfeld prägt und stützt ihn, das wären Recherchefelder gewesen, denen sich die Medien hätten längst widmen können – und das hätte manche politische Entscheidung Wulffs leicht erklären können.

Dass ein relativ kleinförmiges Fehlverhalten oder charakterliche Schwächen einen derartigen Medienwirbel auslösen, muss eher als Ablenkungsmanöver vor dem Versagen der Medien gegenüber politischen Hintergründen, vor allem aber bei der kritischen Berichterstattung vor der Finanzkrise und bei deren politischer Bewältigung gewertet werden.

weiterlesen in: http://www.nachdenkseiten.de/?p=11660#more-11660




... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson
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