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New PostErstellt: 20.07.14, 06:24     Betreff: Hebron 1929–Shuafat 2014 - Artikel von Avraham Burg

entnommen aus: http://diefreiheitsliebe.de/allgemein/hebron-1929-shuafat-2014#more-27494



Hebron 1929–Shuafat 2014


Die ganze Welt spricht momentan über den Krieg im Nahen Osten, Stimmen des Friedens an der Seite der Unterdrückten sind selten geworden ( http://diefreiheitsliebe.de/international/alba-staaten-kritisieren-israelische-gewalt ), umso schöner, dieser Artikel von Avraham Burg, einem ehemaligen Politiker der israelischen Arbeiterpartei.

Die letzten Tage bin ich still geblieben. Mir fehlen die Worte, um den lokalen Trubel und den Sturm der Emotionen zu beschreiben. Was lässt sich sagen in Bezug auf Mord und Gewalt, rassistischen Doktrinen und religiösen Eifer, verknüpft mit schrecklicher politischer Schwäche und einer Schwäche des Intellekts seitens der israelischen Führung? Was kann gesagt werden, das nicht bereits gesagt worden ist? Nichts. Und so blieb ich still.

In Shuafat wurde alles sehr scharf und klar. In diesen Tagen welkt Jerusalem in der Mittagshitze dahin. Arbeiter der Stadtverwaltung wischen die Überreste der Zusammenstösse auf den nach Shuafat führenden Strassen weg. Die ausgebrannten Stationen der Leichtbahn säumen den Weg zur zentralen Moschee und zum Zelt der Trauernden. Es ist halbvoll. Fotografien von Mohammed Abu Khdeir schmücken die Wände der Moschee. Ein leichter Ostwind, von der Wüste her kommend, füllt das Zelt für einen Moment mit Leben. Die von überall aus Palästina gekommenen Besucher entschuldigen sich mit beschränktem Wortschatz bei mir dafür, dass es kein Wasser gibt. «Wegen des Fastens, Sie verstehen.» Es werden Reden gehalten. Über Gott, den Barmherzigen, den Gnadenvollen. Über den Märtyrer, der zur ewigen Ruhe gegangen sei. Alle Dinge, die man unter solchen Umständen zu hören erwartet, werden gesagt. Sie sind zornig auf Mahmoud Abbas, machen sich lustig über Binyamin Netanyahu und fürchten um ihre Zukunft.

Der Geistliche der Gemeinde, der auch als Organisator fungiert, erzählt mir von den Vorbereitungen des Leichnams des Jungen für das Grab. Er hat diese Geschichte schon Hunderte Male zu Hunderten von Menschen erzählt, die Kondolenzbesuche abgestattet haben, und es bewegt ihn trotzdem noch. Einfache Worte, erschreckende Beschreibungen. Von einem Menschen, der gefesselt und verbrannt worden ist, von innen und von aussen, noch lebend. Er sprach in warmen Worten von dem Teenager, der nach der Mahlzeit im Morgengrauen vor Fastenbeginn mit seinen Freunden zum Gebet in die Moschee gegangen war. Unvermittelt wanderten meine Gedanken zu einer anderen Stadt, zu einer weiter zurückliegenden Gewalt. Ich dachte an ein kleines Mädchen, das in einer anderen Zeit lebte – anders und doch so ähnlich.

Ich schrieb unlängst über die Geschichte meiner Mutter in Hebron. Über ein kleines jüdisches Mädchen mit arabischen Nachbarn, einem arabischen Kindermädchen und edlen Haushälterinnen, die sie, meine Grossmutter und einen Teil der Familie vor den Amokläufern von Hebron retteten. Ich verdanke mein Leben und das Leben meiner Kinder den Helden Abu Shaker und Umm Shaker. Gerechte unter den Nationen, die riskierten, von ihren eigenen Leuten getötet zu werden, von jenen, die das Antlitz Gottes in ihnen verloren hatten und erbarmungslos so viele der Hebroner Juden umbrachten, wie es ihnen nur möglich war. Sie erstachen, vergewaltigten, erdrosselten und – verbrannten. Von einem Verbrennen zum anderen Verbrennen, vom Verbrennen der Juden in Hebron bis zum Verbrennen von Mohammed im Jerusalem-Wald erwachten alle meine Erinnerungen. Wer kann sich die schlechten Seelen jener jüdischen Hasser vorstellen, die ebenso dunkel sind wie die Seelen der Schlächter von Hebron 1929? Kann überhaupt jemand all jene verstehen, die ihre Ohren und Augen vor den Schreien des unschuldigen Jungen verschliessen konnten, der ermordet werden sollte? Das Verstehen hat seine Grenzen, doch die Erinnerungen haben offenbar keine Limiten.

Der Geistliche sprach vom Jungen Mohammed, der verbrannt worden war, und ich dachte an meine Mutter und daran, wie ihre Kindheit verbrannt wurde. Ich dachte daran, wie sich kein Jude für Mohammed Abu Khdeir aufgeopfert hat, daran, dass es noch nie israelische Juden gab, die Gerechte unter den Nationen waren. Die Art, die Araber von ihren Verfolgern des Glaubens des Mosche gerettet hätten. Ich dachte an den Jungen, der Träume geträumt hatte, und der jetzt nicht mehr war. Alles, was von ihm übrig geblieben ist, waren Albträume. Und ich dachte an die Mörder und ihren mörderischen Akt. Ihr Geist, der Geist des Kain, hat nicht nur ihn getötet. Viele Hoffnungen, die hier noch in den Herzen vieler Juden wie Palästinenser lebten, wurden mit ihm zur ewigen Ruhe gebettet.

Als ich das Trauerzelt verliess, bat ich um Entschuldigung. Ich entschuldigte mich bei dem unschuldigen Jungen, der den Monat des Ramadan feiern wollte – ein Monat der Betrachtung und der Zurückhaltung, die Tage der Versöhnung und Taten der Freundlichkeit. Doch sein Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Und ich bat um Entschuldigung im Namen vieler Juden, die nicht wissen, wo sie sich angesichts der aus unserer Mitte aufstrebenden Schande hinwenden sollten. Und ich bat um Entschuldigung als Mitglied der Menschenrasse dafür, dass ich nicht genug getan hatte, um für diesen Jungen und meine eigenen Kinder eine andere Realität zu schaffen. Dann bat ich bei meiner Mutter um Entschuldigung dafür, dass einmal mehr ihr Geist und ihre Hinterlassenschaft ermordet worden waren. An einem frühen verwünschten Jerusalemer Morgen, viele Jahre nach ihrem Tod, haben diese bösen Menschen meine Mutter ermordet sowie die Tatsache, dass sie von der Hölle errettet worden war und das nie vergessen hatte. Die Tatsache, dass die gesamte Hinterlassenschaft, die sie zurückgelassen hatte, darin bestanden, nie den palästinensisch-arabischen Mann zu vergessen, der im Aufbäumen einer spirituellen Stärke nicht nur sie gerettet hat, sondern die Menschheit in ihrer Gesamtheit. Und als der einsame Junge ermordet wurde, wurde auch ihre Hinterlassenschaft von Dank und Hoffnung getötet. Auch darüber trauerte ich bitterlich.

Avraham Burg ist ein israelischer Autor und ehemaliger Politiker der Arbeitspartei. 




... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson
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