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Der Staat ist in Gefahr: Marx wird wieder gelesen!

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 17.09.03, 11:56  Betreff:  Staatliche Exekutive versus Menschenwürde?  drucken  weiterempfehlen

Freispruch für Therapeuten

Ende 2000 stürmte Polizei in eine Beratungsstelle für Flüchtlinge. Gesuchter Kurde sprang aus dem Fenster. Angeklagt wurde wegen Widerstands der Leiter des Büros. Gestern wurde er freigesprochen
von PLUTONIA PLARRE

Der Fall hatte weit über Berlin hinaus Aufsehen erregt. Aus Angst vor Polizei und Abschiebung war ein 17-jähriger Kurde im November 2000 aus dem Fenster der psychotherapeutschen Beratungsstelle für politisch Verfolgte Xenion gesprungen. Wie durch ein Wunder hatte der Jugendliche nicht nur überlebt, sondern hat auf Dauer Asyl in Deutschland bekommen. Der Leiter der Beratungsstelle, Dietrich Koch, dagegen wurde nun drei Jahre später wegen des Vorwurfs vor den Kadi gezehrt, der Polizei seinerzeit den Zutritt zu den Praxisräumen verweigert zu haben. Gestern erging das Urteil. In seltener Einmütigkeit kamen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht zu dem Schluss, dass Koch und dessen mitangeklagte damalige Sekretärin vom Vorwurf des Widerstands freizusprechen seien.

Die zentrale Frage in dem Prozess war, ob Koch mit seinem Fuß seinerzeit so die Eingangstür blockiert hatte, dass die Polizisten nicht eintreten konnten. Hintergründig ging es in dem Verfahren jedoch um weit mehr: Müssen Therapieräume nicht ähnlich wie Arztpraxen als besondere Schutzräume angesehen werden und sollen Polizisten nicht zu einer besonderen Sensibilität in derlei Institutionen angehalten werden? "Ich möchte verhindern, dass sich so ein Vorgang wiederholt", kündigte Koch nach seinem Freispruch ein baldiges Gespräch mit der Polizeiführung und Innenverwaltung zu diesem heiklen Thema an.

Der Fall, der sich am 24. November 2000 im Xenion in Charlottenburg abgespielt hat, zeigt, wie wichtig es ist, für die Zukunft Vorsorge zu treffen. Der 17-jährige Kurde Davud K. war seinerzeit erst ein halbes Jahr in Berlin. Obwohl er in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK zu 15 Jahren Haft verurteilt und gefoltert worden war, war sein Asylantrag vom Verwaltungsgericht Magdeburg mit der Begründung abgelehnt worden, seine Unterlagen seien gefälscht. Zu dem Polizeieinsatz im Xenion war es gekommen, nachdem der Kurde beim Schwarzfahren erwischt, aber geflohen war. Auf dem U-Bahnhof hatte er jedoch sein Portemonnaie verloren, in dem sich der Zettel mit dem Termin bei Xenion befand.

Davud K. war erst kurz zuvor bei Xenion eingetroffen, als mehrere Polizisten bei Koch die Herausgabe des Kurden begehrten. Ihre Begründung: Gegen den Jugendliche läge ein Haftbeschluss wegen einer Ausweisungsverfügung der Ausländerbehörde vor. Später stellte sich raus: So ein Beschluss hat nicht existiert. Koch wollte einen Durchsuchungsbeschluss sehen. Daraufhin wurde ihm entgegengehalten, man könne die Praxis auch wegen Gefahr im Verzuge durchsuchen.

Ihm sei von Anfang an klar gewesen, so Koch gestern vor Gericht, dass der Anblick der Polizisten den jungen Kurden in größte psychische Nöte stürzen würde. "Ich wusste, dass er gefoltert worden ist. Er hat mir gegenüber deutlich gemacht, dass er sich lieber umbringen würde, als in die Türkei zurückzugehen." An der Tür entspann sich ein heftiger Wortwechsel, der plötzlich von einem dumpfen Schlag übertönt wurde. Davud K. hatte sich aus einem zum Innenhof führenden Fenster drei Stockwerke in die Tiefe gestürzt. Dank einer sofortigen Operation hat der Kurde keine bleibenden Schäden zurückbehalten. Eine Woche nach dem Fenstersturz wurde er dank einer Recherche des ARD-Nachrichtenmagazins Kontraste als politisch Verfolgter anerkannt. Kontraste hatte nachgewiesen, dass seine Unterlagen keineswegs gefälscht waren.

Ende gut, alles gut? Von wegen. In seinem Plädoyer listete Kochs Verteidiger Rüdiger Jung auf, dass es ohne die Schlamperei und einseitige Prüfung von Seiten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und des Magdeburger Verwaltungsgerichtes nie zu dem tragischen Vorfall gekommen wäre. Und auch die Polizei hatte laut Jung kein Recht, sich ohne Wenn und Aber auf Gefahr im Verzuge zu berufen. Für die Zukunft, so der Anwalt, bitte er die Polizei doch um etwas mehr Augenmaß. "Immerhin handelte es sich hier um den sensiblen Bereich einer Therapieeinrichtung und nicht um eine Kneipe, in der die Zeche geprellt worden ist."

taz Berlin lokal Nr. 7159 vom 17.9.2003, Seite 21, 137 TAZ-Bericht PLUTONIA PLARRE

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Dieser taz-Artikel paßt, wie ich finde, auch trotz nur indirektem Bezug zum Eingangsbeitrag doch irgendwie zu Babas Botschaft. Denn die bundesstaatliche Exekutive hat in der Tat noch immer teilweise erhebliche Defizite beim Grundverständnis und der Umsetzung bezüglich des Schutzes der Menschenwürde. Zu oft sind die ausführenden Organe vor Ort schlicht überfordert.

Ob es an entsprechenden kontinuierlichen Schulungsmaßnahmen mangelt?


fragt sich
bjk


Reife ist
schärfer zu trennen
und inniger zu verbinden


[editiert: 17.09.03, 11:56 von bjk]
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Baba Yaga


New PostErstellt: 05.09.03, 22:33  Betreff: Der Staat ist in Gefahr: Marx wird wieder gelesen!  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Nachfolgender Artikel beschreibt die "Leistungen!!!!!!" des Thüringer Verfassungsschutzes.
Dieser dürfte sich nicht wesentlich von anderen dtsch. Spitzeldiensten unterscheiden.
Man kann nur noch den Kopf schütteln, wofür Länder- und Bundesregierung unsere Steuergelder verschleudern!
Solche, von Verfolgungswahn und Hirngespinnsten getriebene Angst- und Schrecken-Einpeitscher, die Flöhe hüpfen und das Gras wachsen hören, sind die Haupt-Ursache für Demokratie- und Freiheitsverlust der Menschen in Deutschland!

Hier nun die Story:

junge Welt vom 06.09.2003

Inland
Skandal: »Marx wird wieder gelesen!«
Thüringer Verfassungsschutzbehörde warnt vor linken Umtrieben der Internet-Guerilla
Martina Renner / Stefan Wogawa

»Militanter Linksextremismus – zwischen ideologischer Rezession und Aufbruch zu neuen Ufern« lautete der Titel eines Symposiums, zu dem das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz am Donnerstag nach Erfurt geladen hatte. Über die fast schon naturgemäßen Berührungsängste mit der Außenwelt machte der Veranstalter erst gar keinen Hehl. Mehr als eine Begleitperson »würde zu einer von uns nicht gewollten Umwidmung in eine quasi öffentliche Veranstaltung führen«, hatte das Amt PDS-Landtagsabgeordneten im Vorfeld mitgeteilt.

Die Rezession einer vermeintlich militanten Linken beschrieb Rudolf van Hüllen vom Bundesamt für Verfassungsschutz nicht ohne Demagogie. Dabei machte seine Militanz-Definition auch vor der PDS nicht halt, die er zur Erheiterung des überwiegend konservativen Publikums mit den Worten Lenins als »eine in Fäulnis übergehende und absterbende Formation« klassifizierte. Besser stehe es auch um die einst starke antifaschistische Bewegung in der Linken nicht, die es nicht verschmerze, daß der Staat ihnen das Thema abspenstig gemacht habe. Gemeint war damit wohl der regierungsamtliche und kurzatmige »Aufstand der Anständigen«. Die Autonomen, nach van Hüllen »einst in Bataillonsstärke aufmarschierend«, sind nach Meinung des »Verfassungsschützers« ebenfalls dem Tode geweiht.


Statt aber konsequenterweise die Auflösung der Abteilung »Linksextremismus« des Verfassungsschutzes einzuleiten, beschwor Patrick Moreau, Hofpolitologe der CDU/CSU, von »neuen Ufern« drohende Gefahren, denen sich die wehrhafte Demokratie zu stellen habe. Gefahr gehe etwa von der neuen Europäischen Verfassung aus, die kommunistische Parteien nicht als extremistisch einstufe. Moreau warnte gar vor einer riesigen kommunistisch-sozialistischen Fraktion im nächsten Europa-Parlament. Auch die Einbürgerung von jahrzehntelang in Deutschland lebenden Migranten sind ihm ein Dorn im Auge. So würden Anhänger der italienischen Rifondazione, der griechischen KKE oder gar der kurdischen Kadek mit einem deutschen Paß ausgestattet.


Moreaus Horrorszenarien kulminierten schließlich in der Erkenntnis: »Marx wird wieder gelesen! – und das ausgerechnet von jungen Leuten«. Im Internet kursiere eine ganze Flut linker Texte. Die Linke formiere sich als »mediatische Guerilla« hinter Bits und Bytes zwischen Chiapas und den Landlosen in Brasilien, den Staudammgegnern in Indien und rebellischen Bauern in Frankreich. Bei ATTAC und der Peoples’ Global Action schlüpfte mancher Linksextremist, ob vormals Marx-, Trotzki-, oder Autonomie-Anhänger, einfach unter. Auch an Thüringen gehe diese Entwicklung nicht vorbei, wußte am Ende Martin Kaufmann vom Landesamt für Verfassungsschutz zu berichten. Schuldig blieb er allein den Nachweis: 14 »Gewaltdelikte Links« wurden 2002 in Thüringen gezählt.


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Adresse: http://www.jungewelt.de/2003/09-06/012.php
Ausdruck erstellt am 05.09.2003 um 22:19:11 Uhr



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