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Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 09.08.06, 12:31  Betreff:  Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  weiterempfehlen




als Diskussionsgrundlage aus dem Subforum "Außenpolitik" hierherkopiert

URL hierzu: http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/2/12169280#12169280


    Zitat: indy
    Zunächst die beiden "klassischen":
    antiimp vs anti-d
... hmm, also hier von "klassisch" zu sprechen, hieße ja, aus Hofnarren Könige zu machen
... aber sei's drum, wer sich in eine dieser Schubladen reinquetschen läßt, ist selber schuld


    Zitat: indy
    Die Anti-Imps sehen im Staat Israel den Unterdrücker der palästinensischen Bevölkerung.
... ooch, das sehen sicher nicht nur deine "Anti-Imps" so


    Zitat: indy
    Die Zionisten sind mit amerikanischer Hilfe in den Nahen Osten einmarschiert, um sich dort breit zu machen und die Palästinenser von dort zu vertreiben.
... wie hier im Forum wieder und wieder festgestellt, du (ihr) habt von der Nahost-Geschichte der letzten 120 Jahre noch weniger als Null-Ahnung
... du (ihr) fantasier[s]t Zusammenhänge, stoppelt sie zusammen, und behauptet, so isses passiert
... hab aber keine Lust, dir (euch) nun schon wieder zum xten Mal Nachhilfeunterricht in nahöstlicher Geschichte zu geben, jede/r kann's hier im Forum selber nachlesen


    Zitat: indy
    Das "wir waren aber zuerst da"-Argument klingt oft durch, obwohl gerade bei diesem Konflikt deutlich wird, dass es für Gegenwart und Zukunft kaum darauf ankommt, wer "angefangen" hat.

... ein tolles Rechtsverständnis, nicht nachzufragen, wer der Mörder und wer der Angegriffene ist
... klasse für den Mörder, der nach deinem Verständnis mit dem Angegriffenen gleichgesetzt wird und letzterer nach deinem Willen jegliches Recht auf Notwehr verliert und ergo genauso schuld wie der Mörder ist
... na, dann ihr lieben Mörder dieser Welt, jetzt könnt ihr endlich morden und massakrieren nach Herzenslust, endlich Gleichberechtigung zwischen Mördern und Opfern!
... aber halt, du hast ja recht, die USA und Israel handeln ja längst nach deinen Vorstellungen
... sie überfallen, morden, plündern, vergewaltigen ganz im Sinne deines "Rechtsverständnisses", weil die vieltausendfachen Opfer ihrer Greueltaten sich ja zumeist gewehrt haben oder dies zumindest tun wollten also selber schuld sind
... was für eine perverse Denke - da ist ja Dantes Inferno gar nichts dagegen!


    Zitat: indy
    Die antiimperialistische "Lösung" des Konflikts: Die Entwaffnung des israelischen Staates würde zur Folge haben, dass die jüdischen Menschen nicht mehr in Sicherheit leben könnten.
... selbst wenn deine imaginären "Anti-Imps" dies als "Lösung" parat haben, so verkehrt ist ein solcher Gedankenansatz nicht
... denn Entwaffnung ist eine richtige Maßnahme und Hauptvoraussetzung, Frieden herzustellen
... nur muß die Entwaffnung weltweit in allen Ländern durchgeführt werden
... Israel und die USA wollen aber nur weltweite Entwaffnung ihrer jetzigen und künftigen Aggressionsopfer und selber ihre High-Tec-Mordwaffen behalten


    Zitat: indy
    Die Anti-Ds berufen sich auf den tief verwurzelten Antisemitismus, nicht nur in Deutschland. Der Holocaust ist der Gipfel des Antisemitismus, der bis ins Mittelalter zurückreicht. Jüdische Menschen, die nicht länger von potentiell antisemitischen Regierungen anderer Länder fremdbestimmt werden wollen, sollen in Frieden leben dürfen. Dies ist in der derzeitigen Weltordnung nur durch die Bildung eines Staates möglich.
... ja, hier kann ich voll mitgehen !!!


    Zitat: indy
    Dieser Staat soll nach Wunsch der jüdischen Menschen dort errichtet werden, wo auch die Vorfahren lebten, im "Heiligen Land". Vertriebene Palästinenser, die keinen israelischen Staat haben wollen, werden bestenfalls als Kollateralschäden hingenommen, schlimmstenfalls als arabische Antisemiten dargestellt. Die antideutsche "Lösung" des Konflikts: Israel bekommt soviele Waffen aller Art und einen Freischein der "internationalen Gemeinschaft", damit sie auch die letzten Antisemiten aus dem Nahen Osten bomben können
... ja, das ist die "Logik" der Antideutschen, die Bahamiten sagen's noch krasser, nämlich statt "Wunsch" sagen sie RECHT
... übrigens gehört ein entscheidender Begriff geändert: es muß nämlich "nach dem Wunsch der zionistischen jüdischen Menschen" heißen und nicht "der jüdischen", denn zum Glück sind bei weitem nicht alle Juden auch Zionisten !!!
... in diesem Zusammenhang ist es auch falsch, vom negativ besetzten Begriff 'Antisemiten' zu sprechen sondern stattdessen muß der positive Begriff "Antirassist" verwendet werden


    Zitat: indy
    "Blauäugige" Friedensbewegte, die fordern, dass beide Parteien ihre Waffen niederlegen sollen. Der Grundgedanke ist natürlich schön, aber der Konflikt ist so aufgeladen, es herrscht soviel Wut im Bauch, dass die Forderung einfach utopisch ist. Die Israelis könnten zwar mit Teilen der Palästinenser einen Friedensabkommen eingehen, aber es wird immer diejenigen geben, die "Israel von der Landkarte streichen" wollen. Umgekehrt wachsen mit jedem israelischen Angriff Zorn und Wut der Palästinenser, aus denen dann weitere Selbstmordattentate und Raketenangriffe resultieren.
... nanana, "blauäugig" ist in diesem Zusammenhang ja geradezu rassistisch !
... wieso utopisch? - Die UNO übernimmt dann die "Polizei"aufgaben - allerdings darf die USA dann keine erpresserische Vormacht- und Blockierstellung mehr besitzen wie zur Zeit
... das ist durchaus machbar und keineswegs utopisch - die Neufassung der Genfer Konventionen und die Nürnberger Prozesse haben ja auch im Einverständnis (fast) aller Nationen durchgeführt werden können
... das mit dem "von der Landkarte streichen" ist wohl vor allem eine von den Hardliner-Zionisten immer wieder gerne hervorgekramte Schutzbehauptung, ihre Mordüberfälle als "präventive Schutzmaßnahme" zu "rechtfertigen"


    Zitat: indy
    Zu guter Letzt wäre da die "überreflektionierte", theoretisierte, antinationale Position, vertreten vor allem von Menschen, die fernab des Konfliktgeschehens leben. Menschen werden in verschiedene, konstruierte Nationalstaaten geboren und so erzogen, dass sie gegenseitig einander ausgespielt werden. Dies gilt es zu erkennen und daraufhin sollen sich alle Menschen in allen Staaten gegen ihre Machthaber auflehnen, auch in Israel und den angrenzenden arabischen Staaten. Das schaut auf dem Papier sehr emanzipatorisch aus, in der Praxis ist das aber nicht nur total utopisch, sondern es werden auch kaum Bemühungen in diese Richtung gemacht. Es ist die gemütliche, argumentativ kaum anzugreifende "ich sitze in meinem gemütlichen Sessel und weiss alles besser"-Position. Weiterführende Fragen ("Wie organisieren wir den antinationalen, grenzübergreifenden, jüdisch-arabisch-gemeinsamen Widerstand?") werden nicht gestellt.
... wenn du "total utopisch" wegläßt, stimme ich dir auch hier weitgehend zu


    Zitat: indy
    Alle "Lösungen" fordern entweder viele Menschenleben oder sind total utopisch. Trotzdem bevorzuge ich die Letzte. Bleibt nur noch die Frage nach praktischen Ansätzen. Die können alleine nicht aus Deutschland gemacht werden, dazu braucht es schon Kontakt zu Menschen, die im Krisengebiet leben. Bald werde ich welche kennenlernen. Ich bin gespannt, inwieweit sie bereit sind, auf antinationale Standpunkte einzugehen. Denn die Bedrohung von außerhalb vor welcher der Staat schützt, wird, im Gegensatz zum Westen, nicht bloß über die Medien propagiert, sondern von diesen Menschen als existent gespürt - z.B. durch den Verlust von Mitmenschen.
... bis auf dein völlig verqueres bzw. unausgegorenes Rechtsverständnis und offenbar teilweise fehlende Geschichtskenntnisse hast du sehr vernünftige Gedankenarbeit geleistet
... laß uns das mal weiter entwickeln
... vielleicht beteiligt sich ja der eine oder die andere auch daran und hat schon längst auf eine Initialzündung gewartet

Gruß
bjk



Mensch bleiben muß der Mensch ...
von Tegtmeier


[editiert: 09.08.06, 13:07 von bjk]
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 25.07.06, 11:04  Betreff: Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/8/11914572#11914572




http://www.hagalil.com/judentum/editorial/antisemitismus.htm
Warum Hass und Diffamierung, Verachtung und Lüge?
Warum gegen Juden?

[ANTISEMITISMUS.NET]

Warum war schon Awraham, der erste Vertreter des ethischen Monotheismus, Ziel von Hass und Diffamierung. Warum stieß König Nimrod diesen Mann, den seine Nachbarn als Mann des Friedens und der Verständigung ehrten, in den glühenden Ofen?

Auf solche Fragen kann es keine Antwort geben, es kann nur Versuche geben Gedanken zu ordnen, die Zeichen zu erkennen - um sich und andere besser zu schützen. Schon die Torah lehrt, dass es Antisemitismus geben wird. Im Talmud (Shab. 69) heißt es:
"Warum wurde die Torah auf einem Berg mit dem Namen Sinaj übergeben? Weil 'Sinah', der große Hass auf die Juden, von Sinaj ausgeht." (Sinah, der hebräische Ausdruck für Hass, wird fast genauso ausgesprochen wie Sinaj).
Schon nach dieser Erklärung hat der Hass nichts mit den Juden zu tun. Der Sinaj ist nicht ihr Berg, er liegt absichtlich nicht im Lande Israel, sondern im Niemandsland, in der Wüste. Israel wanderte am Berg nur vorbei und erhielt dort die Torah. Die Torah hat Israel nicht geschrieben, noch nicht einmal gelesen, bevor es sie annahm. Die dort Versammelten, die Torah spricht von 600.000*, sagten nicht "wir werden sehen was darin steht und dann überlegen ob wir sie annehmen", sondern sie sagten "wir werden sie annehmen und dann anhören".

Bevor die Torah empfangen wurde, richteten die Menschen ihr Leben nach subjektiven Konzepten von Gut und Böse und nach Machtverhältnissen. Am Sinaj wurde dem jüdischen Volk gesagt, dass es einen G'tt gibt, der an die Menschen moralische Anforderungen stellt. Man kann nicht leben, wie es einem gerade nützlich erscheint oder in blinder Erfüllung der Befehle anderer; es gibt eine höhere Autorität, vor der wir Rechenschaft ablegen müssen.

Die Torah lehrt, dass G'tt von uns nicht einfach Gehorsam und Opfer fordert, sondern die Übernahme von Verantwortung. Der Auszug aus Ägypten war nicht nur ein Fort von der Sklaverei, sondern auch ein Hin zur Freiheit.
Der Mensch als Geschöpf "nur um ein Weniges geringer als G'tt" (Ps.8.6.) verleugnet in der Unterordnung unter andere nicht nur seine eigene Würde, sondern auch die seines Schöpfers: denn "G'tt sprach: Machen wir den Menschen in unserem Bild nach unserem Gleichnis!... G'tt schuf den Menschen in seinem Bilde"...

Bereits aus diesen knappen Worten im Schöpfungsbericht folgt die Gleichheit aller Menschen. Jeder ist ein einmaliges Werk G'ttes. "Wir haben alle Einen Vater, uns hat Ein G'tt erschaffen", sagt der Prophet Malachi.

Diese Lehre erschütterte vor Jahrtausenden traditionelle Gepflogenheiten und Machtverhältnisse, und sie erschüttert die Welt auch heute! Zu jeder Zeit erschreckt sie die in Gehorsam und Mitläufertum vor sich hin Schlummernden, genauso wie sie die machtversessenen Tyrannen aller Epochen bedroht.

Or laGojim - Licht für die Völker

Ob G'tt die Torah Israel gab oder ob nur Israel die von G'tt angebotene Torah annahm ist eine Frage auf die es viele, auch witzige, Antworten gibt. Tatsache ist, dass Israel die Torah annahm und sie bis heute hochhält. Nach dem Verlust der materiellen Heimat wurde die Torah zum "geistigen Vaterland" der Juden. Sie war über die Jahrtausende hinweg oft das einzige was das jüdische Volk besaß.

G'tt wählte für seine Torah ein Volk ohne Macht und Reichtum. Ein geknechtetes Sklavenvolk. Israel war nicht das Klügste noch das Größte unter den Völkern. Moses wusste wenig im Vergleich zum Oberpriester der Ägypter. Hätte G'tt die Torah den Ägyptern gegeben, so hätte sie im Glanz Ägyptens weithin gestrahlt. Die Griechen hätten sie verbreitet mit grandiosen Ideen und intellektuellem Zauber. Hätte er sie den Römern gegeben, so hätten sie die Gesetze durchgesetzt, mit Streitwagen und Brechstangen.

Eine rabbinische Erläuterung besagt, G'tt habe an Israel drei Eigenschaften bewundert: Zedek, Bajschanuth, Rahamim, den Sinn für Gerechtigkeit, die schüchterne Bescheidenheit und die Fähigkeit zum Mitleid. Interessant ist, dass die Anfangsbuchstaben dieser Eigenschaften das Wort ZaBaR ergeben, die hebräische Bezeichnung für die im Lande Israel geborenen der neuen Zeit.

G'tt vertraute seine Lehre also nicht einem großen Volk an, sondern "dem geringsten unter den Völkern". Und er wusste, dass ein solches Volk mit diesen Eigenschaften sich nicht über die anderen Völker erheben würde. Er musste sogar wissen, dass ein solches Volk, mit solchen Eigenschaften, Zedek, Bajschanuth veRahamim, kaum in der Lage sein dürfte die Inbesitznahme des "versprochenen Landes" mit den damals üblichen Ausrottungsfeldzügen durchzuführen.

Er hat dies zwar geboten: "Rotte sie aus, die sieben Völker aus dem Land das ich dir geben werde" und diese Zeile der Torah wird auch immer wieder gerne als Beleg für die jüdische Grausamkeit angeführt. Trotzdem ist klar, dass ein solcher Genozid nie stattfand. Dies ist nicht erst klar, seit archäologische Befunde dies eindeutig beweisen, sondern schon in der Torah selbst angelegt.

Die Torah besteht nicht nur aus der sogenannten "schriftlichen Torah", oft als "fünf Bücher Moses" bezeichnet. Sie besteht auch aus der "mündlichen Torah", dem Talmud. Beide zusammen - und nur zusammen - sind die Torah. Nach der Überlieferung existierte die Torah schon vor Erschaffung der Welt. Nun enthält aber die Torah ganze Kapitel, in denen sie Israel Anweisungen und Gesetze gibt zum Umgang mit den Götzendienern aus eben jenen sieben Völkern, die laut Sefer Jehoschu'a (Josua) ausgerottet werden sollten.

Ihr bestialischer Götzenkult, mit Menschenopfern und weiteren Gräueltaten, hat Israel in besonderer Weise entsetzt und dementsprechend wird vor engem Umgang mit diesen Völkern in ganz besonderer Weise gewarnt. Ausgerottet wurden sie nicht, und selbst ihnen wurde nicht die Menschenwürde geraubt. In Gittin 61 (Bab. Talmud) lesen wir: "Man versorge die Armen aus den (sieben) Völkern mitsamt den Armen Israels, und man besuche die Kranken derer aus den Völkern mitsamt den Kranken Israels, und man begrabe die Toten derer aus den Völkern mitsamt den Toten Israels - um des Friedens willen".

Der Antisemitismus war also nicht Ergebnis irgendwelcher feindlicher Haltungen Israels. Israels Handeln hob sich stets von der Umgebung ab, in der es ja üblich war Besiegte grausam zu demütigen oder auszurotten. Im Gegensatz dazu beschränkte die Torah von vorneherein Möglichkeiten der Kriegsführung und mahnte zur Rücksicht auch gegen den Feind. Im 5.Mose 20 lernen wir: "Wenn Du eine Stadt belagerst..., darfst Du ihre Fruchtbäume nicht abhacken".

G'tt wählte das jüdische Volk das "Licht der Völker" zu sein, d.h. die Botschaft der Ethik in der Welt zu verbreiten, und tatsächlich wurden jüdische Ideen zur Grundlage der zivilisierten Welt, obwohl die Juden selbst immer nur einen kleinen Teil der Weltbevölkerung stellten. Für alle denen die Botschaft allgemeingültiger Gerechtigkeit, Bescheidenheit, menschlicher Solidarität und Verantwortung zur Erreichung ihrer Ziele im Wege stand, wurde das jüdische Volk mitsamt seiner Lehre zum roten Tuch. Und alle die sich in der Unterordnung bequem eingerichtet hatten nahmen die Hetze ihrer Tyrannen gerne auf und wandten sich gegen die "Unruhestifter".

Beispielsweise schrieb Adolf Hitler: "Die Vorsehung hat mich dazu ausersehen, der größte Befreier der Menschheit zu sein. Ich befreie die Menschen von den Zwängen einer belastenden Intelligenz, von ekelhafter und würdeloser Demütigung durch eine falsche Vision, welche man auch Gewissen und Moral nennt. Ich bin angetreten als Befreier von einem Verlangen nach Freiheit und persönlicher Unabhängigkeit, die nur die allerwenigsten ertragen können." Hitler nahm den Menschen nicht nur die Freiheit, sondern auch die Furcht vor der Freiheit.
In Deutschland galten Macht und Ordnung von je mehr als Freiheit und Gerechtigkeit. Selbst Goethe hat gesagt, eine Unordnung hasse er mehr als eine Ungerechtigkeit.

Freiheit rufet aus im Land - für alle Bewohner!

Es ist wichtig diese Wurzel des Antisemitismus zu verstehen - auch um Barrieren gegen eine Wiederholung zu schaffen. Schon wieder hören wir - in allen Ländern, in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in Amerika, in Frankreich, in den GUS-Staaten u.a. - die Parolen des Hasses, der Lüge und Verleumdung. Friedhöfe werden geschändet, Synagogen gehen in Flammen auf.
Unkenntnis und Gleichgültigkeit bis in die höchsten Ränge politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher Verantwortung, Beleidigungen in aller Öffentlichkeit, Hakenkreuzschmierereien und NS-Propaganda, nicht nur im Internet, zerren an den Nerven.

Auf dass Du lebest!

Bei Am Echad findet sich eine Anekdote, die von zwei Juden berichtet: einer religiös, der andere ohne Verbindung zur Religion. Ein Nazi fährt vorbei und pöbelt sie an: "Dreckige Juden!" Der Religiöse dreht sich um, blickt verwundert, zuckt mit den Achseln und bedauert im Stillen, daß der Nazi so voller Hass ist. Der zweite läuft vor Wut rot an und rennt zeternd dem Auto hinterher.

Der eine gewinnt aus seinem Judentum große Befriedigung, er kennt die Schönheit des Schabath, das Erleben des Sederabends im Kreise von Familie und Freunden, das gemeinsame Feiern in der Gemeinde, die gegenseitige Unterstützung, den Respekt und die Achtung, die Toleranz und die Tiefe der Gespräche miteinander. Er kennt das Glück der Vermittlung unserer Werte an unsere Kinder und die Verbindung zu G'tt - dem Heiligen - gelobt sei Er.

Er kann mit einem gewissen Maß von Antisemitismus umgehen - die positiven Werte wiegen die negativen eindeutig auf. Für denjenigen aber, der nur eine schwache Verbindung zu G'tt und zur Lehre hat, entbehrt das Judentum viele dieser positiven Aspekte. Seine Antwort auf den Antisemitismus kann nur aus Wut, Frustration - und schließlich neuem Hass - bestehen. Nicht das Glück der Welt, sondern ihr Unglück wird gemehrt.

Jeder Jude hat die Wahl für oder gegen eine jüdische Zukunft. Wer sich dafür entscheidet, kann verstehen lernen, was es heißt, jüdisch zu sein - er wird das Licht der Lehre erkennen und schätzen lernen. Er wird das Judentum als eine Quelle der Freude erleben, als eine erhebende Lehre des Lebens.

Die Ursache ist auch die Antwort

Jüdische Werte sind zwar Grund für den Antisemitismus - sie bieten aber ebenso die Lösung des Schreckens. Nur durch das eigene Lernen wie auch das Lehren der Torah an andere, können wir hoffen, diese Welt an einen Punkt zu bringen, an dem das Schlechte verschwunden und das Dunkel gebannt sein wird.

Im Schm'a Jisrael heisst es: "... Es seien diese Worte, die ich dir heute gebiete auf deinem Herzen. Schärfe sie deinen Kindern ein und sprich von ihnen, wenn du in deinem Hause sitzest und wenn du auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst. ..." (Sidur Sfath Emeth, Goldschmidt p.87, Ausg. 68).

Es gilt die G'ttlichkeit der Welt zu vertreten, die Sch'chinah sichtbar zu machen, um Tikun Olam.

Den Himmel auf die Erde bringen

In diesem Punkt sind sich, bei aller Verschiedenheit, die meisten Richtungen einig. Der Dialog ist zu suchen und zu führen - mit G'tt und den Menschen. Auf die Stimme G'ttes zu hören, die Stimme die sprach: "Es ist in deinem Munde und in deinem Herzen - es zu tun!" Bei Raw Mendel Schneerson heisst es: "Wenn Du den Himmel findest - dann erweise uns einen Dienst und bringe ihn auf unsere Erde".

Wenn die Menschheit die Ethik, die das Judentum der Welt vom Sinaj gebracht hat, annimmt, wenn sie begreift, dass es der Eine Einzige G'tt ist, der Himmel und Erde erschaffen hat, dass ER von uns etwas fodert, von uns allen: Verantwortung, Respekt, ethisches Verhalten, dann wird es niemals wieder einen Holocaust geben - nirgendwo.

Während des Elul erklingt das Shofar. Der Klang des Shofar, nach Rabbi Mosche Ben-Maimon, ein Weckruf, der uns aus unserem geistigen Schlummer wecken soll: "Erwache, um deine Handlungen zu untersuchen, zurückzukehren, Deines Schöpfers zu gedenken!"

Immer mehr Juden wollen zu ihrer jüdischen Identität stehen. Sogar jene, die völlig von der Gemeinde gelöst sind, weigern sich, ihre Verbindung aufzugeben.
Wollen wir nicht alle auch wissen - wozu?



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von Tegtmeier
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bjk

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New PostErstellt: 15.07.06, 19:58  Betreff:  Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/texte/halperin_yuval_welches_israel_unterstuetzen.htm



Welches Israel unterstützt Ihr?

Ein Brief an Europäer von Yuval Halperin



Wenige Male besuchte ich Europa, und ich weiß nicht viel von Euren Realitäten. In letzter Zeit wird Europa jedoch in Israel in einem einzigen Zusammenhang immer häufiger erwähnt: Antisemitismus.

Die israelische Presse berichtet schadenfroh, dass endlich die Angst vor Antisemitismus in die Herzen der Menschen in den europäischen Ländern eindringt, besonders in Frankreich und dass einiges im Gange sei, um diese Krankheit zu bekämpfen.

Es gab niemals eine ethnische, nationale oder religiöse Minorität, die nicht rassisch verfolgt wurde. All jene, denen die Werte von Gleichheit und Demokratie teuer sind, müssen mit aller Macht gegen jeden gegen eine Minorität geäußerten Hass, kämpfen.

Aber während ich selbst gegen meine eigene Regierung kämpfe, fürchte ich, dass die israelische Regierung und seine offiziellen Vertreter die drohende Antisemitismusgefahr ausnützen, um sich selbst von jeder Opposition und jeglicher Kritik zu befreien und damit die Linie verwischen, die zwischen rassischem Hass gegen Juden - egal wo sie sind - und der legitimen Opposition gegen die Besatzung oder den Zionismus unterscheidet.



Um meine Behauptung zu erklären, will ich hier kurz die Begriffe „Jude“ und „Zionist“ klären.



Seit Hunderten von Jahren lebten Juden als ethno-religiöse Minderheit in christlichen und muslimischen Ländern. Viele Generationen lang litten sie unter Diskriminierung, Demütigung und Verfolgung. Juden wurden wegen ihrer Abstammung und ihrem Glauben verfolgt, lange bevor die afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Völker dasselbe Schicksal – ausgelöst durch ihre kolonialen Beherrscher – erlitten.



Es überrascht darum nicht, wenn man entdeckt, dass gerade jüdischstämmige Leute einen großen Anteil als Avantgarde im Kampf gegen Nationalismus und Rassismus und für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit einnahmen. Die Namen von Karl Marx, Rosa Luxemburg, Danny „dem Roten“ und viele andere sind hier zu erwähnen.



Zionismus war eine der Reaktionen auf die Enttäuschung durch diese Prinzipien oder um genauer zu sein, durch ihre ( Nicht-)Erfüllung während der Geschichte. Sein Beginn kann in die Mitte des 19.Jahrhundert datiert werden. Er erschien als voll entworfene Ideologie und Bewegung beim 1. Zionistischen Kongress in Basel 1897. Die dem Zionismus zugrunde liegende Annahme war , dass die demokratischen Prinzipien niemals Erfolg haben werden, den Juden-Hass und die Aufhetzung gegen Juden zu verhindern, deshalb mussten die Juden eine Sonderlösung (ihres Problems) wählen anstelle einer universalen: das heißt, nach der Errichtung eines jüdischen Staates in einem Land zu trachten, in dem solch ein Staat schon einmal existiert hat, zu dem sich alle Juden in der Welt hingezogen fühlen. Um dieses Ziel zu erreichen, behaupten die Zionisten, ist es erlaubt, mit jeder Macht zu kooperieren, die dies akzeptiert, ohne Rücksicht auf deren eigene Motive oder anderen Glauben und Einflüsse.

Deshalb hat der Gründer des Zionistischen Weltkongresses, Theodor Herzl, dem deutschen Kaiser Wilhelm III. geraten, den Zionismus zu unterstützen; denn dies würde viele Juden aus den radikalen und republikanischen Bewegungen des Kaiserreichs lösen. (Sie würden in den jüdischen Staat auswandern).

Die ersten Gegner der Zionisten waren natürlich die Juden, da die jüdische Bewegung nur unter Juden aktiv war – nur sie waren dafür qualifiziert, unter dieses Banner zu treten.

Die meisten Juden der Welt sind heute auch keine Zionisten, obgleich ihre Botschafter, die von der israelischen Regierung geschickt werden, ihr Bestes tun, den Unterschied zwischen „Jude“ und „Zionist“ zu verwischen. Dabei hilft die Tatsache, dass nichtzionistische Juden weder ihr Jude-Sein betonen noch ihr Judentum stolz vorführen.



Doch bald entwickelte sich noch eine Kraft, die den Zionismus bekämpft – die wachsende palästinensische Nation. Das Land, das die zionistische Bewegung zur Zufluchtsstätte der Juden in aller Welt zu verwandeln träumte, war niemals verlassen oder leer. Alte landwirtschaftliche Gemeinschaften, die hier wohnten, entwickelten nach und nach im 19. Jahrhundert eine nationale Identität.

Um in diesem Lande die Mehrheit zu werden, handelten die Zionisten nicht anders als andere Kolonialbewegungen: die einheimische Bevölkerung von einem Quadratkilometer nach dem anderen zu vertreiben und Kolonisten/ Siedler ( in hebr. Sprache „Olim“) in den so „gesäuberten“ Gebieten anzusiedeln. Es gab keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Strömungen( „Labor-Zionismus“; „liberaler Zionismus“, „ religiöser Zionismus“) hinsichtlich dieses Problems. Die „Labor-Zionismus“-Bewegungen waren selbst eifrig damit beschäftigt, die arabischen Arbeiter von dem Land zu vertreiben, das von Zionisten erworben wurde, und stattdessen jüdische Arbeiter anzustellen. Mitglieder von „Poalei-Zion“ und Akhdut haavoda“-Organisationen pflegten junge Bäume, die von arabischen Arbeitern in den Dörfern gepflanzt wurden, auszureißen und arabische Hausierer in Städten zu betrügen. Stellt Euch das vor; dies wurde mir in der Schule über „Sozialismus“ beigebracht.



Die Vertreibungspolitik hörte mit der Errichtung des Staates Israel nicht auf. Im Gegenteil: die von den Zionisten gewonnene Macht, ermöglichte es ihnen, dies mit noch mehr Gewalt durchzuführen. Seit der Errichtung des Staates (1948) existierte weiterhin eine große arabische Minderheit innerhalb seiner Grenzen. (Ich will jetzt nicht näher auf die Geschichte der Vertreibung des größten Teils der palästinensischen Bevölkerung während des Krieges 1948 eingehen.) Heute leben etwa 1 Million Araber im Staat Israel, was etwa 20% der Bevölkerung ausmacht. Trotzdem wurde keine einzige neue arabische Siedlung in den 56 Jahren israelischer Existenz gebaut, obwohl sich die arabische Bevölkerung in diesen Jahrzehnten verfünffacht hat. Die Palästinenser sind gezwungen, sich innerhalb der Grenzen, in denen sie 1948 lebten, ohne rechtliche Genehmigung anzusiedeln, weil jedes Stück freie Land für jüdische Besiedlung reserviert ist. Slogans wie „Judaisierung Galiläas“ werden in Israel als in Konsensvereinbarungen enthalten betrachtet. Nur die Parteien, die die zionistische Ideologie aufgegeben haben, sind gegen diese Slogans. Dies ist nur ein Beispiel, das die Situation der palästinensischen Bürger Israels verdeutlicht. Sie sind nicht nur Bürger „zweiter Klasse“, sie sind ein Hindernis, ein Problem. Israel wird als der „Staat des jüdischen Volkes“ definiert, d.h. er gehört den Juden der ganzen Welt und nicht den Nicht-Juden, die darin leben. Der Begriff „Nation“ wird in Israel recht ähnlich dem gesehen, wie ihn die äußerste Rechte in Europa vertritt: ethnische Nationalität anstelle einer territorialen.



Die Gebiete, die im Juni 1967 erobert wurden, wurden von Israel immer wie gewöhnliche Kolonien betrachtet. Ihre (einheimischen) Einwohner beantragten nie die israelische Staatsangehörigkeit – sie wurde ihnen aber auch nicht gegeben. Israel bürdete ihnen jedoch eine militärische Herrschaft auf und baute auf ihrem Land jüdische Siedlungen, deren Bürgern volle Bürgerrechte gewährt wurden. Eine klassische koloniale Realität entwickelte sich in den besetzten Gebieten: Kolonisten auf dieser und „Eingeborene“ auf der andern Seite.



Es überrascht darum nicht, dass die besten Freunde der israelischen Regierung unter den Führern der extremen Rechten zu finden sind. Jean-Marie le Pen beschrieb - in diesen Tagen in einem Interview gegenüber einer israelischen Zeitung - Israel als ein Model zur Nachahmung und sagte: „Nun verstehen Sie, was wir während des Algerienkrieges durchgemacht haben.“ Der Italiener Gianfranco Pini wird nicht müde, Israel zu loben und zu rühmen und die dänische Partei des rechten Flügels servierte den Teilnehmern ihres Parteitages israelische Weine, um ihre Solidarität zu zeigen. Und vergessen wir George Bush nicht, den rechtesten Präsidenten in der Geschichte der USA, der jede Aktion Sharons unterstützt, selbst wenn er Kriegsverbrechen begeht.



Das europäische faschistische Lager war und bleibt antisemitisch, doch nun greift es eher Araber als Juden an. Die israelische Regierung und ihre Pressevertreter konkurrieren mit dieser antisemitischen Linie, nicht nur gegen semitische Araber innerhalb Israels und die unter seiner Besatzung, sondern auch gegen die semitischen Araber in Europa. Wer immer ein israelisches Nachrichtenprogramm hört, das sich mit europäischen Problemen befasst, mag annehmen, er sei versehentlich auf eine Radiostation gestoßen, die von der Nationalen Front betrieben wird.



Die dort geäußerten Behauptungen identifizieren Europas Hauptproblem mit der „Muslimischen Gefahr“. Die „Eindringlinge“ aus der dritten Welt bedrohen angeblich den Frieden, dessen sich die schönen weißen Europäer erfreuen, und gefährden ihre Kultur; deshalb müssten die Regierungen entschlossene Schritte unternehmen, um dieses Problem los zu werden.

Die Tatsache, dass sich die extreme Rechte jederzeit der „wahren“ Behandlung von Juden „erinnern“ könnte, wird von der israelischen Regierung stillschweigend übergangen. Sie sagte kaum einen Ton gegen den offenkundig antisemitischen Film „Die Passion Christi“, da dieser von den Evangelikalen unterstützt wurde, der extrem radikalen und reaktionären Sekte in den USA, die den 3. Tempel auf dem Tempelberg errichtet sehen möchte, damit die Muslime der Welt ihre Schwerter drohend gegen Israel schwingen und so Jesus veranlassen, vom Himmel herabzusteigen, es zu retten und die Juden von ihrer 2000 Jahre alten Blindheit zu heilen.



Aber jeder der Israels Politik oder den Zionismus in seiner Kritik auf den Punkt zu bringen wagt, wird mit der Antisemitismuskeule getroffen. Die IDF mordet unschuldige Zivilisten? Antisemit! Die Siedlungen sind illegal? Antisemit. Die Trennungsbarriere widerspricht internationalem Gesetz? Antisemit. Zionismus trägt die Kennzeichen des Kolonialismus? Antisemit.



Diese Propaganda dringt zuerst und vor allem in die Köpfe der Israelis, dann in die der Juden außerhalb Israels und schließlich in die der Friedensunterstützer und Gegner von Rassismus im allgemeinen, die dann zögern, die Wahrheit über all diese Dinge zu äußern.



Ich bin froh, um mich herum Dutzende von Solidaritäts-Aktivisten der ISM-Bewegung (viele von ihnen sind Juden) zu sehen, die ihr Haus und ihr Land verlassen haben, um den Palästinensern und Israelis in ihrem Kampf gegen Rassismus und Besatzung beizustehen. Die europäischen Regierungen jedoch geraten in dem Augenblick in Panik, sobald sie spüren, dass sie Sharon oder Mofaz „irritierten“. Dem leisesten Wort der Kritik folgt unvermeidlich eine lange Reihe von Entschuldigungen und Schmeicheleien. Wirkliche Sanktionen gegenüber Israel, das sich unter allen Ländern vielleicht der stärksten Beziehungen mit europäischen Ländern erfreut, werden nicht erwähnt. In den 60er Jahren verhängte de Gaulle ein Waffenembargo gegen Israel. Während der 1. Intifada (1987-93) wurden viele Abkommen im kulturellem und wissenschaftlichen Bereich zwischen Israel und Europa ausgesetzt. Und jetzt – hört Sharon nur Komplimente, antwortet aber mit Knurren: „Antisemitismus“.

Der Nahe Osten war in der Menschheitsgeschichte immer ein Brennpunkt schicksalsentscheidender Ereignisse. Das Land Israel oder Palästina – egal wie wir es nennen – liegt im Herzen des Nahen Ostens. Jeder auf der Welt, ob Jude, Moslem oder etwas anderes, muss die Ereignisse im Nahen Osten, besonders in Israel-Palästina, aufmerksam betrachten.



Die Entscheidung, die er treffen muss, ist nicht „für Israel“ oder „gegen Israel“; vielmehr, welches Israel unterstützt er: ist es das besetzende, kolonialistische und rassistische Israel oder das demokratische, patriotische und den Frieden suchende Israel, das sich aus den besetzten Gebieten zurückziehen und innerhalb seiner Grenzen alle Formen aus zionistischer Ideologie stammenden Diskriminierung löschen will ?



Der Schreiber ist ein Aktivist des Civil Forum, das für völlige Demokratisierung Israels arbeitet.

Quelle: Forum_ ezrachy(at)walla.co.il -- über The Other Israel am 1.1.05 erhalten.

(dt. Ellen Rohlfs – kursiv Gesetztes von der Übers.)



Court Guards twist the arm of Yuval Halperin


Yuval is thrown to the ground, the guards kneel on him

weitere Fotos des Coast Guard Einsatzes gegen Halperin unter http://www.gush-shalom.org/actions/Baraguti_court_eng.html



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New PostErstellt: 15.07.06, 17:56  Betreff:  Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.ifdt.de/0401/Artikel/watzal.htm



Von der zionistischen Besiedelung

bis zur Staatsgründung Israels


Zur Entstehungsgeschichte des Nahostkonfliktes



Der Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist der älteste Regionalkonflikt in der internationalen Politik. Dieser Konflikt begann mit dem zionistischen Machtanspruch und in dessen Folge der "zionistischen Landnahme" (Dan Diner) in Palästina am Ende des 19. Jahrhunderts. Der Zionismus wäre ohne den grassierenden Antisemitismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wohl eine exotische Ideologie geblieben und ist zum spätmöglichsten Zeitpunkt auf der Bildfläche neben den bereits existierenden Nationalismen erschienen. Er kann nur im Zusammenhang mit dem Imperialismus und Kolonialismus am Ende des 19. Jahrhunderts angemessen gewürdigt werden. Das Problem von Staatlichkeit und Nationalität beschäftigte den ersten Zionistenkongress 1897 in Basel. Dort wurde das nationalistisch-politische Programm für die Gründung einer jüdischen "Heimstätte" verabschiedet. Die Idee eines eigenen Staates wurde erstmals von Moses Hess 1862 formuliert. Allgemein hin gilt aber Theodor Herzl als der "Vater des Zionismus". Der Zionismus konstituiert bis heute die Staatsräson Israels und ist die jüdische Variante des Nationalismus.

Die Leistungen des Zionismus können nur adäquat gewürdigt werden, wenn man auch seine Opfer, die Palästinenser, mit berücksichtigt. Denn mit der Umsetzung der Idee des Zionismus begann auch die Tragödie des palästinensischen Volkes. Die zionistische Nationalbewegung entstand just zu dem Zeitpunkt als sich der westliche Kolonialismus anschickte, die Welt in Einflusssphären aufzuteilen. Beide gingen eine Verbindung ein. Insbesondere der britische Imperialismus unterstütze die Zionisten in ihrem Verlangen, in Palästina eine "Heimstätte" zu errichten, weil er seine Herrschaft im arabischen Raum gegenüber den anderen Kolonialmächten konsolidieren wollte. Ein weiteres gemeinsames Anliegen dieser Allianz war die Spaltung des arabischen Raumes. Widerstand gegen die nationalistische Interpretation des Judentums durch den Zionismus kam vom Reformjudentum und der Orthodoxie, weil für sie die Rückkehr in das Land Israel nur durch direktes Eingreifen Gottes in die Geschichte seines Volkes geschehen konnte.

Bis heute wird die Frage diskutiert, ob Herzl oder den anderen zionistischen Vertretern die Existenz der Araber nicht bekannt war oder sie für irrelevant erachtet wurden. Dass das Problem Herzl und anderen unbekannt war, kann heute wohl niemand mehr behaupten. Es war wohl eher eine Kombination von kultureller Überheblichkeit, Ignoranz und Zeitgeist, die eine unselige Allianz eingingen. Der politische Slogan von Israel Zangwill "Ein Land ohne Volk, für ein Volk ohne Land" traf zum damaligen Zeitpunkt ganz den expansionistischen Zeitgeist der Epoche. Er sollte einer der zionistischen Geschichtsmythen sein, die bis heute tradiert werden.

Nach Aussagen führender Vertreter der zionistischen Bewegung gab es keinen Zweifel, was mit der einheimischen Bevölkerung geschehen sollte. Israel Zangwill stellte sich vor, "die eingesessenen Stämme entweder mit dem Schwert zu verjagen, wie das unsere Vorfahren getan haben, oder mit dem Problem zu kämpfen, das eine große, fremde Bevölkerung darstellt". Auch die Idee eines Transfers wurde bereits von Herzl in seinem Tagebuch vorgeschlagen. "Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem eigenen Lande jederlei Arbeit verweigern. Die besitzende Bevölkerung wird zu uns übergehen. Das Expropriationswerk muss - ebenso wie die Fortschaffung der Armen - mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen. Die Immobilienbesitzer sollen glauben, uns zu prellen, uns über den Wert zu verkaufen, aber zurück verkauft wird ihnen nichts." Dass die zionistische Bewegung nicht mit lauteren Motiven in Palästina siedeln wollte, zeigt schon im Jahre 1937 die Aussage David Ben Gurions, dem ersten Ministerpräsident Israels: "Das Land ist in unseren Augen nicht das Land seiner jetzigen Bewohner [...] Wenn man sagt, dass Eretz Israel das Land zweier Nationen sei, so verfälscht man die zionistische Wahrheit doppelt [...] Palästina muss und soll nicht die Fragen beider Völker lösen, sondern nur die Frage eines Volkes, des jüdischen Volkes in der Welt." Die Absicht des Zionismus zielte also von Beginn an nicht auf die Teilung des Landes mit der einheimischen Bevölkerung, sondern stellte die arabische Präsenz generell in Frage.

Ohne die Hilfe einer Großmacht wäre die zionistische Bewegung nicht erfolgreich gewesen. Ein entscheidendes Dokument war die Erklärung von Lord Arthur James Balfour an Lord Walter Lionel Rothschild aus dem Jahre 1917. Sie war ein Freibrief zur Schaffung eines jüdischen Staates, obwohl sie vom Standpunkt des Völkerrechts ohne Belang war. Diese Erklärung stellte eine einseitige Sympathieerklärung der britischen Regierung dar. "Lieber Lord Rothschild, ich habe die große Freude, Ihnen im Auftrag der Regierung Seiner Majestät die folgende Sympathieerklärung für die jüdisch-zionistischen Bestrebungen zu übermitteln, die dem Kabinett vorgelegt und von ihm gebilligt wurde. Die Regierung Seiner Majestät betrachtet die Errichtung einer nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina mit Wohlwollen und wird keine Mühe scheuen, die Erreichung dieses Zieles zu fördern, wobei allerdings von der Voraussetzung ausgegangen wird, das nichts geschieht, was den bürgerlichen und religiösen Rechten der in Palästina bestehenden nicht jüdischen Gemeinschaft oder den Rechten und dem politischen Status der Juden in anderen Ländern Abbruch tun könnte`. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Erklärung der zionistischen Föderation zur Kenntnis bringen wollten."

Diese Erklärung suggerierte, dass es in Palästina eine überwiegend jüdische Bevölkerung und einige unbedeutende Minoritäten gebe. Diese Minderheit lebte jedoch ununterbrochen seit 1300 Jahren in Palästina und besaß 97 Prozent des Landes. Die britische Regierung hatte also keinerlei Recht, das Schicksal der einheimischen Bevölkerung zur Disposition zu stellen. Dies wäre aber nicht so schlimm gewesen, wenn man das Recht auf Selbstbestimmung, das für andere "befreite Gebiete" galt, auch für Palästina beachtet hätte. Dies geschah nicht zufällig, sondern aus britischer Sicht bewusst: "In Palästina schlagen wir noch nicht einmal vor, die Wünsche der augenblicklichen Bewohner auch nur in Betracht zu ziehen [...] Die vier Großmächte sind dem Zionismus verpflichtet. Mag der Zionismus richtig oder falsch, gut oder schlecht sein, er ist verwurzelt in einer langen Tradition, in den augenblicklichen Notwendigkeiten, in zukünftigen Hoffnungen, die von größerer Wichtigkeit sind als die Wünsche und die Nachteile von 700000 Arabern, die zur Zeit in diesem historischen Land leben", so Lord Balfour in einem Memorandum vom 11. August 1919 an seine Kabinettskollegen. Ernsthaft haben weder jüdische Siedler noch die britische Besatzungsmacht jemals den Versuch unternommen, zu einer einvernehmlichen Lösung mit den Arabern zu kommen oder deren Rechte auf einen eigenen Staat einzulösen. Dass man ihre Interessen hätte berücksichtigen sollen, zeigt der Brief des Schriftstellers Hans Kohn an Martin Buber von 1929: "Wir sind zwölf Jahre in Palästina, ohne auch nur einmal ernstlich den Versuch gemacht zu haben, uns um die Zustimmung des Volkes zu kümmern, mit dem Volk zu verhandeln, das im Land wohnt. Wir haben uns ausschließlich auf die Militärmacht Großbritanniens verlassen. Wir haben Ziele aufgestellt, die notwendigerweise und in sich selbst zu Konflikten mit den Arabern führen mussten und von denen wir uns sagen müssten, dass sie Anlass, und zwar berechtigter Anlass zu einem nationalen Aufstand gegen uns sind."

Dieser sollte auch nicht lange auf sich warten lassen. Bei dem ersten Pogrom 1929 in Hebron wurden die dort lebenden Juden fast vollständig umgebracht. Aus Angst vor der beeindruckenden und gleichzeitig furchterregenden Entwicklung des jüdischen Yishuv (vorstaatliche Besiedelung Palästinas) kam es im Sommer 1936 zum Aufstand der Araber sowohl gegen die Mandatsmacht als auch gegen die zionistischen Siedler. Vorher hatte es immer wieder kleinere Zwischenfälle mit Toten gegeben. Die Palästinenser sahen bereits, dass die zionistische Kolonisierung des Landes allein zu ihren Lasten gehen würde. Der arabische Antizionismus machte sich 1936 somit erstmals gewaltsam Luft.

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen jüdischen Kampfeinheiten und einheimischer palästinensischer Bevölkerung auf der einen Seite und der Kampf gegen die britische Mandatsmacht auf der anderen gerieten außer Kontrolle, so dass die Briten bereit waren, ihr vom Völkerbund erteiltes Mandat abzugeben. Als Palästina kurz vor einem Bürgerkrieg stand, wandten sich die Briten im Februar 1947 an die Vereinten Nationen. Am 29. November 1947 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen Resolution Nr. 181, in der Palästina zwischen Arabern und Juden geteilt werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt lebten in Palästina 1365000 Araber und 710000 Juden. Auch ohne den Holocaust hätte es folglich einen jüdischen Staat gegeben, aber gerade dieses Faktum trug dem zionistischen Bestreben, einen Staat zu gründen, in der Weltöffentlichkeit Sympathien ein. Das Ausmaß der Nazi-Verbrechen und die Fluchtbewegungen aus Europa beschleunigten zweifellos den Staatswerdungsprozess.

Man sollte aber die massive Unterstützung der Briten und der USA nicht unberücksichtigt lassen. Der Kampf der jüdischen Untergrundbewegungen war sowohl ein Antikolonialkrieg gegen die Briten als auch ein Versuch, gegen den Willen eines anderen Volkes, einen Staat auf dessen Territorium zu etablieren. Die gesamte arabische Welt lehnte den Teilungsplan ab, weil er das Recht der Palästinenser auf das ganze Land in Frage stellte und einen unschätzbaren Verlust an Rechten, Eigentum sowie politischen und sozialen Einrichtungen bedeutete. Die Araber bewerteten die jüdischen Ansprüche auf Palästina als rechtswidrige Inbesitznahme, als eine Form des Kolonialismus, die der ursprünglichen Bevölkerung ihr Recht auf einen Nationalstaat absprach. Dafür zeigte auch David Ben Gurion Verständnis, wie Nahum Goldmann berichtet: "Wieso sollten denn die Araber Frieden schließen? Wenn ich arabischer Führer wäre, ich würde nie ein solches Abkommen mit Israel unterzeichnen. Das ist doch ganz normal: wir haben ihr Land genommen. Sicher, Gott hat es uns versprochen, aber wie kann sie das interessieren? Unser Gott ist nicht der ihre [...] Sie sehen nur eins: Wir sind gekommen und haben ihr Land geraubt. Warum sollten sie das hinnehmen?" Die Palästinenser befürchteten, dieser Teilungsplan transformiere das "Judenproblem" und den damit einhergehenden westeuropäischen Antisemitismus in den Nahen Osten.

Angesichts der Kampfhandlungen zog die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Teilungsplan weniger als sechs Monate nach seiner Annahme wieder zurück und unterbreitete einen Alternativvorschlag, der den Aufruf zu einer vorübergehenden Treuhänderschaft über das ungeteilte Palästina enthielt. Die Araber nahmen diesen Vorschlag an, die Zionisten lehnten ihn ab. Eine Sondersitzung der Versammlung wurde einberufen, um den Teilungsplan noch einmal in Erwägung zu ziehen. Während dieser Zeit nahmen die Zionisten die Sache selber in die Hand. Während die Briten ihr Mandat beendeten, besetzten sie Stadt um Stadt. Die Bevölkerung floh entweder oder wurde vertrieben. Dabei besetzten die zionistischen Streitkräfte nicht nur die Teile, die für einen jüdischen Staat vorgesehen waren. Bis Mitte Mai 1948 hatten zirka 300000 Araber das Land verlassen, ohne dass auch nur ein einziger arabischer Soldat aus den Nachbarstaaten Palästina betreten hatte.

Als David Ben Gurion am 14. Mai 1948 den Staat Israel ausrief, waren sechs Prozent des gesamten Landes jüdischer Grundbesitz. Durch die kriegerische Aneignung besaß Israel 77 Prozent der Gesamtfläche Palästinas, also 21 Prozent mehr, als der UN-Teilungsplan vorsah. Die Zionisten akzeptierten den Teilungsplan. Fortan argumentierten sie, die palästinensischen Araber hätten ihr Recht auf irgendeinen Teil des Ganzen eingebüßt, da sie sich weigerten, sich mit der Hälfte Palästinas zufriedenzugeben. Diplomatische Anerkennung und massive ökonomische Unterstützung trugen zur Legitimation des neuen Staates bei.

In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ist es um die Staatsgründung Israels zu heftigen Kontroversen gekommen. Seit der Öffnung der Archive hinterfragen jüngere israelische Historiker immer öfter die offizielle Geschichtsdoktrin über die Staatswerdung, die sich zwischen 1948 und 1952 herausbildete. Neben Benny Morris hat insbesondere Simcha Flapan die offizielle israelische Geschichtsinterpretation in Frage gestellt. Er bewertete den "Plan D" nicht als politischen Plan zur Vertreibung der Araber, sondern schien überzeugt, dass diese lediglich aus Sicherheitsgründen vertrieben worden seien. So werden von offizieller israelischer Seite immer wieder folgende Argumente vorgetragen:

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Das Einverständnis der zionistischen Bewegung mit der VN-Teilungsresolution vom November 1947 stellte einen einschneidenden Kompromiss dar, mit dem die zionistischen Juden ihre Vorstellungen von einem sich über ganz Palästina erstreckenden jüdischen Staat aufgaben und den Anspruch der Palästinenser auf einen eigenen Staat anerkannten. Israel war zu diesem Opfer bereit, weil es die Voraussetzung dafür war, dass die Resolution in friedlicher Zusammenarbeit mit den Palästinensern verwirklicht worden konnte.
Dagegen behauptet Flapan, die Zustimmung zum Teilungsplan durch die Zionisten sei nur ein taktisches Zugeständnis im Rahmen einer unveränderten Gesamtstrategie gewesen. Sie zielte zum einen darauf ab, die Schaffung eines selbständigen Staates für die Palästinenser zu hintertreiben. Deshalb schloß Ben Gurion ein Geheimabkommen mit König Abdallah von Transjordanien, der mit der Annektierung des für die Palästinenser vorgesehenen Gebietes den ersten Schritt in Richtung auf sein erträumtes großsyrisches Reich zu tun glaubte. Und zum anderen sollte durch diese Strategie das von der UNO für den jüdischen Staat ausgewiesene Territorium ausgeweitet werden.
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Die arabischen Palästinenser lehnten eine Teilung Palästinas rundweg ab und folgten dem Aufruf des Mufti von Jerusalem, dem jüdischen Staat den totalen Krieg zu erklären. Dies zwang die Juden, sich auf eine militärische Lösung einzulassen.
Flapan meint, dass die arabischen Palästinenser die Teilung Palästinas ablehnten, sei nur die halbe Wahrheit. Der Mufti habe den Teilungsplan fanatisch bekämpft, doch die Mehrheit der Palästinenser sei seinem Aufruf zum "Heiligen Krieg" gegen Israel zunächst nicht gefolgt. Im Gegenteil: Viele palästinensische Notablen und Gruppen bemühten sich, einen Modus vivendi mit dem neuen Staat zu finden. Erst der entschiedene Widerstand Ben Gurions gegen die Schaffung eines palästinensischen Staates trieb die Palästinenser ganz auf die Seite des Mufti. Die Anzahl der Kämpfer war aber nicht sehr groß, und sie waren in Umfang, Ausrüstung und Ausbildung den Hagana-Truppen weit unterlegen.
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Sowohl vor als auch nach der israelischen Staatsgründung folgten die Palästinenser einem Aufruf der arabischen Führung, das Land vorübergehend zu verlassen, um mit den siegreichen Armeen zurückzukehren. Die jüdische Führung bemühte sich vergeblich, sie zum Bleiben zu bewegen.
Dagegen behauptet Flapan, die israelischen Politiker hätten die Palästinenser aus ihren Städten und Dörfern vertrieben. Während Morris dafür Sicherheitsgründe anführt, erklären Flapan den Transfer aus der zionistischen Ideologie heraus. Das Ziel der zionistischen Bewegung sei es gewesen, einen "jüdischen Staat" zu schaffen. Dazu bedurfte es der Vertreibung der Einwohner. Bereits 1938 sagte Ben Gurion auf einer Sitzung seiner Partei: "Ich bin für die zwangsweise Aussiedlung. Ich sehe nichts Unmoralisches darin."
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Alle arabischen Staaten hatten sich am 15. Mai 1948 vereint, um in Palästina einzumarschieren, den neu entstandenen jüdischen Staat zu vernichten und dessen jüdische Bewohner zu vertreiben.
Die arabischen Staaten wollten in erster Linie das Abkommens zwischen der provisorischen jüdischen Regierung und König Abdallah verhindern. Sie marschierten erst nach der Ausrufung des Staates Israel und nach dem Ende des Britischen Mandats in Palästina ein, um ihren arabischen Freunden zur Hilfe zu kommen. Es war nicht ihre Absicht, Israel zu zerstören. So befahl die jordanische Regierung dem General, der die jordanischen Truppen führte, nicht in jüdisches Gebiet einzumarschieren.
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Dieser arabische Einmarsch - unter Verstoß gegen die UNO -Teilungsresolution - machte den Krieg von 1948 unvermeidlich.
Auch der Krieg zwischen Israel und den arabischen Staaten sei nach Flapan nicht unvermeidlich gewesen. Die Araber hatten einem in letzter Minute vorgelegten amerikanischen Vorschlag zugestimmt, der einen dreimonatigen Waffenstillstand unter der Bedingung vorsah, dass Israel seine Unabhängigkeitserklärung zeitweilig aufschöbe. Die provisorische israelische Regierung lehnte den amerikanischen Vorschlag mit sechs zu vier Stimmen ab.
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Das kleine Israel stand dem Angriff der arabischen Streitkräfte gegenüber wie weiland David dem Riesen Goliath: ein zahlenmäßig weit unterlegenes, schlecht bewaffnetes Volk, das Gefahr lief, von einer übermächtigen Militärmaschinerie zerquetscht zu werden.
Der Vergleich von David und Goliath gehöre ins Reich der Legenden. Ben Gurion räumte ein, dass der eigentliche Selbstverteidigungskrieg nur vier Wochen dauerte, bis zum Waffenstillstand vom 11. Juni. Danach trafen umfangreiche Waffenlieferungen in Israel ein. Die besser ausgebildeten und erfahreneren israelischen Truppen erlangten damit eine waffentechnische Überlegenheit zu Lande, zu Wasser und in der Luft.
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Israel hat seine Hand immer zum Friedensschluss ausgestreckt, aber kein arabischer Führer hat je das Existenzrecht Israels anerkannt; somit gab es niemanden, mit dem man Friedensgespräche hätte führen können.
Ebenfalls nicht korrekt: In den Jahren zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und 1952 wies Israel zahlreiche von arabischen Staaten und neutralen Vermittlern unterbreitete Vorschläge zurück, die zu einer Friedensregelung hätten führen können.

Bis zum Waffenstillstand von 1949 waren 750000 Palästinenser geflohen. Die Vereinten Nationen verabschiedeten mehrere Resolutionen zur Rückführung der Flüchtlinge, aber die Israelis verweigerten ihnen die Rückkehr. Sie leben bis heute in den Flüchtlingslagern in Jordanien, Gaza, Syrien, Libanon, der Westbank und in der Diaspora. Von 550 verlassenen palästinensischen Orten, wurden bis auf 121 alle zerstört. Diese Ereignisse haben sich im palästinensischen Bewusstsein als "Katastrophe" etabliert.



Zusammenfassung:

Die Idee eines eigenen jüdischen Staates wurde von Moses Hess 1862 formuliert und auf dem ersten Zionistenkongress in Basel 1897 als nationalistisch-politisches Programm für die Gründung einer jüdischen Heimstätte verabschiedet. Dieser Beschluss ist der Ausgangspunkt der zionistischen Landnahme in Palästina und der Anlass für den ältesten Regionalkonflikt in der internationalen Politik des vergangenen Jahrhunderts, der bis heute andauert. Theodor Herzl gilt als der Vater des Zionismus. Diese Variante des Nationalismus ist Teil der Staatsräson Israels. Die Geschichte des Zionismus ist eng verbunden mit dem Imperialismus und Kolonialismus des 19. Jahrhunderts, der Verfolgung und Ausrottungspolitik Hitler-Deutschlands und dem Ost-West-Konflikt. Die Teilung Palästinas in Israel und die Besetzten Gebiete ist Folge der Staatsgründung und des Waffenstillstands von 1949.


Autor
Dr. phil. Ludwig Watzal, Jahrgang 1950, ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Bonn.

Literatur

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Dr. phil. Ludwig Watzal: Feinde des Friedens, der endlose Konflikt zwischen Israel und Palistinensern, Aufbau Verlag, 2. Auflage, Berlin, 2002.

Internet

www.watzal.com



Mensch bleiben muß der Mensch ...
von Tegtmeier


[editiert: 15.07.06, 20:04 von bjk]



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Die Palästinenser, Israel und der Holocaust

von Gisela Dachs

Gisela Dachs, seit vielen Jahren in Israel, ist Korrespondentin der Wochenzeitung DIE ZEIT. Das Thema "Der Holocaust in arabischer Sicht" hat sie seit langem beschäftigt. 1999 erschien ihr grundlegender Artikel zu dem Thema "Wer sich nicht erinnert, hat keine Geschichte. Die Palästinenser, Israel und der Holocaust" in dem von ihr herausgegebenen Sammelband "Deutsche, Israelis und Palästinenser, ein schwieriges Verhältinis" im Palmyra Verlag, Heidelberg. Ihr einleitendes Referat ist eine verkürzte Wiedergabe des damals erschienenen Artikels.



Nach einem langen und hoch interessanten Gespräch über seine Forschungen als Biologe nahm mich ein palästinensischer Wissenschaftler beiseite, um mich etwas Persönliches zu fragen. Was dann kam, war kein überstürzter Heiratsantrag, sondern eine respektvolle Prüfung meiner Geschichtskenntnisse. "Sagen Sie mir, das mit den sechs Millionen ermordeten Juden, das stimmt doch gar nicht. Es waren doch viel weniger gewesen, als die Israelis immer behaupten, oder?" Ich ließ mich auf einen Austausch ein, der mein Gegenüber sichtlich ins Grübeln brachte. Er blieb nicht der einzige Palästinenser, der mit mir eine ernsthafte Diskussion über den Holocaust führen wollte und zum Zuhören bereit war. Durch diese - neue - Aufgeschlossenheit gegenüber dem Leid des jüdischen Volkes unterscheiden sich heute immer inchl Palästinenser von ihren arabischen Brüdern, die meist weiterhin in alten Denkmustern verharren.
Jeder deutsche Journalist, der den Nahen Osten bereist hat, kennt die dort gehegten Sympathien für Deutschland, weil es "Bayern München, Mercedes und Hitler" hervorgebracht habe. Und wenn über den Völkermord an den Juden geredet wird, dann geht es selten um Fakten. Das Thema gilt vielmehr als eine schlagkräftige Waffe in der Hand Israels, um seine Stärke zu beweisen und mit westlicher Hilfe der gesamten Region seinen Willen aufzuzwingen. Politische Frustrationen und das Gefühl, zu ewig Unterlegenen zu gehören, verstellen den Blick auf die Vergangenheit. Aus diesem Grund hatte sich vor Jahren der ägyptische Außenminister während eines Israelbesuchs geweigert, dort die nationale Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem aufzusuchen. Dorthin zu gehen, wäre von der Kairoer Regierung als Kapitulation vor dem Zionismus empfunden worden.

Hitlers Vernichtung der Juden sei ein Mythos, lautet ein gängiges Argument, den die Israelis erfunden hätten, um den Zugriff auf arabisches Land in Palästina zu rechtfertigen. Die Leugnung des Holocaust führte dazu, dass sich einige arabische Länder weigerten, Steven Spielbergs Film Schindlers Liste zu zeigen. So hatte die Regierung in Kairo den Film verboten, weil dort "zu viele Morde" zu sehen seien. dass es aber auch in Ägypten neuerdings Zeichen der Umorientierung gibt, zeigt das im Frühjahr 1999 erschienene Buch "Der israelisch-arabische Konflikt - Die Krise der Demokratie und der Frieden". Darin plädiert der Publizist und Verleger Amin al-Mahdi unter anderem für die Gründung eines gemeinsamen arabisch-israelischen "Friedensparlaments", in dessen Gründungscharta er der Erinnerung an die Shoa als unmissverständliches Signal an arabische Holocaustleugner einen zentralen Platz einräumen möchte.

Amin al-Mahdi reagierte damit auch auf die Unterstützung arabischer Intellektueller des französischen Denkers Roger Garaudy, der 1998 wegen Leugnung des Holocaust in Frankreich verurteilt worden war. In dessen zwei Jahre zuvor erschienenem Buch "Die Gründungsmythen der israelischen Politik" erhob er unter anderem Zweifel an der Existenz der Gaskammern und deutete an, dass der israelische Staat den Holocaust seit seiner Existenz als moralisches Druckmittel seiner Politik einsetze. Die Angaben über den Massenmord hätten nur dazu gedient, die Gründung des Staates zu rechtfertigen. Der 85jährige Garaudy, der in seinem Leben gleich mehrere persönliche Wenden - vom Protestantismus über den Katholizismus und Marxismus zum Islam - vollzogen hatte, war daraufhin zum politischen Symbol im Nahen Osten geworden. Seine Vortragsreisen in der Region von Kairo bis Dubai verwandelten sich in regelrechte Triumphzüge, "weil Garaudy die israelische Politik kritisiert und damit die arabischen Interessen, also die Rechte der Palästinenser, vertritt", wie es die jordanische Schrifstellerin Nadia Aloul formulierte. Zahlreiche Berufsorganisationen in der arabischen Welt, unter anderem auch der palästinensische Schriftstellerverband in Ostjerusalem, veröffentlichten Erklärungen, in denen sie den Prozess gegen Garaudy kritisierten und zur Unterstützung des Kampfes gegen die Zionisten aufriefen. Statt Fakten zählte das Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Manche Kommentatoren verglichen die Gerichtsverhandlung gegen den Franzosen mit dem Schicksal Salman Rushdies. Sie verwiesen auf die Empörung, mit der die westliche Welt auf das Todesurteil gegen den Autor der Satanischen Verse reagiert hatte, und warfen ihr vor, die Meinungsfreiheit von Schriftstellern nur dann zu verteidigen, wenn ein Buch dem eigenen Denken entspräche.

Es gab aber auch Ausnahmen. So verfasste der libanesische Autor Elias Khoury zur Debatte über Roger Garaudy einen mutigen Artikel, in dem er sich darüber beklagte, dass sich die arabische Kultur nicht ernsthaft mit der erschreckenden Bedeutung des Gedankens der 'Endlösung' auseinandergesetzt habe. "Wir Narren ignorieren die ganze Frage und loben jeden, der die Vernichtungslager der Nazis leichthin abtut und ihre Bedeutung herabsetzt. Trägt der Plan zur Vernichtung der Juden etwa nicht den Samen der Vernichtung jeder anderen Rasse, jedes anderen Volkes in sich?" Ähnlich kritisch argumentierte der libanesische Journalist Hazem Saghiyeh in der in London erscheinenden arabischen Zeitung Al-Hayat: "Unter dem Eindruck unserer eigenen Katastrophe haben wir die Fähigkeit verloren, die Ursachen und Beweggründe für das zu identifizieren und zu verstehen, was uns widerfahren ist. Unsere Elite (und nicht nur das einfache Volk) versteigt sich sogar dazu, sich mit jedem zu verbünden, der die Geschichte leugnet und das Einwirken des einen Faktors auf den anderen verneint. Und so hindern sie uns daran, unser eigenes Schicksal zu verstehen und ein erhabenes menschliches Empfinden zu entwickeln, wie es auch für die Bewältigung des Palästinenserproblems unabdingbar wäre."

Der Wirbel um Garaudy, dessen Schriften in arabischer Übersetzung breiten Absatz gefunden hatten, veranlasste auch den Palästinenser Edward Said zu einem erneuten Appell an die arabische Welt, die Haltung zum Holocaust zu revidieren. Said, der in New York lebt und an der Columbia-Universität unterrichtet, gehörte zu den ersten arabischen Intellektuellen, die von der Notwendigkeit sprachen, das jüdische Leid anzuerkennen. Im August 1998 antwortete er den Anhängern Garaudys in "Le Monde diplomatique": "Warum erwarten wir von der ganzen Welt, unserem Leid als Araber gegenüber aufgeschlossen zu sein, wenn wir unfähig sind, uns dem Leiden anderer gegenüber aufzuschließen, auch wenn diese anderen uns unterdrücken? Im Gegenteil, die Realität des Holocaust und den Wahn des Völkermords am jüdischen Volk anzuerkennen, verleiht uns Glaubwürdigkeit hinsichtlich unserer eigenen Geschichte; das gibt uns die Möglichkeit, die Israelis und Juden zu bitten, eine Verbindung herzustellen zwischen dem Holocaust und den zionistischen Ungerechtigkeiten, die an den Palästinensern begangen wurden." Ähnlich argumentiert längst auch der palästinensische Dichter Mahmoud Darwisch, der mir im Sommer 1998 im Gespräch wie selbstverständlich auf meine Frage zu diesem Thema antwortete, dass "wir Palästinenser die jüdische Version des Holocaust akzeptieren müssen". Denn dieser Schritt gehöre zur Aussöhnung mit Israel.

In seiner "Erklärung zu Palästina" anlässlich des 50. Jahrestages der Al-Nakba, der palästinensischen Katastrophe von 1948, rief Darwisch sein Volk offiziell dazu auf, den Holocaust nicht länger zu ignorieren.
Wenige Monate zuvor hatte sich PLO-Chef Yassir Arafat bereit erklärt, das Holocaustmuseum in Washington zu besuchen. Das führte zu einer heftigen Kontroverse in den amerikanischen jüdischen Gemeinden: Die einen hofften, dass Arafat bei seiner Tour durch die Gedenkstätte endlich angemessen über das jüdische Leid informiert würde, während die anderen in Arafat weiterhin bloß den alten Terroristen sahen, der diesen Besuch allein aus politischem Kalkül heraus hätte machen wollen. Seine bloße Anwesenheit an diesem Ort wäre eine Farce. Um die Sache nicht noch komplizierter zu machen als sie schon war, sagte der PLO-Chef diesen Programmpunkt aus Zeitgründen ab. Ein Jahr später ließ er sich dann aber während eines Aufenthalts in Amsterdam in das Anne-Frank-Museum führen. Hinter solchen palästinensischen Annäherungen an die jüdische Geschichte mögen politische Motive stehen - in jedem Fall finden sie statt und haben allein deshalb schon Symbolcharakter.

Etwa zur gleichen Zeit wie Garaudys Pamphlet erschien im Libanon eine neue arabische Ausgabe von Mein Kampf. Den Umschlag ziert ein Hakenkreuz und ein Foto des jungen Hitler. Im Vorwort wird den Lesern erklärt, dass Hitlers Theorien von Nationalismus, Regierung und Rasse "ewige Fragen" seien. Hitler sei "einer der wenigen großen Männer, die fast den Lauf der Geschichte aufgehalten hätten", und habe ein "intellektuelles Erbe" hinterlassen. Erst dann räumt der Verfasser ein, dass die Nazis eine "Einparteien-Diktatur auf Gewalt und Brutalität und Machiavellismus" gegründet hätten. Vom Hass auf die Juden ist in der Einleitung nicht die Rede. Fragt man seine arabischen Anhänger, warum sie denn Hitler so sehr verehren, lautet die Antwort meist: "Weil er ein starker Mann war."
Dabei beruht die arabische Liebe zu Hitler auf einem Missverständnis. Als Gegner der Mandatsmächte Frankreich und England betrachtete man Deutschland in den dreißiger Jahren als einen natürlichen Verbündeten. dass es damals zu keinem stärkeren Eingreifen Deutschlands im Nahen Osten kam und die Araber das wahre Gesicht der Nationalsozialisten nicht zu sehen bekamen, trug zur Bildung eines "Mythos Hitler" bei, ebenso wie die Tatsache, dass das Ausmaß der Judenverfolgung nicht wirklich wahrgenommen wurde. Vielmehr betrachtete man das Dritte Reich als Verbündeten in der Abwehr eines jüdischen Staates. Dahinter jedoch eine konsequent rassistisch-ideologische Anlehnung an die Nazis vermuten zu wollen, wäre absurd. In diesem Zusammenhang wies der deutsche Forscher Peter Wien in dem Berliner "Palästina Journal" (Mai 1999) auf den Vorschlag eines der aktivsten Vertreter deutscher "Araberpolitik" hin, des deutschen Gesandten in Bagdad Friedrich Grobba. Denn schon als es 1934 darum ging, eine offizielle arabische Übersetzung von Mein Kampf anzufertigen, um nicht autorisierten Versuchen von arabischer Seite zuvorzukommen, wollte Grobba den Begriff "antisemitisch" durch "antijüdisch" ersetzen lassen, um Irritationen vorzubeugen. Man kann davon ausgehen, dass der deutsche Führer, wäre er noch dazu gekommen, alle semitischen Völker mit der gleichen Grausamkeit behandelt hätte wie die Juden.

Auf diesen doppelten Hass ging der bekannte marokkanische Schriftsteller Taher Ben Jelloun ein, als er im Frühjahr 1999 erstmals nach Israel kam und dort sein neuestes Buch "Papa, was ist ein Fremder?" vorstellte. Als man ihn nach seiner Meinung zu dem arabischen Umgang mit dem Holocaust fragte, betonte der in Paris lebende Autor, wie nahe Antisemitismus und Antiarabismus beieinanderlägen. "Wer in Frankreich keine Juden leiden kann, der mag in der Regel auch keine Araber." Deshalb gäbe es genug Grund für einen gemeinsamen Kampf. Diese Logik liegt für alle Europäer auf der Hand, die vor den Gefahren der eigenen rechtsradikalen Bewegungen warnen; aber im Nahen Osten muss auf diese Schattenseite des Alten Kontinents oft erst noch hingewiesen werden.

Als mich ein 19jähriger libanesischer Druse im Choufgebirge einmal beiseite nahm und fragte, ob es denn stimmen würde, dass die Deutschen heute Hitler nicht mehr leiden könnten, bejahte ich. Er zeigte sich enttäuscht von meiner Antwort. Dann erzählte er, wie gerne er nach Deutschland kommen würde, um dort zu arbeiten. Denn das Leben sei dort gut und das Geld viel wert. An dieser Stelle erinnerte ich ihn daran, dass es in meiner Heimat durchaus noch Menschen gebe, die Hitler toll fänden. Allerdings könnten diese Kreise für ihn, den dunkelhäutigen Libanesen, höchst gefährlich werden, sollte er es tatsächlich bis nach Deutschland schaffen. Der junge Mann wies verwirrt darauf hin, dass sein Gesicht nach libanesischen Normen "doch eigentlich sehr hell" sei. Dann verstummte er. Auf eine solche Logik war er nicht vorbereitet gewesen. In der Schule hatte er weder etwas über die früheren noch über die heutigen Nazis erfahren. Solche Themen lässt der Lehrplan im Hinblick auf den Noch-Erzfeind Israel nicht zu.

Vielleicht entspreche es dem Wesen des Krieges, dass bis zur Beendigung eines Konflikts seine Geschichte nicht korrigiert werden könne, schrieb 1996 der in Beirut ansässige Nahostkorrespondent Robert Fisk in der britischen Tageszeitung "Independent". "Die Tücke des Holocaust - seine Einzigartigkeit, sein absichtlicher Völkermord - hat die Araber auf eine Probe gestellt, bei deren Bewältigung sie gescheitert sind. Kein Muslim im Nahen Osten hat Probleme, anzuerkennen, dass die Türken 1915 einen Völkermord an den Armeniern begangen haben, obwohl diese Grausamkeiten von Muslimen begangen wurden. Aber der Holocaust verlangt ein Mitgefühl, das die gedemütigte arabische Welt nur schwer aufzubringen vermag." Allerdings lässt sich hier anfügen, dass sich die israelischen Regierungen ihrerseits bisher eher ambivalent gegenüber dem Massaker an den 1,5 Millionen Armeniern durch die Türken im Jahre 1915 verhalten haben. Dass Israel diesen Völkermord nie so laut verurteilt hat, wie es sich die Armenier gerade vom jüdischen Volk gewünscht hätten, hat emotionale und politische Gründe. Da gibt es zum einen die Befürchtung, dass dadurch die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage gestellt werden könnte; zum anderen will man den guten Beziehungen mit dem militärischen und politischen Bündnispartner Türkei nicht schaden.

Weil die Interpretation von Geschichte immer auch ein Vehikel der Politik sein kann, hält der prominente Intellektuelle Azmi Bishara jeden Versuch, die Palästinenser mit dem Holocaust in Verbindung zu setzen - und sei es nur durch das Bindewörtchen "und" -, zunächst einmal für verdächtig. Denn für den palästinensischen Philosophen mit israelischem Pass, der an der Berliner Humboldt-Universität studiert hat und seit 1996 als Abgeordneter in der Knesset sitzt, sind die Palästinenser nur mittelbar mit der Geschichte des Holocaust oder vielmehr mit der "Geschichte des Post-Holocaust" verbunden. Die Palästinenser seien allenfalls seine "indirekten Opfer, insofern als sie von seinen direkten Opfern ihrer Heimat beraubt wurden", schreibt er in "Die Araber und der Holocaust - Die Problematisierung einer Konjunktion" (erschienen in: "Der Umgang mit dem Holocaust", Schriften des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und des Jüdischen Museums Hohenems). Bishara erinnert daran, dass sich die Araber damals "in eine Krise der europäischen Zivilisation verstrickt sahen, die sie weder verursacht hatten noch verhindern oder begrenzen konnten, aber an deren Folgen sie leiden mussten". Ihre Reaktion habe deshalb zwischen zwei Polen gependelt: der Verleugnung des Leidens der Juden einerseits und der Gleichsetzung des Zionismus mit dem Nazismus andererseits. Für Azmi Bishara ist beides unhaltbar. So lehnt er auch die exisistierende Tendenz ab, das Leiden der Palästinenser mit dem der Juden zu vergleichen. Denn dazu wäre es notwendig, in der Darstellung des palästinensischen Leidens zu übertreiben und das Ausmaß des Holocaust zu vermindern. "Eine reife Position, die den Holocaust in seinem ganzen Ausmaß begreift, ohne dabei die palästinensische Tragödie zu bagatellisieren - und zwar auf Grund der einfachen Erkenntnis, dass zwischen diesen beiden Ereignissen kein Zusammenhang besteht - ist sehr selten anzutreffen", bedauert Bishara.
Seine Kritik richtet sich aber auch an Israel, wo das Verhältnis der Araber zum Holocaust und zum Nazismus meist im Spiegel des Konflikts mit der arabischen Welt erforscht und bewertet wurde. Dabei geriet meistens in den Hintergrund, dass die arabische Welt nie jenes Ausmaß an Gewalt erreicht hatte, wie sie in diesem Jahrhundert in Europa zutage trat. Ebenso sei ja der arabische Judenhass auch nicht der Grund, sondern vielmehr eine Folge des israelisch-arabischen Konflikt gewesen - eine Tatsache, die in Israel von rechten Politikern gerne heruntergespielt wird, um nicht am alten Feindbild zu rütteln.

Diese These von der arabischen Bösartigkeit nach dem Ersten Weltkrieg hat Israeli Gershoni in seinem 1999 erschienenen Buch "Licht im Schatten - Ägypten und der Faschismus 1922-1937" widerlegt. Der israelische Historiker zeigt, dass ein Großteil der ägyptischen Gesellschaft zu dieser Zeit sogar gegen Faschismus und Nazismus eingestellt war. Israel habe die arabische Welt als Kollaborateur mit diesen Mächten sehen wollen, weil das den zionistischen Mythen diente. "Natürlich gab es damals Leute in Ägypten, die auf der Seite der Nazis standen", sagt Gershoni, "aber sie bildeten eine Minderheit. Es war vielmehr Anwar el-Sadat, der im nachhinein für die Verankerung des Mythos von ägyptischen Sympathien für die Nazis sorgte. Der antibritische Sadat identifizierte sich mit dem deutschen General Rommel, der im Zweiten Weltkrieg in der arabischen Wüste gegen die Briten gekämpft hatte; und in den fünfziger Jahren erzählte Saddat von seinen eigenen Heldentaten und rühmte sich damit, für Hitler zu sein."

Weil Wahrheit und Wahrnehmung oftmals auseinanderklaffen, hält es Gershoni für ein Problem, dass viele seiner akademischen Kollegen in den israelischen Nahostforschungszentren lieber Politiker spielen wollen, statt sich auf ihre Rolle als sachliche Wissenschaftler zu beschränken.

Dass der Umgang mit dem Holocaust und der Nazizeit in Israel selbst zum politischen Instrument umfunktionalisiert werden kann, zeigte schon Menachim Begin. Er hatte einst seinen Erzfeind Yassir Arafat, dessen Gefolgsleute 1982 aus Beirut vertrieben werden sollten, als "Hitler im Bunker" bezeichnet. So mancher Likud-Vorsitzende hatte auch schon die PLO mit der SS verglichen und Israels Grenzen von 1967 als Auschwitzgrenzen definiert: Je böser die arabische Welt, um so eher lässt sich gegenüber den Palästinensern eine harte Linie rechtfertigen. Wer nach Beispielen für diese These sucht, wird zudem leicht fündig, vor allem in der arabischen Presse. Die Regierung von Ministerpräsident Benyamin Netanyahu schickte regelmäßig an alle Auslandskorrespondenten Zitatesammlungen, vor allem aus ägyptischen Zeitungen, in denen der Holocaust geleugnet wird oder die besonders antijüdisch und antiisraelisch waren. So berichtete Al-Akhbar im September 1998 von "der jüdischen Erfindung der Massenvernichtung" mit dem Ziel, "die Juden zur Einwanderung nach Israel zu bewegen und die Deutschen materiell zu erpressen sowie die Unterstützung der Welt für die Juden zu bekommen". In einer anderen Zeitung hieß es, dass der "israelische Charakter" streitsüchtig sei, weil die Juden ihr Konfliktverhalten "mit der Muttermilch aufsaugen" sowie "hinter allen Kriegen stehen und sich Zerstörung zum Ziel gesetzt haben". Von normalen Beziehungen kann somit auch 20 Jahre nach dem Friedensabkommen von Camp David keine Rede sein.

Die zeitliche Nähe zwischen dem Holocaust und der Staatsgründung Israels mag dazu beigetragen haben, dass beide Ereignisse im arabischen Bewusstsein gleichgesetzt werden. Wer den Holocaust angreift oder leugnet, will im Grunde Israel treffen. Die Anerkennung des jüdischen Schicksals während der Nazizeit ist zu einer Art politischer Konzession geworden. Sich dem Leid des anderen gegenüber zu öffnen, fällt besonders schwer, wenn man sich wie die Palästinenser selbst als Opfer fühlt. Andererseits gibt es heute gerade unter ihnen immer mehr, die zu verstehen bereit sind, dass die israelische kollektive Psyche sehr tief von dieser Vergangenheit beeinflusst ist. Wer den ehemaligen Feind besser verstehen will, sollte die Gründe seines Traumas kennen.

Ein konkreter Anstoß in diese Richtung kommt nun ausgerechnet von einem Deutschen, der Palästinensern das Leid des jüdischen Volkes im Holocaust durch einen Besuch in Yad Vashem näherbringen möchte, dass er sich mit seiner Initiative auf ein vermintes Gebiet begeben würde, war dem Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in den palästinensischen Gebieten, Henning Niederhoff, von Anfang an klar gewesen. Deshalb geht er so behutsam wie möglich vor, wenn er immer wieder neue kleine Gruppen zusammenstellt, zu denen Palästinenser, Israelis und Deutsche gehören.

Dadurch sollen "keine Grenzen verwischt" werden, sondern es geht darum, dass sich die Teilnehmer als "Individuen" dorthin begeben und bereit sind, sich auf eine Betroffenheit einzulassen, die verschiedene Ebenen hat. "Die Idee war entstanden", erklärt Niederhoff, "nachdem ich gemerkt habe, wie wenig man auf palästinensischer Seite von dieser Epoche der europäischen Geschichte weiß." Weil leicht Missverständnisse entstehen könnten, wenn sich Deutsche mit dem Holocaust beschäftigen, vor allem, wenn sie das im Nahen Osten tun, finden diese mehrstündigen Besuche auf privater Ebene und ohne Medienwirbel statt. Ohne diesen Schutz würden die meisten diesen Schritt wohl gar nicht wagen.

Die Palästinenser gehen mit ihren Augen durch die israelische Holocaustgedenkstätte, deren Erklärungen auch nicht für sie konzipiert wurden. Sie sind auf hebräisch und englisch verfasst - und nicht in der zweiten offiziellen Landessprache, auf arabisch. Um so größer ist der Schock, wenn sie dort an prominenter Stelle ausgerechnet auf ein Foto von einem der Ihren stoßen: Es handelt sich um Haj Amin al-Husseini, den Mufti von Jerusalem, der einen Teil des Zweiten Weltkrieges in Berlin verbrachte und die Deutschen zu weiteren militärischen Siegen anspornte. Für die Palästinenser gilt der Mufti als Held, weil er sich niemals mit der jüdischen Einwanderung im Vorkriegspalästina abfand und niemals einem demütigenden Frieden zustimmte. Vor dem Teil der Ausstellung in Yad Vashem, wo die Vernichtungslager dokumentiert werden, ist neben seinem Bild eine Rede abgedruckt, die er am 1. März 1944 im Radio Berlin gehalten hat: Darin ruft der Mufti die Araber auf, die "Juden zu massakrieren, wo immer sie zu finden sind".

Dieser Appell ist den meisten Palästinensern unbekannt. Dass ihr Volk auf diese Weise quasi in eine Reihe mit den Naziverbrechern gestellt wird, stößt auf große Bestürzung. Es taucht unwillkürlich die Frage auf, wie denn die vielen Touristen und Neueinwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion auf diese "Kriminalisierung der palästinensischen Opfer" reagieren würden. Das Gefühl, hier in Yad Vashem plötzlich der Täterseite anzugehören, habe seine Trauer mit den Juden überlappt, erinnert sich ein palästinensischer Besucher. Er fragt, warum man an dieser Stelle nicht lieber auf die Schergen des Vichy-Regimes verwiesen hat.

In der Diskussionsrunde hinterher geht es dann allerdings nicht nur um den Mufti, sondern um die verschiedenen Emotionen, die der ungewöhnliche gemeinsame Besuch ausgelöst hat. Meist stehen die unterschiedlichen Ängste im Zentrum, die es auf beiden Seiten gibt. Manche Bilder von Flucht und Vertreibung vor Augen, fühlen sich die Palästinenser unwillkürlich an das eigene Schicksal und die immer noch ungewisse Zukunft erinnert. Und plötzlich sind auch die Israelis nicht mehr nur die Überlegenen und Starken, wie sie meist im Alltag von den Palästinensern wahrgenommen werden. Es treffen zwei unterschiedliche Gedächtnisse aufeinander, die durch den immer noch ungelösten Konflikt um das Land miteinander verbunden sind.

"Ich fühle mit den (jüdischen) Opfern, aber ich würde es vorziehen, wenn die Museumsausstellung mit der Befreiung der Todeslager 1945 enden würde. Die Verbindung mit der Schaffung Israels ist aus der Sichtweise meines Volkes, der Palästinenser, unlogisch", schrieb ein palästinensischer Journalist nach dem Besuch. Für andere wiederum liegt es auf der Hand, dass die palästinensische Beschäftigung mit dem jüdischen Leid während des Holocaust eine israelische Beschäftigung mit dem palästinensischen Leid seit 1948 erfordere.

Musste am Anfang noch an die Großzügigkeit der Palästinenser appelliert werden, um sich nach Yad Vashem zu wagen, war dies nach dem ersten Besuch nicht mehr nötig. Seither schlagen die Teilnehmer selbst neue Kandidaten aus ihren Familien und ihrem Bekanntenkreis vor. Mit dem Eintrag: "Es war soweit, die Barriere zu brechen", bedankte sich ein Palästinenser bei den Organisatoren und ermutigte zum Weitermachen. Er blieb nicht der einzige. Das Interesse an einem Thema, das vor wenigen Jahren noch als Tabu behandelt wurde, scheint auf palästinensischer Seite behutsam zu wachsen.

Als sich Yitzhak Rabin und Yassir Arafat im Herbst 1993 vor dem Weißen Haus die Hände reichten, hatten sie beschlossen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, um nach vorne, in eine gemeinsame Zukunft, blicken zu können. Sonst wäre der Weg wohl gleich am Anfang versperrt gewesen. Seither hat aber trotz aller Hindernisse eine intellektuelle Annäherung in beide Richtungen stattgefunden. So sind in Israel die einst bahnbrechenden Recherchen des Historikers Benny Morris über die Flucht und Vertreibung der Palästinenser nach der Staatsgründung Israels inzwischen in die Schulbücher eingegangen; und Morris selbst hat endlich eine gesicherte akademische Existenz an der Ben-Gurion-Universität in Beersheva gefunden. Als man in Israel im Mai 1998 den 50. Unabhängigkeitstag feierte, blickte man auch nach drüben in die Autonomiegebiete, wo die Palästinenser erstmals offiziell der Al-Nakba, der Katastrophe von 1948, gedachten. Manches erinnerte dabei an die israelische Erinnerungskultur. Dazu gehörte zum Beispiel eine Sirene, wie sie jedes Jahr am Holocaustgedenktag ertönt, aber auch der Versuch, die eigene - unter 400 zerstörten Dörfern begrabene - Geschichte auf einer Landkarte zu rekonstruieren und Berichte von Augenzeugen zu sammeln. Denn wer sich nicht erinnert, hat keine Geschichte.

Ein historischer Kompromiss zwischen Israelis und Palästinensern wird beiden kollektiven Gedächtnissen Rechnung tragen müssen. Dabei geht es nicht darum, das Leid des anderen mit dem eigenen zu vergleichen, sondern es anzunehmen. Wenn das gelingen sollte, dann wäre der Frieden im Nahen Osten sicherlich ein Stück näher gerückt.


Referat, gehalten auf der Konferenz der Israel Interfaith Association und der Konrad Adenauer Stiftung im Konrad-Adenauer-Kongresszentrum, am 30.10.2003 in Jerusalem. Quelle: Religionen in Israel. Vierteljahresschrift der Israel Interfaith Association, 1-2003. Deutsche Website www.israel-interfaith.co.il



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New PostErstellt: 15.07.06, 17:28  Betreff:  Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.watzal.com/inamo0541.txt



Zionismus, Apartheid

und das palästinensische Flüchtlingsproblem



Die zentrale These des spannenden Buches von John Rose ist, daß der Zionismus durch eine
Vielzahl von Mythen zusammengehalten werde. Allein dies zu konstatieren ist bereits mutig.
Geradezu bescheiden formuliert er, daß es lediglich sein Anliegen sei, die mythische Geschichte
des Zionismus zu zerstören. Es gehört zum Wesen der Wissenschaft, Mythen zu entzaubern, aber
was wissenschaftlich geboten erscheint, kann verheerende persönliche Konsequenzen für den
betreffenden Autor haben. Nachdem Rose fast alles in Frage stellt, was der israelischen
politischen Elite als «heilig» gilt, zieht er folgendes Resümee: «Zionismus ist das Problem;
seine Beseitigung ist eine Voraussetzung für Frieden im Nahen Osten und für eine
arabisch-jüdische Aussöhnung in Palästina.» Diese Schlußfolgerung können die Palästinenser
bestimmt nachvollziehen, aber nur wenige in Deutschland oder den USA. John Rose lehrt
Soziologie am Southwark College und an der London Metropolitan University.

Der Autor dekonstruiert die Mythen des Zionismus. Was in den USA und Deutschland einem
politischen Selbstmord gleichkommt und in Israel als staatsfeindlich angesehen wird, ist in
Großbritannien offensichtlich noch möglich. Rose trennt fein säuberlich die Fakten von den
Fiktionen und den Mythen, welche die Zionisten vor und die israelischen Politiker nach der
Staatsgründung Israels verbreitet haben. David Ben-Gurion, der erste Ministerpräsident Israels,
sei, so Rose, der beste «myth-maker» gewesen. «Ben-Gurion ersetzte den Messias als Person
durch den Zionismus als messianische Bewegung. Dadurch muß der Erlösung der Menschheit die
Erlösung der Juden vorausgehen, die in der Wiedererlangung ihres Landes besteht.» (S.11)

Martin Buber und Yeshajahu Leibowitz, die sich selbst als Zionisten verstanden, seien von
Ben-Gurions Instrumentalisierung des Judentums für politische Zwecke entsetzt gewesen, so Rose.
Buber habe Ben-Gurion vorgeworfen, daß er die spirituellen Grundlagen Zions vereinnahmt hätte.
Ben-Gurion schreibe, daß das Land seit 2000 Jahren unbewohnt gewesen sei. Dieser Mythos bilde
eine der zentralen Legenden des Zionismus seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, so der Autor.

Rose analysiert die jüdische Geschichte und die daraus abgeleitete Forderung auf Palästina. Er
hält diese nicht für überzeugend historisch begründet. Ebenso verhält es sich mit dem Anspruch
auf das «Land Israel», denn dies sei selbst ein «religiöser Mythos». Der Autor beschreibt den
Widerstand der Bauern gegen die Enteignung ihres Landes. Über die palästinensischen Elite
konstatiert er, daß es ihr von Beginn an klar gewesen sei, daß die Kolonisierung Palästinas zu
ihren eigenen Lasten gehen würde. Der Widerstandswille sei bis heute ungebrochen, weil es um
Gerechtigkeit und Wahrheit gehe. Der historischen Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen, ist ein
zentrales Anliegen von John Rose.

Seit Jahrzehnten setzt sich Uri Davis für die Menschenrechte und die Achtung des Völkerrechts
im israelisch-palästinensischen Konflikt ein. Er zögert nicht, den Finger in die offenen Wunden
israelischer Politik zu legen, den Zionismus, die Umstände der Staatsgründung, die Gesetzgebung
des Landes, die politische Repression gegenüber den Palästinensern sowie die Möglichkeiten eines
Widerstandes gegen Unrecht von innen heraus. Er wirft seinem Land vor, ein Apartheid-Regime
errichtet zu haben, vergleichbar dem des ehemaligen südafrikanischen. Der Unterschied zum
Apartheid-Regime Südafrikas bestehe darin, daß das israelische durch Gesetze der Knesset – dem
israelischen Parlament - institutionalisiert worden sei.

Der Autor kritisiert die Politik seines Landes ausgehend vom Begriff der Menschenrechte. Zu
welchen Ergebnissen er dabei in Bezug auf den politischen Zionismus und das Rechtssystem kommt,
ist für Israel alles andere als schmeichelhaft. Davis befürwortet das Konzept eines
demokratischen, binationalen Staates. Es verwundert nicht, daß er damit in Israel auf Ablehnung
stößt. Ist doch der politische Zionismus mit dem Anspruch angetreten, einen jüdischen Staat zu
schaffen. Für einen binationalen Staat tritt in Israel – abgesehen von einem großen Teil der
israelischen Palästinensern - nur eine winzige Minderheit ein.

Davis hat eine Fülle von Fakten zusammengetragen, die eine Voraussetzung dafür wären, daß
Frieden in Israel und Palästina einkehren könnte, wenn sich die israelische Regierung die
Achtung der Menschenrechte auf die Fahnen schreiben würde. Sein Mut, seine moralischen
Prinzipien und seine Detailkenntnis sind beeindruckend.

Die Gründung Israels wird vom jüdischen Volk zu Recht als ein Akt der Befreiung gesehen; für die
palästinensische Bevölkerung hat sie sich als «Katastrophe» (al-Nakba) ins kollektive Bewußtsein
eingeprägt. Wie die Shoa die jüdische Identität nachhaltig geprägt hat, so bestimmen die
Umstände von Flucht und Vertreibung den palästinensischen Narrativ. Das Flüchtlingsproblem
bildet bis heute ein unüberwindliches Hindernis für ein friedliches Zusammenleben beider Völker.

Die Ereignisse von 1948 machten Hunderttausende von Palästinensern zu Flüchtlingen; im
Augenblick sind es ungefähr vier Millionen. Sie leben bis heute in Flüchtlingslagern in den
umliegenden arabischen Nachbarstaaten, der Diaspora und in den von Israel besetzten Gebieten.
Alle israelischen Regierungen verweigern ihnen die Rückkehr in ihre Heimat mit dem Argument,
ihre Rückkehr würde den nationalen Charakter des Staates Israel auslöschen und die jüdische
Mehrheit in eine Minderheit verwandeln, wie Shimon Peres es genannt hat. Mit diesem Argument
werden alle völkerrechtlichen Ansprüche der Palästinenser zurückgewiesen, auch die materiellen
Entschädigungsforderungen. Nur Masalha vermutet, daß die Israelis die Rückkehr der Palästinenser
nicht wollten, weil sie ihr Land für jüdische Siedlungen und Immigranten brauchten (S. 1 ).

Nur Masalhas Buch trägt den bezeichnenden Titel «Politics of Denial» und versucht, die
Entstehung der Politik Israels gegenüber den Flüchtlingen von 1948 zu analysieren. Diese Politik
zielte von Beginn an auf eine Ablehnung des Rückkehrrechts, so der Autor. In sieben Kapiteln
gibt Masalha einen umfassenden Überblick über die Entstehung des Flüchtlingsproblems von 1948
bis zu den Lösungsvorschlägen, die seit der Friedenskonferenz von Madrid 1991 bis zu den
Gesprächen in Taba 2001 gemacht worden sind. Bei genauerer Betrachtung zeige sich, daß die
palästinensische Seite weitgehende Zugeständnisse sowohl in Camp David als auch in Taba gemacht
hatte, Israel aber nicht bereit gewesen war, diese zu akzeptieren. Arafat wäre sehr flexibel
gewesen. Dennoch sei ihm die Schuld für das Scheitern in Camp David von Barak und Clinton
zugeschoben worden.

Der Autor verweist besonders auf die Rolle, die Yossi Beilin in der Flüchtlingsfrage gespielt
habe. «Der Flüchtlingsansatz von Israel (und Beilins) stellt die Geschichte auf den Kopf.»
Beilins Verhandlungsgeschick zeigte sich nicht nur bei den Osloer Verträgen, sondern auch bei
der so genannten Genfer Initiative. In diesem Dokument konnte Beilin die palästinensische
Delegation davon überzeugen, daß das Rückkehrrecht nicht zu ihren elementaren Rechten gehöre;
eine Ansicht, die auch immer von Abu Mazen vertreten wurde.

Wer sich über die Hintergründe der Vertreibung, die Verweigerung des Rückkehrrechts für
palästinensische Flüchtlinge und die Argumentation der israelischen Regierungen umfassend
informieren will, ist mit diesem Buch bestens bedient. Es gibt einen guten Überblick über die
Debatte, die von den so genannten Neuen Historikern ausgelöst worden ist. Sie haben Ende der
achtziger Jahre die moralische Verantwortung der israelischen Regierung für Flucht und
Vertreibung der Palästinenser offen gelegt.

Ludwig Watzal



John Rose, The Myths of Zionism, Pluto Press, London 2004, 232 Seiten, £ 14.99.
Uri Davis, Apartheid Israel. Possibilities for the struggle within, Zed Books, London 2003,
242 Seiten, £ 14.95.
Nur Masalha, The Politics of Denial. Israel and the Palestinian Refugee Problem, Pluto Press,
London 2003, 298 Seiten, £ 16.99.

In: inamo, 11 (2005) 41, Seiten 56 f.



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[editiert: 08.08.11, 12:50 von bjk]
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New PostErstellt: 15.07.06, 17:21  Betreff:  Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  weiterempfehlen




... wegen der militärischen Eskalation in Nahost und der einhergehenden Propagandaschlacht mit Lügen, Teilwahrheiten und Unterstellungen ist es angebracht, weitere belegbare Fakten zum Komplex Zionismus einzubringen
... die im Beitrag zuvor angekündigte Stellungnahme zum Singer-Interview wird etwas später erfolgen

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kopiert aus: http://www.kritische-stimme.de/Deu1/Annahmen1.html


Irrige Annahmen: Es gab nie so etwas wie "Palästinenser"

von Arjan El Fassed "Electronic Intifada"

Legende:

Die ehemalige israelische Premier Ministerin Golda Meir sagte:" Es gibt nicht so etwas wie "Palästinenser", der ehemalige Premier Minister Begin sagte, daß die Palästinenser "zweibeiniges Ungeziefer" seien; Rafael Eitan sagte, daß sie "betäubte Kakerlaken in einer Flasche" seien; der ehemalige israelische Premier Minister Shamir sagte, sie seien "Heuschrecken".

Selbst heutzutage hält sich die Legende, daß es die Palästinenser nie als ein Volk, daß es Palästina nie als eine zusammenhängende geografische Einheit gegeben habe, und daß das Land leer gewesen sei, hartnäckig. Die Verleugnung der Palästinenser ist eine völlige Entmenschlichung eines ganzen Volkes.

Zu den Fakten:

Der israelische Wissenschaftler Y. Porath schrieb, daß:

"zu Ende des Osmanischen Reiches die Vorstellung von Filastin schon sehr verbreitet war unter der gebildeten arabischen Schicht, und es sowohl für Palästina als auch für Jerusalem Sanjak allein stand." (Y. Porath, The Emergence of the Palestinian National Movement 1918 - 1929, Frank Cass, 1974):

Zionisten, die die Existenz der Palästinenser oder Palästinas verleugnen, behaupten, daß die Westmächte, die Grenzen im Nahen Osten nach dem Ersten Weltkrieg völlig willkürlich festlegten. Die Fakten allerdings zeigen, daß eben gerade die festgelegten Grenzen für das Mandat Palästina ja beweisen, daß man Palästina als solches wahrnahm, und daß die Westmächte ja gerade dadurch die Wirklichkeit Palästinas anerkannten, und diese Region definierten und somit auch die darin lebenden Menschen.

Auch die Touristen sahen Palästina als eine eigenständige Region an. Baedeckers berühmter Reiseführer, der 1876 veröffentlich wurde, trug den Titel "Palästina - Syrien". Herzl selbst, der Begründer des Zionismus, bezog sich in seinem Briefwechsel mit dem osmanischen Sultan Abdul Hamid auf Palästina, und beide hatten wohl keinerlei Schwierigkeiten zu verstehen, welche Region damit gemeint sei.

Die Grenzen, die von den Kolonialmächten gezogen wurden, umgrenzten sozusagen nur das schon vorhandene Gebiet. Es ist auch ganz offensichtlich, daß die Palästinenser und auch andere das Mandatsgebiet Palästina als eine eigenständige Region ansahen und nicht als ein Teil Syriens oder der arabischen Welt.

Kurz, die Palästinenser erkannten es als ihre Heimat an und auch andere taten dies. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, daß sich die Einwohner dieser Gegend folglich auch als Palästinenser sahen, und so auch von anderen wahrgenommen wurden.

1968 schrieb der jüdische Historiker Maxime Rodinson, daß

"die arabische Bevölkerung von Palästina in jeder Hinsicht einheimisch war". (Rodinson, M. , Israel and the arabs, 1968, p.216.)

Die Bevölkerung von Palästina 1870 - 1946*

in 1870 gab es 367.224 (98%) Araber und 007.000 (02%) Juden, gesamte Einwohner = 0.375.000
in 1893 gab es 496.000 (98%) Araber und 010.000 (02%) Juden, gesamte Einwohner = 0.497.000
in 1912 gab es 525.000 (93%) Araber und 040.000 (06%) Juden, gesamte Einwohner = 0.565.000
in 1920 gab es 542.000 (90%) Araber und 061.000 (10%) Juden, gesamte Einwohner = 0.603.000
in 1925 gab es 598.000 (83%) Araber und 120.000 (17%) Juden, gesamte Einwohner = 0.719.000
in 1930 gab es 763.000 (82%) Araber und 165.000 (18%) Juden, gesamte Einwohner = 0.928.000
in 1935 gab es 886.000 (71%) Araber und 355.000 (29%) Juden, gesamte Einwohner = 1.241.000

in 1946 gab es 1.237.000 (65%) Araber und 608.000 (35%) Juden, gesamte Einwohner = 1.845.000

*Zahlen sind gerundet


Quellen:

Yehoshua Ben-Arieh, "The Population of the Large Towns in Palestine During the First Eighty Years of the Nineteenth Century, According to Western Sources" in Moshe Ma'oz, ed. Studies on Palestine during the Ottoman Period, Magnus, 1975; Alexander Scholch, "The Demographic Development of Palestine 1850-1882", International Journal of Middle East Studies, XII, 4, November 1985, pp. 485-505; "Palestine", Encyclopedia Britannica, 11th edn, 1911; "Palestine", Encyclopedia of Islam, 1964; UN Document A/AC 14/32, 11 November 1947, p.304; Justin McCarthy, "The Population of Ottoman Syria and Iraq, 1878-1914", Asian and African Studies, XV, 1 March 1981; Kemal Karpat, "Ottoman Population Records and the Census of 1881/82-1893", International Journal of Middle East Studies, XCI, 2, 1978; Bill Farell, "Review of Joan Peters", 'From Time Immemorial', Journal of Palestine Studies, 53, Fall 1984, pp. 126-34; Walid Khalidi, From Heaven to Conquest: Readings in Zionism and the Palestine Problem until 1948, Institute for Palestine Studies, 1971 appendix I; Janet L. Abu Lughod, "The Demographic Transformation of Palestine", in Ibrahim Abu Lughod, ed., The Transformation of Palestine: Essays on the Origin and Development of the Arab-Israeli Conflict, Northwestern University Press, 1971 pp. 139-63.

Zusammenfassung:

Die bedeutendste Tatsache über die Palästinenser ist nicht allein ihre Vertreibung in Folge des Krieges von 1948, sondern die andauernde und systematische Umsiedlung. Es ergibt sich ganz klar, daß der zentrale Punkt im arabisch-israelischen Konflikt aus israelischer Sicht die Existenz der Palästinenser als eine klar abgegrenzte, soziale, politische und kulturelle Einheit ist. Aus diesem Grund hat Israel immense Anstrengungen unternommen, um die Palästinenser aus ihren Häusern zu vertreiben, ihnen ihre Identität zu nehmen und ihre Existenz und Bedeutung für die Lösung des Konflikts zu leugnen.

Aus Electronic Intifada: Historical Myths \"There was no such things als Palestinians\"



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New PostErstellt: 08.07.06, 12:06  Betreff: Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  weiterempfehlen




... habe gerade ein sehr interessantes Interview im Tagesspiegel gelesen, das, wie ich finde, ausgezeichnet in diesen Thread paßt, wenn auch eventuell erst auf den zweiten Blick
... zunächst also das Interview und in Kürze mein Kommentar dazu
... denn auf eine Reihe von Singers Antworten ist aus meiner Sicht doch so einiges zu sagen




„Ich würde mit Irans Präsidenten reden“

Der Chef des Jüdischen Weltkongresses, Israel Singer, über Patriotismus, Pelé und den Dialog mit Muslimen


Herr Singer, der Rat des Jüdischen Weltkongresses hat gerade in Berlin getagt und über den Iran gesprochen. Würden Sie auch mit dem Iran sprechen?


Ich würde mit den Juden im Iran reden, wenn ich eingeladen würde.

Würden Sie mit der iranischen Regierung sprechen?

Würden die mit mir sprechen?

Wenn die iranische Regierung Sie einladen würde, würden Sie hinfahren?

Ja. Ich würde mit Irans geistlichem Führer Ajatollah Chamenei über Judentum und Islam sprechen.

Würden Sie auch mit Präsident Mahmud Ahmadinedschad sprechen, der den Holocaust leugnet und Israel mit Vernichtung droht?

Ich weiß nicht, ob ich mit Ahmadinedschad etwas zu bereden hätte. Chamenei als religiöser Führer wäre mein Ansprechpartner.

Angenommen, Sie würden in Teheran mit Chamenei beim Tee zusammensitzen und Ahmadinedschad käme in den Raum. Was würden Sie tun?

Ich würde versuchen, ihn zu überzeugen, dass das, was er tut und sagt, von einem religiösen Standpunkt aus gesehen nicht richtig ist.

Der religiöse Standpunkt allein reicht, wenn Sie mit Ahmadinedschad sprechen?

Alles andere müssen andere regeln. Und auch Ahmadinedschad hat eine Achillesferse: die Wirtschaft. Man kann ihn mit Wirtschaftssanktionen empfindlich treffen. Und sollte dies tun.

Mit Wirtschaftssanktionen bestraft man auch die Bevölkerung.

Ja, das ist leider so. Ich war immer ein leidenschaftlicher Gegner des Apartheid- Systems in Südafrika. Ich habe immer Juden in Afrika getroffen, die die Apartheid verteidigt haben. Sie haben gesagt: Du schadest den Schwarzen nur, wenn du für Wirtschaftssanktionen bist. Die Leidtragenden sind immer die Bürger, egal, was passiert. Das ist schlimm. Aber dennoch muss es sein.

Glauben Sie, die Bevölkerung würde gegen Ahmadinedschad aufstehen, wenn sie unter Sanktionen zu leiden hätte?

Wir sollten noch nicht über die Folgen reden. Wir sollten erst mal mit Wirtschaftssanktionen drohen. Wir sollten Ahmadinedschad auch klar machen, was passiert, wenn der Westen ihn isoliert. Wenn er nicht mehr in der Weltpresse auftaucht. Er stilisiert sich zum Volkshelden. Damit will er den einfachen Mann auf der Straße beeindrucken. Und dafür braucht er die Aufmerksamkeit des Westens. Bisher hat er das voll erreicht. Ich glaube, im Moment ist Ahmadinedschad im Westen sogar bekannter als der brasilianische Fußballstar Pelé.

Überschätzen Sie da die Macht des Westens nicht? Die globalen Kräfteverhältnisse verschieben sich gerade dramatisch.

Das ist schon passiert. Die Muslime, die arabischen Staaten, Asien werden in Zukunft die wichtigsten globalen Akteure sein. Die wichtigsten Partner für uns Juden werden die Muslime sein. Zu ihnen versuchen wir als Jüdischer Weltkongress Verbindungen zu knüpfen. Ich komme gerade aus Kairo. Muslime wollen nicht abschätzig als verrückte Spinner gesehen werden. Sie wollen nicht als Terroristen behandelt werden, als Fanatiker. Außerdem leben mehr Muslime außerhalb der arabischen Welt als innerhalb. Die meisten Muslime wollen nicht als Araber behandelt werden. Sie sind Muslime, aber nicht Araber. Sie wollen eine gute Bildung für ihre Kinder, sie wollen, dass ihre Produkte gekauft werden. Sie wollen das Gleiche wie wir.

Und wie steht es mit den Beziehungen zu Indonesien, dem Land, in dem die meisten Muslime leben?

Die meisten Indonesier haben bisher eine negative Einstellung gegenüber Juden. Aber kaum einer ist jemals einem Juden begegnet. Deshalb müssen wir einen Dialog mit den Muslimen dort beginnen, das wird sich auch auf Indonesien auswirken. So wie wir durch den Dialog mit Johannes Paul II. den Antisemitismus in Lateinamerika gebremst haben. Dort haben wir – finanziell unterstützt vom Internationalen Währungsfonds unter Ihrem heutigen Präsidenten Horst Köhler – soziale Projekte gemacht. Wir haben den Armen geholfen, das hat sie überzeugt. Das wollen wir demnächst auch in Afrika machen.

Mit wem sprechen Sie in der islamischen Welt?

Erst mal mit Intellektuellen. Leider nicht mit den Scheichs und Mullahs. Die würden mir wahrscheinlich die Kippa vom Kopf reißen. Man kann die Leute ja nicht zwingen, mit einem zu reden.

Wie finden Sie Gesprächspartner in muslimischen Ländern?

Das ist nicht so leicht, denn es gibt so viele Muslime. Aber ich gebe zum Beispiel Al Dschasira oder Al Arabia Interviews. Da kriegt man sofort Reaktionen wie: Der soll ewig in der Hölle schmoren. Aber auch gemäßigte Leute melden sich. Ein anderes Beispiel: In der Zeitung „International Herald Tribune“ habe ich die Mohammed-Karikaturen verurteilt. Muslime auf der ganzen Welt waren überrascht und haben sich gefreut. Meine eigenen Leute haben mich attackiert, haben gesagt: Weißt du nicht, welche schlimmen Karikaturen die über uns drucken? Ich habe gesagt: Heißt das, wir sollen uns deshalb genauso schlimm benehmen?

Wie lange wird es dauern, bis dieser Dialog richtig in Fahrt kommt?

Länger als ich lebe.

Könnten die Juden als eine Art ethnischer Vermittler zwischen dem Westen und der muslimischen Welt fungieren? Schließlich war das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen über Jahrhunderte sehr gut.

Vielleicht nicht ethnisch. Aber wir könnten ein religiöser Mediator sein. Eine Gruppe, die den Dialog ermöglicht.

Spielt Berlin da eine Rolle? Warum haben Sie gerade diese Stadt für die erste Zusammenkunft des neu gegründeten politischen Rates des Jüdischen Weltkongresses gewählt?

Es gab einen berühmten amerikanischen Bankräuber in den 20er Jahren. Die Leute haben ihn gefragt: Warum haben Sie eine Bank überfallen? Er antwortet: Weil da das Geld ist. Wir sind nach Berlin gekommen, weil hier die politischen Entscheidungen getroffen werden. Zumindest, was unsere Themen angeht: Iran, Wiedergutmachung für Holocaust-Opfer, Antisemitismus.

Wie wichtig ist Deutschland für die Verhandlungen mit Iran?

Deutschland ist eines der wichtigsten Länder in der Iranfrage. Frankreich auch. Die politischen Strategien Deutschlands, Frankreichs und ganz Europas waren in letzter Zeit zu weich. Das hat zum Teil wirtschaftliche Gründe. Aber auch wenn ich die Meinung dieser Politiker nicht teile, so will ich doch mit ihnen sprechen, denn sie haben zumindest Einfluss im Iran.

Es stand zur Debatte, dass Irans Präsident Ahmadinedschad zur WM nach Deutschland kommen könnte. Was sagen Sie dazu, wie Deutschland mit der Situation umgegangen ist?

Das war ein riesiges Dilemma. Die Deutschen haben sich korrekt verhalten, sie haben kein Geschrei angefangen. Etwas anderes wäre mir auch nicht eingefallen. Die Deutschen hätten auch sagen können, wir lassen Sie nicht rein, wir lassen auch keinen Fußballer rein. Ihm die Tür ganz vor der Nase zuzuschlagen, wäre Quatsch gewesen. Aber man muss in einer Sprache mit ihm reden, die er versteht. Er ist verrückter, als viele denken. Aber ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Iraner hinter ihm steht.

Zur WM ist Berlin voll schwarz-rot-goldener Flaggen. Wie erleben Sie das?

Es freut mich, das zu sehen. Denn es ist Teil der Normalisierung Deutschlands, die gesund ist, und das ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Sicherheiten, die jüdische Menschen in aller Welt haben. In Deutschland gibt es Gesetze, die ich in keinem anderen Land haben möchte, weil sie die freie Meinungsäußerung einschränken. Das Leugnen des Holocaust steht unter Strafe. In den USA wäre das nicht möglich, aber in Deutschland ist es möglich, und das ist gut. Es ist ein großartiges Deutschland.

Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats in Deutschland, hat eine neue Patriotismusdebatte gefordert, damit sich Zuwanderer leichter mit dem Land identifizieren können. Brauchen wir Deutschen mehr Patriotismus?

Ich will das nicht kommentieren. Charlotte Knobloch repräsentiert die Juden in Deutschland. Sie weiß besser, was in Deutschland vor sich geht.

Sie leben in New York, im klassischen Einwanderungsland USA …

… nicht mehr. Amerika nach dem 11. September ist nicht mehr das liberale, offene Einwanderungsland, in dem ich aufgewachsen bin. Davor, von 1924 bis 1948, war Amerika auch ein geschlossenes Land. Trotzdem bin ich stolz auf Amerika.

Sind Sie Patriot?

Nein, ich bin stolz auf Amerika, aber ich bin kein Patriot. Das ist ein großer Unterschied. Ich bin stolz, denn Amerika ist kritikfähig. Patriotismus ist ein europäisches Konzept, das die Amerikaner immer in Zeiten des Krieges kopiert haben. Patriotismus, Nationalismus, Chauvinismus, das ist doch alles das Gleiche. Es reicht, ein loyaler Bürger zu sein. Alles andere ist übertrieben.

Nach dem Krieg war das Trauma des Holocaust für viele Juden in der Welt das wichtigste Thema. Die Generation der Holocaust-Überlebenden stirbt. Was bestimmt nun die Identität der Juden?

Naja, ich würde nicht sagen, dass der Holocaust identitätsstiftend war, aber es war das wichtigste Thema. Für die heute lebenden Juden ist Israel das wichtigste Thema. Egal, wo sie leben. Israel ist die nationale Identität der heutigen Juden, egal, wo sie leben.

Aber Sie sind doch Amerikaner?

Ich habe einen amerikanischen Pass und bin loyaler Amerikaner – und ich bin ein loyaler Anhänger der Idee von Israel als einem einzigartigen Ort für Juden.

Was ist die Hauptaufgabe des Jüdischen Weltkongresses in Zukunft?

Dafür zu kämpfen, dass die Welt ein bisschen besser wird und dass Juden überall in der Welt sicher und behütet leben können. Aber erst, wenn alle Menschen sicher und glücklich leben können, werden auch Juden sicher leben können. Niemand wird die Menschenrechte, die Religionsfreiheit genießen können, wenn sie nicht alle genießen können.

Und Ihr Arbeitsschwerpunkt?

Die Begegnung mit den Muslimen ist für mich jetzt die große Aufgabe. Sie ist fast genauso wichtig, wie es der Kampf um die Wiedergutmachung für die Holocaust-Opfer war. Ich reise jetzt nach Moskau. Dort gibt es zum ersten Mal ein Treffen der Religionen vor dem G-8-Gipfel.

Eine Art religiöser G-8-Gipfel?

Ja, und eine großartige Chance, wie Christen, Muslime, Buddhisten und Juden miteinander ins Gespräch kommen können. Auch Kardinal Kasper vom Vatikan wird kommen und Bischof Huber. Für Putin ist es natürlich die Gelegenheit, Russland als Land der Religionsfreiheit zu präsentieren.

Wäre so etwas auch in China denkbar?

Noch nicht. Aber es wäre sehr nützlich, gerade wegen der Hunderte Millionen Muslime, die vor allem im Westen Chinas leben und sehr isoliert sind. Aber zu wenige Leute interessieren sich bisher für diese Region. Dabei finden die spannendsten Prozesse an den Rändern der Zivilisation statt. Da müssen wir hin, denn da entscheidet sich die Zukunft.

Wären also auch die Vereinten Nationen eine gute Plattform?

Wir hoffen, dass wir vor der nächsten UN-Vollversammlung in New York ein ähnliches Treffen arrangieren können. Wir brauchen den Trialog zwischen Christen, Muslimen und Juden. Da liegt unsere große Chance, die Gegensätze der Kulturen zu überwinden.

Im Juli wird es in Deutschland einen Integrationsgipfel geben. Haben Sie eine Empfehlung dafür?

Die Integration von Einwanderern ist ein wichtiger Aspekt der Zivilgesellschaft. Länder mit einer ausgeprägten Zivilgesellschaft wissen, wie wichtig es für die Entwicklung eines Landes ist, die fremden Kulturen der Einwanderer zu verstehen und sie zu einem Teil der eigenen Kultur zu machen, anstatt die Einwanderer zu zwingen, die Kultur der Mehrheitsgesellschaft 1:1 zu übernehmen. Ansonsten bleibt man eine statische Kultur – und stirbt aus.

Das Gespräch führten Claudia Keller und Ingrid Müller.



ZUR PERSON

VERHANDLER


Die Eltern flohen vor den Nazis aus Wien, Israel Singer wurde 1942 in New York geboren. Der Politologe und Rabbiner kämpft seit 20 Jahren für die Entschädigung von Holocaust-Opfern, heute als Ratsvorsitzender des Jüdischen Weltkongresses und Präsident der Jewish Claims Conference. Er zwang selbst die Schweizer Großbanken in die Knie.

PROVOKATEUR

Um sich durchzusetzen, hält er sich nicht immer ans politisch Korrekte und wirft etwa den Juden im Westen vor, sie wüssten nicht, was Antisemitismus ist.

OPTIMIST

Er glaubt an die Verständigung zwischen Juden, Christen, Muslimen. Um die Welt zu überzeugen, verbringt er ein Drittel des Jahres auf Reisen.



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von Tegtmeier


[editiert: 08.08.11, 12:57 von bjk]
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New PostErstellt: 07.07.06, 19:14  Betreff: Re: Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  weiterempfehlen



hier noch ein paar weiterführende Links:

http://www.zionismus.info/
http://lexikon.idgr.de/z/z_i/zionismus/zionismus.php
http://www.bpb.de/publikationen/AQ36B7,0,0,Zionismus.html
http://jafi.jewish-life.de/zionismus/deutsche_titelseite/deutsche_titelseite.html
http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr234.htm
http://www.bornpower.de/israel/zion.htm

aber sicher findet ihr noch viel mehr

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New PostErstellt: 07.07.06, 19:06  Betreff: Ankündigung:  Reizwort Zionismus - was ist darunter zu verstehen?  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen



... hiermit eröffne ich aus daueraktuellem Anlaß den Thread "Zionismus"


Der Zionismus (von Zion) ist eine während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene jüdische National-Bewegung, die sich für die Entstehung eines eigenen jüdischen Staates in Palästina einsetzte. Der Begriff wurde 1890 von dem jüdischen Wiener Journalisten Nathan Birnbaum geprägt.

Der Zionismus entstand unter den Juden in der europäischen Diaspora. Er sieht sich selbst als die moderne Form des jahrtausendealten jüdischen Traumes von Freiheit und einem eigenen Staat im Land Israel, das allen Juden gemeinsam gehören und gerecht verteilt sein sollte. Diese Idee gab es in der jüdischen Gemeinschaft schon, seit das römische Reich das Land Judäa vor rund 1900 Jahren zerstörte. Ihre Ursprünge gehen bis auf die Anfänge des Volkes Israel in der Bibel zurück (vgl. Genesis 12, 3).

weiterlesen unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Zionismus



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