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Sind nicht auch professorale Krieg-Thinktanks Mörder, bloß ohne Uniform?

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 03.02.06, 12:32  Betreff:  Sind nicht auch professorale Krieg-Thinktanks Mörder, bloß ohne Uniform?  drucken  weiterempfehlen




kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2006/02-03/015.php



Kopflanger der Herrschaft

Thomas Wagner



Prof. Dr. Herfried Münkler


Wenn es darum geht, die Bevölkerung der BRD auf die kommenden Kriege einzustimmen, liefert ein hochangesehener Professor der Humboldt-Universität zu Berlin seit Jahren eifrig die politologischen Begriffe und Denkfiguren dazu. Mit Hilfe von Herfried Münklers Konzept des »asymmetrischen Krieges« ließen sich auch ohne weiteres die Verteidigungspolitischen Richtlinien des Bundesverteidigungsministers (21.5.2003) begründen, die die Aufrüstung der Bundeswehr zur international einsetzbaren Interventionsstreitmacht vorsehen. Münkler betreibt somit jene Form von ideologischer Politikberatung, die der Politologe Ekkehart Krippendorff einmal auf den Begriff der »Herrschaftswissenschaft« gebracht hat: »›Herrschaftswissenschaft‹ verleiht der Herrschaft Sprache – Sprache auch und nicht zuletzt gegenüber dem Volk, vermittelt über eine Vielfalt von Medien und Mediatoren.«1

Mit seinem neuen Buch »Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten« (Berlin 2005) hat Münkler nun eine Studie vorgelegt, die Marx' kategorischen Imperativ aus der »Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie« einmal mehr in sein Gegenteil verkehrt. Statt »alle Verhältnisse umzuwerfen«, in denen der Mensch als »ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen« (MEW 1, S. 385) erscheint, verharmlost Münkler die globalen Herrschaftsverhältnisse ungleichen kapitalistischen Tauschs als wohlstandsfördernde Marktbeziehungen, die von den USA militärisch verteidigt und zu imperialen »Wohlstandszonen« ausgedehnt würden. Wer käme daher auf die Idee, daß Münkler als Vorstandsmitglied der Internationalen Marx-Engels-Stiftung (Amsterdam) und Mitherausgeber des Marx-Engels-Jahrbuchs mit der Bewahrung des Marxschen Erbes betraut ist?2 Der Europäischen Union empfiehlt Münkler, die USA im Osten und Südosten der EU als Sub-Imperium zu entlasten, sprich: »Zusammenbrüche und Kriege zu verhindern« (Imperien, S. 247) – auch mit militärischen Mitteln.

Das Feuilleton klatscht Beifall

Staatsfromm verkündet Münkler schon in der Einleitung seiner jüngsten Buchveröffentlichung: »Der Blick auf die Geschichte zeigt, daß sich die Modelle politischer Ordnung letzten Endes doch zwischen Staat und Imperium erschöpft haben.« (Imperien, S. 10) Alles andere sei bloßes Wunschdenken. Kein Wunder, daß der Machiavelli-Forscher und Experte für neue Kriege regelmäßig militärische Forschungs- und Führungsakademien beraten darf und sein Imperien-Buch auf einem Internet-Portal der Konrad-Adenauer-Stiftung als Lektüre zur Neugestaltung der transatlantischen Beziehungen empfohlen wird (vgl. www.transatlantik-netz.de). Erschreckend ist jedoch das Ausmaß, in dem Münklers herrschaftsverliebte Thesen vom bürgerlichen Feuilleton aufgegriffen und unterstützt werden. Da heißt es, »ohne Anleihen beim Ordnungsmodell der Imperien« gäbe es »keine Zukunft für die EU«(Die Zeit). In »kühlen, historisch geläuterten Begriffen« (FAZ) befestige Münkler »seine herausragende Stellung innerhalb der deutschen Wissenschaft« (Rheinischer Merkur). Er weise uns den Weg in der »unwillkommenen neuen Unordnung (...) nach dem Dahinscheiden der Sowjetunion« (Deutschlandradio Kultur). Was die Frankfurter Rundschau als »unverzichtbare« neue Perspektive lobt, ist jedoch weder progressiv noch innovativ. Münkler selbst macht gar keinen Hehl daraus, daß er die zunehmend herrschaftskonforme Deformation der Politikwissenschaft begrüßt: »Sie (die Politikwissenschaft, TW) hatte eine gewisse Hypertrophie in Richtung Kassandra zu Zeiten, in denen es schick war, Politikwissenschaft nur als kritische Wissenschaft zu begreifen, die der Politik die moralisch lange Nase dreht und Abstand hält.«3

Münkler fällt es nicht schwer, eine Reihe von Verlautbarungen der US-Außenpolitik ganz offen als kühl kalkulierte Kriegslügen zu benennen: »Vom sogenannten Tongking-Zwischenfall, mit dem der Beginn der Luftbombardements gegen Nordvietnam begründet wurde, über die angebliche Tötung kuwaitischer Brutkastenbabys durch irakische Soldaten, die ein amerikanisches Eingreifen am Golf in den Jahren 1990/91 motivieren sollte, bis zu der vorgeblichen Bedrohung der freien Welt durch die Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins durchzieht die amerikanischen Interventionsbegründungen eine breite Spur von Täuschungen und Lügen.« (Imperien, S. 238) Doch gleich im Anschluß an diese Textpassage legitimiert Münkler die gerade entlarvten Kriegslügen als vermeintlich notwendigen Sachzwang der US-Außenpolitik. Die Täuschungen gingen zurück auf einen »strukturelle(n) Zwang zur Inszenierung von Bedrohungen, um die demokratische Öffentlichkeit zur Übernahme imperialer Verpflichtungen zu motivieren. Die Politik der Inszenierungen und Täuschungen dient dazu, die Lücke zwischen Demokratie und Imperium zu schließen.« (ebd.) Münkler zählt die »moralische Glaubwürdigkeit« zwar zu den Ressourcen imperialer Herrschaft, weist aber den Gedanken entschieden zurück, sie könne jemals ein vernünftiger Maßstab der Politik sein. Obwohl er dem »anspruchsvolle(n) Ideologiekonzept der Marxschen Theorie« (ebd.) seinen Respekt nicht verwehrt, verzichtet Münkler programmatisch und plakativ auf jede Ideologiekritik, verharmlost imperiale Herrschaft zynisch als »Form von Problembearbeitung« (a.a.O., S. 10) und degradiert handelnde Menschen zumindest metaphorisch auf die Rolle von bloßen Erfüllungsgehilfen einer imperialen Herrschaftslogik.

Perspektive der Herrschenden

Einfache Menschen, die unter den Zumutungen der Machthaber leiden oder sich zusammenschließen, um sich von ihnen zu befreien, kommen selten in den herrschaftsnahen Blick des Politikanalytikers. Die von Münkler gewählte Perspektive von oben verzerrt die Wahrnehmung sozialer Bewegungen. Ihre Befreiungsperspektive und Friedensfähigkeit wird herausgefiltert, politischer Widerstand lediglich als Störungspotential der Ordnung wahrgenommen. Als einzig erfolgversprechender Friedensgarant erscheint die simple, pure Gewaltherrschaft: »Was in aktiver Friedenspolitik ins Spiel gebracht wird, ist der Dritte. Ein Dritter, der so stark ist, daß er die Gewaltoption der miteinander im Krieg oder im latenten Krieg befindlichen Seiten unterbinden, unterdrücken kann.«4 Münkler erklärt Herrschaft zum universalgeschichtlichen Friedensprinzip. Unzulässigerweise vergleicht er immer wieder die reale Grausamkeit der sogenannten neuen Kriege mit der normativen Vorstellung von einem konventionellen Staatenkrieg, der durch bestimmte humanitäre Ideen reguliert werde. Die irregulären Schrecken der neuen Kriege entfalten sich vor der Folie eines scheinbar halbwegs humanen, zumindest eingehegten und kontrollierbaren Kriegs, den es so allerdings nie gegeben hat. »Der Krieg wurde nach Regeln erklärt, und nach ebensolchen Regeln wurde er auch wieder beendet. Dementsprechend war er zeitlich präzise begrenzt: An seinem Anfang stand die Kriegserklärung und an seinem Ende der Friedensschluß. (...) Er ist ein Kampf zwischen Soldaten, der nach Regeln, die als Kriegsrecht kodifiziert sind, ausgetragen wird.« (Neue Kriege, S. 24)

Nun hat Münkler wohl recht damit, daß all dies in den sogenannten neuen Kriegen nicht der Fall sei. Doch wie steht es wirklich mit den alten Staatenkriegen? Macht es für die sich gegenseitig mordenden Soldaten, für die vergewaltigten Frauen, die um ihr Hab und Gut gebrachten einfachen Leute, die verwaisten Kinder einen Unterschied, aus welcher Richtung die Bomben fielen, ob sie von staatlichen oder irregulären Granaten zerfetzt wurden? Die Theorie vom regulären Staatenkrieg erwächst nicht aus der Perspektive der Hauptbetroffenen, der potentiellen Opfer. Sie kommt vielmehr jenen entgegen, die über Menschen als Kanonenfutter verfügen wollen. Münkler selbst nennt in seinem Buch »Die Neuen Kriege« (Hamburg 2004) so viele Ausnahmen und Einschränkungen, daß eines klar wird: Hier ist nicht das reale Kriegsgeschehen gemeint, sondern ein Idealbild, das »im wesentlichen unsere Vorstellung vom Krieg bis heute geprägt« hat (ebd., S. 24). Wie unscharf Münkler selbst die Grenze zwischen alten und neuen Kriegen zieht, zeigt das folgende Zitat: Man könne darüber streiten, ob das »auf Symmetrien der militärischen Strategie, der politischen Rationalität und der völkerrechtlichen Legitimität errichtete System bereits im Ersten Weltkrieg, im Verlauf des Zweiten Weltkrieges oder erst mit dem Niedergang der Sowjetunion und dem Aufstieg der USA zur allein dominierenden Macht zerbrochen ist«. (a.a.O., S. 122)

Bei näherer Betrachtung entpuppt sich der vorgebliche Realismus des Kriegstheoretikers Münkler also als die konservative Spielart eines gefährlich naiven Wunschdenkens, das die staatsförmige Konzentration militärischer Gewalt zur universalen Voraussetzung friedlichen Konfliktaustrags macht. Alternativlos sei solche Herrschaftsgewalt schon deshalb, weil auch die vorstaatlichen Gesellschaften der griechischen Antike und der mittelalterlichen Feudalwelt nicht ohne permanente Gewaltbereitschaft hätten auskommen können. Da diese »Belligerenz« aber »erheblich unterhalb der Schwelle dessen lag, was seit der Entstehung der Staatlichkeit Krieg heißt«5, erklärt Münkler den Staat in einer eigentümlichen Verzerrung der historischen Fakten zum alleinigen »Schöpfer von Krieg und Frieden.«6

Die Logik der Macht

In dem merkwürdig statisch wirkenden Bild der Weltgeschichte, das Münkler in seinem Imperien-Buch skizziert, gibt es vor der Herrschaftslogik der Imperien daher kein Entrinnen. Im Rückgriff auf antikes und spätmittelalterliches Denken verknüpft er das Schicksal jedes Gemeinwesens unauflöslich mit der Fähigkeit der Herrschenden, ihre Handlungen optimal den Zwängen scheinbar natürlicher Ablaufgesetze einer »politischen Physik« (Imperien, S. 70) der Macht einzupassen: »Danach durchlaufen politische Gemeinschaften in ihrer Geschichte mehrere Zyklen, in denen sie auf- und absteigen, und sowohl die Anzahl der Zyklen als auch die Verweildauer im oberen Zyklensegment hängt wesentlich vom Geschick und von der Weitsicht ihrer führenden Politiker ab.« (a.a.O., S. 110) Frieden schafft nur, wer Macht hat. Wer lange herrscht, kann umso langfristiger Frieden schaffen. Aber nur, wer weiß, wie man mit Hilfe politischen Kalküls den Zeitpunkt des notwendigen Abstiegs hinauszögert, kann lange herrschen. Ist die Logik der Macht einmal erkannt, kann sie auf historisch konkrete Situationen übertragen und den Herrschenden von der sozialwissenschaftlichen Politikberatung als vermeintlich vernünftige Handlungsoption empfohlen werden.

Ekkehart Krippendorff hat eindrücklich beschrieben, wie eine potentiell kritik- und innovationsfähige Wissenschaft sich damit selbst immer mehr auf die Produktion von bloßem Herrschaftswissen reduziert: »Herrschaftswissen erklärt den Regierenden ihre eigne Tätigkeit, unterfüttert sie mit Strategien, deren diese sich in der Regel gar nicht bewußt sind oder die sie nicht selbst zu reflektieren und artikulieren vermögen.«7 Münkler versteht sich mit eitlem Stolz ausdrücklich als ein solcher Berater der politischen und militärischen Herrschaftseliten. »Ich lerne selber viel, wenn ich mich mit Generälen und Politikern über meine Theorien unterhalte«, bekannte er in einem Interview für die Wochenzeitung Die Zeit (30.10.2003). »Was ich denen zu verkünden habe, hören sie zwar meist nicht gern, aber sie wissen, daß sie umlernen müssen.« Daß er von dem Journalisten Jörg Lau als ein wandelnder »Ein-Mann-Think-Tank« bezeichnet wurde, kann den »Stichwortgeber für den Generalstab der Bundeswehr, den Planungsstab im Auswärtigen Amt und auch für humanitär engagierte NGOs« (Zeit) nur geschmeichelt haben. Schenkt man Münklers eigenen Aussagen Glauben, dann gehen seine herrschaftsfrohen Visionen selbst gestandenen Soldaten zu weit: Im Generalstabslehrgang der Bundeswehr habe er erklärt, inwiefern das Militär in den neuen Konflikten immer mehr Polizei- und Geheimdienstfunktionen werde übernehmen müssen. »Ein General sagte mir dann, in einer Armee, wie ich sie skizziert hatte, würde er nicht mehr dienen wollen.« (ebd.)

»Imperiale Mission«

Auf die Frage der taz, ob er ein ein Imperialist sei, antwortete Münkler: »Nein, dazu ist der Begriff zu negativ besetzt.«8 Da das Wort nicht gefällt, schreibt Münkler die Sache schön. Für die imperiale Handlungsweise lägen gute Gründe vor, die eher im Gemeinwohl als in den Interessen der ökonomisch und politisch Mächtigen zu suchen seien. Die angeblich »gute Sache« imperialer Herrschaft ist nichts anderes als die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Warentauschs. Bei der US-Besetzung des Irak sei es nicht um die unmittelbare Aneignung des Öls gegangen: »Das liegt überhaupt nicht in der Logik der imperialen Ordnung. Das wäre das Modell von Nazideutschland, das Ressourcenkontrolle mit militärischen Mitteln betrieben hat. Dagegen stellt das amerikanische Imperium nur sicher, daß die Ressourcen zu Marktbedingungen gehandelt werden. So wird sichergestellt, daß um strategische Ressourcen keine Kriege geführt werden müssen, man kann sie kaufen.« (Neue Kriege, S. 13)

Münkler reduziert die Dynamik der auf komplexe Weise miteinander verwobenen ökonomischen, politischen und ideologischen Stränge weitgehend auf eine, nämlich die politische Herrschaftslogik. Daher diagnostiziert er auch nicht die systematische Erzeugung sozialer Ungleichheit durch gewaltgestützte Ausbeutung, sondern den nicht zuletzt durch Befreiungsbewegungen beförderten Zerfall von Imperien als die gefährlichste Friedensbedrohung. »Nahezu alle Kriege, die in den letzten zehn bis zwanzig Jahren unsere Aufmerksamkeit für kurze oder längere Zeit in Anspruch genommen haben, entwickelten sich an den Rändern und Bruchstellen der einstigen Imperien, die bis zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Welt beherrscht und unter sich aufgeteilt hatten.«9 Das angeblich Gute imperialer Herrschaft entdeckt Münkler in seinem Imperien-Buch in den »selbstbindenden Aspekten« jeder »imperialen Mission« (a.a.O., S. 146). Damit ist gemeint, daß Imperien sich gewöhnlich selbst dazu verpflichteten, langdauernde zivilisatorische Aufgaben zu übernehmen. Im Falle der USA wäre das heute z.B. die weltweite Verbreitung der liberalen Demokratie. Dadurch rückten ihre kurzfristigen materiellen Interessen zwangsläufig in den Hintergrund, und Intellektuelle unterstützten die imperiale Macht durch ihre Perspektiven und Visionen. Demokratie und Medien sorgten heute dafür, daß die »Wahlbevölkerung im imperialen Zentrum« (ebd.) in den Ausgleich von Mission und Interessendurchsetzung einbezogen sei und selbst »die Bevölkerung der Peripherie« die »Geltung der imperialen Mission gegen die tatsächliche Politik des Empire« (ebd.) einfordern könne. Im übrigen weist Münkler die (verkürzt dargestellten) Annahmen und Analysen marxistischer Imperialismustheorien zurück, nach denen die Bevölkerung der Peripherie vor allem ausgebeutet würde. Vielmehr garantierten Imperien auch ihrer Peripherie den Frieden, stellten kollektive Güter bereit und investierten direkt in den von ihnen beherrschten Raum. Auf diese Weise profitierten auch die Bewohner der Peripherie von der prosperierenden Wirtschaft des Zentrums und gelangten in die Nähe des dort erreichten zivilisatorischen Niveaus. Schließlich lüden die Regierungen peripherer Staaten das Imperium zuweilen regelrecht dazu ein, sie militärisch zu schützen oder ihren Interessen Nachdruck zu verleihen. Die Herrschaft des Imperiums erscheint somit als von der Peripherie selbst gewollt.

Sub-Imperium Europa?

In einer Weltökonomie fortschreitender Ungleichheitsproduktion ist für Münkler nicht mehr das Modell formal gleichberechtigter Staaten, sondern allein das von vorneherein auf die Durchsetzung politischer und ökonomischer Ungleichheit zielende Weltreich ein vielversprechender und politisch vernünftiger Ordnungsgarant. Der Hauptkandidat für die postulierte Weltherrschaft sind für ihn nach wie vor die USA. Das hindert ihn jedoch nicht daran, auch den Politikern der Europäischen Union Anleihen bei der Herrschaftslogik der Imperien zu empfehlen. Die EU könne dann in die Rolle eines Sub-Imperiums der USA hineinwachsen: »Sub-Imperium bedeutet, daß sich die imperiale Superstruktur von regionalen Ordnungsaufgaben entlastet.«9 Wolle die EU jedoch in Münklers Sinn imperiale Politik betreiben, müsse sie zunächst allerdings das politische Binnenverhältnis der EU-Staaten von demokratischem Ballast befreien: »Ohne eine stärkere Hierarchie der EU-Staaten wird es keine gemeinsame Handlungsfähigkeit der Europäer nach außen geben.« (Imperien, S. 249) Nur indem eine EU imperial gestufter Einflußzonen sich in die Lage versetze, vor ihrer eigenen Haustür mit koordinierten militärischen Mitteln Ordnung zu schaffen, könne Europa gegenüber den USA handlungsfähig werden. Leander Scholz hat das Imperien-Buch daher im Deutschlandfunk als »Appell zur imperialen Machtergreifung Europas« bezeichnet. Wie sagte Münkler so schön: »Mit Kassandren ist kein Staat zu machen.«10 Mit Herfried Münkler dagegen sogar die Weltherrschaft.



1 Vgl. Krippendorff, Ekkehart, Kritik der Außenpolitik. Frankfurt a.M. 2000, S. 91

2 Vgl. Uwe-Jens Heuer, Die Umbewertung des Marxschen Denkens, in jW, 13.10.2004:

3 IABLIS Jahrbuch für europäische Prozesse 2005: »Ein netter intellektueller Schachzug«, Herfried Münkler im Gespräch mit Renate Solbach (www.iablis.de)

4 a.a.O.

5 Münkler, Herfried, Gewalt und Ordnung. Frankfurt a.M. 1992

6 Vgl. Münkler, Herfried, Staat, Krieg und Frieden, Die verwechselte Wechselbeziehung, in: Steinweg, Reiner (Redaktion): Kriegsursachen, Frankfurt a.M. 1987, S. 144

7 Vgl. Krippendorff, Ekkehart, a.a.O., ebd.

8 »Keine Angst vor dem Imperium«, taz, 1.8.2005, Interview Ralph Bollmann

9 »Keine Angst vor dem Imperium«, a.a.O.

10 IABLIS Jahrbuch für europäische Prozesse 2005, ebd.



Mensch bleiben muß der Mensch ...
von Tegtmeier


[editiert: 03.02.06, 13:13 von bjk]
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