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Walter Jens-Vorwurf der NSDAP-Mitgliedsschaft

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Autor Beitrag
Sirwilli

Beiträge: 59
Ort: Neu-Ulm

New PostErstellt: 29.12.03, 16:55  Betreff: Re: Walter Jens-Vorwurf der NSDAP-Mitgliedsschaft  drucken  weiterempfehlen

Tatsache ist, daß exakt dieser Großvater für mich ein Riesenproblem war.
Er war bei der Wehrmacht. Und so allmählich werden auch diese Verbrechen aufgedeckt.
Als er im Sterben lag, wurde ich damals von Heidelberg heimzitiert. Er wollte mich nochmal sehn. Er hat phantasiert und von dieser Zeit gesprochen. Man konnte ihn aber nicht mehr verstehen.

Für mich war es immer wichtig, daß mein Vater sauber war. 1945 war er gerade mal 16 Jahre. "Kindersoldat", wie man es heute nennt. Er war nicht kriegsfreiwillig gemeldet und ist aus dem "Ausbildungslager", abgehauen. Ein Lausbubenstreich? Wie man heute weiß, ging es dabei um Leben und Tod. Die Geschichte wird gerade für die Ulmer Region geschrieben.

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Baba Yaga


New PostErstellt: 29.12.03, 01:52  Betreff: Walter Jens:Vorwurf der NSDAP-Mitgliedsschaft-Nachtrag  drucken  weiterempfehlen

Hallo, Sirwilli!

Ich komme nochmals auf Walter Jens zurück!
Insbesondere nach Ihrem Antwort-Beitrag wird einmal mehr sehr deutlich, es hat Persönlichkeiten gegeben, die sich nicht haben hinreissen, nicht begeistern und instrumentalisieren lassen, vom Faschismus und von Nazi-Ideologien.

Es waren Menschen, die Begriffslügen durchschauten und andere Maßstäbe an Moral und gesellschaftlich-soziales Zusammenleben anlegten.

Ihr Zitat:
"So ist es zunächst nicht problematisch, daß einer mit 19 NSDAP-Mitglied war. Doch über 50 Jahre (rhetorisch) hochgezogen bis an den Anschlag - und stets zu feige, um abzudrücken.
Mein Großvater mütterlicherseits war für mich lange eine ehrfurchterregende Autorität - ein Bauer, einst wohnhaft in einem Dorf unweit von Ulm.
Auch auf den Jens hab ich mal aufgeschaut. Das ist eine Weile her. Eine Karriere ohne Gefühlsregung. Eine schauerliche Biographie. "


Ich nehme an, Ihr Großvater unterschied sich in seiner politischen Einstellung vom damaligen Walter Jens
...und das, obwohl er als Bauer kein Abitur und keine Uni-Ausbildung hatte!

Was also war es und was wird es auch in zukünftigen Entscheidungssituationen sein, das die einen, unabhängig von Ausbildung, Stand und Beruf befähigt, die ethisch richtige Einstellung zu treffen und zu verteidigen, während andere so kläglich versagen?

An der Religion kann es auch nicht gelegen sein,
...viel zu viele "bekennende Christen" und deren Kirchenvertreter, bis hin zu Bischöfen haben dem NAZI-Regime ihre Referenz erwiesen.
Die ganze "christliche Nächstenliebe" wurde zur Farce, ebenso wie Bergpredigt und Friedensgebote zum Paradoxon bei Kriegs- und Militärpfarrern noch heute werden!

Was kann es also sein, das manche Menschen so sicher und entschieden die einzig richtigen, die humanistischen Entscheidungen treffen läßt?

Ich finde keine andere Antwort, als jene, welche im uns allen bekannten, einfachen Sprichwort wieder zu finden ist:
"Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu!"

Diese Erkenntnis ist mehr als 2500 Jahre alt und hat als Handlungsanweisung ihre Bedeutung nicht eingebüßt.
Der griechische Redner (400 v.Chr.) Isokrates formulierte es so:
"Worüber ihr zürnt, wenn ihr es von anderen erleidet, das tut den andern nicht an!"
Er war nicht der Erste und auch nicht der Letzte, der das als Handlungsprinzip postulierte!

Gute Nacht
Baba Yaga


[editiert: 29.12.03, 02:00 von Baba Yaga]
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Sirwilli

Beiträge: 59
Ort: Neu-Ulm

New PostErstellt: 23.12.03, 00:42  Betreff: Re: Walter Jens-Vorwurf der NSDAP-Mitgliedsschaft  drucken  weiterempfehlen

Ich sollte hier einiges vorwegnehmen, mir fehlt im Moment jedoch der Kopf dazu. Morgen werde ich noch 2 Weihnachtsgeschenke besorgen:
Ein guter Geist hat mir mal von der möglichen Existenz einer emotionalen Lücke berichtet. Diese Erkenntnis hat mich Jahre meines Lebens gekostet. Sei`s drum.
So ist es zunächst nicht problematisch, daß einer mit 19 NSDAP-Mitglied war. Doch über 50 Jahre (rhetorisch) hochgezogen bis an den Anschlag - und stets zu feige, um abzudrücken.
Mein Großvater mütterlicherseits war für mich lange eine ehrfurchterregende Autorität - ein Bauer, einst wohnhaft in einem Dorf unweit von Ulm.
Auch auf den Jens hab ich mal aufgeschaut. Das ist eine Weile her. Eine Karriere ohne Gefühlsregung. Eine schauerliche Biographie.


[editiert: 23.12.03, 22:15 von Sirwilli]
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Baba Yaga


New PostErstellt: 17.12.03, 02:41  Betreff: Re: Walter Jens-Vorwurf der NSDAP-Mitgliedsschaft  drucken  weiterempfehlen

Das Thema Walter Jens und seine angeblich "freiwillige" Mitgliedschaft in der NSDAP und einem literaturkritischem Zitat aus dieser Zeit hat sich anscheinend erledigt,
...jedenfalls für die Medien und von ihr in Bann gehaltene Öffentlichkeit!

Ich hatte mir im vorangehenden Beitrag verschiedene Fragen gestellt und ich habe insbesondere im CDU-Forum die Vorwürfe von Haudubrandt gelesen, die da zusammengefaßt lauten:

Linke stellten nicht nur inquisitionell Fragen an die Generation der Frühergeborenen, sie urteilten und verurteilten auch wenig situationsbezogen und abgehoben ungerecht, wenn es um die NAZI-Vergangenheit und politische Verfehlungen ging.

Es wurde aber auch suggeriert, bei Walter Jens´ NSDAP-Mitgliedschaft und seiner Leugnung handelte es sich um eine ebenso unausweichbare, wie zwangsläufige, allgemeine Gesellschaftssituation, welche Taten und Handlungen von Leuten, wie die des Marinerichters Filbinger und anderer aktiver Nationalsozialisten, schicksalhaft und entschuldbar machten.

Richtig ist sicherlich, daß die Gesamtheit der deutschen Bevölkerung verantwortlich war für das gesellschaftliche und soziale Klima, das den Nationalsozialismus gedeihen und wüten ließ, falsch ist es aber m.E. aus jedem Individuum mit NSDAP Parteibuch einen Verbrecher zu machen!

Wenn Walter Jens, nach dem Abitur, im Alter von 19 Jahren Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP gestellt haben sollte und seine Sympathie für diese Organisation dann auch noch in einer Rede zur Stellung der Literatur in der damaligen Gesellschaft geäußert haben soll, ist das für Nachkommen und die Nachwelt erst eine sehr herbe Enttäuschung,
es ist die schmerzliche "Auch-Du-mein-Sohn-Brutus"-Erkenntnis für Freunde und Bewunderer seiner Lehren!

Ja, es ist ein Makel im Bilde des Philosophen!
Aber, ist es mehr als ein Makel?
Aber, wiegt dieser Makel mehr, als bei Anderen, die sich danach weniger engagiert für eine sozialere, freiere und gerechtere Weltordnung einsetzten?

Ich will das individuell beantworten und dabei von mir selbst ausgehen, um eine Einordnung und Bewertung finden zu können.
Die Gnade der späten Geburt kann, wegen der größeren Distanz klarere Sicht und Analyse ermöglichen, dagegen kann ich die situativen Zwänge und Zusammenhänge nur bedingt nachverfolgen und in ein Urteil schwerlich einbeziehen.

Walter Jens war kein Werner Höfer. Er war nie wie Höfer Starkolumnist des Berliner „12-Uhr-Blatt", oder Schreiber in der vom Propagandaminister Joseph Goebbels geleiteten Zeitung „Das Reich".
Walter Jens hatte also, - wenn es denn stimmen sollte, mit der NSDAP-Mitgliedschaft -, weniger zu verschweigen als Werner Höfer!

Warum hat er trotzdem geschwiegen?

Vielleicht hat man ihn bisher nie gefragt, oder auch nicht zur richtigen Zeit gefragt?

Jedenfalls hat er, ob aufgrund der Erfahrungen und Erkenntnisse seines Fehlverhaltens, starke Kräfte bis ins hohe Alter entwickelt, rechten Ideologien immer und überall entgegenzutreten.

Damit wurde er für Linke zum Idol!

Wer ohne Fehler ist, werfe nun den ersten Stein!

Ich tue es nicht, muß ich mir bis heute selbst den Vorwurf machen, in einem entscheidenden Augenblick meines beruflich-politischen Lebens versagt zu haben.
Zu Beginn meiner Berufskarriere ist mir zufällig eine Steuer-Akte und damit der Nachweis über einen staatlichen Finanzskandal in die Hände gekommen.
Ich begriff sofort die Dimension und die Zusammenhänge und ich wußte auch um die Unzulässigkeit und Strafbarkeit der aus der Akte ersichtlichen Sachverhalte.
Ich hätte handeln müssen, Staatsanwaltschaft, Dienstaufsicht und Presse einschalten sollen, statt dessen nahm ich den Aktenpack erst einmal mit nach hause in Verwahrung.
Eine Woche lang überlegte ich hin und her, was nun zu geschehen habe, was ich zu tun hätte, so lange, bis der "Verlust" der Unterlagen aufzufallen drohte.
Ich brachte die Akten wieder zurück und reklamierte ordnungsgemäß die Fehlleitung und Nichtzuständigkeit für das Bündel!

Geblieben sind mir Gefühle von Feigheit und Schwäche.
Geblieben sind auch mahnende Einsicht und fordernde Erfahrung und der Wille, mich nie mehr um Entscheidungen zu drücken und nur den, als richtig erkannten Prinzipien Folge zu leisten!

Vor diesem Kontext wäre es mir nicht möglich, Walter Jens zu verurteilen, wenn er sich wegen der NSDAP-Mitgliedschaft schuldig gemacht hätte,
- die Enttäuschung darüber aber wäre sehr groß!

Das war´s, was ich zum "Fall Jens" noch anfügen wollte!

Gute Nacht
Baba Yaga


[editiert: 17.12.03, 03:15 von Baba Yaga]
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patros


New PostErstellt: 14.12.03, 03:23  Betreff: Walter Jens-Vorwurf der NSDAP-Mitgliedsschaft  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Maks, ein Alt-User des CDU-Forums eröffnete zu Walter Jens folgenden Thread:

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Datum: 09.12.2003 10:14:08 Autor: Maks ©
Walter Jens, Ikone der Linken, ein Mann mit Gedächtnislücken?

Schweigen?

Keine Verteidigungsreden, kein "das hat er nicht gewusst"?
So enttäuscht über einen kleinen braunen Fleck auf der ach so weissen Weste des selbsternannten Gewissens Deutschlands?

Maks

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Datum: 09.12.2003 09:38:23 Autor: Maks ©
Walter Jens, Ikone der Linken, ein Mann mit Gedächtnislücken?

Walter Jens, Ikone der Linken, ein Mann mit Gedächtnislücken?

Kann man eine Mitgliedschaft in der NSDAP so einfach vergessen?

www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/216094/

Oder führt der ältere Herr einen billigen Eiertanz auf?
Jedenfalls ist er schwer unter Druck.

Maks

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Meine Antwort darauf

Datum: 14.12.2003 02:26:26 Autor: patros ©
Walter Jens, Ikone der Linken, ein Mann mit Gedächtnislücken?

re Maks-oder wie man das CDU-Forum vorführt

Threaderöffnung mit rhetorischen Fragen von Maks zu Walter Jens und einer NSDAP Mitgliedsschaft:

"Kann man eine Mitgliedschaft in der NSDAP so einfach vergessen?
Oder führt der ältere Herr einen billigen Eiertanz auf?"

Natürlich wird m a n annehmen müssen, daß jemand mit klarem Verstand seine Mitgliedschaft in der NSDAP nicht vergessen kann und eine solche Tatsache auch bewußt und erinnerlich sein müßte.

Was aber, wenn jemand keine "Verteidigungsrede" abliefert, wie Maks das kritisierte und wie er das bei Walter Jens vermißte?
Was, wenn jemand, konfrontiert mit seiner NSDAP-Mitgliedschaft, mehr erstaunt über diese Frage ist, als der Fragende selbst?

Walter Jens behauptet, nachdem er mit der "NSDAP-Erkenntnis" des Historikers Michael Buddrus (vom Münchner Institut für Zeitgeschichte) konfrontiert wurde:

"Ich bin zwar in der Hitlerjugend und sicher kein Widerstandskämpfer gewesen.
Aber ich habe bisher n i c h t gewusst, dass ich Parteigenosse war.
Ich habe n i e einen Mitgliedsantrag gestellt, n i e einen Mitgliedsausweis erhalten, n i e Beiträge gezahlt."

Der 80-jährige Publizist und Rhetorik-Professor sagt, es sei höchstens vorstellbar, dass er im Rahmen einer Großaktion zusammen mit anderen Hitlerjungen automatisch in die Partei aufgenommen worden sei.
Walter Jens ist 1923 geboren und die "Aufnahme" soll lt. Mitgliedskarte 1942 erfolgt sein, also im Alter von 19 Jahren!

Walter Jens wirft dem Herausgeber des " Internationalen Germanistenlexikons 1800-1950", Christoph König, mangelnde Sorgfalt vor.
Er meinte zu seiner Auflistung als freiwilliges NSDAP-Mitglied in diesem Lexikon:

"Ich bin erstaunt darüber, dass der Herausgeber des Lexikons sich in dieser Frage auf ein einziges Gutachten stützt - das ist fahrlässig.
Wissenschaftler müssten mindestens drei verlässliche Quellen haben, ehe sie in einer so gravierenden Frage zu einer dezidierten Stellungnahme kommen. Es geht schließlich um die Ehre von nicht ganz unangesehenen Menschen!"

Neben Jens sind auch noch der Germanist Peter Wapnewski und der verstorbene Literat Walter Höllerer in dem Lexikon als ehemaliges NSDAP-Mitglied aufgeführt worden.

Walter Jens kündigte juristische Schritte gegen den Herausgeber des " Internationalen Germanistenlexikons 1800-1950", Christoph König und gegen den "Gutachter" und Historikers Michael Buddrus an, weil von diesen "die Existenz derartiger Kollektivaufnahmen" ausgeschlossen wird.
Unterstützung bekommt Jens unterdessen vom Präsidenten der Akademie der Künste in Berlin, Adolf Muschg.

Diese Angelegeheit wird also weiter untersucht werden müssen und so lange sollte auch für Maks die Unschuldsvermutung gegenüber Jens gelten.

Daß aber mit der bestrittenen NSDAP-Mitgliedschaft eines damals 19-20-Jährigen, sofort Versuche zur Exkulpierung, Relativierung und Verharmlosung von überführten Tätern und erwiesene Schuld von NS-Unterstützern gestartet wurden, ist das eigentlich Erschreckende an diesem, von Maks lancierten Thread!

_______________________________________________


Ich habe das Thema hierher kopiert, denn anders, als die Zielrichtung der Diskussion im CDU-Forum, ist es schon erörterungs- und überlegenswichtig, wie man damit umgeht, wenn man erfährt, daß evtl. auch später starke Persönlichkeiten, in ihrer Jugend vom Nationalsozialismus eingenommen waren.

War der, von manch späteren Linken und Liberalen so vehement vertretene Antifaschismus und Sozialismus eine Reaktion auf den Nationalsozialismus, war es nur "Anpassung" an die "neue Zeit", oder war es Einsicht und Lernerfolg aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen und Kenntnisse?
Kann man und darf man demokratischen "Erkenntniszugewinn" und spätere soziale "Überzeugung", also Lernerfolge und Persönlichkeitsentwicklung (insbesondere bei damals noch sehr jungen Menschen/Erwachsenen),von sogen. Linken eher erwarten, als bei politisch konservativ und rechts Orientierten?

Ich bin davon überzeugt, wenn die Fragen allgemein gestellt werden und nicht auf eine bestimmte, individuell zu beurteilende Persönlichkeit gerichtet sind, dann hat es generell einen "Anpassungsdruck" in Richtung Demokratie nach dem Untergang des NS-Regimes gegeben.

Ich halte es aber für evident, daß dieser "Druck" zu unterschiedlichen, politischen Reaktionen führte, je nach der späteren politischen Ausrichtung der vom Nationalsozialismus "Berührten" !


patros

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