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Carl von Ossietzky - vor 70 Jahren gestorben

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 04.05.08, 14:09  Betreff: Carl von Ossietzky - vor 70 Jahren gestorben  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2008/05-03/021.php



Andere passen sich an

Eine Persönlichkeit, wie sie der linken Presse heute fehlt: Carl von Ossietzky (3.10.1889–4.5.1938)


Von Dr.Seltsam


- Vor 70 Jahren, am 4. Mai 1938, stirbt der Herausgeber einer der wichtigsten Zeitschriften der Weimarer Republik, der Weltbühne. Carl von Ossietzky stirbt nicht im KZ, wie Erich Mühsam und viele andere Autoren, sondern in einem Berliner Krankenhaus. Dennoch ist er ein direktes Opfer der Nazischergen. Während drei Jahren KZ-Haft hatten sie ihn hungern lassen und gequält und schließlich alle Voraussetzungen dafür geschaffen, daß er sich mit TBC infiziert und bald nach seiner bedingten Freilassung im November 1936 verstirbt (bis zuletzt ständig von der Gestapo bewacht).

Das ist der vorläufige Sieg der Militär- und Nazikaste über einen ihrer genauesten Feinde. Der erbitterte Kleinkrieg, der zu diesem Ende führt, begann bereits über zehn Jahre vorher mit Versuchen, Ossietzky mit allen, vor allem juristischen Mitteln, zum Schweigen zu bringen. Der kleine gequälte Mann ist einer der mutigsten Kämpfer gegen Militär und Reak­tion, die Deutschland jemals hervorgebracht hat. Er läßt seine Feinde, die Kriegshelden von der Obersten Heeresleitung, bis heute ziemlich feige aussehen.

Nach der leider nur vorübergehenden Niederlage des deutschen Imperialismus 1945 steht der Kampf zwischen Militarismus und linksliberaler Friedenshoffnung heute wieder unentschieden, und wie sehr Menschen seiner Art fehlen, merkt man zum Beispiel daran, daß alte Sozialdemokraten die Bundesarmee am Hindukusch rechtfertigen und neue Sozialdemokraten von der PDS-Boygroup die Politik für Arme belächeln können, ohne daß sie bis ins Mark blamiert wären. Zwar hatte auch die Weltbühne ihrerzeit keine große Auflage, aber Tucholsky, der Pazifist Gerlach, Kisch, Weinert, Kästner, Kraus und andere unabhängige kritische Schriftsteller wurden gehört und gefürchtet, und es war der Reaktion immerhin noch peinlich, wenn ihre Machenschaften ins scharfe Licht der Presse gerieten.

»Das ist das Erschütternde an dem gegenwärtigen Zustand: Nicht der Faschismus siegt, die andern passen sich ihm an.« So versucht Ossietzky, die linke Politik in die Offensive zu bringen, stets bemüht, alle Kräfte gegen die aufkommende Nazipest zu bündeln, etwa als die SPD auf einen eigenen Kandidaten zur Reichspräsidentenwahl verzichtete und den senilen Völkermörder Hindenburg unterstützt in der absurden Hoffnung, damit Hitler zu bremsen: »Man muß festhalten: die Stimme für Thälmann bedeutet kein Vertrauensvotum für die Kommunistische Partei (...), Linkspolitik heißt, die Kraft dort einsetzen, wo ein Mann der Linken im Kampfe steht. Thälmann ist der einzige, alles andere ist mehr oder weniger nuancierte Reaktion. Das erleichtert die Wahl. (...) Je besser Thälmann abschneidet, desto deutlicher wird demonstriert, welch einen Erfolg eine sozialistische Einheitskandidatur hätte haben können. Auf diese Lektion kommt es an. Die Hindenburg-Koalition zwischen ausgedienten Hofdamen der Monarchie und den kommenden Höflingen der diktatorischen Republik ist ein Produkt der Parteibüros, die das Tastgefühl für die Schwankungen der Wählerschaft verloren haben. Deutschland hat in diesen Jahren zuviel gehungert, um sich seine Entscheidung von Pietät bestimmen zu lassen. Die meisten haben nichts zu gewinnen, wohl aber eine verlorene Existenz zu rächen.« (Weltbühne vom 1.3.1932)

Ist das nicht wie aus dem Herzen der Hartz-IV-Opfer gesprochen?! Dieses Zitat aus einer Nummer der Weltbühne zeigt einen Reichtum an politischer Kombinationsgabe und eine Fähigkeit zum Schimpfen, wie man sie heute in der linksliberalen Presse vergeblich sucht.

Ab Januar 1927 ist Ossietzky leitender Redakteur der Weltbühne – »unter Mitarbeit von Kurt Tucholsky«. Sofort gibt es den ersten Krach: »Beleidigung von Mannschaften und Offizieren des Kreuzers ›Hamburg‹« – 500 Mark Geldstrafe. Die Weltbühne beweist die Verantwortung der Reichswehr für rechte »Fememorde« und kassiert ein bzw. zwei Monate Gefängnis (Berthold Jacob und Ossietzky). 1928 kostet die Aufforderung an Linke, gegenüber dieser Justiz jede Mitarbeit zu verweigern, wieder 50 Mark.

Nach vielen Versuchen, der Weltbühne juristisch beizukommen, gelingt es dem Reichswehrminister Wilhelm Groe­ner 1929 endlich, für »Windiges aus der Luftfahrt« von Walter Kreiser ein Verfahren wegen Landesverrats einzuleiten und Ossietzky 16 Monate aufzubrummen. Noch im Jahre 1992 weigerte sich der Bundesgerichtshof, dieses Urteil wegen »Landesverrats« zu ändern – mit der höhnischen Bemerkung, es habe sich an der Rechtsordnung nichts geändert. Damit weisen die Bundesrichter die Bemühungenn von Ossietzkys Tochter Rosalind zurück, die Ehre ihres Vaters wiederherszustellen. Mit demselben Vorwand wird jahrelang die Benennung der neuen Oldenburger Universität nach Ossietzky verhindert.

Der inkriminierte Artikel zur »Luftfahrt« belegt anhand öffentlicher Quellen, daß die Reichswehr seit Jahren den Versailler Friedensvertrag bricht, durch heimliche Aufrüstung in Kooperation mit der Sowjetunion. Kein Wunder, daß die moskauverbundenen Kommunisten Ossietzky danach nicht allzu freudig verteidigen.

Dann folgt das Verfahren gegen die berühmte »Soldaten sind Mörder!«-Glosse von Tucholsky im August 1931. Es endet mit Freispruch.

Ossietzky wird im Dezember 1932 nach 227 Tagen Haft wegen des »Luftfahrt«-Artikels aus dem Gefängnis entlassen und hat nur noch zwei Monate Leben in Freiheit vor sich. Das Land zu verlassen, lehnt er bis zuletzt mit der Begründung ab: Wenn alle fliehen, gibt es gar keinen Widerstand mehr. Es folgen die letzten Wahlen. In der Nacht des Reichstagsbrandes am 28. Februar 1933 wird Ossietzky verhaftet und in verschiedenen KZ langsam zugrunde gerichtet. Daß die Nazis seine Adresse nicht wissen (er hatte »kein Namensschild an der Tür«), sondern von der sozialdemokratisch geführten preußischen politischen Polizei bekommen, ist ein Hinweis, der angesichts der heutigen Datensammelwut der Behörden nicht fehlen soll.

Ein internationaler Freundeskreis schafft es, daß Ossietzky 1936 den Friedensnobelpreis für 1935 erhält. Das reißt den Nazis im Olympiajahr die Maske weg, und schützt Ossietzky vor dem Totgeschlagen-Werden, aber die letzten Monate seines Lebens verbringt er todkrank in quälender Armut, weil sein Anwalt und die Nazis ihm gemeinsam die Geldprämie von Nobel klauen, mieseste Gangster noch am Sterbebett. Kaum jemand hat die menschliche Niedrigkeit der Reaktion tiefer gekostet als Carl von Ossietzky. Die Kumpanei der Täter reicht bis in die Gegenwart.

Unser Autor empfängt in seiner »Wochenschau« am Sonntag in Berlin-Kreuzberg Hans-Christian Ströbele; Ossietzky wird zu Wort kommen; Beginn ist 13 Uhr im Wirtshaus Max und Moritz, Oranienstr. 162, Eintritt frei



Foto: jW-Archiv



Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!


[editiert: 04.05.08, 14:09 von bjk]
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