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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 06.02.05, 09:49     Betreff: Dan Bar-On: über Opfer und Täter, Juden und Deutsche, Palästinenser und Israelis




Dialog für den Frieden


Wir müssen uns unsere Geschichten erzählen

Dan Bar-On über Opfer und Täter, Juden und Deutsche, Palästinenser und Israelis



Dan Bar-On ist Professor für Psychologie an der Ben-Gurion-Universität in Beer-Sheva und Co-Direktor von PRIME, dem 1998 gegründeten Peace Research Institute in the Middle East in Beit Jala. Er hat Deutsche und Juden, Israelis und Palästinenser aufgerufen, ihre persönlichen Lebensgeschichten zu erzählen, um sich zu verstehen und zueinander zu finden. »Auf diese Weise wird man mit traumatischen Erfahrungen zwar nicht fertig, aber man kann einander begegnen, ohne dass es sofort zu Schuldzuweisungen und damit zu Blockaden kommt«, sagte der israelische Konfliktforscher diese Woche in Berlin während der Vorstellung seines neuen Buchs »Erzähl dein Leben!. Meine Wege zur Dialogarbeit und politischer Verständigung« (Edition Körber-Stiftung, 272S., br., 14EUR).

Geboren 1938 als Sohn deutscher Juden in Haifa wurde er in der BRD vor allem durch seine Interviews mit Kindern von NS-Tätern Ende der 80er Jahre bekannt (»Die Last des Schweigens«, ebenfalls Körber-Stiftung). Für sein Engagement für Frieden und Verständigung erhielt er u.a. das Bundesverdienstkreuz und den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis. Mit Dan Bar-On sprach Karlen Vesper.



Vesper: Es gab in Israel wieder Proteste, dass Bundespräsident Horst Köhler seine Rede vor der Knesseth in Deutsch hält – wie vor Jahren beim Besuch von Johannes Rau. Der Vorsitzendes des Jüdischen Weltkongresses Singer meinte jedoch, Köhler habe »jedes Recht der Welt«, in seiner Muttersprache zu reden. Was ist ihre Meinung?

Dan Bar-On: Ich hätte es besser gefunden, wenn er in Englisch gesprochen hätte. Denn ich denke, dass die Zeit noch nicht reif ist, in der Knesseth deutsche Worte zu hören. Es gibt bei uns noch viele Leute, die das nervös macht. Aber ich akzeptiere, dass Herr Köhler anders entschieden hat. Das ist Teil des neues Geistes des vereinigten Deutschland.


Vesper: Während seines Treffens mit Köhler hat Ihr Staatsoberhaupt Moshe Katzev Besorgnis über neuen Antisemitismus in Deutschland artikuliert. Neonazis sitzen in deutschen Landtagen. In Sachsen haben sie sich dem Gedenken der Opfer des Holocaust verweigert. Auch Gründe dafür, dass man in Israel nicht Deutsches hören will?

Dan Bar-On: Ich würde das nicht miteinander verbinden. Und ich meine auch, dass antisemitische Erscheinungen oder Äußerungen in Deutschland bei uns in Israel manchmal sehr aufgebauscht, zu aufgeregt diskutiert werden. Das ist keine so existenzielle Gefahr, zu der sie manche Leute bei uns mit bestimmten politischen Absichten stilisieren wollen. Vor allem aber ist das ein Problem der Deutschen, sie müssen sich damit auseinander setzen, nach den Ursachen forschen. Solche Erscheinungen haben doch offenbar etwas damit zu tun, dass die Menschen z.B. in Ostdeutschland sich vernachlässigt fühlen, nicht genug Aufmerksamkeit erfahren, keine Arbeit haben und vieles andere mehr. Ich glaube nicht, dass die Deutschen heute antisemitischer eingestellt sind als vor 20 Jahren. Leute, die immer schon Antisemiten waren und dies bis heute verbargen, kommen jetzt damit heraus. Anderseits sehe ich in Deutschland als Kehrseite vorbehaltlosen Philosemitismus. Aber all dies sind meines Erachtens nicht die Hauptprobleme gegenwärtig in den Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.


Vesper: Sie trauen also Deutschland?
Dan Bar-On: Was meinen Sie mit »trauen«?


Vesper: Sie vertrauen in die Kraft der Demokratie in Deutschland?

Dan Bar-On: Ich traue keiner Gesellschaft. Ich registriere, dass es in Deutschland genügend Kräfte gibt, die daran interessiert sind, sich vorwärts zu bewegen und Teil der offenen Gesellschaft im Westen zu werden. Und die nicht erlauben werden, dass rückwärts gewandte Kräfte sie von diesem Weg abbringen. Ich weiß auch, dass eine Minderheit in Deutschland ernsthaft daran interessiert ist, zu verstehen, was in der Vergangenheit geschah. Sie investiert viel Mühe in die Erinnerungsarbeit. Diese Minderheit ist enorm wichtig. Wenn sie verschwindet, dann werde ich beunruhigt sein.


Vesper: Bereits vor zwei, drei Jahren gab es bei uns eine heftige Debatte, dass die Deutschen nicht nur Täter, sondern auch Opfer waren – des alliierten Bombenkriegs, der Vertreibungen. Die Debatte scheint sich jetzt neu zu beleben. Beunruhigt Sie auch das nicht?

Dan Bar-On: Gesellschaftliche Debatten sind wie Wellen. Sie rollen heran, schäumen sich auf und ebben wieder ab. In den letzten Jahren hat sich Deutschland erlaubt, seine eigenen Opfer mehr zu betrauern. Aber ich denke nicht, dass damit der Holocaust gänzlich verdrängt und vergessen wird. Ich gehöre nicht zu jenen, die das als ein Menetekel dafür sehen, dass die Deutschen meinen: Wir haben selbst viele Opfer zu beklagen, was gehen uns die anderen Opfer an, was schert uns, was anderen Völkern in dieser Zeit passiert ist. Ich habe jedenfalls nicht diesen Eindruck bei meinen Besuchen in Deutschland gewonnen.


Vesper: Sie waren 1985 erstmals in der Bundesrepublik. Warum nicht schon früher? Ihre Eltern haben Deutschland 1933 verlassen und »blickten nicht zurück – und sie erstarrten auch nicht zu Säulen aus dem Salz ihrer Tränen wie Lots Weib«, schreiben Sie in Ihrem Buch. Ging das so einfach? Ihr Vater wart Arzt, hatte noch 1933 an NS-Behörden einen Bitt-Brief geschrieben, dass er, Teilnehmer am Ersten Weltkrieg, als Arzt weiterhin nicht nur jüdische Patienten behandeln dürfe. Sie waren in diesem Deutschland verwurzelt.

Dan Bar-On: Sie schauten nach vorne. Sie wollten auch nach dem Krieg nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Urlaub machten sie in der Schweiz, nicht in Deutschland.


Vesper: Aber 1935 ist Ihre Mutter noch einmal nach Hamburg zurückgekehrt...

Dan Bar-On: Um ihre Eltern rauszuholen. Das war sehr mutig von ihr. Sie nahm meinen Bruder mit, als Lockvogel. Er war damals noch der einzige Enkel meiner Großeltern. Meine Mutter hatte Erfolg. Und so hatte ich in meiner Jugend, im Gegensatz zu den meisten meiner Altersgenossen, das Glück, Großeltern zu haben. Auch andere Angehörige unserer Familie verließen dank der Überredungskünste meiner Mutter Deutschland, gingen nach England oder in die Schweiz, konnten so dem Holocaust entkommen. Diese Reise meiner Mutter war also sehr wichtig gewesen.


Vesper: Sie selbst lockte 1985 ein interessantes Projekt nach Deutschland....

Dan Bar-On: Ja. In den 70er Jahren habe ich mit Familien von Holocaust-Opfern gearbeitet, habe versucht, ihnen bei der Bewältigung traumatischer Erfahrungen zu helfen. Eines Tages stellte ich mir die Frage, was denn auf der anderen Seite passiert, in den Familien der Nazi-Täter. Was ist aus deren Kindern geworden? Wie denken, wie fühlen sie, wie gehen sie mit dem Erbe um? Ich fand keine Literatur dazu und niemanden, der sich damit ernsthaft befasst hat. Ich dachte damals aber auch noch, ich könnte eine solche Untersuchung nicht machen, ich könne nicht nach Deutschland gehen und die Kinder der Täter aufsuchen. Das kann kein Jude, kein Israeli, dachte ich zunächst. Es verstrichen mehr als zwei Jahre, bis ich den Mut fand, es zu probieren. Und als ich dann einige Leute interviewt hatte, wurde mein Interesse immer stärker. Ich beschloss, die Sache fortzuführen. Ich fuhr sechs, sieben Mal für einige Wochen nach Deutschland und interviewte 90 Personen.


Vesper: Dazu gehörten die Söhne eines hochrangigen NS-Beamten und eines Gestapo-Mannes, die Töchter eines NS-Generals, eines Euthanasie-Arztes und eines Einsatzgruppenleiters. Und auch Martin Bormann, der Sohn von Hitlers »Sekretär«.

Dan Bar-On: Da gab es eine Zwischenstufe. Ich bemerkte bei meinen Interviews mit den Kindern der Täter, wie sie auftauten. Sie hatten bis dahin mit niemandem in Deutschland darüber reden können. Ich lud alle 90 Interviewten 1988 zu einer Konferenz in Wuppertal ein und versprach, dass Anonymität gewahrt bleibe. Zwölf von ihnen erschienen. Und sie beschlossen, sich regelmäßig zu treffen und eine eigene Gruppe zu bilden. Was sie auch taten. Ich habe an diesen Meetings nicht mehr teilgenommen.
Aber 1992 fragte ich sie, ob sie sich einer Gruppe Angehöriger von Holocaust-Überlebenden anschließen würden. Sie sagten Ja. Ich bat einige meiner Studenten und Kollegen in den USA, Boston und New York, von der Organisation »One generation after« hinzu. Wir waren anfangs im Ungewissen, ob das funktioniert, mit diesen Treffen zwischen Kindern der Täter und Kindern der Überlebenden von Auschwitz, Buchenwald und Bergen-Belsen. Unsere Gruppe »To Reflect and Trust« (TRT) ist in der israelischen Öffentlichkeit zunächst auf Ablehnung und Feindseligkeit gestoßen. Doch Mitte der 90er Jahre nahmen positive Reaktionen zu, erklärbar aus den politischen Veränderungen in der Welt, dem beginnenden Friedensprozess in Nahost und dem Generationswechsel in Israel.
Die Idee dieser Treffen ist ganz einfach: Storytelling und Listening. So nennen wir das. Sich gegenseitig die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Erzählen und Zuhören helfen, die eigenen Erfahrungen und Gefühle wie auch die der anderen zu verstehen und einen Dialog zu beginnen.


Vesper: Sie haben die TRT-Gruppe schließlich sogar noch erweitert.

Dan Bar-On: Ja, wir baten Leute aus Südafrika, Nordirland, Israel und Palästina hinzu. Trotz der großen Unterschiede bei all deren Konflikten – wir wollten testen, ob wir nicht den Dialog zwischen ihnen voranbringen könnten. Unser erstes Treffen hatten wir 1998, im Jahr darauf trafen wir uns in Bethlehem, 2002 in Nordirland und letzten Sommer in Barcelona. An Orten gegenwärtiger Konflikte konnten die Teilnehmer zeigen, was sie gelernt haben, wie sie das Gelernte adaptieren und in eine konkrete Situation übersetzen, übertragen, anwenden.


Vesper: Eine schöne Idee. Aber Zweifel sind erlaubt, ob via Dialog Misstrauen, Hass und Feindschaft zu beenden sind, nicht wahr?

Dan Bar-On: Lassen Sie uns nicht das Wort »beenden« benutzen. Man lernt zu leben mit dem Schmerz, den Leiden der Vergangenheit und der Gegenwart, auf unterschiedlichen Ebenen. Es gibt kein »enden«. Niemand kann abschließen mit dem Holocaust. Niemand kann abschließen mit dem großen Unrecht an den Palästinensern 1948. Aber man kann lernen, damit umzugehen. Im Dialog lernt man den anderen kennen, verstehen und respektieren, erfährt von des anderen Kultur und Religion, was wichtig ist, um die Differenzen zu begreifen. Man lernt zusammenzuleben auf unterschiedliche Weise.


Vesper: Und sich zu versöhnen?

Dan Bar-On: Ich mag das Wort »Versöhnung« nicht. Weil es unpassend ist angesichts so tiefer Wunden, über hundert Jahre im Fall von Nordirland, hundert Jahre in Südafrika und mehrere Jahrzehnte in Nahost.


Vesper: Schwer vorstellbar für mich ist, dass ein palästinensischer Vater, dessen Tochter von einem israelischen Besatzungssoldaten erschossen worden ist, in Dialog mit einer israelischen Mutter tritt, deren Sohn durch einen Selbstmordattentäter ums Leben kam.

Dan Bar-On: Doch, wir haben solche Beispiele. Es gibt eine Gruppe, die nennt sich Familien-Forum für Frieden. Hier begegnen sich Menschen, die ihre Kinder durch Selbstmordattentate oder Interventionen der israelischen Armee in Westbank oder Gaza verloren haben. 50 palästinensische und 50 israelische Familien treffen sich an den Wochenenden und teilen ihre Geschichten. Das ist sehr schwierig, sehr schmerzhaft. Ihr Ziel ist es, dass keine Eltern mehr um ihre Kinder trauern müssen. Und so arbeiten sie zusammen für eine andere Zukunft. Solche Formen und Projekte können eine Wandlung herbeiführen. Langsam, allmählich. Man muss geduldig sein. Aber wenn erstmal ein anderes Klima in Palästina und in Israel herrscht, dann kann man Veränderungen initiieren und herbeiführen.
Wir sahen das in Südafrika. Über 30 Jahre lang haben sich zur Zeit des Apartheid-Regimes in Schulen und Kirchen schwarze und weiße Menschen getroffen. Inseln in einem Meer von Fanatismus. Das war die Saat, die nach dem Ende der Apartheid aufgehen konnte.


Vesper: In einer Ihrer Gruppen hat eine Palästinenserin erklärt, sie habe das Gerede über den Holocaust satt; eine andere bestritt gar, dass es ihn gegeben habe. Wie gehen Sie damit um? Ist das nicht schockierend?

Dan Bar-On: Es ist erst einmal gut, dass die Leute sagen, was sie denken und fühlen, statt ihre Gedanken und Gefühle zu verstecken, zu verschweigen und oberflächlich freundlich zueinander zu sein. Natürlich war es ein Schock. Aber die Gruppe hat es verstanden, damit umzugehen, war erfolgreich. Diese Palästinenserin wusste nichts über den Holocaust. Sie hat nur von einem ihrer Politiker gehört, dass das eine Manipulation der israelischen Politiker sei. Erst durch die Gespräche in der Gruppe hat sie die Wahrheit erfahren. Wir hatten auch eine Israelin, die beanstandete, dass ihr in der Schule immer nur über den Holocaust berichtet wurde und nichts über die Vertreibung der Palästinenser. Das alles kam in dieser Gruppe hoch, und wir versuchten, dies zu klären. Dialog heißt nicht, dass man nett zu einander ist, sondern dass man über solche Dinge redet.


Vesper: Schließt Ihr Dialog auch andere Araber ein?

Dan Bar-On: Nein, mit ihnen haben Israelis weniger Schwierigkeiten.


Vesper: Sie unterstützten und unterstützen die Palästinenser.

Dan Bar-On: Sie manipulieren auch die Palästinenser. Das ist ein Teil der Geschichte, der noch nicht erzählt ist und erzählt werden sollte. Nicht nur die Briten und nicht nur Israel haben das Palästinenser-Problem instrumentalisiert, auch Ägypter, Syrier, Jordanier, Saudis... Das verkomplizierte den ganzen Konflikt. Später muss auch darüber geredet werden.


Vesper: Sie haben schon 1970 einen palästinensischen Staat gefordert und damit zur Minderheit in Israel gehört

Dan Bar-On: Zu einer sehr kleinen Minderheit.


Vesper: Inzwischen sehen wesentlich mehr Israelis ein, dass nur die Gewährung staatlicher Souveränität für die Palästinenser den Nahost-Krieg beenden kann.

Dan Bar-On: Unglücklicherweise hat es 35 Jahre gebraucht. Und viele, viele Menschenleben gekostet.


Vesper: Und doch gibt es noch vehementen Siedlerprotest...

Dan Bar-On: Die Siedler versuchen seit Jahren die israelische Gesellschaft zu kontrollieren. Und unsere Agenda. Und die Regierung lässt sie gewähren. Die Siedler tun so, als wenn sie mit ihrer Meinung die Mehrheit in Israel seien. In Wirklichkeit sind sie jetzt aber in der Minderheit. Es ist hart für sie, den Fakt zu akzeptieren, dass die Mehrheit der israelischen Gesellschaft den Konflikt beenden will. Denn das bedeutet, die Siedlungspolitik aufzugeben. Ich hoffe, dass die Siedler mit ihren Protesten keinen Erfolg haben. Die Mehrheit muss entscheiden und die Minderheit mit deren Entscheidungen leben. Ich habe auch über viele Jahre in der Minderheit mit der Mehrheit in Israel leben müssen, gegen meine Überzeugung, ohne die Mehrheit zu provozieren. Die Siedler haben nun die gleiche Lektion zu lernen.


Vesper: Sie »hoffen«. Oder sind Sie überzeugt?

Dan Bar-On: Es ist immer noch eine zerbrechliche Angelegenheit. Aber ich hoffe, dass wir im Juli oder August sagen können: Es ist vollbracht. Der Anfang ist gemacht. Das ist sehr wichtig für uns, weil wir damit zeigen, wir können, wenn wir wollen. Wenn nicht, wäre das sehr gefährlich für den Staat Israel. Weil das bedeuten würde, dass die Minderheit die Mehrheit bestimmen und die Zukunft diktieren kann.


Vesper: Im Kibbuz haben Sie als junger Mann, so schreiben Sie in ihrem Buch, zu sich gefunden: »Ich bin ein Israeli.« Identität ohne Fragezeichen. Und heute?

Dan Bar-On: In meinem vorherigen Buch »Die ›Anderen‹ in uns« erkläre ich den Unterschied zwischen dem monolithischen Zustand meiner Identität in der Kibbuz-Zeit und in späteren Jahren. Die monolithische Konstruktion ist zerbrochen, als ich herausgefunden habe, dass ich selbst kein monolithisches Wesen bin, mehrere Ichs in mir trage: Ich bin Jude, Israeli, vielleicht auch ein bisschen deutsch, bin männlich, bin ein Akademiker... Und das alles muss sich zusammenfügen, miteinander korrespondieren.


Vesper: Da war auch Ihre Erfahrung, im Krieg 1967 einen guten Freund verloren zu haben, waren Ihre eigenen Erlebnisse 1973 auf den Golan-Höhen. Wäre auch die Identität Israels neu zu definieren? Im Zuge eines neuen Friedensprozesses?

Dan Bar-On: Ja, das trifft auch auf Israel zu. Wir haben Einwanderer aus Russland, aus arabischen Ländern, Äthiopier, orthodoxe Juden, muslimische Fundamentalisten... Alle diese Gruppen sind isoliert, auf sich bezogen. Und es ist zu hoffen, dass bei einer friedlichen Übereinkunft mit den Palästinensern es auch gelingen wird, dass diese Gruppen in den Dialog zueinander treten. Israel wird ein multikultureller Staat mit jüdische Mehrheit. Die Qualität des Dialogs seiner Bürger unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion wird die Identität des Staates Israel prägen.

(ND 05.02.05)





[editiert: 06.02.05, 09:52 von bjk]
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