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Ludwig Baumann wird heute 90 Jahre alt - dem Deserteur ein Denkmal

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 13.12.11, 17:45  Betreff:  Re: Ludwig Baumann wird heute 90 Jahre alt - dem Deserteur ein Denkmal  drucken  weiterempfehlen

Lieber Ludwig Baumann, auch aus Berlin herzliche Glückwünsche!


noch mehr Fotos aus 2008: http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/22090170

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... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson


[editiert: 13.12.11, 17:46 von bjk]
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 13.12.11, 17:17  Betreff:  Ludwig Baumann wird heute 90 Jahre alt - dem Deserteur ein Denkmal  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen


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Fotos aus 2008: http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/22090170




gelesen in: http://de.indymedia.org/2011/11/320481.shtml



Dem Deserteur ein Denkmal

Dietmar Buttler 22.11.2011 12:38


In einen Gespräch mit Ludwig Baumann - dem wohl bekanntesten Deserteur des Zweiten Weltkrieges - bekommt man eine Ahnung davon, wie nah und gegenwärtig der Nationalsozialismus in der deutschen Nachkriegsgeschichte war und ist. Ludwig Baumann wird am 13. Dezember 2011 90 Jahre alt. In seiner Wohnung in Bremen stapeln sich Briefe und Akten, die von einem lebenslangen Kampf um Würde erzählen.

Zur Geschichte Ludwig Baumanns:
Wenn man heute dem geistig hellwachen und trotz seiner fast 90 Jahre rüstigen Menschen gegenübersitzt, ist auf dem ersten Blick kaum zu erkennen, wieviel deutsche Geschichte bzw. deutsche Unmenschlichkeit Ludwig Baumann erleiden musste. Baumann: " Hitler sagte: Der Soldat an der Front kann sterben, der Deserteur muß sterben. - Das haben die Wehrmachtsrichter umgesetzt. Sie haben an uns die blutigste juristische Verfolgung der deutschen Geschichte begangen. Über 30.000 Todesurteile, über 20.000 Hinrichtungen und bis zu 100.000 Verurteilte, die Konzentrationslager, Straflager oder Strafbataillone in der Regel nicht überlebten. Viele der Richter haben nach dem Krieg Karriere gemacht, einige sind sogar bis zu Bundesrichtern aufgestiegen. Im Westen ist nicht einer von ihnen bestraft worden. Die Richter, die in der DDR bestraft wurden, wurden 1992 mit dem mit dem Ersten (sogenannten) SED-Unrechtsbereinigungsgesetz rehabilitiert, die Urteile also aufgehoben, auch wenn diese Richter Dutzende oder Hunderte Todesurteile gefällt haben. Überlebt haben das Grauen in den KZs und Strafbattaillonen keine 4.000 von uns.Wir waren bis zum Jahre 2002 vorbestraft."

Ludwig Baumann wurde 1921 in Hamburg geboren. Hier wuchs er auch auf. Der Vater arbeitete sich aus einfachen Verhältnissen zum hanseatischen Tabakgroßhändler hoch. Als Legastheniker fiel Baumann die Schulzeit sehr schwer. Legasthenie wurde damals als Krankheit noch nicht erkannt. Er absolvierte nach seiner Schulzeit eine Maurerausbildung. Baumann:"In die "Hitlerjugend bin ich nicht gegangen., obwohl ich massiv dazu gedrängt wurde" 1940 wurde Ludwig Baumann mit 19 Jahren in die Kriegsmarine einberufen. Anfang 1942 an der Kanalküste in Frankreich stationiert, wurde er zusammen mit seinem auch aus Hamburg stammenden Freund Kurt Oldenburg für eine Hafenkompanie in Bordeux ausgesucht.

Im Frühjahr 1942 versuchten die Beiden - mit Hilfe französischer Freunde (Wachleute, Feuerwehrmänner und Hafenarbeiter aus Bordeux) zunächst in den unbesetzten Teil Frankreichs mit seiner Marionetten-Regierung von Hitlers Gnaden zu fliehen. Als nächste Station der beiden Deserteure war Marokko vorgesehen. Die zwei Deutschen lassen im Waffendepot Pistolen und Munition mitgehen. Eine deutsche Zollstreife faßt sie an der Demakationslinie zu Vichy-Frankreich. Baumann hierzu:" Die hielten uns nicht für bewaffnet, weshalb sie schräg vor uns liefen. Wir hatten entsicherte Pistolen in der Tasche und hätten sie erschießen können. Aber das haben wir nicht fertig gebracht. Ich möchte das nicht glorifizieren. Nur - wir haben sie einfach nicht erschießen können." Baumann weiter: "Ich habe erst später bei den Vernehmungen erfahren, daß sich unter den Franzosen auch einige von der Resistance befanden. Verraten haben wir - trotz Schläge bei den Vernehmungen - unsere französischen Freunde nicht."

Die Verhandlung vor dem Marinegericht am 30. Juni 1942 dauerte nur 40 Minuten. Marinekriegsgerichtsrat Dr. Lueder verurteilte Baumann und Oldendorf zum Tode. Dr Lueder. schrieb in seiner Urteilsbegründung:"Die Flucht vor der Fahne ist und bleibt das schimpflichste Verbrechen, das der deutsche Soldat begehen kann." Auf Intervention eines Geschäftsfreundes des Vaters wurden Baumann und Oldenburg von Großadmiral Raeder begnadigt. Die Todesurteile wurden am 20. August 1942 in eine Zuchthausstrafe von 12 Jahren umgewandelt. Bei der Marine wurde im Allgemeinen, wohl vor dem Hintergrund der Meutereien am Ende des Ersten Weltkrieges, nicht begnadigt. Dönitz, der ab Januar 1943 Nachfolger von Raeder Oberbefehlshaber der Marine wurde, stellte dann auch schriftlich klar: Bei mir wird kein Deserteur begnadigt.

Erst am 29. April 1943 wurde Baumann über seine Begnadigung unterrichtet. Baumann saß also acht Monate in Erwartung seiner Hinrichtung an Händen und Füssen gefesselt in der Todeszelle. Baumann:"Jeden Morgen, wenn ich die Schritte der Wächter hörte, dachte ich: Jetzt schlägt meine letzte Stunde." Man bringt Ludwig Baumann und Kurt Oldenburg schließlich ins KZ Emsland, von dort in die Wehrmachtsgefängnisse in Torgau Fort Zinna, wo ab 1943 auch das Reichskriegsgericht tagte. Über 1.300 Wehrmachtshäftlinge wurden in Torgau erschossen, erhängt oder enthauptet. Baumann:"Diejenigen, die Torgau überlebten, die kamen zu den Strafbataillionen. Bei Kriegsende sind diese Bataillione nur noch an der zusammenbrechenden Ostfront eingesetzt worden., um mit ihrem Leben den chaotischen deutschen Rückzug zu decken. Fast keiner von uns hat überlebt. Auch mein Freund Kurt Oldenburg nicht." Baumann wurde verwundet und kam nach Brünn ins Lazarett. Heute bekennt er über die Motive seiner Desertion:" Ich war damals ein unpolitischer Mensch. Die Fahnenflucht in Bordeaux war keine Heldentat. Wir haben aber u. a. in den Wochenschauen furchtbare Bilder vom Winterkrieg in der Sowjetunion gesehen - auch vom Leiden der russischen Kriegsgefangenen, die zu Hunderttausende auf freiem Feld eingekesselt wurden. Da wollte ich einfach nicht hin und an den Morden dort teilnehmen."

Baumann:"Nach dem Krieg hofften wir, daß unsere Handlungen anerkannt würden. Wir sind aber nur als Feiglinge, als Kriminelle, als Vorbestrafte, als Verräter beschimpft worden, wenn wir uns denn gemeldet haben." Viele der Überlebenden sind körperlich und seelisch zerbrochen. Ludwig Baumann flüchtet sich in den Alkohol, vertrinkt buchstäblich das Erbe des Vaters. Er kommt erst zu sich, als seine Frau bei der Geburt des sechsten Kindes stirbt. Die Begegnung mit der Friedensbewegung, insbesondere die Initiativen zur Errichtung von Denkmälern für Deserteure in vielen Städten der Republik, machte ihn zum politischen Menschen. 1986 wurde ein entsprechendes Denkmal im Bürgerhaus Bremen-Vegesack eingeweiht: Dem unbekannten Deserteur - ganz in der Nähe seiner Wohnung. Baumann:"Das hat mich entgültig dazu gebracht, mein Schicksal wieder in die Hand zu nehmen und darum zu kämpfen."

1990 gründete Baumann mit 36 alten Menschen - fast alle gebrechlich - die Bundesvereinigung Opfer der Militärjustiz e. V. Seitdem kämpft er unermüdlich für die Rehabilitierung der Deserteure. Schnell ging man an die Öffentlichkeit und zwang so den Bundestag, sich ihrer Sache anzunehmen.

1991 entschied das Bundessozialgericht, daß die Todesurteile gegen die Deserteure unrechtmäßig, die Militärgerichte Gehilfen des des NS-Terros gewesen seien. Den Hinterbliebenen der hingerichtenten Soldaten wurde eine Entschädigung zugesprochen. Künftig wurden die "Straftatzeiten" von Deserteuren, Wehrkraftzersetzern und Kriegsdienstverweigerern in der Rentenversicherung angerechnet. 1995 geißelte der Bundesgerichtshof Nazi-Richter als "Blut-Richter", die eigentlich wegen Rechtsbeugung und Kapitalverbrechen hätten bestraft werden müssen. Ludwig Baumann hierzu: "Die Nazi-Richter haben die Nachkriegsrechtsprechung entscheidend mitgeprägt. Sie gelten bis heute als unschuldig. Auch der Kriegsrichter Hans Fielbinger, der Wehrmachtsdeserteure noch bei Kriegsende mit Todesurteilen und Hinrichtungen verfolgte. Er ist einer dieser Blutrichter und Kapitalverbrecher, außerdem Ehrenvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg und wird dort bis heute von der Landesregierung geehrt .Erst als keiner mehr von ihnen im Amt war, traf der Bundesgerichtshof diese Feststellung."

Am 29. Mai 1998 segnete der Bundestag "das Gesetz zur Aufhebung von NS-Unrechtstaten" ab. Die Urteile gegen Deserteure wurden hiermit beileibe nicht pauschal aufgehoben.Nicht zuletzt auf Betreiben der CDU/CSU konnten nur solche Urteile aufgehoben werden, die aus politischen Gründen erfolgten. Die Deserteure mußten also ein politisches Motiv Ihrer Entfernnung von der Truppe nachweisen. Wurden etwa bei der Fahnenflucht Lebensmittel oder Zivilkleidung gestohlen, blieb dies eine kriminelle Handlung, eine Rehabilitierung erfolgte somit nicht. Baumann: "Für die Aufhebung jedes Urteiles hätte man die Staatsanwaltschaft einschalten müssen. Das konnte man den alten Männern nach einem Leben voller Diskriminierungen, Beleidigungen und Demütigungen nicht mehr zumuten. Als dann die SPD und die Grünen im September 1998 die Wahlen gewannen, hat es Frau Däubler-Gmelin, dann Bundesjustizministerin, mir schriftlich gegeben, daß unsere Urteile pauschal aufgehoben werden. Kurz danach führte die NATO Krieg gegen Jugoslawien, gegen das Völkerrecht und ohne UNO-Mandat - und da haben wir dann, trotz Bemühungen von Herta Däubler-Gmelin, auch Rot-Grün verloren. In der Folgezeit haben wir uns dann an die damals noch PDS gewandt".

Die PDS hat auf Wunsch der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz den früheren SPD-Gesetzentwurf wörtlich in den Bundestag eingebracht.

Am 17. Mai 2002 hebt der Bundestag die meisten NS-Militärgerichtsurteile auf. Dies bedeutet volle Rehabilitierung von Deserteuren, Kriegsdiensverweigerern, Wehrkraftzersetzern. Auch Baumann ist darunter. Er gilt nun nicht mehr als vorbestraft. Doch jene, die des "Kriegsverrates" für schuldig befunden wurden, blieben weiterhin ausgeklammert. Baumann:" Kriegsverrat ist Landesverrat im Krieg. Die Verfolgten haben Juden versteckt, sie haben Kriegsgefangenen geholfen, sie sind zu den Partisanen gegangen. Gegen sie gab es nur die Todesstrafe - keine Begnadigung." Die Begründungen - u. a. hätte es eine nicht auszuschließende Lebensgefährdung der deutschen Soldaten durch Kriegsverrat gegeben - hält Ludwig Baumann schlicht für skandalös. Baumann:"Nun war ja nicht jeder Soldat ein Täter, aber alle dienten in den Armeen, die den Vernichtungskrieg führten. Ich habe damals im Bundestag gesagt, es hätten ja Millionen von KZ-Insassen und Zivilisten und auch Soldaten nicht mehr zu sterben brauchen, wenn mehr Kriegsverrat begangen worden wäre! Und wenn man da die nicht auszuschließende Lebensgefährdung für deutsche Soldaten höher stellt als die mögliche Rettung von Zivilisten und KZ-Insassen, die millionenfach nicht mehr hätten zu sterben brauchen, dann hat Deutschland mit seiner Nazivergangenheit nicht eindeutig gebrochen.!"

2006 wurde der Gesetzentwurf zur Rehabilitierung der sogenannten Kriegsverräter von der Linksfraktion im Bundestag eingebracht. Am 8. September 2009 sind die Urteile wegen Kriegsverrat aufgehoben worden. Baumann:" Die Linksfraktion hat für uns dreieinhalb Jahre darum gekämpft, dann haben sich die Grünen entschlossen, auch für die Aufhebung zu stimmen, es folgten Teile der SPD. CDU/CSU und FDP haben schließlich unter der Bedingung, daß die Linksfraktion nicht beim gemeinsamen Antrag dabei sein darf, zugestimmt."

Nach der Rehabilitierung durch den Bundestag ist für Baumann der Kampf lange noch nicht vorbei: "Wir haben noch um Gedenkstätten, zum Beispiel in Torgau zu kämpfen!" Am ehemaligen Wehrmachtsgefängnis in Torgau, einer der Stätten des Leidens, befindet sich eine Gedenkstätte für die Gewaltopfer der NS-Herrschaft und der Nachkriegszeit. Baumann hierzu:"Da müßten wir ja auch Leute ehren, die unsere Peiniger waren, denn viele von den NS-Schergen saßen nach 1945 in dem Gefängnis." Torgau ist ein besonders dunkles Kapitel der heutigen Gedenkstättenpolitik. Bis vor kurzem war der ehemalige sächsische Justizminister Steffen Heitmann - bundesweit bekannt geworden durch seine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten - für Fort Zinna zuständig. Seine Äußerung, ihm sei das Gedenken an die nach 1945 Verfolgten wichtiger, ließ er gleich Taten folgen, indem er mit einem drei Meter hohen Kreuz im Anstaltsbereich genehmigte und zum Teil finanzierte. Baumann: "Der Deutsche Bundestag fordert wegen unserer schweren Verfolgung, in Torgau den Schwerpunkt des Gedenkens für die Opfer der NS-Militärjustiz zu verwirklichen. Uns wurde aber gegen unseren entschiedenen Widerstand eine Dauerausstellung im Torgauer Schloß aufgezwungen, mit der u. a. die NS-Täter pauschal zu unschuldigen Opfern gemacht wurden!"

Ludwig Baumann abschließend: "Mein ganzes Leben war wohl ein Kampf um Würde."

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... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen!
von Yossi Wolfson


[editiert: 13.12.11, 17:46 von bjk]
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