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Forum zum Thema BORDERLINE und seinen Symptomen.
 
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tantefee
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Beiträge: 1

New PostErstellt: 21.01.04, 19:43     Betreff: kleine Geschichte ...... Antwort mit Zitat  

Hallo Forum,

jetzt muß ich mich also seit ca.1/2 Jahr mit der BL Diagnose meiner Tochter auseinandersetzen.
Das hat viele alte Wunden wieder aufgerissen - wo ich doch seit ca. 8 Jahren der Meinung war endlich,endlich mit meiner eigenen Vergangenheit einigermaßen gut leben zu können und "in Frieden" abgeschlossen zu haben mit all dem Schmerz und Leid der früheren Jahre.
Sie ist jetzt 19. Vor ca. 2 Jahren fing sie an immer trauriger zu werden. Sie stand nachts auf Brücken,dachte ständig über den Tod nach,hörte mit Vorliebe Curt Cobain,fand sich auf einmal furchtbar häßlich,fett und unattraktiv (dabei ist sie im Gegenteil eher außergewöhnlich hübsch !) und stellte zunehmend ALLES in Frage - mich, sich selbst,Schule,Freunde - alles war auf einmal böse und schlecht.
Immerhin hatte sie oft noch genug Vertrauen,mir davon zu erzählen.
Aber ich wußte nicht,wie ich damit umgehen sollte.Es hat mir unendlich weh getan,sie so zu sehen und ich habe immer versucht ihr soweit es ging zu helfen.
An BL oder ähnliches hatte ich schon früh gedacht.Ich kannte ja die Symptomatik bestens aus eigener Erfahrung.Ich hatte ihr auch da schon vorgeschlagen es mit einer Therapie zu versuchen, aber da wollte sie noch nicht (ich bin doch nicht verrückt...) und mir war klar,daß ich sie nicht dazu zwingen konnte.
Außerdem hatte es ja meines Wissens für sie auch nie etwas wie G*w*lterfahrungen o.ä. gegeben. Allerdings gab´s halt ein paar andere "Brüche" in ihrem Leben (Vater früh gestorben - da war sie 3; ziemlich fragwürdige Großeltern: Verlust ihres "Vaterersatzes" mit 13 durch Trennung und dann meine Krebserkrankung,die ihr ganz furchtbar Angst gemacht hatte)
Anfang letzten Jahres fing sie dann an sich zu schn**d*n. Sie hatte angefangen Drogen zu nehmen(Kiffen/Ecstasy),obwohl sie früher immer ein glühender Verfechter gegen jegliche Art von Drogen -auch Alkohol- gewesen war.Schule war endgültig adacta gelegt.Ausbildung - nein Danke-
schaff ich sowieso nicht...interessiert mich auch nicht.
Ich erkannte mein Kind nicht mehr wieder.Entweder sie schlief tagelang (Depression) oder sie rannte manisch durch Gegend ,immer in Begleitung von ziemlich suspekten Gestalten,die ihr in keinster Weise das Wasser reichen konnten. Gesellschaft gegen das Alleinsein.
Egal was ich zu diesem Zeitpunkt sagte oder tat - es war falsch! Ich konnte sie nicht mehr erreichen in ihrem Zustand.
Aber sie rief an,manchmal stündlich,unter irgendeinem Vorwand. Hilferufe.
Manchmal mußte ich von der Arbeit nach Hause fahren,weil sie keine 5 Min. mehr leben wollte.Wenn ich dann dort ankam konnte es sein,daß sie fröhlich ihre Küche putzte (sie hat eine kleine Whg. im Haus) und plötzlich war wieder alles anders . Manchmal allerdings hatte sie auch mal wieder mit ihrem großen "Lieblingsm*ss*r " hantiert.
Therapie oder gar Klinik kam für sie nach wie vor nicht in Frage.
Es war einfach nur noch GRAUENHAFT. Ich fing an über Zwangseinweisung nachzudenken. Ich hatte das Gefühl, die Verantwortung nicht mehr weiter tragen zu können. Es hätte die Möglichkeit gegeben,sie entmündigen zu lassen.Aber das wollte ich ihr natürlich auch nicht antun.
Wahrscheinlich mußte erst der absolute Tiefpunkt erreicht werden,damit es auch wieder aufwärts gehen konnte.
Irgendwann - ich war mal wieder mitten am Tag nach Hause gefahren- ging gar nichts mehr. Sie schrie nur noch wie am Spieß, wollte sterben, erzählte völlig abstruse Dinge.Ich hatte eine Höllenangst.Sie wirkte so krank,so wirr,richtig schizoid schon fast.
Also ab in die Ambulanz. Ich mußte sie jetzt nicht mehr dazu überreden.
Sie wollte nicht dort bleiben,bekam aber endlich Medikamente. Erstmal zum ruhigstellen - dann Antidepressiva.
Seither geht es langsam aufwärts,auch wenn es dannach noch ein paarmal ähnliche Notfälle gab.
Wir haben dann lange nach einem geeigneten Therapeuten gesucht,was nicht einfach war.Ich wußte ja schließlich aus eigener leidvoller Erfahrung,was in diesem Bereich auch oft schieflaufen kann.
Zum Glück hatte sie meist ein sehr ähnliches Gefühl wie ich, wenn wir mal wieder aus einem "Vorstellungsgespräch" kamen.
Es gibt Wenige,die ambulant mit DBT arbeiten- eine weitere Hürde.
Nun macht sie seit bald 5 Mon. eine Langzeittherapie bei einem sehr netten
Therapeuten zu dem sie -soweit ich das beurteilen kann- großes Vertrauen hat.
Vor kurzem hat sie sich dafür bedankt, daß ich sie dann doch zur Therapie "geschleift" hätte.
Das hat gutgetan. Unser Verhältnis ist heute wieder sehr viel besser.

Als das Alles anfing ,dachte ich oft ich hätte versagt.
Da war es wieder,dieses altbekannte Gefühl aus früheren Zeiten,das ich längst bewältigt glaubte.
Du bist nichts,Du kannst nichts,Du bist es nicht wert geliebt zu werden - und jetzt bist Du noch nicht mal in der Lage Dein Kind zu einem einigermaßen glücklichen Menschen zu erziehen - obwohl Du ALLES ,aber wirklich Alles ganz anders machen wolltest,als die eigenen Eltern.
Natürlich hatte mein Vater auch heute noch nichts besseres zu tun,als mich in diesem Gefühl zu "bestärken".
("....Na das muß ja dann wohl an Deiner Erziehung liegen... jetzt weißt Du mal,wie das ist..... im Grunde gönne ich Dir diese Erfahrung.... Ich hab´ja schon immer gesagt,daß mit Deinem Erziehungsstil etwas nicht stimmt...
Sie hätte etwas mehr Druck gebraucht...eine starke Hand...")

Ja.ja - so wie mein Bruder und ich damals.
Sein Sohn ist tot,seine Tochter hat´s irgendwie überlebt, Dank professioneller Hilfe später auch recht gut - Nur er hat nichts gelernt.Gar nichts.Bis heute nicht.
Nach vielen Jahren "Ruhe" bin ich heute wieder so wütend.
Manche Dinge ändern sich offenbar NIE.

Weihnachten waren wir zum definitiv letzten Mal dort zu Besuch.
Nachdem meine Tochter mit Hilfe ihres Therapeuten nun endlich mal gewagt hat,auch bei ihren Großeltern ihre Meinung kundzutun,wo sie sich früher immer durch die Machtaura meines Vaters eingeschüchtert fühlte, ihre Oma aber immer recht gern hatte - auch immer so ein Konflikt - kam es diesmal zur Katastrophe.
Großmutter saß weinend am Tisch - ich habe meine Tochter "vergiftet"(mit Hilfe der bösen Psychologen) - und Schuld am Tod meines Bruders bin ich jetzt offenbar auch.
??????????????????????
Wir haben gepackt und sind gegangen.
Frohes Fest!

Warum ich diesen "Roman" schreibe:
Wenn ihr Kinder habt - passt auf sie auf !
Wir leben als BL- Eltern ständig in Gefahr unsere Kinder auch zu überfordern- vielleicht gerade weil wir alles gut und richtig und vor allem anders machen wollen. Das Gegenteil von Schlecht muß aber nicht immer Gut sein - es ist vielleicht oft auch nur eine andere Form von Abhängigkeit.

Vor Jahren hat mir mal ein Therapeut gesagt, ich müsse damit rechnen Fehler zu machen ,bei und mit meinem Kind.Ich hab das damals nicht geglaubt.Ich wollte wohl immer noch perfekt sein oder werden.
Aber er hatte Recht.Ein Huhn ,daß aus einem im Brutkasten ausgebrüteten Ei entschlüpft,weiß später nicht,wie es seine Küken aufziehen soll.
Wir sind Menschen-wir können denken,lesen,lernen,Einsichten gewinnen.
Und trotzdem "funktionieren " wir nicht anders ,als das Huhn.
Wenn uns Liebe,Wärme und Geborgenheit als Kind gefehlt haben, können wir diese auch nicht wirklich weitergeben.
Bei aller Einsicht oder vermeintlichen Heilung.

Und doch haben wir eine Chance indem wir lernen zu verzeihen.
Uns selbst,unseren Eltern und unseren Kindern (dafür,daß sie wütend sind auf uns - zurecht - weil sie nicht all das bekommen haben,was ihnen zustünde)
Mehr kann man nicht tun.

Was meine eigenen Eltern angeht,so habe ich das viele Jahre lang versucht und auch wie ich denke ganz gut hingekriegt.
Ohne Resonanz allerdings geht es nicht, wie Weihnachten jetzt wieder gezeigt hat.

Verzeihen ohne Reue ist wie ein Tropfen auf einen verregneten Fluß.
(Chinesisches Sprichwort)

.......und dann geht´s halt nicht

Liebe und Kraft Euch Allen tantefee

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